Der Ungerechtigkeitsvertrag

Nach der Bundestagswahl 2009 hatte ich noch über Twitter angekündigt, „mental in die Opposition“ zu gehen, aber wie das so üblich ist mit den eigenen Zielvorgaben, fallen sie schnell unter den Tisch. Zudem hat es nicht lange gedauert, bis mir die Worte vor Unglauben und Entrüstung, aber auch neugierigem Abwarten erstmal im Hals stecken geblieben sind.

Ich hatte die letzten Wochen leider nicht soviel Zeit zum Zeitungslesen, aber ein paar Dinge, sind doch bei mir hängen geblieben.

  • „Die Beiträge zur Pflegeversicherung sollen steigen!“
  • Abgaben für Müll und Abwasser sollen mit Mehrwertsteuer belastet werden, d.h. eine Kostensteigerung wird über die Hintertür an Verbraucher und kleine Leute weitergegeben (Wahrlich eine „Dreckssache“ !)
  • In Zukunft soll das Gesundheitssystem ent-solidarisiert und von den Unternehmen abgekoppelt werden, das ist wohl die größte, aber auch schlechteste Neuigkeit

Zudem wurde auf Spiegel Online eine schöne Zusammenfassung des Koalitionsvertrag mit Erklärungen und Interpretationen veröffentlicht.

Was aber stellt die laienhafte und politik-unaffine Bloggerin fest? Die ansonsten nur Klowände bemalt?

Es reicht nicht, dass wir in den letzten Jahren immer wieder unnötige Umbauten am an sich so guten und verlässlichen deutschen Gesundheitssystem hatten, nein nun wird es endgültig der Wirtschaft und den Reichen übergeben und das Prinzip Solidarität wird zukünftig entfallen. Die Tatsache, dass man den ungeliebten Gesundheitsfonds nun ein Jahr lang noch zähneknirschend weiterführt und mit den richtig dicken Bandagen erst 2011 aufwartet, zeigt die Brisanz die dahinter steckt (Bloß nicht am Anfang das Volk schon zu sehr verunsichern!).

Wie soll das gemacht werden? Wenn ich in Zukunft nur noch eine einheitliche Pauschale für die Gesundheit abgebe, entfällt die prozentuale Belastung.

Beispiel: Früher hatte man eine prozentuale („Solidarische“) Belastung, jeder zahlt einen Prozentsatz von seinem Einkommen.

Ich möchte hier im Beispiel zu Gunsten der Übersichtlichkeit ein wenig zusammenfassen und die kleinsten Details weglassen und runde Zahlen nehmen.

Das Bruttoarbeitsentgelt liegt bei 7 Prozent, berechnet wird aber nur bis 3.675 € (Bemessungsgrenze) Das ist die erste Ungerechtigkeit. Warum werden höhere Einkommen nicht herangezogen? Soll Gerechtigkeit irgendwann enden, wenn man nur ausreichend viel verdient? Allein das zeigt schon, dass die Belastungen sich hauptsächlich auf kleine und mittlere Einkommen verteilen.

  • Ein Chefingenieur mit einem Einkommen von 8.000 € zahlt
    demnach nur für 3.675 €, 7 Prozent, das sind 257,25 €
  • Ein Angestellter mit einem Einkommen von 3.000 € zahlt 210 €
  • Ein „kleiner Mann“ mit 1.000 € zahlt 70 €.

Jeder wurde auf Grund seiner Belastbarkeit belastet (Aber wie wir sehen, nach oben gedeckelt), was prozentual die gleiche Belastung darstellt und sich gerecht nennen darf.

Wenn nun eine Pauschale eingeführt wird, wird diese Rest-Gerechtigkeit auch noch über Bord geschmissen und die Prozentuale verdrehen sich zu Lasten kleiner Einkommen. Unser Beispiel:

Angenommen alle müssen nun den Mittelwert, also 257+ 210 + 70 = 537 / 3 = 179 € zahlen.

