Zwischen Feuchtgebieten, Erfolg-reichen und Einsamen

Zwei, drei Dinge gibt es, die heute ver-schreibenswert sind. Ich könnte es auch auf morgen verschieben, aber dann vergesse ich es vielleicht wieder. Grundsätzlich habe ich wieder mehr Zeit und Lust zum Schreiben und das ist auch mal schön und sollte genutzt werden. Die Kreativität kommt und geht wie Wind, mal setzt sie sich hin, dann gilt es sie zu nutzen, dann fliegt sie wieder weiter, dann kann man sie nicht erzwingen. Vielleicht schreibe ich zehn Artikel am Stück, nur um dann wieder wochenlang keine „Eingebung“ zu haben.

Seit Tagen bin ich krank und ein heftiger Schnupfen plagt mich, der erste des Herbstes. Pünktlich zum Wetterumsturz und dem damit verbundenen Sonnenlicht-Mangel war mein Immunsystem im Eimer.

Ich sitze so herum und plane dies und jenes, doch es will (noch) nichts so recht gelingen. Ich bin hoffnungslos unter-motiviert und bestaune und beneide auch ein wenig die Leute mit mehr Schaffenskraft. Ich hingegen versuche den Herbst, als Abkehr der Sonne und Rückzug in stillere Zeiten zu verinnerlichen, mich irgendwie darauf ein – oder umzustellen.

Einsame Litfaßsäule

Am meisten leide ich im Moment an Mangel an inspirierenden Kontakten. Nichts gegen Twitter, aber da lösche ich im Moment mehr Besucher als hinzukommen und meine eigene Follower-Zahl schwankt auch schon seit Wochen um eine nichtssagende „107“. Ich habe es mal mit hash-tag-Suche versucht, aber bis jetzt kein wirklich gutes Mittel gefunden, Leute zu finden, die auch wirklich auf der eigenen Wellenlänge sind. Ich bin ziemlich kritisch im Auswählen von Kontakten. Rechts-gerichtete Menschen, CDU-ler, FPD-ler, Konservative, Frauenhasser, Kriegsbefürworter, Piratenwählerwerbungsverteiler- das sind alles Leute, die ich lieber blocke und entferne. Wo sind die jungen, coolen Leute?  Wo sind die Leute, mit den ich befreundet sein will- und die umgekehrt auch mit mir befreundet sein wollen? Es kann ja nicht sein, nur weil ich ein bisschen kritischer geworden bin, dass ich überhaupt niemanden mehr finde! Solle ich alle meine Ideale und Gedanken verraten, nur um in diesem nebulösen Zug an Einzelgängern irgendwo Anschluss zu finden? Nein, das wäre nichts für mich. Entweder ich finde jemand cooles und schreibe dem und/ oder lerne von ihm oder es passiert eben nichts. Wenn man im Vorfeld schon gut sortiert, spart man sich später die Enttäuschungen. Da bin ich Realist.

Es ist schon schwer genug, Leute zu finden, die sich für Feminismus interessieren. Es ist schwer, politisch interessierte Menschen zu finden. Und von den klassischen Außenseiterthemen, über Schwule, Randgruppen und andere Sachen mag ich noch nicht mal denken! Wenn man dann mal jemand in Twitter gefunden hat, der einem einigermaßen zusagt, dann hat der mal einen Schreibflash, dann wieder nicht, dann gibt es Liebeskummer oder was weiß ich noch alles- aber Freundschaften kann man da nicht aufbauen. Twitter ist ein reiner Zeitvertreib und wohl auch eine Möglichkeit, um Werbung für eigene Sachen zu machen. So was wie eine virtuelle Litfaßsäule. Aber es ist – in meinen Augen- keine gute Plattform, um soziale Kontakte aufzubauen oder gar zu halten. Es ist einfach nur ein Werbe- und Präsentationsstand in eigener Sache. Und das macht es auf die Dauer recht langweilig.

Übertriebene Feuchtgebiete

Furchtbar gelangweilt habe ich mich heute auch beim Anlesen der „Feuchtgebiete“  von Charlotte Roche. Das Buch erfüllt alle Klischees, die ich bin jetzt darüber gelesen oder gehört habe: Eine Moderatorin, die sich als Autorin wagt, das kann nicht gut gehen.

