1

Die Legende

lights

In the closet
Mit fast keiner Silbe lese ich bei den Meinungen zu Michael Jackson etwas zu seiner Androgynität. Doch ist es doch gerade das, was ihn damals so sehr ausgezeichnet hat. Zumindest fand ich diese Zwei-Geschlechtlichkeit und vor allem seine feminine Art immer sehr herausstechend. Michael Jackson ist der Vorläufer eines neuen Männerbildes. In unzähligen Videos verkörpert er immer jemand anders, er spielt Rollen. Er lässt sich von den Produzenten, beinahe wie eine Frau als Objekt, als perfekten Tänzer und Sänger stets neu inthronisieren. Zweifellos ein Held, ein König mit Würde.

Und so perfekt, stets auf den Punkt- wie die elektronischen Drums, die ihn begleiten und in jedem Lied sehr ähnlich sind. Ja , es gibt den typischen „Jackson-Beat“ und die typische „Jackson-Drum“. Unverkennbar und schon fast ein Vorläufer von moderner Disco- und Technomusik. Seine Musik hat die elektronischen Drums populär gemacht. Das ganze Orchester wird in den Hintergrund gedrängt, ist nicht mehr wichtig.

Dirty Diana
Er wird zum Spielball der Musik und die Musik wird zum Effekt. Die Musik wird zum Video, das Video wird zum Erlebnis. Und Michael ist mittendrin.

Die Massen jubeln, das Hemd ist weiß. Die Stimme voller Sehnsucht. Er schreit eine neue Zeit heraus. Eine Zeit ohne Krieg. Eine Zeit ohne Hass. Eine Zeit voller Verständnis. Er verkörpert das Lebensgefühl der 80er Jahre wie kein anderer. Wenn ich an die 80er Jahre denke, dann muss ich an Michael Jackson denken.

Dann sehe ich Panzer, hungrige Kinder, schlagende Polizisten und zwischen allen, ein Mann der sich selbst (!) von schwarz nach weiß gewandelt hat und mit seiner Musik die ganze Welt auf den Kopf stellte.

Stets war er der Messias, der Retter. Er gab den Menschen das, wonach sie sich sehnten: Liebe und Verständnis, Mut, Kraft und eine geballte Ladung positiven Zorn.

Seine Musik ist mutig. Laut. Bahnbrechend.

Und doch wirkt er dabei zart und zerbrechlich wie eine Frau.

blue

Beat it
Popmusik war inzwischen weit mehr, als nur Musik und schreiende Teenies. Musik fing an, Botschaften zu transportieren. Und immer begleitet, von dem jungen Mann mit der empfindlichen, aber doch zackigen Ausstrahlung.

In diesem Video sieht man noch sein altes Gesicht, vor der „Verwandlung“. Hier wirkt er wie der typische Anti-Held aus einer sozial schwachen Schicht, was er vielleicht auch gewesen ist. Ein Mann geht seinen Weg. Auch das ist ein Traum. Von so vielen. Der amerikanische Traum.

Er stellt sich den Gangstern, den Fratzen aus seiner Vergangenheit entgegen, die alle nur so vor Männlichkeit und Kraft strotzen. Die Botschaft ist klar: Ich nehme es mit allen auf, egal wie viele es sind.

Ich schlage sie. So wie sie mich geschlagen haben. Aber mit meinem ganz speziellen Beat. Musik gegen Gewalt.
Ein Konzept, das funktionierte.

Billie Jean
Ein Lied, an das ich mich noch gut erinnern kann. Langsamer Beginn. Traurige Stimme. Bekannter Beat.

Voller Sehnsucht. Wieder eine perfekte Kulisse. Pop meets Hollywood.

Lässig. Salonfähig. Überlegen.

Diesmal steht er ziemlich alleine auf der Bühne, was ungewöhnlich für seine vielen Videos ist, die vor Nebendarstellern immer nur so glänzten.

Stattdessen wird ein Trick aus den alten amerikanischen Comicfilmen benutzt: Rahmentechnik, die die Szene immer wieder zerteilt und die Geschichte optisch begleitet.

Black or White
Kleine Jungs werden zu Helden. Schwarz oder Weiß, das ist egal.

Erinnert mich an die eine Werbung von Benetton. Vor allem das Morphing muss damals phänomenal gewesen sein, als Computer für den Privatgebrauch noch nicht soviel leisteten und das Wort „Bildbearbeitung“ für die meisten ein Fremdwort war.

thelegend

Bad
Who´s bad?

(Der Bericht musste an dieser Stelle unterbrochen werden, weil die Autorin sich zu einer spontanen Tanzeinlage hat hinreißen lassen und nicht mehr aufhören konnte.)

