Der Fernsehabend

Die dümmsten Eltern der Welt

Eigentlich wollte ich gestern Abend gar nicht fernsehen. Da es draußen aber regnete, ich von der anstrengenden Woche noch müde war und zudem gerade eine Pizza im Ofen hatte, beschloss ich, ein wenig herumzuzappen. Wie so oft, kam nach der ausführlichen Lektüre der Programmzeitschrift erstmal nicht viel Interessantes. Da war nur die Sendung „Die strengsten Eltern der Welt“, die ich wenigstens mal kennenlernen und reinschalten wollte. Da ich überzeugte Anhängerin der antiautoritären Erziehung bin, war mir schon von Anfang an klar, dass das Format wahrscheinlich nichts für mich sein wird. Und so war es dann auch. Zwei Jugendliche aus sozial schwachen Familien, mit völlig überforderten und allein gelassenen Müttern benehmen sich „unmöglich“ und „frech“ und „wollen nix lernen“. Sie zum Beispiel, eine verzogene Göre mit dem hübschen Namen „Julia“, kaute ständig auf dem Kaugummi herum, trug nur die besten Klamotten und Make-Ups (für die sie dann ihr ganzes Geld ausgab) und telefonierte und simste ständig, sogar beim Essen, unter dem Tisch. Ich habe mir dabei gedacht „oh, fein- eine kommunikationsfreudige Person, wie schön, dass sie so viele Kontakte hat und sich um andere Menschen kümmert, von der kann ich noch was lernen…“, aber die dicke Mutter war schneller und plärrte aufgebracht in die Kamera „dass es so nicht weitergeht“ und hier „dringender Handlungsbedarf“ besteht. Tja, und wer kann da mehr Hilfe leisten, als der werbe-finanzierte und auf Profit ausgerichtete Privatsender??

Wer braucht schon Sozialpädagogen- wir haben ja die Öffentlichkeit. Und in der können wir schön alles breit treten, die Lösung fällt anschließend vom Himmel. Die Jugendlichen werden ihrer Würde beraubt, lächerlich gemacht und zum Opfer der habgierigen Erwachsenen. Aber davon spricht in der Doku natürlich niemand. Nein, das Prinzip „Disziplin“ wird, wie im guten alten Nazi-Deutschland, als die einzige wirksame Tugend hoch gehalten und die deutschen Gasteltern aus Namibia, zu denen die beiden Jugendlichen transferiert werden, versprühen auch einen entsprechenden, humorlosen Charme. In ihrer verstaubten, grau-braunen Wohnung machen die „neue Mutter“ mit der Igel-Bürstenfrisur (oder war´s ein Militärschnitt??) und der dicke Mann mit dem undefinierbaren Gesicht den beiden Jugendlichen erstmal klar, wie hier der Hase hängt. Rechtwinklig, nämlich. Die Lehrerin einer katholischen Klosterschule versteht nämlich keinen Spaß und anstatt modernen pädagogischen Werten und herzliches Mitgefühl versprüht sie eher- hm sagen wir : Kälte.

Als dann die Schuluniformen rausgezogen wurden, wurde klar, wie es hier weiterlaufen wird und das Format begann mich ganz furchtbar zu langweilen.

Jarhead- Gestorben wird morgen

Nach einer kurzen Küchen- und Computerpause klapperte ich mit dem Pizza-Teller wieder auf die Couch und schaltete in den Anti-Kriegsfilm „Jarhead“ ein, den ich allerdings schon mal gesehen hatte (hm die letzte Ausstrahlung ist gerade mal gefühlte drei Monate her).

Dieser Film ist eine seltsame Mischung aus Amerikanismus, Militärkritik, Parodie und Persiflage. Der Film ist aber nicht stringent genug aufgebaut, um eine einzige Sache davon überzeugend darzubringen.

