Wahlkrampf

In ein paar Wochen ist Bundestagswahl. Wenn man so nach draußen schaut, und einen Blick in den blauen Himmel wirft, die Menschen gemütlich über die Straße schlendern sieht, die Kinder beim Lachen und Spielen hört und in der Ferne die Glocken des ruhenden Sonntags über allem schweben- ist davon nicht viel zu sehen!

Auch in den täglichen Schlagzeilen liest man nicht viel darüber. Das einzige, was sich anscheinend verändert hat, ist die Schlagzahl der politischen Sendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern, bei denen „kritisch nachgefragt“ wird, was ja eigentlich zu begrüßen ist. Meistens läuft es aber darauf hinaus, dass ein paar ganz wenige obere Kandidaten von einigen wenigen Parteien eingeladen werden, Persönlichkeiten die man schon in- und auswändig kennt, die dann mit bewusst gewählten provokanten Thesen aufgestachelt werden, sich anschließend streitend in den Haaren liegen – was vom Sender dann anschließend als „Diskussion“ verkauft wird.

Positive Ausnahmen zum täglichen Einerlei sind kritische Artikel, die sich mit dem aktuellen Wahlkampf auseinander setzen, z.B. dieser hier.

Die Auftritte und Wahlkämpfe der Kanzlerin sind betont zurückhaltend, neuerdings ganz bürgernah, ruhig, präsidial, manchmal schnarchig. Klare Ecken und Kanten sind nicht ihr Ding. Sie vermeidet lieber eine klare Aussage und verschweigt den Bürgern die Wahrheit über wichtige Themen. Einlullen ist die Devise. Wo man sich nicht zur Diskussion stellt, entsteht auch kein Widerspruch. Die Taktik der Machterhaltung ist einfach: Ein gedoptes, eingeschläfertes, williges, wahlmüdes und gelangweiltes Volk, das jeglichen Willen zur Veränderung verloren hat. Wie auch, wenn die liebste Freizeitbeschäftigung der Deutschen mittlerweile das Fernsehen ist? Bei weiterhin sinkender Freizeit, versteht sich…

Es ist ja auch viel einfacher alles so zu lassen wie es ist. Was soll schon mit einem Wahlzettel anders werden, den man mal alle vier Jahre in eine Box werfen kann? Der Einfluss des Wählers und obersten Souveräns- dem Bürger- ist denkbar gering . Die einzelne Stimme zählt nicht wirklich. Die großen Parteien machen den Sieg unter sich aus und die kleinen laufen mal wieder am Rande.

Positiv zu erwählen ist der „Wahl-o-mat“, ein virtuelles Frage- und Antwort-Spiel, mit dem man seine eigenen politischen Denkweisen mit kurzen Thesen aus Wahlprogrammen aller Parteien vergleichen und abgleichen kann:

http://www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat/

Dieses Tool richtet sich vor allem an Erstwähler und Menschen, die bei ihrer Wahlentscheidung noch unsicher sind. Der große Vorteil ist, dass aus dem täglichen Politik-Geschwätz und -Einerlei konkrete Aussagen und Inhalte herauskristallisiert werden. Freilich, so war zu hören, soll bei den Aussagen auch geschummelt werden. Nicht jede Partei wird sich bei jedem Thema so konkret festlegen lassen (wollen).

Ich hab den Test gleich am ersten Tag gemacht. Ein paar Mal ist er mit der Meldung „service not available, error 503“ abgestürzt, bzw. überlastet gewesen. Als ich dann endlich alle Fragen durch hatte, drei davon besonders stark gewichtet habe und ca. 10 der wichtigsten Parteien markiert hattte, war ich über das Ergebnis erstaunt: Größte Übereinstimmung mit den Piraten!

