Schuldgefühle – Eine Sammlung

Heute möchte ich mal über das Thema „Schuld“ und „Verantwortung“ schreiben. Ich bin darauf gekommen, weil ich es häufig von mir selbst merke, dass ich mich für Dinge oder Menschen verantwortlich fühle, für die ich nicht verantwortlich bin.

Ich fühle mich dann „schuldig“. Das Thema ist manchmal omnipräsent bei mir. Ich fühle mich für alles mögliche verantwortlich und ich fühle mich dann immer schuldig. Und was macht so ein Gefühl mit einem, wenn man es ständig oder oft erlebt? Richtig: Man entwickelt eine depressive und gedrückte Haltung. Dieses Gefühl, immer für andere da sein zu müssen und deren Fehler auf sich nehmen zu müssen, ist ein Gefühl, dass sich primär gegen einen selbst richtet und im eigenen Kopf stattfindet. Was tatsächlich passiert, oder wie der Ausgang einer Situation ist, ist erstmal unerheblich. Wenn man Schuldgefühle dauerhaft und langanhaltend erlebt, können diese ganz schön am Ego und Selbstbewusstsein „knabbern“. Man hat dann eine dauerhaft gedrückte Stimmung, man ist angespannt, hat Kopfschmerzen, Magen/Darm Probleme oder Schlafstörungen. Man bekommt das Gefühl nicht „weg“, es ist einfach da und geht einem auf die Nerven.

Das Schlimme an Schuldgefühlen ist, dass man sich häufig für Situationen, Menschen oder Dinge verantwortlich fühlt, die man nicht beeinflussen kann. Das liegt daran, weil man den eigenen Anteil an einer Situation nicht richtig erkennt und meistens überbewertet. Eine etwas objektive und distanziertere Haltung (weniger Gefühle!) kann dann manchmal hilfreich sein. Frage Dich : Bin ich wirklich verantwortlich? Konnte ich das kommen sehen? Wie stark kann mein Einfluss überhaupt sein? Was ist mit dem Willen der anderen und deren Entscheidungen? Meistens passieren negative Situationen auf Grund einer Ansammlung von verschiedenen Faktoren und Parametern. Sie entwickeln eine Eigendynamik, die man gar nicht richtig beeinflussen kann.

Das kann z.B. eine Entscheidung im Job sein, ein Missgeschick im Haushalt, die Lernunwilligkeit der Kinder, der chaotische und wilde Hund, ein misslungenes Essen oder der grantige Großvater sein, für dem an sich ständig verantwortlich fühlt. Ganz richtig: Es geht um das Gefühl, nicht die Tatsache. Und wenn es nur ein Gefühl ist, kann man es auch ändern. Durch eine andere Einstellung und eine andere Haltung.

Man übernimmt den Ärger, die Sorgen, die Anschuldigungen von anderen Menschen, weil man irgendwie meint, dass das so richtig ist. In der Familie übernimmt man die Verantwortung für den Haushalt, für die Kinder, für die Sauberkeit, für das Verhalten der Familienmitglieder, für das Netto-Einkommen, usw. Es kann einfach jeden Tag etwas „passieren“, es kann jeden Tag eine unerwartete Meldung eintrudeln, die einem das Gleichgewicht raubt. Viel besser ist es daher, dieses übermäßige Verantwortungsfühl von Anfang an ein bisschen zurück zu drängen oder anders damit umzugehen. Was auch sehr hilfreich sein kann, ist Urlaub oder „Abstand auf Zeit“. Nur das Loslösen aus dieser ganzen Verantwortung kann auch schon eine Aufgabe sein, je nachdem wie stark und wie tief man verstrickt ist und wie stark die Schuldgefühle sind, die wiederum von anderen erzeugt werden.

In den Medien und im Social Media- Alltag sind wir zusätzlich von negativen und unbeeinflussbaren Entwicklungen in der Welt umgeben. Es heißt ja nicht umsonst „die Macht der Medien“ bzw. die „Influencer“. Sie wollen uns beeinflussen, im guten wie im Schlechten. Wir sind das Opfer, weil wir empfangen und nichts ändern können- wir können nichts machen, außer uns negativ, positiv oder sonst wie zu fühlen.

