Realität

Deutschland im August 2019. Ich scrolle mal wieder die Schlagzeilen der letzten Tage durch.
Wie immer bin ich auf der Spur nach dem „Emotionalen“, nach dem Besonderen. Das Schöne und das Gute interessiert die Zeitungsmacher eh nicht. Und somit auch nicht die Blogger, die am Mediengeschäft mit dranhängen. Das Schöne und Gute ist was für Poeten und Künstler. Für Träumer und Schwärmer, die sich eine bessere Welt malen wollen, die mit der Realität nicht viel zu tun hat.

Ich habe mich also an diesen täglichen Schrecken aus der Nachrichtenredaktion gewöhnt, zu sehr gewöhnt. Es ist alles soweit weg und doch so nah.

Da wurde ein Mann von einem anderen Mann auf offener Straße in Stuttgart mit einer Machete, bzw. einem „schwertähnlichen“ Gegenstand erstochen. Von der Tat gibt es sogar ein Video, das man aber bitte nicht teilen soll. Es könnte empfindliche Seelchen zu sehr berühren. Oder für schlechte politische Stimmung sorgen.

Im Rheinbad gab es Randale mit Männern „nordafrikanischen Typus“. Sie haben die Rutsche und die Sprungbretter besetzt, diese Schlingel und die weichgespülten anti-aggressions-erzogenen BademeisterInnen konnten sich natürlich nicht durchsetzen. Ähnliches ist letztens in Saarlouis passiert. Da sind die Männer „nordafrikanischen Typus“ von Frankreich rübergekommen, weil es bei denen nicht so schöne Schwimmbäder gibt, wie im reichen Deutschland, das für alle Menschen etwas anbieten kann. Am Ende der Randale musste die Polizei einschreiten und verdarb 1.500 Badegästen ihren verdienten Freizeitspaß. Das Bad wurde geschlossen. Buh!!

Zug fahren macht auch kein Spaß mehr, entweder die Dinger sind zu spät, die Tickets überteuert, die Klimaanlage defekt oder man wird von einem freilaufenden Spinner ins Gleis geschubst. Selbst wenn das Kind ganz nah bei einem ist. Wie soll man das auch verhindern, wenn man gleich mitgeschubst wird? Und was hätte die Polizei schon machen können? Man kann ja nicht jeden, der ca. 500.000 Reisenden pro Tag auf dem Frankfurter Hauptbahnhof irgendwie auf seine geistige Gesundheit überprüfen.

In einer Schule in Baden-Württemberg ist die Tuberkulose ausgebrochen. Das ist die Krankheit, die normalerweise immer nur die Armen und Schwachen der Welt trifft. Nun ist sie plötzlich bei uns. Niemand kann sich das erklären. Aber wir Deutschen wir helfen ja gerne. Weil wir uns selbst nicht mögen. Und ständig ein schlechtes Gewissen haben.

Der Autoindustrie geht es auch nicht mehr so gut und man vermutet eine Rezession auf uns zukommen. Hab ich schon erwähnt, dass die Euro-Krise auch noch nicht gelöst, sondern nur verschoben ist? Und Mann, war das letzten Sommer so heiß! Könnte vom Klimawandel kommen. Wir sollten ein paar Bäumchen pflanzen.

Zwei schwule Männer hatten einen Streit. Der eine wollte ohne den anderen nicht leben (Liebeskummer?) und hat sich und den anderen umgebracht. Man fand ihn noch blutend auf dem Bett. Erweiterter Suizid nennt sich das. Eine Randnotiz. Wen interessiert das schon?
Die Probleme, die „die anderen“ haben. Sie sind plötzlich so nah. Das ganze Leid der Welt, mitten unter uns. Wir sind nur eine Schlagzeile, einen Klick entfernt und können doch irgendwie nichts machen.

Wir werden uns daran gewöhnen müssen.

Black Swan Rezension

Gestern hab ich auf „Soundcloud“ meine Rezension zu „Black Swan“ veröffentlicht.
Ihr könnt sie hier anschauen.

Wie in der Rezension schon angesprochen, ist das ein sehr guter Film, der auch bei „Nicht Ballett-Interessierten“ die versteckten Neigungen wecken kann. 😉 Oder halt einfach interessant ist. Dank der großen Spannung und tollen Leistung der Hauptdarstellerin ist der Film echt sehenswert.

Mehr Infos zum Film gibt´s wie immer auf Wikipedia.

Das echte Schwanensee-Ballett kann man auf Youtube finden: https://www.youtube.com/watch?v=9rJoB7y6Ncs

Die Plattform ist ein Segen für die private Weiterbildung. Es ist alles umsonst, bezahlt wird nur mit deiner Persönlichkeit.
Die gehört dann dem Konzern. Er verleibt sie sich ein und stellt sie zu den anderen 1000 Püppchen im Regal, die er schon hat und die irgendwie alle gleich aussehen.

Mehr Infos zur Grundlage dieses Filmes hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwanensee

und zur Krankheit der Hauptdarstellerin hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Skin_Picking_Disorder

Das leise Ende einer Legende

Das war´s also gestern, die letzte Folge „TV Total“ flimmerte über den Bildschirm und der berühmte TV-Moderator Stefan Raab beendet zum Jahresende seine TV-Karriere.

Irgendwie fühlte ich mich selbst komisch, gestern bei der letzten Sendung. Ich kann es noch nicht richtig glauben! Das kann doch nicht sein! War das wirklich das letzte Mal, dass ich diese Sendung sehen durfte?
Wer versüßt mir jetzt die Abendstunden? Sorgt nochmal für ein erleichteres Grinsen und Lachen zu später Stunde? Humor ist bekanntlich gesund! Und diese Sendung hat mich geheilt…

Rückblickend ist mir aufgefallen, dass ich doch ein ziemlicher Fan von Raab geworden bin.
Allen Unkenrufen über seine Person zum Trotz- aber auch aller anderen Bedenken zur Qualität, zum „Sinn“ oder zu der Fairness gegenüber Unbekannten und Kamera-Opfern auf der Straße, die sich im Laufe des Jahres angesammelt hatten.

Klar, er hatte Schwächen! Und was für welche! Am Anfang (1995) haben wir uns als Jugendliche darüber lustig gemacht und gefreut, dass so ein unorthodoxer Typ, dem die Schnauze so frei gewachsen ist, es im Fernsehen so weit bringen konnte. Niemals hätte man damals denken können, dass er es mal soweit bringt, dass er so eine Karriere macht, sich ein Unternehmen aufbaut und mehrere Millionen im Jahr verdient.

Begeistert schauten wir damals noch in der Studenten-WG die erste Folge „TV Total“ (1999) und lachten uns über jeden Gag halb tot. Und heute, im Jahr 2015, gab es bereits über 2000 TV Total Sendungen und die Ära neigt sich dem Ende zu. Mir wachsen die ersten grauen Haare, in einer WG wohne ich schon lange nicht mehr…ich bin alt und spießig geworden, aber meine Begeisterung für Raab´s Humor ist geblieben.

Er hatte immer eine große Klappe, war frech und unangepasst. Er hat nicht immer Rücksicht auf die Bedürfnisse seiner Mitmenschen genommen und sich auch diverse Klagen und Abmahnungen eingehandelt.
Mit der Bild-Zeitung oder RTL lag er schon längere Zeit über Kreuz (Quelle Wikipedia). Sein Humor hat nicht jedem gefallen, zu schräg, zu laut, zu plump und alle ernsthaften Menschen fühlten sich schnell von ihm abgestoßen. Es gab damals zwei Parteien: Die Raab-Fans und die die Raab-Hasser. So wie die Techno-Fans und die Techno-Hasser. Aber es gab keinen, der Raab nicht kannte.

