Ihr Kinderlein kommet

Gestern wurde mal wieder eine weitere Studie zum allseits bekannten Faktum veröffentlicht, dass Deutschland eine sehr niedrige Geburtenrate hat und im Vergleich zu europäischen Nachbarn eher schlecht da steht.

Auch die Erklärungen folgten auf dem Fuß, die üblichen Verdächtigen in der Hitliste ganz oben: Das Bild von der traditionellen Mutter ist in Deutschland zu sehr verankert. Frauen, die es nicht erfüllen, fühlen sich ausgegrenzt oder anderweitig missachtet. Der andere Punkt ist das mit der Kinderbetreuung und der schlechten Vereinbarkeit von Beruf und Kinderwunsch.

Das mag alles stimmen, aber ich finde, wenn man nur die beiden Aspekte herausgreift, verengt man das Thema zu einseitig. Es sind für die Medien und Politiker typische „theoretische Erklärungen“ neben den Standard-Politik-Argumenten und Angst-Metaphern.

Kinderkriegen ist doch eine sehr persönliche Sache und wie alle persönlichen Dinge sehr von Einzelinteressen und Ich-Überlegungen geleitet. Auch wenn es Politiker, Rentenkassen, Versicherungen, Banken und Arbeitgeber gerne so hätten, für die Entscheidung Kinder zu bekommen ist man immer selbst verantwortlich. Und jeder einzelne ist sehr gut fähig, alle Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, sowie sich zusätzlich von Informationen aus aller Welt zu versorgen und diese in die Urteilsfindung mit einfließen zu lassen.

Das ist schon mal der erste Punkt, warum es sich nicht allgemein erklären lässt und schon gar nicht mit den immer gleichen Standard-Argumenten, wie z.B. der Kinderbetreuung oder dass der Staat zu wenig machen würde. Die Ausgaben für Kinder und Familie sind schon jetzt sehr hoch, ohne den gewünschten Lenkungseffekt zu haben.

Warum? Jeder, der selbst Kinder hat oder Leute kennt, die selbst Kinder haben, weiß, was Kinder heutzutage bedeuten: Kinder sind laut, anstrengend und kosten Nerven. Selbst wenn sie komplett gesund sind, sind Kinder noch anstrengend. Schwierige Fragen müssen beantwortet werden, regelmäßige (gesunde!) Mahlzeiten sind einzuhalten, der Fernsehkonsum möglichst gering zu halten. Je nach Alter gibt es die Trotzphase oder die Pubertät, gerne auch mit fließenden Übergängen und nicht etwa scharf abgegrenzt, wie es im Handbuch steht. (Kann man den Artikel noch zurückgeben oder ist die Frist schon um?)

Besondere Feiertage müssen vorbereitet und organisiert werden, der eigene Urlaub wird am Anfang sehr eingeschränkt. Teure Luxusmöbel könnten mit Buntstiftkratzern oder flüssiger Schokolade beschmiert werden, der neue Fernsehr oder das Ipad zu Bruch gehen, Fensterscheiben werden permanent dreckig sein und selbst die beste Putzfrau der Welt (oder Hausfrau) wird nicht dagegen ankommen, schon gar nicht mit 100 oder 150 Euro zusätzlicher Herdprämie.

Es gibt ein Risiko, dass die eigenen Kinder behindert auf die Welt kommen und zusätzliche Anstrengung und Entbehrung kosten. (Und die allgemeine Akzeptanz von Behinderungen ist bei weitem nicht so gut, wie alle Gutmenschen es gerne hätten) Es kann sein, dass das Kind hyperaktiv oder bettnässend wird, es kann sein, dass man ein Kind mit Lernschwäche bekommt oder Schwierigkeiten während der Schwangerschaft. Kinder sind einfach ein absolut unkalkulierbares Risiko für jeden Einzelnen und die wirkliche Bereitschaft der Gesellschaft für die Mutter und das Gemeinwohl da zu sein, ist sehr gering.