Der Chefingenieur: 179 durch 8.000 * 100 = 2,23 %
Angestellter: 179 durch 3000 * 100 = 5,97 %

Kleiner Mann: 179 durch 1000 * 100 = 17,9 % (( Prozent? http://www.brinkmann-du.de/mathe/fos/wieder03_01.htm p = W/G * 100))

Womit bewiesen ist, dass bei einer Kopfpauschale die kleinen Einkommen unverhältnismäßig hoch belastet werden, noch wesentlich mehr, als es heute schon ist. In Spiegel Online steht zwar, dass die niedrigen Einkommen mit einem „Sozialausgleich“ entlastet werden sollen, aber was heißt das schon? Der Staat stellt sich hier selbst ein Bein: Anstatt die Kosten solidarisch auf alle Schultern, vor allem die großen starken zu verteilen, wird den Reichen noch mehr Geld übrig gelassen und die anfallenden Lasten werden über Schulden finanziert. Wie sonst? Im Grunde ist das die schlechteste Art und Weise mit Geld umzugehen, vor allem innerhalb eines Gemeinwohls.

Aber wer denkt, dass das alles ist, der hat sich getäuscht. Die armen notleidenen Arbeitgeber, die alle so wenig Geld haben und von der schlimmen Wirtschaftskrise so schwer gebeutelt sind, sollen natürlich in Zukunft außen vor bleiben, ihr Beitrag wird „eingefroren“ das ist ein schönes Bild, denn es strahlt Kälte aus.

Lächerlich wird es auch in der Familienpolitik. 20 € mehr Kindergeld, toll mag jeder denken. Aber wer schon mal bei Ebay oder woanders einen Schulranzen gekauft hat, wird feststellen, dass man für dieses Geld gerade mal einen halben Ranzen, vielleicht nur einen Viertel bekommt (vor allem wenn die Kinder auch einen schicken Markenranzen haben wollen. und glaubt mir, diese Wünsche werden kommen.) Oder man bekommt ein halbes Schulbuch, vielleicht auch nur ein Drittel, denn es müssen ja immer die neusten Schulbücher sein, damit die Verlage auch noch ein wenig verdienen, die armen. Ach ja, und Essen für einen ganzen Monat muss auch noch bezahlt werden und Kleidung und Heizung und Strom.. aber mit 20 € ist das alles locker abgedeckt!

Nun, wir können ja über Steuern entlasten, aber oh Schreck… der Kinderfreibetrag, wer begünstigt den? Nicht doch unsere armen Besserverdiener? Die Antwort ist leider: ja.

So, nun haben wir schon ein paar Punkte, aber irgendwas fehlt doch noch? Schließlich hatte ich doch immer mal wieder feministische Themen hier im Blog. Achja, das Betreuungsgeld! 150 € will man für die Zurück Daheim Gebliebenen unters Volk rieseln lassen, die dann möglich zweckgebunden, also zur Kindererziehung verwendet werden sollen, vor allem wohl für diejenigen Familien, die sich die recht teure Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht leisten können, sprich die sozial Schwachen. Aber als ob man es geahnt hätte, versaufen und verrauchen „die“ doch alles , also muss man noch evaluieren, dass es auch richtig ankommt. Aber wie? Wir könnten ja ein paar Überwachungskameras installieren und die ordentliche Verwendung.. …

Wenn die Jugendlichen dann kriminell werden, erhöhen wir noch schnell die Jugendstrafe für Mord auf 15 Jahre. Nicht, dass sie noch eine Chance bekommen, sich zu re-sozialisieren. Wo kommen wir denn da hin? Noch mehr Steuerzahler, noch mehr starke Schultern? Nein, lieber gleich alle(s) kriminalisieren.

Oh , ein Filmfonds soll eingeführt werden, das ist mal was Neues. Warum keiner für geschriebene Kultur oder für Computerspiele? Hm ich nehme an, die geschrieben Kultur ist zu kritisch und schaut zu genau hin… und Computerspiele führen bekanntlich direkt in den Amoklauf!

Bei der Integrationspolitik gibt es regelrecht BAHNBRECHENDE Neuerungen: Die Islamkonferenz soll fortgesetzt werden. Punkt.

Auf die geplante Steuerentlastung freuen wir uns natürlich alle, denn endlich bringt der Weihnachtsmann man wieder Geschenke! Es bleibt nur die Frage: Wie soll das bezahlt werden? Lass mich raten: Mit Schulden…

Also doch den Strick….

PS:
Zu der Besetzung in den Ämtern will ich mich (vorerst!) zurückhalten, ein kritischer, gut beobachteter Seitenhieb von unseren holländischen Freunden wurde mir aber heute per Email zugestellt.  Vielen Dank an M.K. !

PS2: Das nächste Mal bitte wieder Rot-Grün wählen. Oder die Linken. Oder alle zusammen!