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Im Frühjahr ist es schon Herbst geworden

Die Nachrichten, die Bilder des Tages, die Politik… ob überhaupt jemand davon berührt wird? Kann man überhaupt jemanden vorwerfen, nicht davon berührt zu werden…. oder übersteigen der Super-Gau und die Kriege gegen Zivilisten nicht einfach unsere Vorstellungskraft, die Grenzen unserer Wahrnehmung, die Grenze der belastbaren Gefühle.. die Grenze unseres eigenen Menschseins? Viele unsichtbaren Mauern sieht man in diesen Tagen. Mauern die schützen, die aber auch stumpf werden lassen.

Was ist der Mensch mehr, als die Summe der geistigen Eindrücke und Wechselwirkungen, die er von sich, aus sich, über andere und mit anderen macht? Der Mensch, die Variablen-Maschine, die stets am Limit der Eindrücke fährt und dessen Frame-Rate hin und wieder unter der Last der vielen Neuberechnungen zusammen zu brechen droht.

Der Mensch, Drahtgitter in einer fleischeslüsternen Welt. Der Mensch. Hat sich über Gott erhoben und kann jetzt die Evolution beeinflussen. Hat sich zum Hüter der Materie aufgeschwungen, spaltet die Kerne und bildet sich viel ein auf seine Leistungen. Meint, das Göttliche, das Begrenzende des Daseins ein für alle mal von sich geschüttelt zu haben!

Wie klein er doch ist, der Mensch. Beinahe nur ein armseeliger Pixel im luftleeren Raum.

Ohne Vektor und ohne Koordinaten lässt er sich von den Naturgewalten treiben und meint, sie gehorchen ihm, nur weil der letzte Zufall dem derzeitigen Lauf seiner Gedanken entsprochen hatte. Ohne moralische Dimension ist der heutige Mensch. Plattgedrückt wie ein Blatt im Wind, dass nach der nächsten Umweltkatastrophe vom Baum gesegelt ist und nun langsam von den Bakterien der Unterwelt genüsslich in seine Einzelteile zerlegt wird. Er ist stolz darauf, es zu verstehen, wie er da angeknabbert wird- lacht vielleicht noch belustigt darüber, aber das Verständnis allein schützt ihn nicht vor seinem drohenden Untergang.

Das ist der „moderne“ Mensch. Und am Ende bleibt der Krone der Schöpfung nur der Neuanfang als zusammengesetztes Atom, als wachsende, energieverschligende Zelle und das ganze Schlamassel seines göttlichen Wirkens beginnt wieder von vorne.




Sinn

„Sinn“ kann so vieles im Leben machen. Es ist sehr abhängig von der eigenen Einstellung, vom Charakter, von den gelebten Erfahrungen, von den Eltern, Verwandten und Freunden, die uns alle mit ihren Meinungen prägen.

Nicht immer ist der Sinn, von dem wir glauben oder gar „fühlen“, dass es der Richtige ist, auch der gesellschaftlich anerkannte oder einfachste Weg. So haben Jugendliche oder Studenten oft einen sehr starken Sinn für Gerechtigkeit, für Freiheit und das Gute im Menschen- doch wenn man Erfahrungen im Leben macht, wird man bald feststellen, dass die Welt oft ganz anders funktioniert und es teils heftige Widerstände gegen eigentlich „gute Überzeugungen“ gibt.

Von der Gesellschaft allgemein akzeptierte Sinn-Lösungen sind z.B. Kinder kriegen, Heiraten, einen guten Job haben, befördert werden, Sicherheit im Alter, ein Haus bauen. Vielleicht noch Erfolg im Sport, im Vereinswesen oder in der Politik.

Die Gesellschaft funktioniert dabei sehr außen gerichtet und wie ich finde, auch oberflächlich. Die wichtigen metaphysischen Sinnfragen sind nämlich Fragen, die das Wesen, das Sein des Menschen im Kosmos betreffen und dafür gibt es keine einfachen Antworten.

Wenn ich mir vornehme, ein Jahresgehalt von XY Euro zu verdienen oder Position Z im Unternehmen X zu bekommen, ist das ein Ding der praktischen Möglichkeit. Auch die Zielsetzung, genau 2,5 Kinder im Jahresmittel in die Welt zu setzen, kann ein Ding der Tat werden.

Darüber hinaus gibt es die viel weicheren Glaubensfragen, wie z.B. „wie erreiche ich Glück“ oder „Was ist der Sinn des Lebens“, „Gibt es einen Gott“, usw.

