Das ist nicht unsere Krise

Seit zwei Wochen ist es unentwegt in den Nachrichten, mal in hübscher Form, mal in bedrohlicher, mal in ungewisser, aber doch stets im Mittelpunkt unserer Welt: Das Geld, bzw. das Zuwenig davon. Die Schulden in manchen Staaten, die USA am „Abgrund“ ihrer Zahlungsfähigkeit und die ehemals als stabil und Allheimittel für die Wirtschaft gepriesene europäische Einheit mit ihren Wackelzahnkandidaten, die wiederum zum Ausfall des gesamten Gebisses führen könnten.

Ungläubig sitze ich vor den Nachrichten und denke mir „na da könntest du aber so langsam mal was drüber schreiben, das ist ja schließlich DAS Thema, eine Headline sozusagen, und man hört allerorten nichts anderes mehr“. Aber das Problem , das ich mit der ganzen Sache habe ist einfach: Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, wie eine grandiose Weltmacht USA, die jahrelang mit modernster Militärtechnik, mit riesigem Vorsprung in Luft- und Raumfahrt, mit gigantischen Nahrungsmittelreserven und einer aggressiven Außenpolitik -und nicht zuletzt unser großer Verbündeter – plötzlich so schlecht dastehen kann. Und ich verstehe nicht, warum es in diesen Zeiten plötzlich so unmöglich geworden ist, die Steuern „für die Reichen“ anzuheben oder die Ausgaben für das Militär weiter zu kürzen. Dass man jahrelang über die Verhältnisse gelebt hat, sollte doch spätestens jetzt offensichtlich sein. Dass die Kriege und militärischen Interventionen vor allem der Rüstungsindustrie und den Herstellern von blechernen Orden und Prestige-Fabrikanten, aber am wenigsten den notleidenen Menschen vor Ort geholfen haben. Aber ein Wandel in der Gesinnung, im Denken ist anscheinend das Schwierigste für die Menschen und je stärker die Identität in einem starken Staat / einer starken Nation verwurzelt ist, desto schwieriger scheint das zu sein. Und im Eifer des Gefechts streiten die Kontrahenten, als sei kein Land zu retten, als ging es nicht um die Rentenzahlungen und Sozialhilfe für Millionen, die sich mit ihren 500 Dollar (oder sogar null Dollar!) mühsam durch den Monat schleifen, während die großen „Verbrecher“ am anderen Ende der Nahrungskette vielleicht das Hundertfache verdienen und sich trotz massiver Fehler seelenruhig aus dem Staub machen können.

Und gescholten wird in diesen Tagen! Vor allem auf die „hungrigen Sozialsysteme“ auf die horrenden Ausgaben für Kunst und Kultur, für all dieses überflüssige Zeug, wofür sowieso noch nie viel Geld da gewesen ist, in anscheinemd keinen Land auf der Erde, wo Menschen regieren, die doch mit „Vernunft“ gesegnet sein sollen. Wir haben soundsoviel Millionen Arbeitslose in Deutschland, davon ca. soundundsoviel Millionen, die sich schon seit Jahren ohne Job und Perspektive durch das Leben schleppen, wir haben Mütter mit Kinder, die vielleicht gut ausgebildet sind, aber auf Grund der Doppelbelastung mit Kind, Job und Haushalt einfach nicht mehr arbeiten können- dann wird auf der anderen Seite „Fachkräftemangel“ geschrien, weil die exportlastige Wirtschaft mit ihren Hungerlöhnen so schön brummt- und was machen die Verantwortlichen? Sie kaufen die Ware Mensch und Arbeitskraft billigsmöglichst da im Ausland ein, wo sie in ein paar Jahren vielleicht genauso dringend benötigt wird. Kurzsichtiger und einseitiger kann politisches Handeln kaum sein.

Warum ist in der Politik kein Platz mehr für Vernunft? Wo doch jeder zweite Stammtisch und jedes drittklassige Blog die bessere Lösung für die Probleme der Welt parat hätte, aber nur von „da oben“ immer die gleichen falschen Entscheidungen getroffen werden?

