Kritik und Gesellschaft

Am Anfang des Jahres und auch zwischendurch habe ich immer mal wieder überlegt, welche neue Hauptrichtung mein Blog braucht und wo es sich lohnt, weiterzumachen und weiterzuschreiben. Das ist das Schöne am Bloggen, dieses dynamische Entstehen und dass man zwischendurch immer mal wieder den Kurs wechseln kann und sich neu festlegt.

Also ich weiß, dass ich zwei Dinge eher wenig machen will und kann: Privates Bloggen und kommerzielles Schreiben.

Beides sind für mich Extreme: Das Private kreist nur um sich selbst und ist zu sehr selbstbezogen und belanglos. Außerdem brauche ich keine 20 Kommentierer, die mir Honig um den nicht vorhandenen Bart schmieren und mir als Königin huldigen. Ähnlich mit den kommerziellen Interessen, die man am besten anderweitig auslebt und oder ein rein kommerzielles Blog betreibt.

Nein, ich glaube die Stärke des Blogs an sich liegen darin, die Gesellschaft zu analysieren und kritisch zu kommentieren. Es geht dabei um Meinungsfreiheit, um intellektuelle Teilhabe und auch um Diskussion. Mir persönlich geht es darum, ein Bild von der Wirklichkeit zu zeichnen, so wie ich sie sehe. Bloggen und Schreiben ist für mich ein künstlerischer und psychologischer Schaffensprozess, der nicht immer die Wirklichkeit treffen muss, so wie andere sie sehen. Bloggen ist subjektiv, emotional und das ist das Schöne daran.

In der letzten Zeit habe ich da Gesellschaftskritische ein wenig ausgebaut. Motiviert und angeregt von anderen sartirischen Texten und kritischen Nachrichtenseiten oder Blogs möchte auch ich meinen Senf abgeben. Das Ganze hat Vor- und Nachteile.

Der Vorteil ist z.B. dass man sich etwas von der Seele schreibt und auf augenscheinliche Misstände aufmerksam macht. Im Idealfall greifen verantwortliche Menschen diese Meinung auf und ändern ihr Verhalten.

Menschen, die noch unentschlossen in ihren Wahlentscheidungen sind, werden vielleicht auf Grund von kritischen Texten ihre Meinung ändern oder das eine oder andere Wahlprogramm ihrer Partei nochmal überdenken. Da die Bundestagswahl vor der Tür steht, ist es sinnvoll, dem Blog einen politischen Anstrich zu geben.

Es gibt aber auch einiges an Nachteilen: Jeder Mensch, der kritisiert, wird auch gleichzeitig zum Opfer von Kritik. Jeder, der „das Maul aufreißt“ muss damit rechnen, auf Gegenwehr zu stoßen und die Ressentiments eben jener Gruppen zu ernten, die er vielleicht angegriffen hat. Es ist nicht so einfach, wie man vielleicht denkt.

Auf der einen Seite heißt es, man soll helfen und sich um die Gesellschaft kümmern (christliche, buddhistische Werte)- aber sobald man hilft und Misstände anspricht, stößt man auf Gegenwehr. Darin liegt der Kern des Helfens, sich über die Schwierigkeiten hinweg zu setzen und dennoch auf das „richtige Ziel“ hinzuarbeiten. Was aber ist richtig.. bei sovielen möglichen Meinungen? Dies herauszufinden- ohne stur nur eine Meinung gelten zu lassen- ist einer der wichtigsten Ziele beim Bloggen und Denken.

Der andere Punkt ist das „Handeln“. Bloggen ist eben „nur“ Schreiben und Denken. Es ist nur „das Maul aufreißen“, es bewirkt aber an sich keine Veränderung. Das Bloggen ohne die anschließenden Taten wäre wie Essen ohne Nährstoffe: Es macht nicht satt, man will immer mehr. (und wird dabei vielleicht immer unglücklicher)

Ich frage mich manchmal, ob es überhaupt sinnvoll ist, die eigenen Gedanken an die Öffentlichkeit zu tragen und ob man das bewirkt, was man möchte. Letztendlich sind wir heutzutage von unzähligen Informationsströmen eingebunden, warum sollte nur ein einziger Mensch darauf hören, was man selbst zu sagen hat?

Wenn ich aber entsprechende Fernsehsendungen sehe, die mir nicht passen, wenn ich mal wieder einen rechtsgerichteten oder frauenfeindlichen Kommentar in einer Tageszeitung oder Leserbrief lese, dann ärgert mich das schon. Ich finde, jede Gruppierung, jede Meinung und jede noch so kleine „Randgruppe“ hat das Recht und die Pflicht, sich zu äußern. Nicht zuviel Meinung ist unser gesellschaftliches Hauptproblem, sondern zu wenig.

Die Medien werden immer noch von großen mächtigen Verlagshäusern und Einzelpersonen dominiert, wohin das führen kann, sieht man am Beispiel Berlusconi (aber auch hier in Deutschland gibt´s ein paar dominante Vertreter, z.B. die Blöd-Zeitung und Konsorten).

Wer sich nicht zu Wort meldet und die Möglichkeiten der Blogs nutzt, muss langfristig die Informationen essen, die ihm dann andere vorsetzen. Und das muss ja (ungefragt) nicht sein.

Dennoch merke ich manchmal, wie anstrengend und aufreibend es sein kann, immer die „Böse“ zu spielen, die mit viel Kritik und eilig herbei gegoogelten Sachverstand die Missstände analysiert. Es ist immer dann anstrengend, wenn keiner mitmacht und man nur ignoriert wird. Anstatt der guten Sache nachzufolgen und sich dem Kampf gegen das Schlechte anzuschließen, hat man in Deutschland immer dieses „Tausend Fäden“-Phänomen. Die Leute werden von tausend Fäden unsichtbar in soviele Richtungen gelenkt, dass nie eine einzige Hauptrichtung daraus ensteht.

Warum haben wir heutzutage keinen revolutionären Geist wie in den 60er oder 70er Jahren? Warum sind Studenten heutzutage so unpolitisch? Warum findet man in Twitter soviel Belanglosigkeiten und so wenig Politisches?

Die modernen Kommunikationsmittel mit ihrer ständigen Erreichbarkeit und der freien Auswahl aller erdenklichen Informationen sind Fluch und Segen zugleich.

Das Schwierigste dabei ist, die eigene Meinung, das kritische Denken und den Willen zur Veränderung aufrecht zu erhalten und sich selbst ein verlässlicher Kompass im Dschungel der Möglichkeiten zu sein.

Die Blogs sind eine gute Methode, sich darin zu üben.

Ein Gedanke zu „Kritik und Gesellschaft“

  1. Bis vor kurzem, genauer bis zu deinem Beitrag Julia, war ich auch der Meinung, das bloggen ohne gleich folgenden Taten, zu nichts nütze seien – hohles und leeres Geschwätz.
    Ich könnte mir aber auch sehr gut vorstellen, das mit blogs, in denen wir uns immer wieder neu erfinden, Werte und Haltungen verfestigen, die wir auch nach außen sichtbar leben. Somit ist nicht der geschriebene blog die Botschaft, sondern unsere Denke im realen Miteinander.

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