Er schwankt zwischen Verehrung für das amerikanische Militär und stellt den Alltag meist lustig und „gesellig“ dar, als typische Ansammlung von jungen kräftigen Männern, die nicht viel mehr im Sinn haben als Alkohol, Frauen und Selbstbefriedigung. Und derbe, auf den Punkt getroffene Witze natürlich, von denen der Film am meisten profitiert.

Dann aber auch die Langeweile und Sinnlosigkeit des ersten Irak-Krieges der Amerikaner. Tausende von Männern in der Wüste, die nicht viel mehr zu tun haben als auf ihren Einsatzbefehl zu warten- wie sie sich die Zeit vertreiben, macht den Großteil des Filmes aus- und das ist mir etwas zu wenig.

Kritische und militärfeindliche Töne spuckt der Film zu wenig aus. Die wirklichen Grausamkeiten, die Abartigkeiten kommen nur schön verpackt daher- aber nicht so brachial und einleuchtend wie in anderen Größen des Genres (z.B. Platoon, Full Metal Jacket oder Apokalypse Now).

Etwas derb und treffend ist der Beschuss mit „friendly fire“: Zuerst jubeln die marschierenden Soldaten den Kampfbombern zu, die über sie hinweg donnern, dann drehen diese bei und nehmen die eigenen Soldaten kurzerhand unter Beschuss. Was übrig bleibt sind Tote, Entsetzen und ein großes leeres Loch in der patriotischen Brust.

Dennoch können der Humor des Films und seine Hauptdarsteller immer wieder mitreißen und machen den Film letztendlich doch sehenswert.

Da ich den Film schon kannte, schaltete ich in den Werbepausen immer mal wieder auf

Frauentausch

um. Dieses Format ist ein uraltes „soziales Brennpunkt“-Format des Senders RTL 2. Mich wundert, dass es sich so lange halten konnte und nie durch „Männertausch“ , „Söhne gehen ihren Weg“ oder „Die männliche Identität im Zwiespalt der Gegenwart“ umbenannt wurde. Soziale Fragen sind anscheinend immer noch Frauen-Fragen, nur so lässt sich erklären, warum die Familien sich in ihrer Art dramatisch ändern, wenn man eben schnell die Mutter austauscht. Warum aber nicht den Mann? Naja, wahrscheinlich weil es so wenige intakte Familien gibt, wo es noch beide Elternteile gibt und dann meistens die Mutter herhalten muss, weil sie die einzige ist, die noch übrig ist…

Die Medienleute sind natürlich schlau und suchen sich absichtlich Familien aus, bei denen die sozialen Begebenheiten und der Haussegen anders gestrickt sind, so dass durch den Austausch möglichst viele Spannungen entstehen und dem Sender hoffentlich Skandale, Spannung und damit Einschaltquoten generieren. Es ist so eine Art „Hahnenkampf auf Knopfdruck“, nur dass man keine Tiere nimmt, sondern eben Frauen.

Im Hintergrund ziehen wahrscheinlich männliche Alphatiere die Seile und freuen sich diebisch darüber, wenn es mal wieder ordentlich kracht. Dass dabei tausende von Familien der Lächerlichkeit preisgegeben werden, das stört anscheinend niemand im verblödeten Fernseh-Deutschland. Nein, im Frauentausch gibt man sich noch nicht mal mehr die Mühe, es einem pädagogischen Anstrich, wie z.B. in der wertvolleren „Super-Nanny“ zu geben, man richtet den Menschen auch keine Wohnung ein und drückt auf die Tränendrüse, wie in den zahlreichen Häuser-Soaps. Nein, Frauentausch ist mehr eine Art „Bildungsfernsehen“ für Millionen von deutschen Haushalten, in denen es ähnlich beschissen läuft, wie in den jeweiligen gezeigten.

Oder muss man sagen, etwas beschissen-er und hier liegt am Ende der Reiz?

Und darum ging´s (ja so eine Werbepause kann verdammt lang sein):

Überselbstbewusstes, aufgedonnertes Schnittchen (Nageldesignerin) aus reinem Frauenhaushalt kommt in eine „intakte“ Familie, bestehend aus masochistischer, ungepflegter und leicht dümmlicher Hausfrau (Reinigungskraft), die sich mit ihren beiden männlichen Söhnen und dem Ober-Macho- ihrem ungeliebten Ehemann- herumschlägt.

