Weltgerechtigkeitstag

Mal ehrlich, wozu brauche ich einen Weltfrauentag, wie er heute ist? An der Rollenverteilung ändert sich nichts, ich werde nicht mehr geliebt als sonst, das Einzige was bei manchen anders ist, dass mehr Bewusstheit für das Thema „Gleichberechtigung“ vorhanden ist.

Allein die Tatsache, dass man Millionen von Menschen in einer einzigen Kategorie aufteilt, kann schonmal nicht gut gehen. Menschen sind unterschiedlicher, komplizierter und vielschichtiger als dass es uns solche einfachen Schublade wie M und W glauben lassen. Was ist mit den nötigen Zwischenwesen u. Zwischenstufen? Männer mit weiblichen Gehirn? Frauen mit männlichem Gehirn? Zwitter? Androgyn veranlagte Menschen? All die erfasst man schonmal nicht und das bedeutet, dass man ungerecht und unlogisch denkt.

Die Geschlechter wurden seit dem Anbeginn der Menschheit und in jeder Kultur (zumindest den großen, bekannten) ungleich behandelt, es haben sich auf Grund anatomischer Unterschiede Rollen herausgebildet, die einzig und allein das bessere Überleben der Art zum Zweck hatten. (Frauen am Herdfeuer, Männer bei der Jagd; Frauen= emotional, sozial geprägt, Männer= analytisch, Kampf und Macht)

Darauf bauen die meisten biologischen und psychologischen Bücher auf, die vor allem auch die Unterschiede in den Gehirnen und die in den Jahrtausenden gewachsenen Verhaltensunterschiede bei Mann und Frau untersuchen. Wir haben uns an all das so sehr gewohnt, dass die kurze Dekade der nominellen Gleichberechtigung wie ein Fremdkörper in dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit wirkt. Jahrhunderte der Geschlechtertrennung und mit einmal soll alles anders werden? Es ist klar, dass das nicht funktionieren kann.

Solche langwierigen und bewährten Strukturen wie die Geschlechterrollen können sich nicht mit einmal auflösen. Sie können nur hinterfragt, diskutiert und von jedem einzelnen in kleinen Schritten geändert werden. Es wird auch nicht bedeuten, dass man wieder umgekehrt über einen Kamm scheren kann und alle „Frauen sollen arbeiten“ oder „alle Männer sollen Kindererziehung machen“. Wer so linear und vereinfachend denkt, hat das Prinzip der Gleichberechtigung nicht verstanden, welches im Kern die Freiheit zu wählen und zu entscheiden ist.

Jede Frau, die selbstständig sein will und in der Flut der Möglichkeiten ihr Lebensziel bestimmt, wird unweigerlich auf Hindernisse treffen, die als Hinterlassenschaft und Gewohntheit unserer Kultur zu bezeichnen ist. Menschen, die sie daran hindern, „gutes Zureden“ von weiblichen Bezugspersonen, Einflößen von Schuldgefühlen und Angst, Barrieren von Chef und Personalleitern, Ungleichheit in der Bezahlung, Spannungen in der Beziehung. Das bedeutet, dass jeder Schritt ein Kampf sein wird und muss, weil ja etwas verändert werden soll. Hier braucht jede Frau Unterstützung, Ansporn und Hilfe von ihrem Partner und der Familie und das geht nur, wenn die Schritte gemeinsam und mit gegenseitigem Respekt besprochen werden.

Gewohnheiten leben in den Köpfen, Vorstellungen von „richtig“ oder „falsch“ sind meistens nur gedankliche Produkte. Dies wiederum heißt nicht, dass sie keine Macht hätten, im Gegenteil! Ungleichheit und Rollenzwang beginnt in den Köpfen, in den Worten von Machtinhabern (Kirche, Pabst, usw.) wird über die Menschen verteilt und von den Familienoberhäuptern delegiert.