Aber was war wirklich das Entscheidene? Was hat ihn dann so groß gemacht? Man hatte bei ihm nie das Gefühl, dass es ihm um Geld, Macht, Einfluss oder gar Selbstdarstellung ging. Er war einfach er, einfach witzig, einfach authentisch. Und in einer zunehmend verkrampfter und einseitig werdenen Fernsehlandschaft ein wichtiger, künstlerischer Kontra-Punkt. Ein scharfer Kontrast, den man einfach wahrnehmen muss. Er setzte sich stets über alle Konventionen hinweg und legendär sind seine frechen Straßen-Interviews, die z.B. schon bei „Vivasion“ begannen. Ich hab mir gestern noch ein paar Highlights auf Youtube angeschaut. Sein typischer Stil kommt da schon gut durch, viel verändert hat er ihn eigentlich nie. Einfach mit unverblümter Offenheit die Menschen fragen, was ihm so durch den Kopf geht. Sich um Fettnäpfchen, Politcal Correctness und anderen Quatsch nicht scheren.
Damals hat der Meister noch alles selbst gemacht. Sehr bekannt sind auch seine „Raabigramme“ bei denen er meistens mit der Mini-Gitarre Ukulele irgendwelchen Promis ein schelmenhaftes gesungenes (nicht immer charmantes) Spiegelbild vorgehalten hatte. Raab war immer jemand, den diese Fernseh-Welt gebraucht hat. Gerade weil er unorthodox und geradlinig war und gerade auch, weil er stets vom Humor und Frechheit beseelt war. Das war seine Stärke, das war sein Markenzeichen und niemand kann das so einfach kopieren oder in einer TV- Planungssitzung als Marken-Image „verordnen“. Entweder man ist so ein „Kölsche Jeck“ wie Raab oder nicht. Mich erinnert er oft an einen modernen Till Eulenspiegel.

Raab ist aber noch viel mehr als ein Narr, weil er zusätzlich sehr gutes Gespür für die Medienwelt bewies und wahrscheinlich auch kaufmännisches Geschick besaß. Bei den Quizsendungen „Blamieren oder Kassieren“ oder ähnlichen Duellen in „Schlag den Raab“ ist mir immer aufgefallen, wie breit sein Allgemeinwissen ist und dass er auch über herausragende kognitive und sportliche Fähigkeiten verfügt. Sein Lieblingsspielzeug waren immer neue Fahrgeräte. Mit einer Begeisterung und Neugierde stürzte er sich auf sie.. anstatt zögerlich und abwartend zu sein, ging er die Dinge einfach an. Er hatte keine Angst vorm Scheitern oder „Hinfallen“ auch wenn er sehr oft hingefallen und gescheitert ist.

Ich bin die ganze Zeit fieberhaft am Überlegen, wie seine sehr gute Sendung „TV Total“ nun ersetzt werden kann. Und mir fällt gar nichts ein. Mir fällt niemand ein, der ihm auch annähernd kopieren oder ersetzen könnte. Kein „lustiges Moderatorenduo“ Joko und Claas, aber auch kein Luke Mockridge. Und auch keine tausendfachen Wiederholungen von amerikanischen Konserven-Produktionen oder anderem Müll. Was mich auch wundert, dass generell das Konzept von Late-Night Shows in Deutschland selten ist. Sehr gut war z.B. auch Harald Schmidt, einer der wenigen, der mit Raab mithalten kann, was die Präsenz, die Persönlichkeit und den Humor angeht. Aber der ist ja auch schon längst abgewandert. Wer oder was bleibt also?

Der ganze Stil von Raab ist einmalig. Er hat junge Leute mitgezogen, die sich hinter einen starken Stefan gestellt haben und in seinem Fahrwasser groß geworden sind. So z.B. sein sympathischer Bei-Moderator und einstiger „Showpraktikant“ Elton. Oder das Fördern und Herausbringen von Sängern wie Max Mutzke, Stefanie Heinzmann oder Lena. Das war eine weitere Stärke von Raab, dass er immer auch Platz für andere geschaffen hat und mit seinem Wirken kleine und große Künstler unterstützt hat. Er hatte immer ein Gefühl für gute Kunst, aber auch für die Persönlichkeiten, die hinter den Kunstfiguren stehen. Wenn er sich mit den Leuten gut verstanden hat, hat er sie bereitwillig unterstützt- und seltsamerweise sind sie dann auch groß geworden und konnten ihr Potential voll entfalten.

In TV Total gab es z.B. regelmäßig Kleinkünstler und Kabarettisten zu sehen, die man nirgendwo anders sonst gesehen hätte, weil sie einfach so laienhaft oder unbekannt waren. Aber Raab´s Sendung gab ihnen ein paar Minuten wertvolle Sendezeit. Auch allerlei Tierbabys und unbekannte Experten zu außerordentlichen Themen konnte man sehen. Ich weiß gar nicht, ob ich alle aufzählen kann. Aber die besten, die mir in Erinnerung geblieben sind, waren z.B. der Botaniker, der für seine Blumen und Pflanzen wirklich lebte, der Raab sogar sein Blumenkübel am Studiopult neu bepflanzte (nur damit dieser es ein paar Wochen später wieder verdorren ließ und sich dann in der letzten Sendung noch neckend darüber ausließ, dass ja da vorne Blumen seien, die er sonst von seinem Platz aus nicht sehen würde). Und als Raab den Botaniker fragte, ob die Pflanze auch essbar sein, sagte dieser „natürlich“ und steckte sie sich mit Wurzel und Erde kurzerhand in den Mund. Nicht schlecht auch die realistische Performance zum Thema „Tollkirsche“ und was passieren kann, wenn man eine Beere davon isst…

Sehr gut war auch der Mathematiker und Rechenkünstler Gert Mittring, der brav seine Bücher in der Sendung vorstellen durfte und sein Können gleich real vor der Kamera bewies. Wann bekommt schonmal ein Wissenschaftler oder gar Mathematiker in der deutschen Fernsehlandschaft eine Chance?

Dann gab es noch den Experten mit den Würfelbechern, den „Stacker“.. der tolle Kunststücke machen sollte, die Raab natürlich kopieren wollte und dabei grandios scheiterte. „Sieht so einfach aus!“ oder der Typ, der allerlei Objekte und Steine in aberwitzigen Positionen übereinander stapeln konnte, ohne dass der Turm umfiel.
Der Gummiknochen-Mensch.. diverse Breakdancer, unzählige Zauberkünstler, z.B. der tolle Schwede Carl Einar Haeckner , und weitere unzählige Comedians.

Oft gab es auch diverse Koch-Einlagen, die von Raab auch regelmäßig torpediert oder eigenwillig begleitet worden sind. Ich erinnere mich da z.B. an Sonya Kraus, die Muffins backen wollte und Raab dabei fast den ganzen Topf mit Teig ausschleckte.

Jetzt alle andere aufzuzählen ist etwas anstrengend und würde den Rahmen des Artikels sprengen. Was aber auf jeden Fall auffällt, ist die Vielseitigkeit, die von Raab und seinem TV-Team ausging.
Diese kulturelle Vielfalt und die Offenheit für alle möglichen Themen ist genau das, was ich im restlichen Fernsehen vermisse. Am Anfang jeder Sendung wurden aktuelle Beiträge aus dem TV nach Auffälligkeiten und Kuriositäten durchforscht. Lustige oder besonders eigenwillige Auftritte von Privatpersonen bekamen dann den „Raab der Woche“, einen kleinen Fernsehpreis und eine Ehrung im Studio.

Ein Team bereitete die lustigen Stellen in -vermutlich- mühevoller Kleinarbeit vor und Raab präsentierte dann stets mit einem breiten Grinsen die Ergebnisse. Hiermit ist die wertvollste Eigenschaft von Kunst und Kabarett enthalten: Die Möglichkeit zur Selbstkritik am Medium, aber auch an der eigenen Kunstwelt, die man täglich neu erschafft.

Vergleichbare Sendungen mit einem ähnlich hohen Niveau an satirischer Medienkritik sind noch die „Heute Show“ oder „Die Anstalt“, evt. noch „Extra 3“.

Puh, ein Glück, es gibt doch noch Alternativen und das Fernseh-Zuschauer-Leben wird irgendwie weitergehen.

Aber Raab… wird trotzdem fehlen.

Headlines

An dem Tag zitterten und bebten die Medien förmlich. Alle waren gleich geschaltet. Ob kleiner Nischen-Radiosender oder große Tageszeitung, ob Online-Autritt, App oder Printausgabe. Überall konnte man die gleichen Schlagzeilen und Erkenntnisse lesen.
Es war unmöglich, den tragischen Ereignissen irgendwie zu entkommen. Morgens beim Zähneputzen, nach der Dusche mit dem Radio, beim Autofahren, beim Kaffeetrinken in der Zeitung, beim abendlichen Abschalten am PC, geweckt mit dem Smartphone und der neusten Headline. Schöne neue Welt, der ständigen Erreichbarkeit und der fast gleichzeitigen Vernetzung.