Alle wundern sich über die riesigen Rückstände im Pflegebereich und mit bebender Stimme wird in den Abendnachrichten erklärt, wieviel Millionen an Pflegebedürftigen demnächst auf „uns“ (also die jungen Generationen) zukommen werden, aber oh Wunder- es findet sich niemand mehr, der die Arbeit freiwillig machen will. Obwohl es x Arbeitslose gibt. Und y Schulabgänger, die noch keinen Job haben und im Traumjob z nichts mehr finden. Ist das wirklich so ein großes Rätsel, dass sich niemand erklären kann? Bei der Bezahlung, bei dem Ansehen des Berufs und den Arbeitsbedingungen? Und wieso hat man dann den Zivildienst abgeschafft, wo er doch jahrelang sich mehr als bewährt hat und ein wunderbares Mittel war, die Menschen zu sozialer Arbeit und einem Mehrwert in der Gesellschaft zu bringen? Zusätzlich mit einem hohen Ansehen? Erwartet man wirklich, dass sich jetzt genausoviel Leute finden, die sowas freiwillig machen ohne einen kleinen „Anstubser“ (sprich Verpflichtung) von staatlicher Seite zu bekommen? Ist die Verpflichtung etwa out geworden? Passt sie nicht mehr in ein konsumorientiertes Leben, dass uns stets den maximalen Genuss bei minimalen Einsatz garantieren soll?

Aber immer ist das Problem, dass nicht genügend gedacht wird, dass der Hebel immer an der falschen Stelle angesetzt wird. Das Geld und die gleichzeitige Gewinnmaximierung, das optimale „Haben“ bei geringstem Einsatz und maximalen Geiz regiert die Welt. Alles wird der Logik des Wirtschaftens und des Profits untergeordnet und obwohl man diesen Idealen so zielstrebig folgt, scheint die Rechnung am Ende nicht aufzugehen. Obwohl alle um das goldene Kalb tanzen (mit dem Höhenflug des Goldpreises sogar wortwörtlich) scheint die Gesellschaft nicht reicher und freier, sondern immer ärmer und verschuldeter zu werden.

All das sind Dinge, die ich nicht verstehe und die ich noch nichtmal ansatzweise erklären kann. Ich kann nur versuchen, sie zu beschreiben und den ganzen Wahnsinn, der mir tagtäglich aus dem Buchstabenwald entgegen hallt, in einen einigermaßen übersichtlichen Zusammenhang zu bringen.

Wenn ich z.B. in die EU schaue, wird es noch schlimmer. Wollte man Griechenland jetzt retten oder nicht? Und was ist mit Irland? Die sind doch aus dem Schneider? Wieso konnten sie dann unlängst wieder „herabgestuft“ werden? Überhaupt, dieses Wort! Hat man schonmal zu einem Mensch gesagt: Ich hab dich jetzt herabgestuft in meiner Freundschafts-Würdigkeit? Du bist nicht mehr eine glatte zehn, du bist nur noch eine magere fünf, und wenn du nicht aufpasst, dann gebe ich dir nur noch zwei Punkte! Aber, aber- beschwichtigen die Politiker, die Banken, das sind doch unsere Heilsbringer, die großen Geldverwalter- die es bis jetzt noch nichtmal geschafft haben, jedem Bürger ein Recht auf ein Girokonto einzuräumen und die immer diejenigen mit Gebühren belasten, die kein eigenes Einkommen über einer bestimmten Grenze haben. Nochmal genau anschauen: Derjenige, der ein regelmäßiges Einkommen hat, ist von den Gebühren befreit, zahlt also nix. Derjenige aber, der unter 1000 Euro verdient, muss teils saftige Gebühren zahlen. Das ist ähnlich wie mit den Steuersätzen: Je mehr du verdienst, desto mehr darfst du nach Hause nehmen und desto geringer deine anteilige Belastung für das Gemeinwohl. Zehn Prozent des Haushalts-Einkommens gehen für Lebensmittel drauf? Eine schöne Planrechnung, die in der Realität von vielen ärmeren Menschen leider nicht mehr greift. Schon jetzt gibt es Millionen von Menschen weltweit, die sich noch nichtmal mehr ein Stück Brot leisten können, während auf der anderen Seite der gleichen Welt Paläste aus Marmor und Gold errichtet werden. Die man dann mit teuren Panzern wieder verteidigen muss, woran andere wiederum auch sehr gut verdienen.

Vielleicht sollte man der Aufforderung auf der Startseite des Online-Bankings nachkommen und am Banken-Gewinnspiel teilnehmen? Kann man da auch Anteile an der HRE oder an der Helaba erwerben? Vielleicht sollte man sein Glück versuchen, wie in dem guten alten Spiel und Herzstück unserer kapitalistischen Kultur: Monopoly! Da geht es schließlich auch um Glück, nicht unbedingt um Leistung. Wer zuerst die teure Straße gekauft hat, ist der Gewinner. Wer zuerst das Geld zusammengekratzt hat (vielleicht mit einem Kredit?) und ein paar Hotels draufbaute, kann jetzt kräftig abkassieren. Die anderen müssen zahlen. Pech gehabt, zu spät gekommen! Das Regelwerk sieht keine Gleichberechtigung vor. Es gibt nur Gewinner und Verlierer und meistens mehr von der letzteren Sorte und nur ein paar ganz wenige, die alles haben.

