Wo stehst du
(( by_Gabi-Schoenemann http://www.pixelio.de ))
Von vielen Lesern den vielen unsichtbaren Stimmen in meinem Kopf werde ich manchmal gefragt, was denn meine politische Einstellung wäre, da es manchmal so schwierig sei, mich darin eindeutig festzunageln. Es gäbe solche und solche Texte und ein Mangel an Eindeutigkeit sei immer mal wieder aufgefallen.
Ich sage ihnen dann ganz ruhig und unaufgeregt: „oh das ist nicht schwer – ich neige zu einem ganz eindeutigen links-mitte-rechts-grün-lila-grau-buntem Gedankengut mit ein paar Anleihen aus der orthodoxen Mitte, nicht aber ohne die winzig kleinen Nuancen des Rechts-Außen, durchsetzt mit nicht wenigen feministischen Gedanken, die dann wiederum mit paternistischen u. patriarchalischen Streitschriften abgeschlossen werden. Also eigentlich ganz einfach.“
Nein, genau deswegen, weil ich mich eigentlich nicht festlegen kann und will, bin ich Bloggerin geworden.
Ironie: Das ist noch nicht mal ein richtiger Beruf und jeder Depp kann es werden. Also perfekt für mich. Man kann seine Unsicherheit und sein Mangel an Richtungspotenz dann damit ausgleichen, dass man sich nach außen objektiv, allwissend und überschauend gibt und zur jeden aktuellen Erscheinung des politischen Lebens dann eine andere Meinung haben. Ich finde, das ist eine unglaubliche Freiheit, schaue ich mir manchmal die Menschen an, die sich so einseitig für eine Seite entscheiden und diese dann wie ihren Lieblingsverein mit Fahnen und Fähnchen, mit grellen Farben und lautem Gebrüll verteidigen.
Tendenziell nirgendwo zu stehen, ist befreiend.
Die negative Seite daran ist, dass man sich in dieser erzwungenen, objektiven Variante des Schreibens dem journalistischen Ideal sehr heftig anzugleichen hätte, denn wie viele Zeitungen gibt es auf der Welt, bei denen die Leser sagen, sie seien „rechts“ oder „links“? Ich finde, eine gute Zeitung, aber auch ein guter Blog muss dem Leser selbst die Möglichkeit geben, Entscheidungen zu treffen und das geht eben nur, durch eine objektive und richtungsfreie Berichterstattung.
Hin und wieder gibt es eine klare Tendenz, aber wenn man sich andere Meinungen anschaut und an einer anderen Stelle in die rhetorische Tiefe geht, kommt vielleicht was anderes zum Vorschein. Nichts ist wankelmütiger und veränderlicher als politische Meinungen und erst in ihrem Austausch unter- und miteinander können sie wachsen und reifen. Alles andere sind Scheingefechte, die an der Oberfläche geführt werden und zu meist nicht mehr als politischen Stillstand führen. (Die Seite X wirft der Gegenseite Y Verschwendung vor, Y kontert mit der Blockadehaltung von X, X verteidigt sich, Y geht vor Gericht, X gibt eine Presseerklärung ab, Y lästert im Parlament- und getan wird nichts)
Ein guter Autor sollte also versuchen, eine gedankliche Emulsion zwischen den verschiedensten Meinungen herzustellen und sich nicht ständig der Verlockung hingeben, eine einzige Seite zum Quell aller Weisheit zu machen.
Die Meinung über eine Sache ist immer vorgeprägt von dem Menschen, der darüber nachdenkt. Einen Text von einem anderen zu lesen, bedeutet also immer eine aufgezwungene, partielle Unfreiheit und Unmündigkeit, die dann vom Leser selbst ausgeglichen werden muss. Warum dem Leser es so schwer machen und ihn dann argumentativ- manipulativ in eine Richtung drängen?
Wann ist das erlaubt, wann korrekt und wann sollte man es lassen?
Mir fällt auf, dass auf Twitter viele Menschen in dieser Art denken und reden und ich bin immer empfindlicher dem gegenüber geworden. Wenn man nur einen falschen Tweet aus einer eindeutigen politischen Richtung aussendet, grenzt man all die Leute aus, die anders denken- man sucht die Konfrontation bewusst, keine Seltenheit im politischen Tagesgeschäft. Vielleicht aber auch eine Einladung, sich an diesen konfrontativen Tweet zu hängen und ihn anschließend durch Diskussion zu erkennen oder zu entkräften? Im besten Falle passiert das, im schlimmsten Falle hat man sich selbst einen Stempel verpasst, den man so schnell nicht mehr los wird.
Ich bleibe bei der Meinung: die letztendliche politische Meinung und die objektive Weisheit über die Dinge bleibt : objektiv und veränderlich. (In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht erwähnen, dass die Philosophie und Ethik, also das ganzheitliche Nachdenken über die Dinge eine nötige Tugend und Grundlage für Politik ist, die hierzulande und in dieser Zeit fast vollständig vergessen wird)
Flexibilität in der politischen Meinung ist eine Stärke, übertriebene Starrheit im Denken führt zu Dummheit und Intoleranz.
Aber, es ist ja immer der andere, der den Fehler begeht, also nochmal von ganz vorne…