Solidarität und Anteilnahme soll um jeden Preis gezeigt werden. Tlw. mit sehr seltsamen Auswirkungen: TV Total wird an dem Abend nicht gezeigt. Ein Gewinnspiel im Radio wird kurzerhand abgesagt. Was es mit dem Unglück zu tun hat, ist mir noch nicht ganz klar. In der „Echo-Preisverleihung“ überlegt man sich einen kleinen Auftakt und studiert ein Drama ein, eine Schweigeminute ganz am Anfang. Alle sind für 30 Sekunden still. Dann, langsam, aber nicht langsam genug wird der Bogen wieder zur Entertainment-Show zurück gespannt. Die restlichen drei Stunden Übertragung sind genug, um den anfänglichen Schmerz und die aufkommenden, vielleicht echten, Gefühle schnell zu ertränken.

Die Fahnen wehen im ganzen Land auf Halbmast.

Die Schlagzeile und das Grauen sind überall. Sondersendungen werden eingerichtet. Experten werden aus jeder Nische gezerrt, damit sie für einen Tag im Jahr ihren Gala-Auftritt bekommen. Nicht, weil sie wichtig sind und geschätzt werden. Sondern weil die Medien-Maschinerie es so vorgibt. In Twitter logg‘ ich mich schon gar nicht mehr ein, es wäre zuviel. Auch in den klassischen Medien gibt es Erdbeben und News-Wellen, diese sind schon heftig genug und machen vor nichts halt.

Der anfänglich aufgelegte Presse-Kodex hält nicht lange stand. Zuerst will man nichts über die Hintergründe oder gar Erkrankungen des Betroffenen sagen, denn es herrscht ja Schweigepflicht und Diskretion. Zuerst will man den Namen und das Gesicht des Piloten nicht veröffentlichen, aus Rücksichtnahme. Nicht lange hält dieser Damm den Wassermassen der Presse-Ozeane und deren Recht auf „Erkenntnis und Erregung“ stand.

Es wird alles weggespült. Alle Tabus fallen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf ihre Meinung. Der kleine Mann auf der Straße soll sich sein Urteil bilden. Nicht die Technik, nicht das Flugmodell, nicht die Airline, nicht die Kontrollen, nicht das System ist schuld. Der einzelne war´s. Wir haben das Bauernopfer. Hängt ihn höher! Auch wenn er schon tot ist. Über Tote soll man nicht schlecht reden? Diese Regeln kommt wohl aus dem 19. Jahrhundert. In unserem Jahrhundert aber zählt das alles nicht mehr. Die Welt ist schnell geworden, komplex, erbarmungslos schnell, erbarmungslos grausam-genau für alle, die nicht mithalten können.

Das schnelle Urteil hilft dem System, Schaden von ihm abzuwenden. Die Medien arbeiten für die Mächtigen. Die Meinung ist schnell gelenkt. Wir können uns entspannt zurücklehnen. Denn es ist so gewollt. In drei Tagen, vielleicht schon in zwei werden wir über andere Dinge reden. Über die PKW-Maut, über Griechenland, über die Flüchtlinge, die Demografie.

Und dann, werden wir wieder entspannt in den Urlaub fliegen und auf dem Smartphone die neuste Headline lesen…

„The Ghost Writer“

THE GHOST WRITER

ist ein Film des amerikanischen Regisseurs Roman Polanski aus dem Jahr 2010.

Erzählt wird die Geschichte eines namenlosen britischen Ghostwriters (also eines Schriftstellers, der für andere, oft Prominente, Bücher schreibt und dabei selbst namentlich nicht in Erscheinung tritt), der den Auftrag erhält die Memoiren des fiktiven britischen Premierministers Adam Lang zu verfassen.

Bereits zu Beginn erfährt er, dass der bisher mit dieser Aufgabe vertraute Ghost Writer auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen ist und dass nun er dessen Werk fortsetzen soll. Ein ungewöhnlich hohes Honorar lässt ihn die extrem kurze Abgabefrist von nur vier Wochen vergessen.
Durch strikte Geheimhaltungsvereinbarung an das Haus des Verlagsbosses auf Martha´s Vineyard gebunden, entdeckt der „Ghost“ Ungereimtheiten und hochbrisante politische Verstrickungen des Premiers, die ihn selbst zunehmend in Gefahr bringen.
Noch während der Schreibarbeit und den Interviews mit Adam Lang beginnt in Den Haag am Internationalen Gerichtshof eine Untersuchung der Rolle des Premiers im Irak- Krieg. Der Verdacht, Lang hätte sein Land gegen bestehendes Völkerrecht in diesen Krieg an der Seite Amerikas „getrieben“, steht im Raum. Das Anwesen, an das der Ghost Writer mit seiner Arbeit gebunden ist und in dem er sämtliche Gespräche mit Lang führen kann, wird wie ein Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses bewacht;
ausserhalb des Sicherheitswalles sammeln sich auch tatsächlich ständig wütende Kriegsgegner, die Protestcamps errichten.
Als besonders wichtige Beraterinnen des Premiers stellen sich die beiden rivalisierenden Frauen an Langs Seite heraus: einerseits die persönliche Assistentin Amelia Bly und andererseits die Ehefrau Ruth Lang. Während Ruth die etwas unterkühlte, starke und richtungsweisende Frau hinter ihrem erfolgreichen Mann ist, so scheint Amelia durch ihren Sex- Appeal auf Lang zu wirken. Der Ghost Writer deckt im Zuge seiner Recherchen nicht nur Lügen und Falschangaben des Premiers auf, er entdeckt auch, dass sein Vorgänger, der offiziell Selbstmord begangen hat, ebenfalls von diesen beschönigenden Angaben Langs wusste. So erkennt der „Ghost“ die Verbindungen Langs mit der CIA und stößt dabei auf den Namen Professor Paul Emmetts, eines Studienkollegen Langs aus dessen Cambridge Zeiten. Dieser ist über die Waffenfirma „Hatherton“ mit der amerikanischen Rüstungsindustrie verbunden, die der CIA untersteht. Der Ghost gerät zunehmend in Gewissenskonflikte und schwankt zwischen seiner Loyalität seinem Auftraggeber gegenüber und seiner moralischen Pflicht, seine Enthüllungen publik zu machen. Da wendet er sich an Langs stärksten Kontrahenten, den Politiker Richard Rycart, und übergibt diesem das, was er für die Wahrheit über Adam Lang hält. Nach dem Heimflug nach Martha´s Vineyard, auf dem der Ghost Lang begleitet, wird Lang von einem fanatischen Kriegsgegner erschossen. Am Ende des Films entdeckt der Ghost im Skriptum seines Vorgänger die verschlüsselte Botschaft, Ruth Lang würde in Wahrheit als CIA Agentin hinter allem stecken und teilt ihr dies auch unvorsichtigerweise mit.
Beim Verlassen des Gebäudes wird er ebenfalls Opfer eines „Unfalls“.

Roman Polanskis Film glänzt – wie so viele Filme diese Regisseurs – auf mehreren Ebenen. Da ist einerseits die erstklassige Besetzung: Ewan McGregor spielt den Ghost. Der sympathische Schotte ist in Hochform und glänzt in fast allen Szenen des Films. Er portraitiert einen sensiblen (er selbst sagt in einer Szene: “We are sensitive spirits“ als doppelbödige Anspielung auf seinen Charakter) Durchschnittsmann, der etwas naiv hinter die Kulissen der Macht blickt. Da der Film aus seiner Perspektive erzählt wird, kann der Zuschauer auf ein und derselben, unvoreingenommenen Ebene mit dem Hauptdarsteller miterleben und sich seine eigene Meinung bilden. Man schwankt zwischen kopfschüttelndem, verschwörungstheoretischem Denken und einem „Naja, so einfach ist das auch wieder nicht“. So erklärt Adam Lang in einer Szene sehr glaubwürdig seine Aufrichtigkeit in seinem politischen Handeln.

