Pferdefleisch und Bio-Eier

viele Krisen machen einen Skandal

Ich muss sagen, die Lebensmittelkrisen in der letzten Zeit haben mich sehr bewegt und auch aufgeregt. Vor allem die letzten beiden Skandale, das untergemischte Pferdefleisch im Hackfleisch und die falsch deklarierten Bio-Eier.

Noch mehr aufgeregt hat mich aber, wie oberflächlich und gleichgültig viele Menschen das Thema angegangen sind. Es wurden Witze gemacht, im Internet wurden Artikel geschrieben, die das ganze verharmlosen und ein paar konsverative Politiker wollten doch allen Ernstes das Zeug den Bedürftigen geben, bzw. „zum Fraß vorwerfen“ (und somit wahrscheinlich Sozialausgaben einsparen oder sich anderweitig profilieren). Indem man das Ganze „zur Fütterung“ ausschreibt, schiebt man noch gleich eine implizite Botschaft hinterher, indem man es nachträglich legitimiert.. so nach dem Motto „also wenn wir es den Obdachlosen geben, dann kann das ganze nicht so schlimm sein, sieh her, es ist zwar etwas anders, aber schmecken tut es doch eigentlich…“

Nochmal: Der Skandal liegt darin, dass der Verbraucher Rind kauft, aber Pferd bekommen hat. Das ist ganz einfach Betrug. Dazu kommt noch, dass das Pferdefleisch außerhalb jeglicher Kontrollen verarbeitet wurde, also auch außerhalb jeglicher Hygienevorschriften und auch mit x-beliebigen Medikamenten oder anderen Giften belastet sein kann! Man kauft sich also guten Gewissens eine Lasagne, bekommt man aber medikamentenverseuchtes Rennpferd, das mangels Leistung ausgemustert wurde. Genauso könnte man auch einen Autoreifen essen oder eine in Klebstoff getauchte Büroklammer.

Im Radio wurden darüber philosophiert, warum wir aus ethischen Gründen mehr Probleme habe, die süßen Pferde zu essen, als das -uns meisten Menschen aus dem Alltag nicht mehr so bekannte- Schwein oder Rind. Es wurden viele Erklärungen gesucht, viele Ausflüchte und Verharmlosungen produziert, von Verbraucherschützern (und Ministern) viele Versprechungen und Glaubensbekenntnise gemacht, aber ändern wird sich wieder gar nichts und der Verbraucher ist am Ende wieder der Dumme.

Natürlich ist der Skandal als solches nicht so schlimm und man muss sich auch fragen, was schlimmer ist: Dass wir überhaupt Tiere töten, um sie dann zu essen oder uns darüber beschweren, dass beim Töten noch ein Betrug stattgefunden hat und in unser Lieblingsfutter noch etwas falsches gemischt wurde. Bei den Eiern finde ich es noch schlimmer, weil hier augenscheinlich Etikettenschwindel stattgefunden hat, weil man dem treuen Kunden, der durch seine Kaufentscheidung auch das Recht der Hühner in ihren Gehegen stärken möchte, betrogen hat.

Es zeigt auch, dass die Macht der Verbraucher ihre Grenzen hat: Obwohl die Verbraucher sich für Bio-Produkte entscheiden wollen und wahrscheinlich auch mehr Geld dafür ausgeben würden, drücken die Handelsketten auf den Preis und zwingen die Hersteller dazu, ihre Waren möglichst günstig abzugeben. „Billig-Bio boomt“ ist dann die Schlagzeile. Schön gesund und ethisch einwandfrei soll es sein, aber zuviel ausgeben ist auch nicht gut. Die Frage ist nur, wer das größere Problem mit dem teuren Bio hat: Die Supermarkt-Kette, die das ganze erst gar nicht anbietet oder der empfindsame Verbraucher, der auf Grund der Lohnforderungszurückhaltung und der „starken Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“ auf Grund von Lohndumping und Leiharbeit nur noch einen mäßig gefüllten Geldbeutel hat?