🙂




Ein Nachruf

auf Michael Jackson

Während ich auf meinen Besuch warte, läuft im Hintergrund „They don´t care about us“ – ein Song des kürzlich verstorbenen Michael Jacksons. Ich wünsche mein aufrichtiges Beileid. Diese Gedanken dienen dazu, die Trauer zu verarbeiten, die sich um den ganzen Globus gespannt hat und auf seltsame Weise alle Seelen berührt. Auch meine.

Aus Angst vor gierigen Plattenbossen, der GEMA und ihren Schergen (Anwälten) versage ich mir das Veröffentlichen seiner Lieder im Blog. Im Radio haben sie heute gesagt, dass erwartet wird, dass seine Platten sich nun wesentlich besser verkaufen werden als noch zu Lebzeiten, dass es einen regelrechten Run auf die Musik geben wird. Aasgeier, denke ich mir. Als ob sie nichts besseres zu tun haben, als schon wieder an die Vermarktung und das Geld zu denken. Aber auch das ist Teil unserer heutigen, kranken Welt.

Was aber zeichnete Michael Jackson wirklich aus, welche Bedeutung hatte er für die Menschen und welche für mich?

Was können wir von ihm lernen und was hat seine Musik bewirkt? Zweifelt noch jemand daran, dass seine Musik nicht etwas bewirkt haben könnte? Dass die politischen Botschaften nicht gehört worden sind? Dass nicht tausende, wenn nicht Millionen Geld für ihn ausgegeben haben und seinen Reichtum ermöglicht haben? Seine Musik hat ihm Reichtum und Ruhm gebracht, das ist das eine.

Wenn ich an MJ denke, dann muss ich aber auch an eine empfindliche Künstler-Seele denken und heute morgen bereitete ich folgenden Satz vor, den ich dann noch nicht twitterte:

Lernt die Künstler zu Lebzeiten zu schätzen und nehmt auf ihre empfindlichen Seelen Rücksicht, dann bekommen sie auch keinen Herzinfarkt vor Traurigkeit und Nichtbeachtung.

Der Künstler MJ wirkte auf mich immer authentisch, nie geldgeil. Er wirkte auf mich wie ein trauriger Anti-Held, Angehöriger einer damals noch stark unterdrückten schwarzen Minderheit und gezeichnet von schlechten Beratern und geldgierigen Ärzten (anders kann man seine vielen OP´s nicht erklären). Ja, er war vielleicht ein Hypochonder, er war sicherlich sehr empfindlich und er war auf jeden Fall ein toller Sänger und Tänzer.

Seine Lieder hatten oft eine moralische oder politische Botschaft, was heutzutage eher eine Ausnahme ist, in unserer konsum-verwöhnten, gleichgültigen Welt.

MJ war auch der erste Popstar, den ich überhaupt kennenlernte. Mein damaliger, bester Freund und sein Bruder hatten Platten von ihm. Ich hatte damals keinen Plattenspieler und schon gar keine eigenen Platten. Da muss ich vielleicht 10 oder 11 gewesen sein, es war die Zeit der Platten und Audiokassetten, noch weit vor der CD-und MP3-Zeit.

Ich fand diesen Kult um den amerikanischen Popstar etwas seltsam und befremdlich. Mir war klar, dass dies der Beginn einer neuen Epoche werden würde. Ich mochte die Musik, sie war ein Teil meiner Jugend, aber ich riss mich nicht darum.

Ich hörte die Musik meistens bei meinem Freund oder im Radio und ich gewöhnte mich an sie, begann sie zu lieben.

MJ war allgegenwärtig, vor allem in der Schule hatte er viele Fans, vor allem weibliche. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mit seiner etwas affektierten Art zu tanzen nicht immer viel anfangen konnte und es gerade in jungen Jahren etwas befremdlich fand. Ja, ich ahmte manchmal auch seine Geräusche und Bewegungen nach, was bei uns ein kleines Hobby geworden war und immer für ein Lachen und Schmunzeln sorgte.

Dann war lange Zeit Ruhe um den Star. Ich verfolgte es nicht weiter und las auch nie die Bravo (nur in Ausnahmen und meistens bei meinem damaligen, besten Freund..).

Heute weiß ich, dass es gute Musik ist und die Bezeichnung „King of Pop“ nicht übertrieben ist. Ich habe zwar keine CD und auch keine Mp3 von MJ, aber ich weiß, dass es gut ist. Und so höre ich ihn ab heute rauf und runter und wer weiß, vielleicht kauf ich mir auch endlich mal eine CD von ihm, nicht dass die armen Plattenbosse noch leer ausgehen und eines Tages, einsam, unbeachtet und mit leeren Händern auf der Straße landen. So wie ihre Künstler, die sie einst ausbeuteten.