Sie haben Kenny getötet

(Zitat aus Southpark)

Mit Aufmerksamkeit und Neugierde, aber auch mit Schrecken verfolge ich derzeit die Ereignisse in Frankreich, die das ganze Land seit gestern in Atem halten. Der blutige Anschlag auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ war der Auslöser. Über 11 Menschen sind gestorben und auch heute gibt es weitere Schüsse, Geiselnahmen und Tote. Die beiden Haupttäter, zwei Brüder (mit französischer Staatsbürgerschaft aber radikal-islamischen Überzeugungen) zwischen 30 und 40 haben sich in einer Druckerei verschanzt und mind. eine Geisel genommen.

Minütlich prasseln die Meldungen über die Liveticker diverser Medien, wer möchte kann sich auch in die verschiedensten TV-Livestreams reinklinken, die alle von den aktuellen Ereignissen berichten und mal näher und mal weiter weg von den Geschehnissen aufgebaut sind. (z.B. http://www.n-tv.de) Das ganze kommt mir derzeit noch etwas surreal vor. Es fing damit an, dass ich gestern fast im Vorbeigehen beim üblichen, gelangweilten Durchscrollen durch die Nachrichten-Headlines plötzlich vom Anschlag aus dem Zentrum von Paris gelesen habe. Ich wollte gerade weiter scrollen, da wurde mir plötzlich die Tragweite der Ereignisse bewusst. Beim genaueren Hinsehen und im Laufe des gestrigen Tages wurde dieses ungute „Anfangsgefühl“ noch verstärkt. Das ist doch absoluter Wahnsinn, was da abgelaufen ist! Ein bewaffneter Anschlag mit Kalaschnikows auf eine friedliche Redaktionssitzung einer Zeitung. Allein die Vorstellung, die Bilder im Kopf, die dabei entstehen passen irgendwie nicht zusammen. Wie kann man ein derart „weiches Ziel“ zum Hauptpunkt eines Anschlages machen? Bei der RAF waren es „wenigstens“ noch die Repräsentanten ihres verhassten Feindbildes: Der Staat, Polizisten, Staatsanwälte, Militär-Einrichtungen. Das konnte man irgendwie nachvollziehen (ist nicht gleich rechtfertigen!), aber der Angriff auf künstlerisch-tätige Autoren, die friedlicher und losgelöster von allen Macht-Systemen der Welt nicht sein könnten, ist grotesk.

Ein Angriff auf das 10 Uhr-Redaktionstreffen einer Zeitung, die niedliche Figürchen malt, die an sich überhaupt nicht anstößig, obszön oder gewaltverherrlichend sind! (Beispiel) Da gibt es tausende Medien-Produktionen, die schlimmer sind, ja bei manchen Sendern muss man nur bis Mitternacht warten, bis die ganze Sexindustrie endlich mal durchladen kann. Oder die ganze Gewaltdarstellung in Filmen, die Pornografie und „weltliche Darstellung“ von Frauen in der Werbung, der Konsum von Alkohol, Schweinefleisch, etc. . Und jetzt regt man sich über ein paar handgezeichnete Figuren auf? Welcher Gott oder Prophet sollte so humorlos sein, als dass er damit ein Problem hätte? Der Humor und der Zeichner ist ja so etwas wie eine geschützte Instanz: Wie ein Hofnarr im Mittelalter, der allen Adligen und Herrschenden den Spiegel vorgehalten hat, aber im Rahmen der künstlerischen Darstellung die sog. Narrenfreiheit genoss und nicht verurteilt oder zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Das gab es schon im Mittelalter und da waren auch im hochgelobten „Abendland“ die heiligen Insitutionen noch mächtiger und strenger.

Diese Figuren führen nur bei der Interpretation des Betrachters zu so etwas wie einem Schmunzeln oder einem Lachen. Bisweilen wird auch das Lachen im Hals steckenbleiben. Es hängt hauptsächlich am Betrachter, wie man damit umgehen kann, genau das ist die Aufgabe der Satire! Nicht die Satire ist böse, sondern die eigenen (!) Gedanken und Interpretationen, die sie auslösen kann.
Sie ist daher die beste und friedlichste Pädagogik, die man sich vorstellen kann. Weil sie auf Humor und Selbstkritik beruht und nicht auf Dogmen.