Schon in den ersten Seiten war klar, dass mich hier keine interessante Geschichte, ein bis ins letzte Detail geplanter Plot, über Jahre hinweg gründlich recherchierte Hintergrundgeschichte oder Geschichtsbezug antreffen wird. Nein, Feuchtgebiete ist von Anfang an, einfach nur eine perfide Ansammlung von Tabubrüchen, Perversitäten und Belanglosigkeiten. Dazu kommt dieser kindische, unausgereifte Stil, der wohl sexy oder lustig wirken soll, mich aber einfach total abtörnt. Hier hat eine Frau gerade ihre Tage und kotzt die ganzen verklemmten Moralvorstellungen aus, die sich im Laufe ihres noch kurzen Lebens so angesammelt haben.
Und sie übertreibt das Ganze noch ein wenig, treibt es auf die Spitze, bis ins Lächerliche, Überdrehte- und eben Belanglose.

Es fällt mir schwer, etwas Gutes an dem Buch zu finden. Vielleicht dies: Es ermöglicht eine indirekte Sexualtherapie mit dem eigenen Körper. Habe ich etwas davon schon mal gemacht, von dem die Autorin schreibt? Wenn ja, was habe ich dabei empfunden? Teilweise wird man auch neugierig oder erfährt Dinge von „Frau zu Frau“ die man vielleicht sonst nie erfahren hätte, die vielleicht extrem versteckt und nie ans Licht gekommen wären.

Aber die Art und Weise wie sich die Autorin selbst als Objekt ansieht und reduziert auf ihre Begierden und Körperlichkeit ist keine Kunst, die ich schätze. Es ist ein Verrat an der Kunst, ein hoffnungsloses Übertreiben- es ist vielleicht kreativ- aber auch nur im Übertreiben. Es ist ein ständiger Spagat zwischen dem Wahnsinnigen, Östrogen-getränkten Irren bis hin zum schlichtweg Banalen.

Es ist hilflos und armselig- und doch faszinierend.

Ich bin mir über die endgültige Meinung bei dem Buch noch unsicher- werde mich noch ein paar Seiten weiter quälen, was aber am Ende nur gelingen mag, wenn ich mich vorher mit klassischer Kultur impfe und auch sonst geschmacklich resistent zeigen kann.

Langweilige Kandidaten

Das andere „Highlight“ des Abends (wenn man das so nennen darf) war die Wahlarena mit Frank Walter Steinmeier. Ich habe mir drei Seiten Notizen gemacht. Drei Seiten Fernseh-Protokoll über die Themen, die wie ein Bug im Wasser konsequent „durchpflügt“ wurden, wie auch der kompetente Moderator während der Sendung vergnüglich feststellte.

Also 1) es war sehr interessant und 2) auch politisch gehaltvoll aber 3) hat Steinmeier all die Vorurteile die man über ihn so pflegen mag mit Bravur untermauert. Er war stinklangweilig, er hat einen verkrampften Humor, er ist weit weg von den Bedürfnissen und vor allem den Gefühlen der Bürger. Er schafft es einfach nicht, emotional einfache und verständliche Worte zu finden. Er betont zwar seine einfache Herkunft, aber wenn er sie jemals hatte, dann hat er sie in Gänze abgestreift und mit dem Mann im Anzug ersetzt, der da schelmisch durch die Brille blinzelt. Nicht falsch verstehen- ich mag ihn- er ist sehr sympathisch und er weckt gleichzeitig meine weiblichen Beschützerinstinkte, wie auch meine väterlichen Konflikte: Dieser Mann redet und redet- und irgendwie immer dran vorbei. Er ist gebildet und schlau, aber er versteht nicht die Bedürfnisse, die Gefühle der Fragesteller. So bleiben die meisten Leute in der Arena auch mit einem ratlosen Blick zurück und murmeln nur so etwas wie „nur zum Teil beantwortet“. Es kommt keine Freude auf, es kochen keine Emotionen, der Funke springt einfach nicht von Steinmeier aufs Volk über. So leid es mir tut, die Notizen werden ich in die Tonne treten oder bei viel Zeit und Lust nochmal nachbearbeiten- aber mir ist ganz klar- mit diesem Mann kann die SPD keine Alleinregierung bilden. Sie muss sich darauf einstellen, den Mangel zu verwalten. Realpolitik für die einfachen Leute sieht anders aus.

Und wer sonst sollte SPD wählen? Die, die es geschafft haben?

Was eigentlich „geschafft“?