Man hat daher wahrscheinlich versucht, die klassisches dominante Vaterrolle abzuschaffen, aber das Resultat sind nur Scheidungen, Chaos und Disziplinlosigkeit in den Familien gewesen. Wer die Bedeutung der Väter für die Erziehung unterschätzt und meint, eine Frau könne es alleine genauso gut, sieht nicht die Bedeutung der Geschlechter im Gesamten. Nur im Austausch und Dialog, in der Gemeinsamkeit und Hilfe vom männlichen und weiblichen Prinzip kann eine Familie gut erzogen werden. Männer und Frauen ergänzen sich im Idealfall, so dass die Kinder beides mit auf den Weg bekommen: Durchsetzungsstärke, Disziplin, Fähigkeiten in Mathematik und Logik, Selbstbewusstsein- aber auch Empathie, soziale Fähigkeiten und Nächstenliebe.

Da in der Erziehung beide „Kanäle“ so wichtig sind, ist der ständige Dialog zwischen den Geschlechtern das Wichtigste. Das Finden einer gemeinsamen Sprache, das Vermitteln und Klären von Konflikten und das Finden eines grundlegenden Konsens.

Der Weltfrauentag kann also helfen, sich bewusst zu machen, wie wichtig das Prinzip „Gleichberechtigung“ als Ganzes ist- und dass er nicht dazu dienen sollte, die Vorurteile noch schlimmer zu machen und die Gräben tiefer zu graben.

Andere Blogs zum Thema „Weltfrauentag“ (via Twitter)

6 Gedanken zu „Weltgerechtigkeitstag“

  1. interessante Gedanken, die Du da zusammengetragen hast, besonders die Frage, was ist mit denen, die sich nicht eindeutig kategorisieren lassen!
    in einem muß ich Dir aber widersprechen, denn das Fehlen eines physischen Vaters führt nicht automatisch zu „Chaos und Disziplinlosigkeit“, das zeigen z.B. die vielen Frauen, die ihre Kinder nach dem zweiten Weltkrieg alleine großziehen mußten, weil die Männer sich schlicht gegenseitig auf den Schlachtfeldern ermordet hatten.
    ob es ein guter Link zum Thema ist,hmmm, wohl eine subjektive Frage, ist halt in meinem Blog 😉
    http://tinyurl.com/aqwgjb

  2. Lieber Bembel, ich schätze deine detaillierte Meinung und politisches Wissen und danke für diesen Link. Der Absatz mit den Vätern darf natürlich nicht ungeprüft stehenbleiben, ich wollte damit nur verallgemeinernd zum Ausdruck bringen, dass Väter in der Familie ganz allgemein wichtig sind, aber in der Öffentlichkeit (für meinen Geschmack) viel zu selten mit dem ausreichenden Respekt thematisiert werden. Daher die eher drastische Formulierung. Die biologischen und psychologischen Auswirkungen ihrer Präsenz näher zu untersuchen (vor allem ohne Vorurteile) muss ich mich bei den nächsten Artikeln endlich mal widmen!
    Zudem danke ich Dir für die über Twitter an alle Frauen verteilten Nelken. 😉

    mfg, Julia

  3. Mal ehrlich, wozu brauche ich einen Weltfrauentag, wie er heute ist?

    Vielleicht muss man das eine oder das andere an Deinem Artikel genauer diskutieren. In einem aber hast Du recht: der Weltfrauentag, wie er sich heute darstellt, und speziell in Deutschland, duerfte wenig bewegen. Ich z.B. habe heute nirgendwo etwas zu dem Thema gehoert, bis gerade in Deinem Blog. Die Zeitungen interessiert das Thema nicht und auch in der Oeffentlichkeit ist der Tag weitesgehend unbekannt. In Italien interessanterweise stehen schon Tage vorher ueberall Staende mit Mimosen-Zweigen, die dort traditionell an Frauen verschenkt werden. Allgegenwaertige Mimosen sind zwar noch kein Zeichen von Gleichberechtigung, aber ein Ansatz zum Nachdenken, eine allgemeine Erinnerung, dass da was ist, worueber man mal sprechen/nachdenken sollte.

  4. Ich liebe ja die Serie „The West Wing“, welche derzeit im PayTV läuft. Dort ging es in einer der letzten Folgen auch darum, für Frauen irgendwelche Gleichstellungsgesetze durchzusetzen. Eine der Protagonistinnen dieser Serie kämpfte vehement gegen diese Gesetze, weil sie allein die Existenz solcher Gesetze völlig dumm fand.
    einfach, weil nach der Verfassung/unserem Grundgesetz alle Menschen gleich sind.