Somit ist das gesamte System in der Krise und die „Defekte“ die in den letzten Tagen mal wieder zum Vorschein gekommen sind, sind nur die offensichtlichsten Symptome, die normaler keiner zu Gesicht bekommen soll… die aber irgendwann unübersehbar und dann auch ziemlich „hässlich“ werden.

Die Lebensmittelindustrie hängt am Handel, der wiederum sehr stark am Wirtschafts- und Finanzsystem und letzten Endes wird alles dem Profit untergeordnet. Somit kann man auch nicht das eine herausnehmen und sagen: „Da schau her, hier läuft etwas schief, ein Defekt, man sollte ein Pflaster holen und einen Wundspray, damit das ganze schnell wieder zuheilt und das nächste Mal bitte besser aufpassen, dass du dir nicht wieder das Knie aufschmrammst ..“.. sondern der Patient ist als ganzes betroffen, wackelig auf den Beinen und an jedem Organ zeigt sich die Krankheit etwas anders.

Verpackungen werden heutzutage so hergestellt, dass sie von Maschinen einfach hergestellt werden können, ob der Kunde den verklebten Plastikberg überhaupt noch aufbekommt, ist am Ende eigentlich egal. Die Maschine ist wichtig, der Umsatz und das Kosten-Gewinn Verhältnis ist wichtig, aber der Endverbraucher scheint nur noch nebenbei zu laufen und muss bei dem Spiel möglichst gut mitspielen.

Und auch die Auswirkungen der ganzen Zusatzstoffe, Weichmacher und Farbstoffe ist tlw. überhaupt nicht mehr zu überblicken und jenseits jeder Kontrollen, wie der gestrige Fernseh-Beitrag sehr gut gezeigt hat.

Was kann man als Verbraucher also machen, um dem gesamten System möglichst effizient zu entkommen und die Risiken, die durch den gigantischen Lebensmittel-Handel-Tierindustrie-Markt entstehen, zu verringern? Dass die Kauf-Entscheidung für Bio-Produkte alleine nicht mehr reicht, wurde die letzten Tage ja eindrucksvoll bewiesen. Der Vertrauensverlust der durch solche Verhaltensweisen entstehen kann, ist groß. Er wird die Branche als ganzes schädigen.

Im Grunde müsste man seine Kaufentscheidungen weg von den Supermärkten lenken und wieder mehr bei regionalen Anbietern kaufen. Z.B. auf Wochenmärkten, auf Bauernhöfen (evt. auch mit eigener Schlachtung und so, dass man das Tier und seine Lebensbedigungen direkt sehen kann). Auch das Ess- und Kochverhalten müsste grundsätzlich umgestellt und verändert werden: Man muss mehr selbst kochen, auf Fertiggerichte verzichten, keine Burgerketten mehr besuchen, auch nicht wenn es hektisch wird und man „mal eben wenig Zeit hat“. Wer sich wenig Zeit fürs Essen nimmt, der macht an der Systemkrise schon wieder mit. Denn Zeit ist Geld und Geld ist knapp…

Vielleicht würde auch bedeuten, wieder mehr auf die Saison zu achten und bestimmte Produkte nur noch zu kaufen, wenn sie auch in natürlicher Form vorkommen und von der Natur „erzeugt“ werden. So konnte man in einem anderen Beitrag z.B. lernen, dass Hühner im Winter gar keine Eier legen, sondern nur wenn genügend Sonne scheint. Ich frage mich nur, woher kommen dann die ganzen Eier, die man im Winter jederzeit kaufen kann?

Man müsste der Gesundheit einfach wieder mehr Kredit geben. Geld und Zeit für das Essen und in ein nachhaltiges, gesundes Lebensmittel investieren- dort, wo es Politik und Handel schon lange nicht mehr können.