…………………………………

PS: doch ein Highlight bleibt: Das musikalische Manifest des Fragezeichners, ein wunderbarer, selbst komponierter Song mit Tiefgang und Schwung. Ich ziehe meinen Hut bei soviel Talent.

4 Gedanken zu „Zwischen Feuchtgebieten, Erfolg-reichen und Einsamen“

  1. Mir ging es mit dem Buch „The secret“ so, als der hipe damit aufkam, wie dir mit dem „Feuchtgebiete“. Mehr als 30 Seiten habe ich nicht geschafft.

    Aber, was mir aufgrund deines Steinmeier`s Interview einfällt. Auch ein charismatischer Obama bekommt nun doch seine Grenzen aufgezeigt, und da nutzt alles nichts, auch er muss Kompromisse machen und durch alle Instanzen durch. Das veranlasst mich zu dem Gedanken, warum sollte ein stinklangweiliger nicht doch ein gutes Arbeitspferd sein. Ich würde ihm mindestens genau soviel Energie zutrauen, wenn er dann im Kanzleramt sitzt, wie einer Frau Merkel. Verdient er die Chance? Was sollte mit Steinmeier effektiv spürbar für uns Bürger schlechter werden, als mit Merkel? So richtig, fällt mir da nichts ein.

  2. Klar verdient er eine Chance. Wie gesagt, eigentlich ist er sehr nett und ich war ja auch nur weiblich-gemein und urteile nach intuitiven Äußerlichkeiten. 😉

    Ich hätte meine Argumentation vielleicht anders aufbauen sollen. Ich denke, er schafft keine richtige Kongruenz zwischen den Bedürfnissen der Bürger und den konkreten Stellungnahmen der politischen SPD-Position.

    Die von ihm in der Sendung erläuterten Punkte waren nicht deutlich genug aufgestellt. Ein Zuschauer fragte beispielsweise nach der Rente mit 67 und dem üblichen „Schichtarbeiter, Handwerker, der dann kaputt ist“..-Argument. Steinmeier ging darauf nicht besonders ein und konterte mit politischen Argumenten, Regelungen und das man z.B. die neue Renten-Zeit stufenweise einführen will.

    Das schwächt die Sorge ab und erklärt den politischen Willen, aber es kommt eben den Bürgern nicht entgegen. Die Links-Partei ist da viel schlauer und gräbt die Wähler der SPD genau an dieser Schnittstelle ab.

    Die SPD hätte vielmehr darauf achten sollen, ihren linken Flügel endlich zu schließen und ein paar markige Positionen zu äußern, damit ihr keine Wähler mehr „überspringen“.

    Und Steinmeier kommt auch schon rein äußerlich viel zu gesittet, viel zu neo-liberal herüber.

    Schröder hätte vielleicht gewirkt, er war einfach rhetorisch besser und auch noch mehr ein überzeugter Sozialdemokrat (auch wenn er hinterher etwas komisch gehandelt hat).

    Bei der SPD kommt einfach im Moment zuviel Ungünstiges zusammen.

    Im Grunde wünsche ich mir wieder eine starke SPD.

  3. Hi Julia! Wünsch Dir gute Besserung und bessere Bücher!!! Deine Twitter-Meinung teile ich nicht ganz. Es ist eben mehr als eine Werbefläche für den Einzelnen, da man kommunizieren kann. Andere stellen Fragen, geben Feedback. Darin und in der Schnelligkeit des Mediums sehe ich die Chancen. Aber klar, wenn man sich wirklich kennenlernen will, dann sind 140 Zeichen nicht genug. Hoffe, Deine Schreibphase hält ein bisschen.:-)

  4. Hallo Heiko, dankeschön!

    Also das mit Twitter seh ich leider immer arg negativ. Letztendlich liegt es nur an mir selbst, ob ich schreibe und antworte (und ich weiß das auch.) Ich versuche mich ein wenig freizuschreiben, aber es nützt alles nichts, mit der negativen Einstellung komme ich nicht weiter.

    Das Hauptproblem ist zudem ein Technisches, weil ich nicht recht verstehe oder weiß, wie ich andere Leute mit ähnlichen Interessengebieten finden kann. Es gibt zuwenig Suchmöglichkeiten.

    Deswegen fühl ich mich im Moment auf Facebook etwas wohler, da ist das einfacher.

    Die Schreibphase ist leider wieder abgeebbt, aber das wird schon wieder. 🙂

    Ich hoffe, Dir geht´s auch gut?

    Viele Grüße
    Julia

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