Es kommt, wie es kommen muss, die Nageldesignerin ist bis zum Rande aufgebläht mit feministischem Gedankengut und zieht dem Macho erstmal ordentlich eins mit dem virtuellen Nudelholz über die Rübe. Der sitzt breitbeinig auf der Couch, grinst dämlich-verlegen und steckt sich erstmal eine Zigarette an. Aber ein echter Kerl (wer sitzt denn da daneben.. der Nachbar oder gar der Opa?) wie er, lässt sich natürlich nichts gefallen und so dauert es nicht lange, bis er herumbrüllt. Dem Zuschauer wird schon bald klar, dass hier zwei sehr dominante Persönlichkeiten aufeinander getroffen sind und das nicht lange gutgehen kann… und so kommt es dann auch.

Das letzte Friedensangebot der hübschen, 32 jährigen Blonden, gesundes frisch gekauftes Gemüse im verqualmten Männerhaushalt zu kochen, geht natürlich schief, weil der Obermacker befiehlt, dass das Hackfleich zu verarbeiten und zu essen sei, dass er gekauft und mit viel Mühe vorbereitet hat (= in den Kühlschrank gesteckt hat).

Erstaunlich gefasst, versucht die Emanze auf Probezeit nochmal den älteren Sohn auf ihre Seite zu ziehen- vergebens. Der Männerbund zwischen Sohn und Vater hält den Generationen stand und wird auch noch die nächste Eiszeit überstehen.. die dann schon bald im Hause X einzieht, denn die weibliche Damenwelt verlässt erbost und auch traurig das Schlachtfeld.

Zwischenzeitlich hat man versucht, der unterwürfigen Hausfrau ein wenig emanzipatorisches Gedankengut in ihr anscheinend zu kleines Gehirn zu prägen, was diese dann mehr schlecht als recht umsetzen kann. Immerhin, sie arbeitet an ihrem Äußeren und treibt ein wenig Sport. Aber ob sie dem Gefängnis Ehemann und Macho-Burg auf die Dauer entkommen kann, das steht doch weit in den Sternen.

Fazit

Morgen mach ich wieder einen Bücherabend.

8 Gedanken zu „Der Fernsehabend“

  1. Gestern kam noch ein Beitrag über die Lyrikerin Hilde Domin. Aber ich habe es leider nicht geschafft bis 22.50 Uhr wach zubleiben. Ich hätte ihn sehr gerne gesehen.

    Oder den Film mit der netten französischen Schauspielerin, die auch die Amelie gespielt hat. Aber selbst den habe ich verschlafen.

  2. Ein Samstagabend: Freunde einladen, NICHT über Geld reden, den Spieleschrank öffnen, gemeinsam etwas Spielen. Gemütlich einen (oder zwei bis drei Gläser 😉 ) Wein trinken und dabei den CD-Spieler dudeln lassen …

    oder die Programmzeitschrift bei den kleingedruckten Sendern gründlich durchsuchen (ARTE, 3Sat, Phoenix, ZDF-Dokukanal, ZDF-Theaterkanal, ARD, die dritten Programme, die digitalen Sender der ARD, SKY-Sport 🙂 etc. Da finden sich sehenswerte Sendungen; wenn nichts dabei ist, das Bücherregal entstauben und die Werke entdecken, die sich dort verbergen. Bücherregal vorausgesetzt …

    Es soll auch die Möglichkeit bestehen, mit dem Partner eine Unterhaltung zu führen. Doch derartige Absonderlichkeiten sind seltener als ein gemeinsamer Abend im Swingerclub! Den Partner in Öl baden zwecks Massage wäre auch eine Variante …

    Oder ein Theater, eine Musikveranstaltung, eine Lesung einen Kabarettabend oder oder oder besuchen und danach den Abend gemütlich (mit oder ohne Wein) ausklingen lassen …