Polanski, dem als Vorlage zu diesem Film der Bestseller „The Gost Writer“ von Robert Harris dient, trägt zur Verarbeitung der politischen Ereignisse rund um den zweiten Irak- Krieg bei. Adam Lang, der unzweifelhaft für den damaligen Premier Tony Blair steht, wird ausgezeichnet von Pierce Brosnan verkörpert, der zeigt, dass er abseits von der James Bond- Stereotypie ein exzellenter Schauspieler ist. Er portaitiert einen Machtmenschen, von dem man etwas klischeehaft davon ausgeht, es handle sich um jemanden, der skrupellos über Leichen geht. Brosnan zeigt aber neben einem starken Mann, der durch eigenes Selbstvertrauen (oft in Eitelkeit umschlagend) Erfolg hat, auch einen verletzlichen Menschen, der Nerven zeigt und sich oft an seine Frau wenden muss, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, bei denen er zögert.
Ruth Lang (Olivia Williams) ist die wirklich starke Person in diesem „Stück“. Sie gibt den Ton an und man kann erahnen, dass sie es ist, die die Geschicke Großbritanniens oft lenkt. Sie ist hochintelligent, kühl und berechnend. Sie hat auch wenig Skrupel, eine Affaire mit dem „Ghost“ zu beginnen, als ihr Mann nicht da ist. Und schließlich ist auch sie es, die sich am Ende als Agentin der CIA herausstellt, die so entscheidend auf die Aussenpolitik Großbritanniens Einfluß nimmt.
Ebenfalls herausragend spielt Tom Wilkinson Paul Emmett, den Verbindungsmann der CIA mit Ruth Lang.

Polanski, der ja seit den Siebzigern nicht mehr nach Amerika reisen kann, da ihm dort die sofortige Verhaftung droht, konnte die Dreharbeiten folglich nicht auf Martha´s Vineyard stattfinden lassen (>mehr Info darüber). Stattdessen wurde ein Großteil auf Usedom und in Berlin gedreht; die grandiose Kamera liefert zum Film passende düstere Aufnahmen der tollen Landschaft. Allein diese Bilder erzeugen eine sehr dichte, sehenswerte Atmosphäre, die durch eine ausgezeichnete Filmmusik noch verstärkt wird.

Der Film hat als Aufarbeitung der politischen Hintergründe zum Irak- Krieg vor elf Jahren eine fortdauernde Aktualität. Wir erleben auch heute noch die Folgen der Destabilisierung der arabischen Welt. Saddam Hussein wurde damals ja bezichtigt, Massenvernichtungswaffen zu besitzen; erst nach dem Krieg und Husseins Hinrichtung mussten die USA zugeben, niemals Beweise dafür gewonnen zu haben.
Großbritanniens Tony Blair war einer der glühendsten Kriegsbefürworter und schickte tausende Soldaten in den Irak. Man warf ihm im eigenen Land eine unterwürfige Haltung gegenüber den USA vor; er selbst steht nachwievor zu seiner damaligen Politik.
Deutschland, vetreten durch Aussenminister Joschka Fischer, war sehr kritisch bis ablehnend einem Krieg gegenüber. Denkwürdig ist da zum Beispiel Fischers Pressekonferenz in München, in der er sichtlich erregt sagte: „Wo sind die Beweise, Herr Präsident?“ (an George W. Bush gerichtet).Die Folgen jahrzehntelanger politischer und miltärischer Eingriffe des Westens (und Russlands) in islamisch beherrschte Länder sehen wir heute jeden Tag in den Medien und erleben sie auch in unserem Land; der Film „The Ghost Writer“ leistet ein wichtiges Stück Aufarbeitung.

Alles in allem: Sehr sehenswert!

Frankfurter Buchmesse 2014

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Von Querbeeten und allerlei

Ich denke noch über den Besuch auf der Buchmesse nach. Einen umfangreichen Bericht wollte ich schreiben, möglichst mit allen Details, allen Impressionen, fein säuberlich ausgearbeitet. Dazu noch die Fotos, die Flyer und Links zu Verlagen und neuen Büchern oder anderen interessanten Ideen. Aber kann ich das überhaupt? Und vor allem jetzt, wo es dunkel ist und ich schon wieder müde und schläfrig werde…wahrscheinlich muss ich den Bericht in mehrere Teile oder Revisionen einteilen.

Das beste ist, einfach vorne anzufangen! Wir sind mit dem Zug nach Frankfurt gekommen, den Bahnhof kannte ich noch nicht. Frankfurt für mich sowieso ein eher unbekanntes Pflaster. 700.000 Einwohner hat die Stadt, hab ich beim Recherchieren herausgefunden- wusste gar nicht, dass es soviele sind. So eine große Stadt, fast eine Millionenstadt und ich kann mit dem Zug von Mannheim in 34 Minuten hinfahren- und kenne sie doch kaum.

Vom Bahnhof zur Messe sind es ca. 900 Meter. Dahin kommt man recht schnell zu Fuß und braucht die U-Bahn nicht unbedingt zu nehmen. Man kommt durch eine riesige Häuserschlucht mit wichtig aussehenden Hochhäusern, mit viel Edelstahl und glänzenden Glasfassaden. Die Mauern davor sind aus purem, schwarzen, hochglanz-polierten Granit. Überall kommt einem der Luxus des Banken-Viertels entgegen, teure Luxus-Cafés für Banker und andere Geschäftsleute reihen sich aneinander – kommt man aber näher auf den Bahnhof zu, gibt es plötzlich wieder Döner-Laden und einfachere Geschäfte. Das Klientel, das einem entgegen kommt, wirkte tlw. sehr gepflegt und jeden zweiten der, in Smartphone-vertieften Männer, hätte man -angesichts perfekt sitzender Anzüge und tadellosem Aussehen- auch für ein Model-Casting engagieren können.

Mir wurde das Laufen schon fast zuviel, da kam endlich der Eingang zur Messe. Flughafen-Atmosphäre macht sich plötzlich breit. Überall breite Gänge, Laufbänder in der Horizontalen und breite Tunnel aus Glas, mit dem man im ersten Stock von Halle zu Halle „jetten“ kann. Man wird von Studentinnen mit Flyern und Prospekten eingedeckt. Überall herrscht eine geschäftige, aber durchaus freundliche und offene Atmosphäre. Das ist der Grund, warum ich Messen so liebe! Von einer Stelle aus dem Glastunnel konnte man schön das Messe-Gelände überblicken und sich schon einmal einen Eindruck über die Ausmaße des Geländes machen.

Buden waren aufgebaut, Bierzelt-Garnituren und dann mehrere Zelte. Ich schaute kurz über die Szenerie, wurde dann aber wieder vom vorbeifließenden Besucher-Strom angesteckt und mitgerissen. Stillstand unmöglich, alles ist im Fluss! Wir beschlossen erstmal in der Halle 3.0 anfzufangen. „Belletristik und Sachbuch“. Und rein ins Getümmel!

Stand reiht sich an Stand, tlw. interessante Dinge, teilweise uninteressant. Ja, wo soll man die Prioritäten setzen, was ist wichtig und was nicht? Neben den großen Verlags-Ständen von FAZ, Süddeutsche und Welt reihten sich kleine Nischen-Anbieter, ein paar Leute, die sich auf esoterische oder ökologische Themen spezialisiert haben, dann wieder Fußball-Bücher für Kinder oder ein breites Angebot für den neuen Trend des „Self Publishing“. Das hat mich diesmal besonders interessiert und an diesen Ständen hab ich auch mehr Zeit verbracht. An einer Stelle gab es auch ein Forum, in dem vier Leute zusammensaßen und von ihren aktuellen Erfahrungen mit Self-Publishing berichteten. Wir setzten uns kurz hin und lauschte dem Vortrag. Das erste mal kehrte so etwas wie Ruhe und Besinnung ein.

Die Klang-Qualität war allerdings schlecht, die Boxen zu leise. Am Rande des Geschehens bekam man nicht mehr soviel mit.

Wir gingen weiter, ich wusste nicht so recht wohin und wurde von Eindruck zu Eindruck gejagt, da kam plötzlich eine kleine (zierliche) Frau in blauem Kleid und mit schnellem Schritten an mir vorbei, ich blinzelte kurz und fragte mich „kann das sein?“ da war mir klar, dass gerade Sarah Wiener an mir vorbeigeeilt war. Wow! Das erste Wow-Erlebnis an diesem Tag und genau das, was mir schon öfters erzählt wurde, wenn das Gespräch auf die Frankfurter Buchmesse kam. „Promi-Spotting par excellence!“.

Gut, ganz unschuldig bin ich nicht, denn ich muss zugeben, dass ich die „Sarah Wiener Kochshow“ schon vorher als Programm-Punkt herausgesucht hatte, aber überraschend war es dennoch. Ich schaute auf die Armbanduhr.. noch 20 Minuten bis 13 Uhr, also auf zur Gourmet Gallery, die Gänge waren voll und wer weiß, wer noch alles die Idee hatte, die begabte Köchin mal in live, in action zu betrachten?