Dabei hatte ich die gar nicht auf den Schirm. Meine eigentliche Lieblingspartei und bisheriger Favorit landet weiter abgeschlagen auf hinteren Plätzen. Große Übereinstimmung habe ich außerdem mit „Den Frauen“, eine Partei die ich bis jetzt gar nicht kannte und die bundesweit auch nur sehr klein ist. (0,1 Prozent, 300 Mitglieder )

Das hängt aber auch sehr davon ab, welche Parteien man in die Vergleichsliste holt und wo man intern den Fokus setzt. Und sind 70% wirklich eine große Übereinstimmung? Zudem viele Parteien ja intern ganz andere Themen haben, für die wichtiger sind. Was bringt z.B. die Tatsache, dass die Piraten für das bedingungslose Grundeinkommen sind, aber in der Öffentlichkeit eher für ihr Engagement in der Netzpolitik bekannt sind? Wer eine reine soziale Partei wählen möchte, muss wohl eher die Linken oder die SPD wählen.

Überhaupt die SPD. Es scheint der schlechte Wahlkampf in ihrer Geschichte zu sein. Zuerst die lange Suche nach einem richtigen Kandidaten. Und als man sich dann endlich für Steinbrück entschieden hatte, war klar, dass dieser in der Öffentlichkeit und den Beliebtheitswerten nicht so gut ankommt. Monate vorher hat man das gewusst. Aber es wird nicht darauf reagiert. Warum nicht? Warum ist die Partei da so zäh und nimmt nicht einfach einen Kandidat, der sympathischer ist und das soziale Profil der SPD besser vermitteln kann? Vielleicht, weil es mittlerweile so wenige davon gibt?

Spätestens seit der Affäre mit den bezahlten Vorträgen war Steinbrück für die meisten unten durch. Er wirkt einfach zu kantig, zu spröde, zu norddeutsch und nicht bequem genug. Mutti Merkel geht da eher ans Herz. Auch wenn das alles nur Fassade ist. Wo sich die Politik um die Auseinandersetzung und das Offenlegen von echten Inhalten drückt und das Wahlkampfvolk müder als je ist, verkürzt sich der Wahlkampf umso mehr auf die Gesichter, auf die Persönlichkeiten,die man „irgendwo einordnen“ kann, auch wenn man nicht stundenlange Diskussionen im Fernsehen verfolgen mag.

Und dann ist ja noch dieses „Duell“. Das einzige, heute abend. Das einzige, obwohl es soviele Parteien gibt. Soviele Kandidaten, soviele Menschen, die etwas zu sagen hätte. Man fühlt sich fast wie in den USA, wo der ganze Wahlkampf auf zwei Personen reduziert wird. Eine präsidiale Demokratie wird vorgegaukelt. Und wenn das alles nichts hilft, kann man ja immer noch Schlägertruppen aus der Weimarer Republik einsetzen, um allzu kritische Gegner einzuschüchtern.

Wie soll da echtes politisches Interesse aufkommen?

Brennende Themen, die für die nächsten Jahre wichtig sind, und alle etwas angehen, gäbe es genug: Die Energiewende, demografische Veränderungen und die Umstrukturierung von Renten- und Sozialsystemen, die Zuwanderungs- und Asylpolitik, der Umgang mit internationalen Konflikten, die Euro-Krise oder die Mindestlohndebatte.

Wenn das mit dem einlullenden Wahlkrampf so weitergeht, bewegen wir uns immer mehr in eine Schein-Demokratie. In eine Medien-Demokratie, wo das korrekte Auftreten, die „guten Bilder“ und das Vermeiden von Extremen wichtiger als echte Persönlichkeiten und inhaltliche Aussagen sind.

2 Gedanken zu „Wahlkrampf“

  1. Vielleicht kommt in den letzten 3 Wochen ja doch noch mehr Bewegung in den Wahlkampf, als es bisher den Anschein hat. Vielleicht nur ein Wunschtraum von mir. Aber das träumen – das kann uns keiner verbieten 🙂

  2. ja, ein bisschen anziehen wird er sicherlich noch. Zumindest das TV gibt sich größte Mühe von außen etwas mehr Dampf reinzubringen und die Kanditaten mit kritischen Fragen herauszukitzeln.

    Allerdings soll heute schon wieder die letzte Bundestags-Sitzung vor der Wahl sein. Ich frage mich, was machen die danach? Herumsitzen und Däumchen drehen und hoffen, dass alles schon gut wird? 😉

    vg, Julia

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