    Im Prinzip hat sie doch Recht. Letztlich sollte es nur in unseren Schädel, dass Frauen keiner besonderen Maßnahmen bedürfen, weil wir einfach keinen Unterschied machen sollten.

    Anekdote:
    Ich habe meine Ausbildung beim Arbeitsamt gemacht. Das damalige Gesetz nannte sich Arbeitsforderungsgesetz. Einmal fragte der Ausbilder, für welche besonderen Personengruppen denn dieses Gesetz gelte und bekam zur Antwort: „Frauen und andere Behinderte.“ Das hat sich mir nachhaltig als Lacher eingeprägt.

    Noch eine Anekdote:
    Ich bewarb mich damals beim Arbeitsamt um eine interne Fortbildungsmaßnahme. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich folgenes gefragt:
    „Es gibt zig Millionen von Ausländern. Was halten sie davo, wenn man diese zurück in die Heimat schickt, dann würde es doch keine Arbeitslosigkeit mehr geben?“

    Wie wäre es, eigentlich, wenn wir das alte Rollenverständnis wieder aufleben lassen? Alle Frauen hören sofort auf, arbeiten zu gehen und die arbeitslosen Männer füllen die Lücken aus?
    Das wäre doch das Paradies, oder?

    Ich weiß, dass war jetzt bewusst etwas platt. Aber auch wir Männer haben mit dem Wegbrechen der klassischen Rolle zu kämpfen. Hier freue ich mich auch schon auf den/die kommenden Artikel von Julia, wenn sie sich daran wagt.
    Aber ich finde die im Artikel genannten Attribute, die wir entweder dem Mann oder der Frau zuschreiben, sind nicht von der Hand zu weisen. Fortschritt und Technologie haben uns Menschen einfach überrollt. Männer gehen halt nicht mehr zur Jagd und Frauen hüten nicht nur den Herd. Von der reinen Evolution betrachtet, konnten sich die Gene gar nicht so schnell anpassen, wie sich unsere Gesellschaft verändert hat.

    Ist vielleicht ein wenig unstrukturiert, ich habe einfach mal so drauf los geschrieben.
    Bis dann denn 🙂

  5. @ Stephan: gut beobachtet! In DE gibt´s kaum Intereesse für den Tag und ich sag Dir, woran es meiner Meinung nach liegt: Weil in Deutschland sehr viel Konservative wohnen und wir unsere klassische Rollen -ach- so -sehr lieben! Nimmt man z.B. den deutschen Wiki-Artikel zum Thema fallen mehrere Dinge auf (die auf die Situation in den Köpfen rückschließen lässt):

    1. Der Text ist sehr kurz, nichtssagend und allgemein gehalten
    2. In den Web-Links wird offene Kritik am „Klagetag“ eingebracht- völlig unpassend!
    3. Die Kürze bedeutet: Es gibt wenig Interessenten für das Thema/ wenig Mutige, die sich trauen
    4. Damit deckt sich auch das von mir gemessene Suchvolumen zu solchen Themen im Blog (Nischenthemen!) Schlechte Nachfrage! Tabuthema.
    5. Wichtig: Der Tag soll vor allem auch an die internationale Situation von Frauen erinnern, die noch schlimmer und leidvoller als in DE ist, wo wir einen hohen Stand an Gleichberechtigung haben!

    Wenn man sich das so durch den Kopf gehen lässt, wird schnell klar, dass vielleicht doch ein höheres Ungleichgewicht herrscht, als man zuerst von der eigenen Nabelschau aus gesehen, überblicken kann (meine mich da auch selbst!!).

    Ich bin zwar nicht geübt darin, auch internationale Themen zu verfolgen und darauf hinzuweisen, noch ist das hier ein reines Feministinnen-Blog, aber es wäre vielleicht mal wert, den Blick für solche Themen in Zukunft etwas zu weiten.

    Ohne die Moralkeule, aber mit Augenmaß!

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