Wir schlenderten also zur „Gourmet Gallery“, das ist ein etwas abgetrennter Bereich auf der Messe mit Bühnentechnik, Kamera und Show-Küche. Sponsor-Werbung inklusive. Sarah Wiener war schon voll in ihrem Element und die Zuschauer standen in Trauben um sie herum. Zuerst war ich etwas enttäuscht, weil ich in der hinteren Reihe fast nichts erkennen konnte. Nach und nach entstand aber durch das Kommen und Gehen der Besucher, kleine Lücken, in die man schnell vorstoßen und Zentimeter um Zentimeter „gutmachen“ konnte. Frau Wiener sprach in einem herrlichen österreichen Akzent, wirbelte zwischen Pfannen, Töpfen, ihrem neuen Kochbuch und einem munteren Schlagabtausch mit ihrem Assisstenten hin und her. Dabei war schon nach weniger Zeit klar, dass sie ihre „Biolinie“ voll ausbaut und in jedem zweiten Satz kamen Hinweise zum „gesunden und nachhaltigen Kochen“, zu all den Verboten, was man nicht benutzen oder essen darf und es entstand neben der fabelhaften Küche und dem ursprünglichen, bestimmt schmackhaften Worten und Gerichten ein fahler Beigeschmack des Dogmatischen und Oberlehrerhaften. Das kannte ich so von ihr schon (aus dem Fernsehen) und es hat mich nie gestört. Da ich die meisten Ansichten auch teile und nachhaltig kochen und biologisch ernähren auch gut finde. Es war aber ein wenig zuviel des Guten, sie schlitterte von giftigen Tefal-Pfannen, über H-Milch, Zitronensäure, Glutamat und Trennmitteln in Kochsalz, zum selbstgemahlenen Pfeffer, Petersilie mit (oder ohne?) Stängel und den guten, nahrhaften Kürbissen hin und her. Vom live gekochten Gericht selbst bekam ich nicht soviel mit, zwischendurch wurde aber eine Soße oder ein Pesto herumgereicht, das ganz gut duftete. Wir waren schon etwas müde und setzten uns abermals hin. In einem Regal hinter uns gab es das besagte Kochbuch. Es war sehr schön aufgemacht, hat ein tolles Design und auch leckere Gerichte. Ich fand, dass das Blättern im Buch, mit meinem eigenen Tempo und meinen eigenen Gedanken dazu viel besser war, als diese Kochshow, die augenscheinlich für die Massen produziert wurde und ein bisschen eine Werbe-Veranstaltung in vielerlei Hinsicht war.
Daher beschloss ich kurzerhand, mir dieses Buch auf den Wunschzettel zu setzen und wer weiß, vielleicht hab ich ja an Weihnachten etwas Glück und war artig genug. 😉

Wohin sollte es nun gehen? Die Gänge mit den vielen Ständen waren endlos. In der Bilder-Galerie gibt es ein paar Eindrücke dazu. Zwischendurch wurden wir angesprochen und eingeladen, uns auf einer Wand mit vielen bunten Postkarten zu verewigen. Man sollte kurz aufschreiben, warum man Buchhandlungen mag, konnte seine Adresse eintragen und an einem Gewinnspiel teilnehmen. Eine schöne Idee, die eine große, bunte, beklebte Wand mit Namen und Sätzen hinterließ.

Ein paar Schritte weiter und schon wieder entdeckten wir einen Promi, diesmal am Stand der Süddeutschen. Es war Herbert Feuerstein mit seinem neuen Buch.  Ich traute meinen Augen kaum, realisierte aber schon bald die Authentizität dieses ungeschminkten, fernsehfreien Ereignisses, dass dem Vorbild sehr nahe kam. Sprich: Im Fernsehen wirkt Herr Feuerstein genauso wie hier auf der Bühne. Er ist etwas klein und hat ein verschmitztes Auftreten und einen angenehmen, ruhigen Stil. Auch hier verweilten wir also und lauschten den interessanten Worten.

Nachdem wir in dieser Halle fertig waren, beschlossen wir in die Halle mit den Comics zu gehen, landeten dabei aber versehentlich in der Kinder- und Jugendbuch-Abteilung. Nicht schlimm, denn auch diese war genau unser Geschmack und nahm einen großen Teil unseres Zeit-Budgets in Beschlag. Die Stände waren alle sehr hübsch gestaltet, besonders aufgefallen sind uns die bunten, hochflorigen Teppiche und das wirklich breite Angebot an Kinder- und Jugendbuchliteratur.

Zwischendurch stolperten wir anscheinend gerade in die Verleihung des deutschen Cartoonpreises, denn kein anderer als Marcus Weimer (von Rattelschneck) war auf der Bühne und stellte sich lustigen (aber leider abgelesenen) Fragen einer Moderatorin. Im Publikum machte sich Gelächter und gute Laune breit, denn der Autor dachte nicht daran, „seriös“ zu antworten und beantwortete die Fragen auf seine eigene, lustige Weise. Natürlich mussten wir dann auf gleicher Ebene auch noch den Titanic-Stand ansehen.

Nach den vielen Eindrücken brauchten wir abermals eine Pause und erkundeten zum ersten Mal den Außenbereich. Wie es der Zufall so will, wurde gerade der „Grüffelo-Zeichner“ Axel Scheffler vorgestellt. Eine kreischende Menge von Kindern unterschiedlichen Alters nahm ihn begeistert in Empfang.

Zum Schluss kam noch ein Teil der vierten Halle auf das Programm, wobei wir hier um die (trockene) Verlagssoftware einen Bogen machten und direkt auf die Abteilung „Papeterie und Geschenke“ zusteuerten. 😉 Für die Sachbuch- und Wissenschaftabteilung in der selben Halle reichte die Zeit dann leider nicht mehr ganz. Auf dem Terminplan waren- gleichsam als Höhepunkt und Abschluss des Messebesuchs- noch ein paar Lesungen im Agora-Lesezelt anberaumt, das wir dann auch sichtlich genossen, weil man hier endlich einmal sitzen konnte und dank des Sponsors (Meßmer) auch kostenlosen, leckeren Tee serviert bekam! Neben all den informativen und gut gemachten Lesungen unterschiedlichster Autoren, versteht sich.

Den MC Fitti- Auftritt verpassten wir daher, nicht aber die Bässe und das Gekreische an Jugendlichen Fans, das er keine 200 Meter von uns entfernt auslöste.  Das ist überhaupt die Stärke der Buchmesse, Künstlerinnen und Medien unterschiedlichster Couleur unter einen Hut zu bringen und einem breiten Publikum schmackhaft und greifbar zu machen. Von einer Krise des Buches hab ich auf jeden Fall dieses Mal noch nichts mitbekommen. Die neuen Medien, vor allem die Ebooks, waren erstaunlich unter-repräsentiert, ich hoffe dass sich diese Ignoranz nicht eines Tages rächen wird – und dass treue LeserInnen des klassischen Buches weiterhin ihr eigenes Zutun zum Kultur-Klassiker leisten werden.

Buchmesse 2015, wir werden uns wiedersehen!

Und für euch Leseratten kann ich es als „Tipp“ weiterempfehlen… wer weiß, vielleicht machen wir mal ein BloggerInnen-Treffen dort?

Tatort mit Til

Ich lese gerade auf SPON, dass der gestrige Tatort mit Til Schweiger auf Twitter mal wieder hohe Wellen geschlagen hat. Dass es Resonanz gab und zwar tlw. auch negative. Insgesamt ist es wohl der zweite Tatort mit Til , ich hab davon beide gesehen und will mal ein vorläufiges Fazit dazu posten.

Wenn ich mich auf wenige Sätze beschränken müsste, dann vielleicht so etwas wie „Endlich mal wieder ein Tatort mit Action“.

Die Tatorts der letzten Jahre haben mich nämlich einfach nur noch enttäuscht. Vor ein paar Jahren (2000-2004) konnte man die Sendungen noch gut anschauen, es gab Spannung, es gab Biss, es gab gute Kommentare, der Zuschauer konnte mitfiebern. Es wurde dann aber immer schlimmer: Entweder hoffnungslos albern, ein Theater-Stückchen ohne jeglichen Krimi-Anspruch, das vermeintlich lustig sein sollte, mir aber nur ein Gähnen entlockt hat. Und dann immer diese vielen Nebengeschichten! Immer dieses deutsche, traurige, bedeutungsschwangere, problembehaftete. Immer Leute mit Problemen. Immer alles ganz tragisch. Nie lustig. Ständig wird gestritten! Nie hat jemand Zeit. Alle Figuren zum Ausstanzen und Austauschen. Und wenn sie mal wirklich neu und aufregend waren, dann wurden sie so schrill, dass sie einfach nicht mehr in die Reihe passten (z.B. Tatort aus Münster).