Gefühle und Schuldgefühle werden also auch weitergegeben und über die Medien vermittelt.

Aber es kann im Grunde ja nur ein Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit hinterlassen, wenn man auf der einen Seite dieses starke Gefühl der Schuld hat, aber auf der anderen Seite praktisch nichts unternehmen kann. Mitfühlende und empfindliche Menschen mit einem starken Gerechtigkeitsempfinden werden auf die Äußerungen der Welt stärker als andere reagieren. Es ist also auch ein Problem der eigenen Empfindlichkeit und der Filter, die man der täglichen Medienwelt anlegt.

Man gewöhnt sich dann so eine dauerhaft negative Haltung an und sieht die Dinge im schwärzesten Licht. „Das wird bestimmt schief gehen“ oder „ich erwarte das schlimmste“ sind dann Gefühle, die leicht überhand nehmen. Auch wenn die Dinge objektiv vielleicht gut laufen oder gar kein Problem sind, ist man in der dauerhaften Erwartung, dass sie ins negative kippen könnten. Einfach, weil man mit dem Gefühl der Schuld und Unzulänglichkeit viel besser vertraut ist, als mit Erfolgserlebnissen und positiven Ausgängen.

Wenn man im Leben schon häufig negative Dinge erlebt hat, oder z.B. durch die Kindheit mit schlimmen Erfahrungen konfrontiert war, kann sich so eine automatische Erwartungshaltung leichter einstellen. Es ist 10mal schief gegangen, warum sollte es jetzt beim elften Mal ausgerechnet gut laufen? Dabei hilft, das „schief gegangen“ genauer anzuschauen und zu bewerten. Ist es wirklich „schief gegangen“? Welche Maßstäbe lege ich an? Welchen Anteil hatte ich dabei? Bin ich wirklich 100 Prozent dafür verantwortlich gewesen oder lag es jenseits meiner Möglichkeiten? Überschätze ich gar meine Möglichkeiten und meine Fähigkeiten?

Dann wäre ein bisschen mehr Bescheidenheit gut.

Ich bin oft so neidisch, wenn ich sehe, wieviel leichter andere mit ihrem Leben umgehen können. Sie können es unbeschwerter leben, weil sie von den Problemen der anderen nicht so mitgenommen werden. „Sie machen einfach ihr Ding“, ziehen es durch, machen worauf sie Lust haben und erkennen gar nicht, dass vielleicht ein Teil der „Verantwortung“ auch von ihnen verlangt wird.

Aber den Neid sollte man am besten durch was anderes ersetzen: Durch Verständnis für diese Menschen. Wie kann er/sie so reagieren? Wie laufen bei ihm/ ihr die Bewertungen? Was kann ich dadurch lernen? Was ist mein Fehler, meine Unzulänglichkeit im Bezug auf das unerwünschte Verhalten? Ein bisschen Selbstkritik und Arbeiten an einem selbst kann dann Wunder bewirken.

Linksammlung und weiterführende Infos

Häufig ist es so, dass sich in unserer Gesellschaft Frauen schuldig und verantwortlich fühlen und Männer häufig die sind, die ihr Leben freier und unbeschwerter leben. Über den weiblichen Anteil bei den Schuldgefühlen kann man hier mehr nachlesen: https://www.palverlag.de/schuldgefuehle-kapitel5.html

Es ist sicherlich Erziehungssache und moralische Grundsätze über das Leben werden auch sehr stark in der Gesellschaft durch Freunde, Familie, uws. weiter gegeben. Es ist also auch eine gesellschaftliche Frage, wie und wie stark Frauen in die Verantwortung genommen werden und was man von ihnen erwartet. In Deutschland ist die Bedeutung der „Mutterrolle“ und der klassischen Tugenden, die von Frauen erwartet werden, immer noch sehr hoch. Man kann sich also nicht wirklich „frei“ davon machen. Die Minderwertigkeitskomplexe, die häufig schon junge Frauen entwickeln, hat mit dem Verständnis und dem Selbst-Verständnis der weiblichen Rolle zu tun. Wer also diese speziell weiblichen Bereiche besser lösen möchte, dem würde ich empfehlen, sich mehr mit Emanzipationsthemen und Feminismus im Allgemeinen zu beschäftigen. Dies hilft, einen objektiveren Standpunkt im Bezug auf die weibliche Rolle und das eigene Selbstverständnis zu erlangen.