Die, die alles haben, kommen dann in den Genuss, die Fehler zu machen. Wofür sie dann von unseren gnädigen (sprich abhängigen und willfährigen) Politikern wieder aufgefangen werden. Den normalen Häuslebauer und den täglich zur Arbeit gehenden Arbeiter und Lohnbezieher interessiert das freilich wenig. Er hat es vielleicht kurz in den Medien gelesen, als er heute morgen flüchtig über die Zeitung huschte. Keine Zeit für eine ausgedehnte Vertiefung. Die Pflicht ruft und das eben verspeiste Brötchen muss schließlich auch noch verdient werden.

Es könnte allerdings sein, dass er dann der erste ist, der seinen Job räumen muss. Und der erste ist, dessen Rente auf Null gekürzt wird, weil zufälligerweise gerade nix mehr da ist, sorry.

Wütend und mit einem Plakat zieht er dann, als es schon längst zu spät ist, vor die Tore der Mächtigen dieser Welt und verkündet „Das ist nicht unsere Krise!“ Auf dem Transparent seines Nachbarn steht etwas kleiner, fast kleinlaut und bescheiden „Aber wir haben sie bezahlt!“

Weltunternehmen vs. Familienbetrieb

Unser schwarzer Freitag in Sachen Technik: Die Autoscheibe hat einen Riss, die Heizung ist ausgefallen.

Scheibe: Radiowerbung im Kopf, im Internet gegoogelt, Weltkonzern gefunden, kostenlose Hotline angerufen. Ich bekomme drei Terminmöglichkeiten und einen Vor-Ort Service, am Samstag entscheiden wir uns, die 30 km lange Strecke in Kauf zu nehmen, da wir das Auto ständig brauchen und ein Riss sich schnell ausbreiten kann. Die top-organisierte Firma hat die Spezialscheibe (in Erstausrüster-Qualität) auf Lager, die Versicherung wurde bereits rausgesucht, die Unterlagen sind ausgefüllt. Die Ein- Mann Filiale arbeitet auf Hochtouren. Nette Beratung. Wir laufen durch die Stadt. Drei Stunden später ist die Scheibe repariert. Zwanzig Jahre Garantie obendrauf (aber nicht auf Steinschlag). Am Dienstag kommt noch eine Kundenbefragung über Telefon, ob alles zufriedenstellend gelaufen ist. Ich beantworte die geschätzten 50 Fragen und nicke nur ehrfürchtig zu den Worten des freundlichen Kundenberaters.

Dauer zwischen Schaden und Reparatur: 24 Stunden
Kosten der Reparatur: 300 €
Auftrag erfüllt: ja

Das Heizungsproblem: Ins Örtliche geblickt. Den nächstbesten gepickt, die meisten sind Samstags nicht zu erreichen. Endlich jemand gefunden und zum Ortstarif angerufen. Es meldet sich ein dreiköpfiger Familienbetrieb und kommt ein paar Stunden später, um eine erste Diagnose zu stellen. Langes Erzählen und Fachvorträge über Brennwerttechnik. Die Heizung macht keinen Mucks. Sie fahren wieder. Am Sonntag passiert natürlich nichts. Mir ist kalt. Am Montag soll ein Teil geliefert werden, aber der Einbau alleine tut es nicht. Beim Reparieren wurde zwischenzeitlich ein anderes Teil abgebrochen, dass nun auch bestellt werden muss. Am Dienstag kommt der Techniker wieder und repariert drei Stunden. Die Heizung geht. Für vier Stunden. Danach ist mir wieder kalt. Dienstag nachmittag ruft mein Mann an und regt sich auf. Am Mittwoch wollen sie kommen. Zur Not ein neuer Brenner! Anruf um 9 Uhr: Es dauert etwas länger, so elf, halb zwölf. Mir ist kalt.

Dauer zwischen Schaden und Reparatur: bis jetzt 120 Stunden
Kosten der Reparatur: bis jetzt ca. 250 €
Auftrag erfüllt: nein

Wenn es jetzt noch einen Weltkonzern für Heizungs-Notreparaturen gäbe- der Familienbetrieb hätte keine Chance mehr.