Aber die Leute, die sich an so etwas stören, sind genau wie jene, die sonntags verärgerte Leserbriefe an ihre Zeitungen schreiben, weil sie sich von irgendeinem Artikel, irgendeiner Wortwahl oder einer anderen Banalität so tief getroffen fühlen, dass sie erst weiter leben können, wenn sie ganze Welt mit ihrem Schmerz beglückt haben und dann am besten noch so etwas wie ein „Schmerzensgeld“ erhalten. Mit dem Unterschied, dass die Terroristen durch Ideologien aufgehetzt sind und noch radikaler reagieren.

Wieviel Schmerz kann denn ein Comic auslösen? Zuerst, man muss es ja nicht lesen! Man könnte es ignorieren. Satire gilt in Frankreich als starkes Medium mit hoher Beliebtheit, aber die letzten Auflagen von Charlie Hebdo sollen gerade mal um die 60.000 Exemplare gelegen haben. Das ist weit entfernt von einem mächtigen Einfluss. Erst jetzt, nach dem Anschlag wird nochmal nachgelegt. Das „Motiv“ kommt mir daher wie ein Vorwand vor. Ein Vorwand, um Macht und Hass auszulösen und Gesellschaften zu spalten.

Die Zeichner haben auch andere Religionen „beleidigt“ oder aufs Korn genommen. Das Motiv für den Mordanschlag ist daher so grotesk und unverständlich wie ein Mord nur sein kann. Der ganze Konflikt zwischen „dem Islam und dem Westen“ ist künstlich und kann nur existieren, weil ihn ein paar radikale dazu machen und hier in Europa mit anderen Extremisten und Fundamentalisten (ganz gleich welcher Richtung) prächtige Resonanz-Böden vorfinden.

Es bringt meiner Meinung nach auch überhaupt nichts, jetzt die große Interpretationsmaschine anzuwerfen, wie es von den Medien derzeit gemacht wird: Haben wir ein Problem mit Islamfeindlichkeit in Deutschland? Wie geht man mit Bewegungen wie Pegida um? Ist ein friedliches Zusammenleben mit Muslimen und Nicht-Muslimen möglich? Was sagen die friedlichen Vertreter aller Religionen dazu? Wie ist die Meinung von Terrorismus-Experten? Welche Bürgerrechte sollen als nächstes eingeschränkt werden? Warum konnten die Behörden nicht alles wissen, warum sind ihnen gewisse Zusammenhänge der Brüder und evt. Mittäter nicht aufgefallen? Ja, warum wusste man nicht, wann die Terroristen morgens aufstehen, wo sie ihr Müsli kaufen, bei welchem Waffenhändler sie noch schnell ein paar Päckchen Munition einkaufen und wie- in Gottes oder Allahs Namen- sie diese schwere Waffe ungesehen in diesen mickrigen Kleinwagen stopfen konnten?
Wie haben sie im Gedränge von Paris eigentlich die richtige Adresse gefunden, wo die Redaktionsräume von „Charlie“ mittlerweile geheim waren? Ist unser neuer Gott Google mittlerweile so mächtig, dass das Navi auch diese Adresse ausspuckt?

Und warum waren sie so dumm, und haben ihren Personalausweis im Auto vergessen? Tja, man kann eben nicht an jedes Detail denken.

Der eine von den Brüdern hat gerne Rap-Musik gehört und gekifft. Wäre er mal dabei geblieben! Aber dann, eines Tag, man weiß nicht genau warum und wieso (( nacherzählt aus n-tv und dem interessanten Interview mit Antonia Rados)) – hat er angefangen sich zu radikalisieren. Tja, irgendwann. Das Leben war anscheinend zu langweilig. Die Verlockungen sich einer extremistischen Ideologie mit ein wenig mehr „Action“ hinzugeben sind da groß.

Die Halteseile der Demokratie sind nicht fest genug, um jungen Männern mit fragilem Ego eine klare Perspektive und Struktur zu geben. Bezeichnend, dass sie ohne Vater aufgewachsen sind und ihre Mutter irgendwann verloren haben.

Man könnte noch ewig weiter spekulieren, wenn das ganze nicht so schmerzhaft, grausam und traurig wäre. Mein Beileid für alle Opfer.

Dieser Anschlag wird eines Tages ein Fall für Satire werden. Denn die Freiheit kann man nicht töten. Man kann sie auch niemanden wegnehmen, man kann sie nicht wegsperren, nicht enthaupten und nicht steinigen. Die Freiheit eines jeden beginnt in einem selbst. In der friedlichen Einstellung der Welt gegenüber. In dem klaren (ethischen) Bekenntnis auf Gewalt oder Intoleranz zu verzichten. Indem man andere respektiert, wird man selbst auch freier. Sobald man anfängt, die Dinge kontrollieren zu wollen und ihnen einen eigenen Stempel aufdrückt, werden sie kompliziert und wenden sich gegen einen.