Diese Fragen führen im Allgemeinen viel weiter und über die praktischen Begrenzungen des Lebens hinaus. Es liegt in ihrer Natur, dass sie erstmal zu Unsicherheit führen, weil sie den Horizont erweitern und das Bestehende bewusst in Frage stellen. Sie sprengen einen festen Rahmen, der vielleicht auch ein Fundament gewesen ist. Daher sind die Widerstände so groß und darum denken nur die wenigsten Menschen wirklich offen darüber nach.

Wenn jeder manchen würde, was er wollte, hätten wir ein heilloses Durcheinander, keiner würde mehr arbeiten, der Staat als System mit Steuern und der aufgezwungenen Unfreiheit der Arbeitnehmer, Rentenzahler usw. würde nicht mehr funktionieren. Wir würden aus der Ehe ausbrechen, die gesellschaftlichen Gefüge wären ziellos, unberechenbar und jeder wäre sich selbst der Nächste.

In vieler Hinsicht steuert unsere Gesellschaft darauf zu, da es im Menschen meistens einen unstillbaren Durst nach Freiheit und „Erleuchtung“ gibt. Allerdings werden dann solche Ideen, die mehr Freiheit für den Einzelnen ermöglichen, wie z.B. das bedingungslose Grundeinkommen, nicht so einfach durchgesetzt. Das vielleicht stärkste Gegenargument beim Grundeinkommen ist immer die Aussage „dann würde ja jeder machen, was er wollte“ und „nichts würde mehr funktionieren, keine würde mehr arbeiten“. Dabei vergisst man aber, dass Menschen oft viel besser und produktiver arbeiten, wenn sie nicht gezwungen werden und etwas machen können, dass sie voll und ganz ausfüllt. Nicht das End-Produkt muss immer die Zielsetzung sein, nicht die schwarze Zahl auf irgendeinem belanglosen Papier. Sinn beim Arbeiten entsteht auch oft aus der Freude an der Arbeit, aus der Freude am So-Sein. Die Produktivität ist dann ein Faktor, der nebenbei anfällt und nicht erzwungen wird.

In unserer heutigen Denkweise und Wirtschaftswelt leider noch fast völlig undenkbar. Die alten Muster, die Disziplin und die Unterjochung des freien Geistes von Arbeitnehmern, vor allem der schlecht ausgebildeten, überwiegt.

Die „totale Freiheit“ ganz ohne einen bestimmten Rahmen muss nicht unbedingt zu Glück führen. Denn wo man erstmal aus Strukturen heraus gelöst ist, löst sich auch der Sinn auf. Wenn man morgens zur Arbeit geht, weiß man, warum man überhaupt aufstehen soll. Wenn man Kollegen trifft, weiß man, warum man arbeitet. Wenn das Gehalt da ist, weiß man wofür sich die Plackerei gelohnt hat. Wenn man dann mit der Ehefrau/ dem Ehemann einkaufen geht und sich was leisten kann, weiß man, wofür man Geld verdient. Wenn dann noch Kinder in der Welt sind, usw.

Ein Sinn entsteht meistens aus der Abhängigkeit im Leben von anderen und dem Gefühl, in diesem Gesamt-Gefüge etwas Gutes zu tun.

Wenn wir uns nun z.B. dem totalen Drogenrausch hingeben würden und unsere materielle und geistige Freiheit, das „Ausflippen“ genießen würden, wäre das kurzfristig schön und befreiend. Aber langfristig wären wir so losgelöst von allem und jeden und würden immer einsamer werden. Die anfängliche Freiheit würde sich zu einem Gefängnis, zur Sucht wandeln und wenig später zum sozialen Abstieg führen.

Für mich entsteht der Sinn im Leben dann, wenn ich genügend Zeit und Möglichkeiten habe, mich persönlich weiterzuentwickeln, kreativ und selbstständig arbeiten kann, mit meiner Arbeit etwas bewege, in der Gesellschaft vorwärts komme und dennoch nicht unfrei bin.

Der perfekte Weg zum Sinn ist daher eine eher wage Zielsetzung, die sich irgendwo zwischen die Extreme von völliger Losgelöstheit und engstirniger Disziplin-Erfüllung ansiedelt.

Und auch die Themen des Sinns können sich grundlegend wandeln: Mal ist es die Liebe, mal die Arbeit, mal die Familie, mal die eigene Schönheit, mal der Glauben, mal das Auto, mal der Computer, mal die Freunde, mal die Netzwerke und mal die Einsamkeit.

Der Sinn ist erreicht, wenn du glücklich geworden bist, mit dem was du tust.