Du warst hier

Du bist hier gewesen, ganz nah bei mir. Und du hast mir nicht Bescheid gesagt. Ich hab es über Facebook erfahren.
Über die Datenkrake, die alles weiß. Ganz schnöde hat mir der Dienst die Nachricht ausgepuckt. Geliebte Person X war an Ort Y.

Punkt. Für den Computer hat das keinen Wert. Für die Werbleute ist der kommerzielle Wert dieser Aussage auch nur sehr begrenzt. Aber was diese kleine Schlagzeile für mich bedeutet, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Ich hätte dich so gerne gesehen, gerne gedrückt und mal wieder in den Arm genommen!
Deine braunen Augen mit der scharfen Beobachtungsgabe mal wieder in echt gesehen. Mich darin gespiegelt. Ich hätte gerne mal wieder Deine engelsgleiche Anmut gesehen, mit der Du sicherlich über die Ruinen des Weingutes geturnt bist und ein Bild nach dem anderen geschossen hast. Sicher, schnell, selbstbewusst und mit der Erfahrung einer geübten Fotografin.

Du warst da, vermutlich mit Deiner Familie. Warum hast du nichts gesagt? Es schmerzt schwer in meinem Herz.

Ich hätte Dir alles zeigen können. Die versteckten Stellen, die Orte, bei denen man etwas fühlt. Besondere Anblicke, romantische Ecken.

Ich hätte Dir gerne mehr erzählt, über laue Sommerabende und schöne Weinfeste. Über die Menschen der Pfalz. Über Freunde, die ich hier kennengelernt habe und dann tlw. wieder verloren habe.

Meine Emotionen, die an diesen Ort gebunden sind, ich hätte sie Dir nur zu gerne anvertraut! Und ich hätte gerne gewusst, was du denn darüber denkst?

Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du das genau gewusst hast?

Und mich trotzdem ignoriert hast?

Und nur wegen Corona war ein Treffen nicht möglich?

Warum bist du so gemein und spannst mich auf die Folter!

Ich will dich wieder sehen. Lieber früher als später.

Mein Herz pulsiert, seitdem ich weiß, dass Du in meiner Nähe warst. Es pocht laut und heftig. Jetzt wird es mir völlig bewusst. Der Verzicht war lang und hart. Ich sehne mich nach Erlösung.

All die schönen Momente, die wir miteinander hatten. Die schöne Zeit! Die Fototouren in der großen Stadt. Die netten Gespräche. Dieses Gefühl, sich sofort auf Anhieb gut zu verstehen.. Plötzlich ist alles wieder da.

Wie kleine Schemen tauchen die Erinnerungen aus dem Abendlicht wieder auf. Um dann immer kräftiger und klarer genau vor mir zu stehen.

Denn es gibt einen kleinen Lichtblick, einen kleinen Hoffnungsschimmer, den du uns und deinen anderen Followern heute anvertraut hast:

Du hast jetzt eine Impfung. Bist immun gegen das Virus. Du wurdest vorgezogen, weil Du ein besonderer Mensch bist, Dich für andere einsetzt und daher eine Priorität verdient. Du wirst die Pandemie überleben. Ich freue mich so für Dich! DU hast es verdient.
Da ist KEIN BISSCHEN NEID ! Nicht bei Dir.

Eines Tages, so bin ich mir jetzt sicher, werden wir uns alle wieder sehen. So wie früher, dann wird alles normal.

Dann werden wir wieder vereint sein. Und zusammen Fotos machen, so wie früher.

Leere Glas-Fassaden, in denen sich meine Seele spiegelt

Gestern bin ich alleine durch Frankfurt gelaufen.

Die Sonne spiegelt sich hart in den kalten Glas-Fassaden. Ein paar Menschen kommen mir entgegen. Meistens Männer. Meistens zu zweit. Ich bin die einzige Frau. Und die einzige mit einem großen Fotoapparat um den Hals. Einer von den ganzen Starken und Fitten hat sich mit einem Gymnastik-Band an einem Geländer „festgekettet“ und läuft ganz heftig auf der Stelle. Er stöhnt und atmet ganz schnell. Ich merke kurz, wie es mich anmacht, dann geh ich schnell weiter. Eigentlich wollte ich ihn fragen, ob ich ihn fotografieren darf, wie er sich da abstrampelt. Dann wiederum denke ich, wie indiskret das wäre. Ich lasse ihn alleine und gehe an der „Messe“ vorbei. Alles tot und still. Auf der riesigen Ost-West-Ausfallstraße ist fast gar nichts los. Wie in der Apokalypse. Ich gehe weiter, suche nach Motiven. Wirklich viel finde ich nicht. Obwohl es blüht. Eine malerische Ruhe liegt über der großen Bankenstadt. Die anderen Männer, die noch mit dem Fahrrad vorbeifahren oder joggen, halten sich körperlich fit. Sie warten auf ihren nächsten Einsatz, der bald kommen wird. Wirklich „ruhen“ tut keiner.

Dann, ganz plötzlich kommst Du mir in das Gedächtnis. Plötzlich bist Du da. Ich fühle dich ganz stark. Eine große Sehnsucht, eine große Verbundenheit. Ich muss Dich wiedersehen. Unbedingt. Ich weiß, dass ich das tun muss, um glücklich zu sein.

Nur in meinem Bewusstsein ist dieses Gefühl noch nicht ganz angekommen. Ich kann es nicht wirklich umsetzen, obwohl ich möchte.