Die Deutschen können irgendwie nicht anders, als sich Sorgen machen oder über Probleme reden. Gerade diese privaten Erzählstränge wurden oft derart ausgeweitet, dass die eigentliche Krimi-Handlung auf der Strecke blieb. Auch wird – meiner Meinung nach- der Markenkern der Serie verwässert, indem man ständig andere Kommissare sieht und aus anderen Städten berichtet. Heute Münster, morgen Hamburg, dann Leipzig, Ludwigshafen (das aber selten in Ludwigshafen gedreht wird und das Pfälzisch klingt auch etwas aufgesetzt), dann wieder Köln, München, usw.

Was macht denn einen guten Tatort noch aus? Gute deutsche Krimiserien waren z.B. Schimanski, Peter Strohm oder „Die Kommissarin“. Einfach, weil es um einen guten Kommissar und eine knackige Handlung ging. Eine Stadt. Weil Action und Handlung enthalten waren und der Fall an sich mitgerissen hat.

Mit der Tatort-Serie will man viel, will alle glücklich machen und erreicht irgendwie doch keinen. Zuviel Mainstream, zuviel Masse, zu deutsch.

Die Tatorts mit Til haben einen guten Gegenimpuls gesetzt: Endlich wieder ein Chef-Ermittler, der Ecken und Kanten hat. Nicht unbedingt symphatisch, aber das muss er auch nicht. Aber er ist ein Charakter, ähnlich wie Schimanski. Er traut sich auch mal ein Schimpfwort zu sagen. Er packt zu. Er geht unorthodoxe Wege. Er benutzt seine Pistole (oh nein, aber was ist mit dem deutschen Waffenrecht? darf er das überhaupt? ). Tatort ist ja nicht Realität, Tatort ist Kunst. Ein Krimi. Etwas fiktives. Also darf man auch durchaus mal künstlerische Wege gehen.

Der Tatort mit Til verkörpert all das, was den anderen Tatorts irgendwie gefehlt hat. Die klassischen Muster sind ja so: Der Täter ist unbekannt, alle möglichen Leute werden befragt. Die haben meistens Ressentiments gegen die Ermittler und sind abweisend. Irgendeiner (meistens unsymphatischer Unternehmer oder Anwalt) zieht alle Verdächtigungen auf sich, die Ermittler sind kurz vorm Zugriff oder haben ihn schon in Untersuchungs-Haft. Kurz vor Schluss entdeckt man dann, dass es doch ein anderer war, es kommt zum Show-Down, ein kleines Scharmützel, oder – oh nein- er will vom Dach springen, und Abspann. Dann kommt eine Talk-Sendung und die Tagesthemen. Gähn. Langweilig, alles so vorhersehbar, wo bleibt die Freiheit, wo die Kreativität?

Der gestrige Tatort war auf jeden Fall unvorhersehbar. Die Handlung war zwar nicht berauschend und die deutschen Regisseure sollten sich mal amerikanische Serien anschauen und etwas über modernes Story-Writing lernen. Die meisten amerikanischen Serien beherrschen das nämlich mittlerweile alle viel besser (z.B. Lost, Breaking Bad).

Aber es war immerhin mal ein Anfang. Kritikpunkt: Die Gewalt und die Action wirkten etwas zu sehr aufgesetzt. Das ist jetzt fast wieder der umgekehrte Weg: Man will unbedingt ein „Action-Held“ Schweiger etablieren, komme was wolle. Er liegt verletzt im Krankenhaus und drei Leute vom LKA bewachen ihn? Komm dann schick doch die Mafia rein und lass alle abknallen! Und wenn die erste Welle überrumpelt worden ist (dann zupackender LKA-Beamtin! Yeah modernes Frauenbild. Sie beschützt ihn!) dann schick noch ne Welle rein, diesmal mit Schrotflinten und noch schlechter gepflegterem Gesichtshaar… dann merkt Schweiger plötzlich, dass er ja doch wieder laufen kann.. und humpelt schnell mal davon.

Dann hatten wir noch das typische Opfer. Die einsame, geprellte Frau, die auf ihren Liebhaber wartet und gerade am Wein rumspielt, als es klingelt. Herein kommt der Mafiosi und poliert ihr die Fresse.. das war´s dann erstmal mit dem schönen Abend . Weitere Auftritte der -an sich guten Schauspielerin- beschränkten sich dann auf weinerliches im Bett- rumliegen und das typische weibliche Gewalt- Opfer abgeben. Okay, ganz nett, aber wieder etwas zu übertrieben und klischeehaft. Sie hätte sich ja auch zu Wehr setzen können… und gerade als sie ihren Gegenüber am Wickel hat, kommt Til reinspaziert und lässt einen coolen Spruch los…

Der kleine Junge: Die bösen Gangster verführen ihn, drücken ihm eine Knarre in die Hand und wittern schon eine große Nachwuchschance. Und er, macht auch noch mit, ey! Aber Til wird das verhindern, ey.

Dann die Szene am Containerhafen in Hamburg: Ganz nett, aber irgendwie hab ich die Handlung nicht verstanden. Warum hängt der Container da in der Luft? Und warum ist da plötzlich eine Geisel in dem anderen Container??

Und warum klettert der eine drauf und dreht sich auf den Kopf und lässt den anderen quatschen und sich dann noch erschießen? Das war etwas wirr, hier hätte man die Story noch besser ausarbeiten können…

Aber insgesamt… eigentlich ein ganz guter Tatort und der richtige Weg. Etwas weniger Schimpfworte bitte das nächste Mal (es könnten ja auch Kinder mitschauen und durch Schimpfworte wird ein Held nicht cooler, er benutzt nur einfach mehr Schimpfworte, verflucht noch mal)… die Action noch besser in die Handlung integrieren… die Handlung generell noch verbessern und auch durch innere Dramatik mehr Nervenkitzel aufbauen..

Dann könnte das, ein richtig guter Tatort werden!

ps: Untertitel gibt´s auf Videotext Seite 150 😉

 

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Ich bin eine Bloggerin, hol mich hier raus

Gestern ist es mir mal wieder passiert: Der sehr gute, werbefreie Krimi im ZDF hat gefallen und überzeugt. Spannung pur, eine interessante Handlung und hervorragende Schauspieler rundeten das Fernsehvergnügen auf hohem Niveau ab.

Dazu als deutsch-österreichische „Crossproduktion“ und dem majestätischen Handlungsort Wien eine perfekte Grundlage für einen netten Fernsehabend. Und so kam es dann auch.. eine Rezension spare ich mir, weil man den Film noch online anschauen kann und ich nicht zuviel „spoilern“ möchte.

Eigentlich wollte ich danach den Fernseher ausschalten, weil schon ein kurzer Blick in die Fernsehzeitung betätigte, dass hier nicht mehr viel interessantes kommen würde. Außer eben dieser einen Sendung, die man eigentlich nicht schauen sollte, die aber gerade jetzt anfängt… über die auffallend viel geredet und berichtet wird (weniger in den Qualitätsmedien, aber umso mehr in den Boulevardmedien).

Die Sendung heißt: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ oder kürzer gesagt, das „Dschungelcamp„.

Die letzten Staffeln habe ich fast alle ausnahmslos ignoriert, weil ich entweder das ganze Konzept zu abartig und eklig fand, die Promis nicht mochte oder das ganze System mit dem auf Einschaltquoten ausgerichteten Privatfernsehen einfach nur ätzend finde.

An dieser Einstellung hat sich eigentlich nichts geändert, dennoch ist die Neugierde einfach zu groß, denn die Sendung hält sich ähnlich hartnäckig wie andere Formate, die auf Grund ihrer mangelnden Qualität dem Untergang geweiht sein müssten (z.B. Big Brother, „DSDS“ oder Germanys Next Topmodel).

Ich habe also beschlossen, mir die letzten zwei Folgen mal komplett anzuschauen und zu überlegen, was an dieser Sendung eigentlich gut und was schlecht ist. Auch schlechte Sendungen verdienen eine vollständige Rezension und eine qualifizierte Bewertung, ansonsten macht man es sich mit einem Vorurteil zu einfach.