Moderne Frauen , -aber auch Männer- werden das spüren und ganz genau überlegen, ob sie dieses Risiko eingehen wollen oder nicht. Auch die Tatsache, dass das Thema derzeit von den Medien so aufgeladen wird, macht die Entscheidung nicht leichter.

In erster Linie stellen Kinder also eine persönliche Investition dar, die mit dem marktwirtschaftlichen Geist der heutigen Zeit abgeglichen werden und auf persönliche Tauglichkeit überprüft, wenn nicht „gegen gerechnet“ werden muss. Jeder nimmt, jeder profitiert von den Kindern und den gut ausgebildeteten Fachkräften anderer, aber was die Politik und die Gesellschaft auf der „Geben-Seite“ anbietet, ist einfach viel zu gering.

Für die Frau bedeutet es fast immer, den Beruf aufzugeben bzw. für eine längere Zeit zu unterbrechen und dann Schwierigkeiten zu bekommen, wieder neu einzusteigen. Mit einem modernen, weiblichen Selbstverständnis nur sehr schwer zu vereinen.

Für den Mann hat sich nicht viel verändert, er wird bei alldem viel zu wenig gefragt. Männer laufen nebenbei, die Erwartungen an sie, die Ernährer für die Familie zu sein, sind weiterhin hoch. Ihr Selbstbild und ihr Selbstverständnis hat sich in den letzten Jahrzehnten viel weniger gewandelt, als das ihrer weiblichen Pendants.

Die Erwartungen an die Familie als Ganzes sind hoch und von allen Seiten kommen gute Ratschläge. Eine Familie zu gründen oder gar zu heiraten, bedeutet in der persönlichen Freiheit beschnitten zu werden- vielleicht eine Schwiegermutter zu bekommen, lästige Familienfeierlichkeit auszuhalten, sich kritisieren und demütigen zu lassen. Man kann nicht mehr einfach so gehen, weil ja „Kinder da sind“. Die Unterhaltszahlungen werden nach einer Scheidung gestrichen oder fallen nie an, jeder ist für sich selbst verantwortlich, dann macht euren Sch.. doch alleine!

Früher war es für Frauen überschaubarer, sie mussten nur heiraten und von einem gut verdienenden Mann abgesichert sein und ihr Leben und vor allem ihre Stellung in der Gesellschaft waren besiegelt. Ihre Mutterrolle war sozusagen „abgesichert“, einmal finanziell, aber auch vom gesellschaftlichen Ansehen her. Es war okay für sie, wenn sie „nur Mutter“ war und das als ihre Lebensaufgabe sah. Heute ist es undenkbar. Die Erwartungen die man an junge Frauen stellt, sind dermaßen hoch, dass es viele einfach nur noch abschreckt. Aber nicht, wegen des Bildes der guten Mutter, sondern wegen des Bildes der alles könnenden Karrierefrau-Supermutter- Showgirl -Hausfrau.

Kinder laufen nicht einfach nebenbei – noch werden sie mit groß gezogen, weil sie praktisch für die Rente sind und später mal im Familienbetrieb (z.B. Landwirtschaft) mithelfen sollen, wie es früher mal der Fall war.

Wenn man eine gute Rente will, sollten beide eine Beruf haben und eine private Rentenversicherung abschließen. Kinder kommen in dieser Rechnung einfach nicht mehr vor.

Zum Schluss ist da noch die Anerkennung. Für beruflichen Erfolg bekommt man Freunde, Kollegen, Weihnachtsfeiern, Anerkennung, ein hohes Gehalt, Unabhängigkeit, bezahlten Urlaub, Weltreisen, Luxus-Möbel, ein Haus im Grünen.

Für Kinder bekommt man ein Haufen Arbeit, dreckige Böden, Einschränkung der Freiheit, geringere Rente, gesellschaftliches Mitleid, einen kostenlosen Lutscher und eine Scheibe Wurst beim Metzger.

Also ganz nett, aber eindeutig nicht „Prio eins“.

Aber soo süß!