    … oder kaschieren, dass man/frau mit sich nichts anzufangen weiß und dann die großgedruckten und Werbefinanzierten Sender durchzappen und sich intellektuell einmal so richtig über den Quatsch auslassen, der da so läuft. Machen jeden Abend Millionen Menschen. Doch es sind nicht die Inhalte der Sendungen, die es zu kritisieren gilt: Es sind die Leute, die den Quatsch gucken. Aus welchen Motiven auch immer …

  3. Nein, finde ich nicht (betrifft den letzten Absatz). Die Leute schauen ja nur, was ihnen vorgesetzt wird. Wie soll man was ändern, wenn man nicht sagt, was einen stört oder sachliche Kritik anbringt? Indem man nichts guckt oder nicht schreibt? Ich liebe Fernseh- und Medienkritik und ich glaube sie ist sehr wichtig und wird letztendlich auch was verändern (wenn nur genügend Leute mitmachen würden).

    Soziale Sendungen bzw. „Reality-Soaps“ mag ich an sich gerne und ein Großteil meiner Fernsehzeit verbringe ich damit. Gute Spielfilme sind selten oder kommen spät, Spielshows mag ich nur in Ausnahmefällen… Sendungen über Geschichte, Philosophie oder Literatur findet man im TV eher selten.

    Das Fernsehen nicht zu mögen oder darüber zu schimpfen ist in „Bildungskreisen“ weit verbreitet und mit gerümpfter Nase stellt man sich dann über die „soziale Unterschicht“, die sich sowas anschaut… die Bildungsbürger greifen zum Buch, die Unterschicht schaut die Sendungen, die Fernsehmacher kassieren die Kohle und alle sind glücklich…

    Deutschland- das Land der Parallelwelten.

  4. Ha, ich kenne einige – mich eingeschlossen – die keinen Fernseher. Die sagen einfach, ich habe nicht oder kaum mehr geguckt, der Fernseher hat sich nicht mehr gelohnt, und darum wurde er abgeschafft.
    Keine Schelte, nichts, einfach Tatsache hingestellt und Punkt. Und das ist nicht das Bildungsbürgertum.

  5. Mit den Parallelwelten hast Du einen wichtigen (wunden?) Punkt unserer Gesellschaft getroffen.

    Doch Bildung ist das A und O einer funktionierenden Gesellschaft – und solche Fernsehsendungen bilden nur Vorurteile und zementieren die Parallelwelten. Denn zumindest für mich sind Sendungen wie Supernanny, Frauentausch, die Talkshows (Ausnahme NDR), DSDS etc. ein Schwachsinn und ich bemitleide Leute, die so etwas schauen. Da bin ich sehr von oben herab, das gebe ich zu. Aber: Dazu stehe ich voll und ganz. Ich koche auch nicht mit Tim Mälzer und behalte alle meine Narben, lasse mein Fett nicht absaugen sondern mache Sport. Ich bin also ein Dinosaurier – mein Schicksal ist besiegelt. Doch ich gehe mit Würde …

  6. @ Violine: Aber warum haben sie dann keinen Fernseher? Mögen sie ihn einfach nicht? Sind die Alternativen soviel besser? (z.B. Bücher oder Theater..).. vielleicht sollte ich auch mal das Fernsehen an sich untersuchen, anstatt nur die Inhalte. 😉

    Mich wundert das immer wieder, wie man komplett darauf verzichten kann.

    @ Geheimrat: hey, ich dachte, die Dinosaurier sind bereits ausgestorben? 😉

  7. Sie haben für sich einfach festgestellt, dass sie immer weniger geguckt haben. Dann kam eine Fernseherreparatur oder irgendso etwas, wo sie dann überlegt haben, ob es sich überhaupt noch lohnt, zu reparieren oder einen neuen anzuschaffen oder so, und dann haben sie’s gelassen.
    Ich stosse auf immer mehr solcher Leute.

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