Da fängt es mit den Kandidaten an, die wieder einmal sehr seltsam ausgewählt worden sind (nachzulesen hier ).

Ich kannte vorher eigentlich nur Fiona (aus Heidi´s Topmodel-Sendung), den Karstadt-Erpresser „Dagobert“ (huch, ein Krimineller?  ) und natürlich die Show-Transe Olivia Jones (die letztendlich auf Grund ihres hohen Glamour-Faktors auch den Grund zum Einschalten gab).

Die restlichen Namen sind ziemlich unbekannt und verdienen den Namen C-Promis eigentlich nicht: Die Mutter von Daniela Katzenberger darf wahrscheinlich nur auf Grund des Ruhmes ihrer Tochter ins Camp und von Allegra Curtis habe ich erfahren, dass sie die (Halb-)Schwester von Jamie Lee Curtis ist und mit Tony Curtis einen berühmten Vater hat.

Naja. Den Rest muss man nicht wirklich kennen. Oder kann jemand was mit Namen wie Geogina oder Claudelle Deckert etwas anfangen? Auch Joey Heindle, Patrick Nuo oder Silva Gonzalez muss man nicht wirklich kennen.

Erstes Minus also für RTL, die es mal wieder nicht geschafft haben, interessante Charaktere mit ins Boot zu holen und nur den Bodensatz der Nebenbühnen-Prominenz anlocken konnten.

Das Konzept wurde ebenfalls nicht geändert und bleibt belanglos wie einfallslos, mit dem kleinen Bonus, dass man eine hohe virale Aufmerksamkeit erzeugen kann: Man reise an das andere Ende der Welt (Australien), sperre die Promis in ein von der Außenwelt abgeschnittenes Camp, versorge sie nur mit den nötigsten menschlichen Bedürfnissen und lasse sie (anders als daheim) mal richtig für ihr Essen arbeiten (in Form der Dschungelprüfungen). Die Kandidaten für diese Prüfungen werden wiederum von den Zuschauern per Telefon gewählt, was zum einen einen extra Umsatz für RTL generiert und auf der anderen Seite ein paar neue Dauer-OPFER erschafft, die man auf Grund ihrer Zickigkeit oder Unbeholfenheit immer wieder leiden sehen möchte (in diesem Falle Georgina).

Den Läster-Kram, der beim langweiligen Abhängen im Camp mit der stets gleichen Totale und gelegentlichen Zooms auf die Kandidaten „aufgelockert“ wird, kann man dann am nächsten Tag in hundertfacher Vervielfältigung in den Klatschmedien der deutschen Medienlandschaft nachlesen.

Ein weiteres Highlight sind die ironischen und teils bissigen Kommentare der Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich..entweder aus dem sicheren Off oder direkt im Angesicht der Kandidaten, wenn sie die Prüfungen moderieren müssen. Hartwich ist der Ersatz des im letzten Jahr verstorbenen Dirk Bach.. ob er aber in diese berühmten Fußstapfen der Show-Unterhaltung treten kann, wird sich noch zeigen müssen. Was man bis jetzt gesehen hat, war viel versprechend. Vielleicht nicht ganz so überdreht und bissig, aber doch schön ironisch und als passender Gegenpart für Frau Zietlow.

So zwei Sendungen habe ich mir reingequält und wie lautet das vorläufige Fazit?

Am Anfang habe ich mir gedacht, wie langweilig das ganze ist. Die Prüfungen sind eklig und tlw. grenzverletzend. Was denken sich eigentlich die Tiere, deren Ruhe man stört, die man in Käfige einsperrt oder die vor laufender Kamera enthauptet werden („der Larve musst du den Kopf abbeißen, den Rest aber essen“)? Und was ist mit der Würde der Menschen, deren letztes aus ihrem Privatleben auch noch gezeigt wird? Die in unwürdigen Haltungen und teils ungeschminkt oder gar nackt bis in die letzte Pore auf der Titelseite des nächsten Magazins landen? Wie dämlich kann man eigentlich sein, sich in der anschließenden Extra-Sendung nochmal die Aufbereitung des völlig belanglosen ansehen zu müssen? Und warum- in aller Welt- machen die Zuschauer eigentlich mit, rufen dort an, schauen sich die Werbung an und unterstützen das ganze damit?

Was hat die Sendung also, was sie begeistert, was fasziniert? Bei all dem objektiv „schlechten“ und moralisch verwerflichen muss es doch etwas geben, was dafür sorgt, dass die Menschen davon angezogen werden?

Vielleicht ist es gerade dieses „schlechte“, was so anziehend wirkt. Das man weiß, wie widerwärtig das Konzept ist, wie einfach gestrickt die Maschen sind und wie lustig es eigentlich ist, andere beim Verzehren einer Käsefrucht, einem Teller mit Kakerlaken, einer Schwein-Vagina oder beim beherzten Biss in einen Grill-Spieß mit Skopionen zusehen zu können.

Als Zuschauer/ Zuschauerin überlegt man sich auch, wie es weitergeht. Wird die Camp-Mutti Olivia dafür sorgen können, dass sich die zickige Georgina mal zusammenreißt und nicht bei der nächstenbesten Ekelattacke einen Rückzieher macht? Welche Verhaltensweisen wird man beim Mann mit der kriminellen Vergangenheit noch entdecken können und wird die Mutter von der Katze noch ein paar Geheimnisse über deren ohnehin schon überstrapaziertes Privatleben preisgeben? Und warum.. interessiert uns das eigentlich alles?

Wenn man die Sendung gesehen hat, fühlt man sich danach so leer und so hungrig…. Hungrig nach Bildung, hungrig auf ein gutes Gespräch, hungrig auf einen guten Tierfilm in den Dritten, einer politischen Sendung auf Arte, hungrig auf einen langen, literarisch gut geschriebenen Roman (ohne Bildchen) oder einfach mal die Sonntagsausgabe der FAZ… zur Not würde ich auch mal wieder ein Buch von Schirrmacher lesen, aber bitte nicht-mehr-diese-Sendung!

Ich glaube, ich bin innerlich schon gefangen. ich sehe die Lianen sich bereits von der Decke winden. Die Grillen zirpen in meinem Gehörgang, ich bekomme Appettit auf ein großes Glas gequirlten Käfer-Cocktail.. ich glaube, ICH MUSS HIER RAUS !!!

Das Markenprodukt

Zugegeben, der ARD Markencheck war bis jetzt eine recht informative Reihe, von der ich alle Folgen geschaut habe.

Ob adidas, dm, H&M oder Coca Cola stets hat die Sendung ein paar neue, interessante Fakten zum Vorschein gebracht.

Besonders erstaunt hat mich die psychologische Wirkung von Marken. Das ein Produkt tlw. viel höher oder besser eingestuft wird, nur weil es eine Marke ist. So haben die Test-Personen im adidas-Check das Markenshirt durchweg besser und „hochwertiger“ eingestuft, obwohl man nur ein paar Streifen draufgenäht hatte und es eigentlich ein Noname-Produkt war! Der Mensch hat eben nicht die ausreichenden Fähigkeiten, komplexe Urteile über Qualität zu fällen und auf Grund dieses faktischen Mangels an Objektivität greift man automatisch (unbewusst) auf das Marken-Urteil zurück. Der Druck der Massenpsychologie und der Gruppe verstärkt diesen Effekt („Oh, die andere Testgruppe hat das gute T-Shirt“ – je mehr man sich dann in vermeintliche Unterschiede reinsteigert, desto größer wird der gefühlte, aber eigentlich nicht vorhandende Unterschied).

Aber selbst die sportlichen Leistungen, bzw. die Selbst-Einschätzung darüber, war bei dem vermeintlichen Markenprodukt besser. Bei den Sportschuhen und den Fußbällen gibt es aber auch messbare Unterschiede und Qualitätsverbesserungen bei teuren Markenprodukten. So waren die Flugeigenschaften der Markenbälle tatsächlich ein wenig besser und von Experten auch eindeutig zu erkennen. Die Laufeigenschaften und Bequemlichkeit von teuren Schuhen waren besser als die billigen Vergleichsprodukte. Gerade an den empfindlichen Füßen fallen solche Unterschiede besonders auf.

So vermischen sich tatsächliche Unterschiede, die durch teure Forschungsarbeit und echte Qualitätsverbesserungen geleistet werden und die Werbe-Wirkung der Marke auf eine sehr verstrickte Weise, die der Verbraucher nur schwer durchschauen kann.