Das beste Gegenmittel gegen Terrorismus ist die klare Bekenntnis zur Offenheit der Demokratie, zu den Menschenrechten, zur Toleranz und zum friedlichen Miteinander der Religionen.

Zeit der Aktivität

Lyon Stadtansicht (im Frühling)

 

Die letzten Tage waren sehr sonnig, ungewöhnlich warm und trocken. Auch jetzt regnet es immer noch nicht richtig. Die Feinstaubbelastung in den Städten ist sehr hoch, viel höher als normal.

Die Franzosen haben sich schon beschwert, dass die deutschen Kohlekraftwerke den Smog in den Westen blasen… bei meinem Besuch in Frankreich bin ich aber zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: Die Luft in Frankreich ist schlecht, viel schlechter als in Deutschland, obwohl die Besiedlung und Industriedichte niedriger als bei uns ist (vor allem ist das Autobahnnetz auch nicht so dicht).

Ein Problem scheint eher das Umweltbewusstsein zu sein: Nicht selten, dass wir hinter einem richtigen „Stinker“ hergefahren sind, ein Auto ohne jeglichen Kat oder sonstige Vorrichtungen. Das Laufen an einer vielbefahrenen Straße ist in den größeren Städten eine richtige Qual. Natürlich ist das auch in Deutschland nicht toll, aber in Frankreich kam es mir noch giftiger vor. (schwer zu beschreiben, ist ein subjektiver Eindruck).

Im Hotel gab es eine Elektroheizung und im Bad gab es nochmal einen Heizlüfter und einen Föhn. Alles mit dem guten alten Atomstrom…. Über Energie scheinen sie sich in unserem Nachbarland ganz andere Gedanken zu machen. Auch Windräder sieht man viel seltener als bei uns. Unweigerlich drängten sich bei mir die Gedanken auf, dass Energiepolitik in Europa eigentlich viel einheitlicher, viel „zentraler“ organsiert werden müsste. Das wäre zumindest wichtiger, als ständig Dinge wie Staubsauger oder Kaffeemaschinen-Warmhalter zu verbieten.

Ansonsten ist Frankreich aber ein ausgeprochen schönes, freundliches Land und die Leute scheinen viel höflicher und aufgeschlossener als in Deutschland zu sein. Kundenfreundlichkeit wird groß geschrieben. Von der viel beschriebenen und tlw. schon „dämonisierten“ Abwehr der Franzosen gegen Deutsch- oder Englischkenntnisse habe ich nicht viel mitbekommen. Von den Franzosen, die ich kennengelernt habe, haben alle wenigstens ein paar Brocken Englisch gesprochen. Das mussten sie auch, denn meine eigenen Französisch – Kenntnisse gehen gegen Null und wurden nur kurz vorher mit ein paar Schnelllern-Programmen und Android-Tools aufgepäppelt (demnächst folgt evt. mal ein Bericht darüber). Vor allem die jüngeren Semester scheinen alle Englisch für ein paar Jahre auf der Schule gehabt zu haben. Was ein wenig fehlt, ist natürlich die Praxis. Und der Akzent ist ganz lustig anzuhören. 😉 (Wahrscheinlich so, wie mein Französisch-Akzent, Bonjour!)

Die Natur ist sehr schön und das Essen sowieso. Die Küche ist viel feiner als bei uns, es gab mehr Gänge, kleinere Portionen, die man dafür mehr genießen muss. In Deutschland liegt der Fokus oft sehr auf dem Hautpgericht und alles andere läuft so nebenbei oder wird ganz weggelassen (z.B. Salate oder Brot als Beilage). Auch ist die Wurst- und Fleischkultur eine ganz andere als bei uns. Zum Frühstück gab es immer nur eine Sort Wurst und die hat nicht besonders gut geschmeckt. Das habe ich in Hotels in Deutschland schon ganz anders erlebt. Dafür waren die Salate wesentlich abwechslungreicher und die Süßspeisen waren viel besser (z.B. Croissants).

Ich hab die sonnige Zeit der letzten Wochen für Aktivitäten genutzt und bin nicht viel zum Bloggen gekommen. Auch jetzt muss ich eher dazu zwingen, mal „innezuhalten“ und über das gelebte zu schreiben. Die Phase der Aktivität wird von dem ersten Tiefdruck seit langem etwas augebremst. Schon seltsam, wie abhängig man von dem Wetter ist!

Das Innere einer Kirche (Blick nach oben an die Decke)
Das Innere einer Kirche (Blick nach oben an die Decke)