Wie schön es wäre, mal ganz losgelöst von allen Problemen zu sein, kann man bei der „Checkerin“ nachlesen, die darüber schreibt, wie verlockend für sie daher ein Gang ins Kloster wäre:

https://www.diecheckerin.de/ueber-verantwortlichkeit-und-ueberverantwortlichkeit/

Man muss aber auch bedenken, dass die übermäßigen Schuldgefühle, die man häufig bei Frauen findet, nicht immer so produktiv für das Zusammenleben sind. Sehr treffend beschrieben wurde das im folgenden Beitrag: https://wera-naegler.de/verantwortlich-fuehlen/

Es kann andere sogar in ihrem eigenen Ego verletzen oder kränken, wenn man sie ständig „bemuttert“ oder ihre Entscheidungen beeinflussen oder vorweg nehmen müssen. Dann muss die Frage lauten: Inwieweit dient meine Verantwortungsrolle, die ich gewählt habe, auch dem eigenen Ego?

Wenn man sich ständig verantwortlich fühlt, kann es auch leicht passieren, dass man diese Einstellung ins Berufsleben übernimmt. Man fängt dann an, zuviel zu arbeiten oder die Arbeit von anderen mitzumachen. Vielleicht übernimmt man die Arbeit von einem dauerkranken Kollegen? Vielleicht mutet man sich in der Selbstständigkeit zuviel zu? Das Thema Arbeit ist auf jeden Fall ein Thema, dass dann auch schnell in den Burnout führen kann. Einfach, weil die Arbeit unendlich ist und theoretisch „nie fertig“ wird.

https://janineallnoch.com/hoer-auf-dich-fuer-alles-verantwortlich-zu-fuehlen/

2 Gedanken zu „Schuldgefühle – Eine Sammlung“

  1. Wow, hast Du viele Links zum Thema zusammengetragen! So profund Dich damit auseinandergesetzt!

    Spontan fällt mir dazu Alice Schwarzer ein. Letztens habe ich einen kurzen Beitrag zu ihr gehört. Anscheinend ist sie bei ihren Grosseltern aufgewachsen, die sie eben nicht „indoktriniert“ haben. Dann ist sie grösser geworden, älter, geht in die Welt hinaus und muss feststellen, das dies, das und jenes so gar nicht „ladylike“ sind, dass es für Frauen tausenderlei Beschränkungen gibt. Statt in Ängstlichkeit, Depression, … zu versinken, geht sie die Sache an.

    Das nächste, was mir einfällt: Das derzeitige Titelbild bei SWR1 Baden-Württemberg.
    Die haben die Hörer dazu aufgerufen, ihnen Fotos aus den 80ern zu schicken. Und das Bild einer Moped-Gang – alles Männer, alle jung – hat es auf die Homepage geschafft, an prominenter Stelle.
    Dämliche Wahl, so gar nicht mehr zeitgemäss, denn es zeigt sehr deutlich, dass Freiheit, Unabhängigkeit, Sturm und Drang, … nur den jungen Männern zugestanden wurde. Mädchen und Frauen sind da aussen vor, höchstens zur Zierde zugelassen.
    Herzlichen Dank, so eine Haltung ist unbrauchbar.

    1. Hallo Sabine, danke für Deinen interessanten Kommentar. Ich hab mir das eben auf SWR1 rausgesucht und dann auch gefunden. 😉 Ja früher in den 80ern war das bestimmt noch stärker ausgeprägt als heute. Ich bin aber beim Recherchieren wirklich erschrocken, wieviel Artikel es zum Thema „Schuldgefühle“ gibt und dass die natürlich fast alle von Frauen geschrieben worden sind. Alleine das sagt ja viel aus. Das Thema hat mich ziemlich beschäftigt und vielleicht schreibe ich noch einen zweiten Teil.

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