Wenn Kinder nach dem besten Ball gefragt worden sind, tendierten sie meistens zu dem adidas-Ball mit der einfachen Begründung „weil die da im Fernsehen bei den großen Spielen den auch immer benutzen“. Das ist zwar kindlich argumentiert, wird aber auch bei manch großem Menschen noch tendenziell nachwirken. Wenn man etwas nur hinreichend oft sieht oder viel darüber gesendet wird, empfindet man es automatisch als vertrauter und somit auch als hochwertiger.

Schwierig war hingegen die stoffliche und optische Unterscheidung der Marke vom Plagiat. Eine Sache, die den Herstellern bestimmt einige Kopfschmerzen bereitet. Denn: Wenn eine Marke gut und etabliert ist, dann lädt sie auch umso mehr zum Nachmachen nach. Fremde Federn stehen halt sehr gut..

Nur der längere Wasch-und Gebrauchstest hat deutliche Unterscheide zwischem Plagiat und Original aufgezeigt. Das Original ist farbstabiler und verliert die Form nicht. Bei dem einfachen Ersteindruck-Test hingegen versagten die meisten Passanten, die man in der Fußgängerzone befragte.

Auffällig ist am Schluss noch das „Fairness“-Kriterium, dass man bei fast allen Marken untersucht hat. Fast alle großen etablierten Marken, aber vor allem die Kleidungsindustrie, haben hier noch großen Nachholbedarf.

Tlw. beträgt der Lohnkostenanteil eines Marken-T-Shirts magere 10 Cent, das Endprodukt steht dann aber im Verkauf für 60 oder 70 Euro. Da fragt man sich schon, warum der Anteil für die Arbeiter nicht erhöht werden kann? Warum die teuren, europäischen und westlichen Marken die Vorteile der Globalisierung so schamlos ausnutzen und sich so wenig verantwortlich fühlen? Denn ihre Armut ist auch unser Problem!

Andere Markenchecks zu Kleidung haben zudem gezeigt, dass es fast unmöglich ist, ein Produkt zu erwischen, welches nicht in einem Billiglohnland produziert wurde… da müsste man schon auf sehr spezielle Marken mit entsprechendem Gütesiegel zurückgreifen oder vielleicht das „nur in Deutschland produzierte“ Konkurrenzprodukt.

Diese Schattenseite der Produktionswege kann durch Werbung und im Konsum-Alltag gut verschleiert werden. Daher sind solche Dokumentationen recht hilfreich, um die Hintergründe zu begreifen und eigene Kaufentscheidungen zu überdenken.

Haben oder Verlieren

Jahr: 2011, Frankreich
Regie: Mona Achache
Drehbuch: Eric Guého und William Wégimont

Um Sinnsuche und Werteverschiebungen durch die Finanzkrise ging es auch in dem französischen Spielfilm „Um Bank und Kragen“, der vor ein paar Tagen auf ARTE ausgestrahlt wurde. Wie ich gerade beim Recherchieren feststellte, kann man ihn komplett (auch in HD) im Mediaplayer und online anschauen, außerdem wird er am 11. Mai um 15 Uhr wiederholt, laut ARD Webseite auch noch am 30.05. um 15 Uhr ((http://programm.ard.de/Homepage?sendung=287247747333319 )).

Kurz gesagt, geht es bei dem Film um zwei sehr unterschiedliche Familien, die sich vor allem durch den Beruf und den finanziellen Background unterscheiden. Die reiche Familie des Finanzinvestors Deville, der vor allem durch Entlassungen Geld verdient und die gering verdienende Familie, am unteren Ende der sozialen Skala, mit der Friseurin Ricci und ihrem arbeitslosen Hausmann. Die Entwicklung dieser beiden Familien wird diagonal gegenübergestellt: Während die reiche Familie durch den Jobverlust plötzlich in Armut und Arbeitslosigkeit rutscht, hat die arme Familie eine einzigartige Geschäftsidee und steigt quasi über Nacht zum erfolgreichen Internet-Startup mit Macht und Einfluss auf. Daraus ergeben sich jeweils ganz eigene Probleme. Während die ehemals reiche Familie sich in der neuen Welt nur mühsam zurecht findet und vor allem von Freunden und Geschäftspartnern enttäuscht wird, weiß die arme Familie zuerst gar nicht, wohin mit dem Geld oder der Frage, wie der neue Neid und die Missgunst von anderen bekämpft werden kann. Auch persönliche Probleme und Auseinandersetzungen mit den anspruchsvollen Kindern werden ausgiebig ausgebreitet. Veränderungen von außen erschüttern gleichermaßen das inner-familiäre Wertegefüge.

Im letzten Drittel der Geschichte treffen diese beiden Familien aufeinander und erleben weitere Verwicklungen. Der Film endet mit einem eher offenen Ende und ist insgesamt als Zeit-Portrait der französischen Gesellschaft in Zeiten der Finanzkrise zu sehen.

Insgesamt hat mir der Film sehr gut gefallen, was an mehreren Gründen liegt: Zum einen ist das Thema hochbrisant und aktuell. Es gibt eigentlich nur wenige künstlerische Umsetzungen der Finanzkrise, was angesichts ihrer großen Auswirkungen für die gesamte europäische Gesellschaft (und darüber hinaus) verwunderlich ist. Vielleicht hinkt der kritische Zeitgeist einfach noch hinterher oder die Leute, die Filme machen sind selbst zu wenig davon betroffen, als dass sich spannende oder gar gesellschaftskritische Plots entwickeln könnten. Außerdem ist der Film sehr lustig und satrisch angehaucht- es vergehen keine zwei Minuten, in denen man über die grotesken Situationen und zackigen Dialoge nicht schmunzeln oder lachen muss. Das Erzähltempo ist angenehm temporeich, aber noch gut begreifbar. Die Kameraeinstellungen sind angenehm ruhig und nicht zu hektisch. In erster Linie nimmt der Film unser eigenes materielles Denken genau unter die Lupe- sowie die persönliche Skrupellosigkeit bei den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft, was bis hin zu den Kindern geht, die ihre Eltern einen Kredit geben und kurzerhand das Kinderzimmer zur Pfandstube umfunktionieren. Natürlich bekommt auch der Bank-Berater, der fett und selbstverliebt in seinem bequemen Bürostuhl sitzt und zu den persönlichen Problemen der „kleine Kunden“ oft nur müde lächelt, sein Fett weg. Aber die Klischees in diesem Film gehen weiter: jeder ist irgendwie betroffen, jeder hängt mit drin.

Die Schauspieler spielen sehr gut, allen voran die beiden weiblichen Hauptrollen, besetzt von Pascale Arbillot und Lolita Chammah. Jeder dieser Frauen geht zuerst in ihrem eigenen Leben perfekt auf und beide vollziehen einen Wandel in entgegengesetzte Richtung. Als sie am Ende aufeinander treffen, spielen sie die Feindseligkeiten, aber auch die Gemeinsamkeiten ihrer Biografie sehr überzeugend.

Die Männerrollen und die der Kinder sind ebenfalls gut besetzt und tragen zur Authentizität dieses lustig-satirischen Dramas bei.

Negativ ist mir nur der Schluss aufgefallen, bei dem zuviel zusammengefasst wurde und die Zeit arg gerafft wurde. Hier hat man versucht mit Hochtempo noch ein paar dramatische Wendungen einzubauen, die dann aber doch aufgesetzt wirken. Das angenehme Tempo des Anfangs wird dann plötzlich fallengelassen und durch große Sprünge ersetzt. Das offene Ende mit den vielen Fragezeichen passt ebenfalls zu dieser dramaturgischen Miss-Harmonie. Vielleicht gab es hier ein paar Probleme bei der Umsetzung des Buches und die Zeit, die man am Anfang großzügig für die Erzählung der Geschichte verschwendet hat, fehlte dann am Ende; vielleicht war es aber auch beabsichtigt.

Insgesamt ist der Film aber sehr gelungen und vor allem sehr witzig. Er erlaubt es an Stellen zu lachen, die eigentlich nicht lustig wären und lockert die Verkrampftheit und das Schweigen mit dem man aktuell auf Entwicklungen der Finanz- und Eurowelt schauen kann. Dabei nimmt er den Blick nie zu weit von den persönlichen Schicksalen und Entscheidungen und bleibt dadurch durchweg sympathisch und sehenswert.