Dankbarkeit

Passsender Song Acrobat von Maximo Park

Stell dir vor, du bist gefangen. Gefangen auf der einen, falschen Seite. Quälst dich schon seit Jahren mit dir selbst herum. Rüttelst an den Stangen aber sie geben nicht nach. Keinen einzigen Millimeter. Eine ungute Mischung aus Rollenerwartungen, Erziehungsmodellen, Freundschaften, guten Manipulationen, unerwarteten Wendungen und anderen Dingen hat sich stets davon ab gehalten, alles in die Hand zu nehmen, alles zu ändern.

Und dann kommt irgend so ein dahergelaufener Typ von der Straße auf dich zu und lässt dich endlich raus.

Er lächelt dich milde an, mit der Kippe locker im Mundwinkel schwingend. Sie bewegt sich auf und ab, während er durch seine rauchig-gelben Zähne mit dir spricht. Er riecht ein wenig verschwitzt. „Ach Schätzchen“ sagt dieser eklige Typ zu dir, „es ist doch eigentlich ganz einfach. Spring einfach, mach den Satz über die Klippen. Sei einfach ein bisschen mutig!“

„Aber, aber …“ stammelst du noch zu ihm herüber, soviel Angst hast du vor der neuen, unbekannten Welt „da draußen“.

„Aber, aber…“ willst du noch sagen, da ist es schon zu spät. Er packt dich an der Schulter, mit dem anderen Arm greift er dir zwischen die Beine und hebt dich einfach hoch. Er trägt dich ein paar Meter, ohne dabei ins Keuchen zu kommen, ganz sanft trägt er dich über den tiefen Abgrund und seine fast zarten Hände streicheln deine Arme und Beine, als er dich auf der anderen Seite wieder herunterlässt.

Du bist so dankbar, dass du keine Worte finden kannst. Suchst nach ihnen, kramst in deiner hintersten Gedankenschublade. Und als du endlich ein Wort gefunden hast, das passen würde, hebst du deinen Kopf und willst zu ihm sprechen.

Da ist er schon weit weg und am Horizont beinahe verschwunden.

Willst du noch rennen und ihn einholen?

Freiheit kommt nur durch Arbeit

Eine Gegendarstellung

Ich erinnere mich noch an einen schönen sonnigen Frühlingstag vor zwei Jahren. Mein Mann und ich (frisch verheiratet) waren etwas unter Druck, weil wir in einer bestimmten Zeitspanne unseren Umzug von der Wohnung in Mannheim in unser frisch gekauftes Haus bewerkstelligen mussten. Neben den ganzen Renovierung- und Sanierungsarbeiten, die in dem 200 Jahre alten Haus halt mal so anfallen (und bis heute noch anhalten..) mussten natürlich alle Zimmer der Wohnung gestrichen und aufgehübscht werden. Wer das schon mal machen musste, weiß, wie viel das Arbeit allein mit einem Zimmer schon ist… und wir mussten 75 qm, inkl. der Decke streichen.

Wir sind keine Profis, dazu ist mein Mann berufstätig und so was muss man immer im Urlaub machen, was den Zeitdruck noch zusätzlich verstärkt. Mit unserem letzten Geld (denn die Kaution und andere Posten hatten große Löcher in den Etat gefressen) kauften wir uns einen kleinen Anhänger. Die passende, nachgerüstete Anhängerkupplung fürs Auto fehlte natürlich auch noch- zusätzlicher Zeitbedarf und Kosten durch den Werkstatt-Besuch kamen dazu. Insgesamt vielleicht 800 Euro, die wir natürlich selbst bezahlten, abzüglich vom Nettogehalt, also nach den Steuern, die wir für unseren „überschuldeten Staat“, die Abwrackprämie und „sozial schwache“ Hilfsbedürftige abdrücken. Wir sind auch sozial schwach, aber das interessiert oft keinen!

Wir haben das Haus im Januar gekauft und der Auszug war Ende März, das waren also drei Monate.

Der Anhänger ist sehr klein, zwei Meter lang, einen Meter hoch und einen breit, also zwei Kubikmeter. So eine Wohnung hat aber mehr Zeug als zwei Kubikmeter, vielleicht 20, 30 oder 40?

Aus diesem Grund haben wir jedes Wochenende etwas in den Hänger gepackt und sind die 2 mal 40 km mit dem Auto und dem Anhänger wie die fleißigen Ameisen hin- und her gefahren. Soweit ich mich erinnern kann, machten wir das recht oft, im Grunde jedes Wochenende bis zum Auszug. Die Zeit im Haus verbrachten wir dann mit Renovierung in Abwesenheit jedes Luxus, nur um dann am Ende des WE´s wieder nach Mannheim zu fahren und dort die Arbeitswoche zu beginnen (und ja, auch für Hausfrauen und freiberufliche Autorinnen gibt es eine protestantische Arbeitswoche, selbst wenn das manche Machos, die nie was im Haushalt machen, einfach nicht glauben wollen).

Selbstverständlich schleppten wir dabei alles selbst, von der einfachen Kiste, bis hin zum sperrigen Schrank und Sofa wurde alles von zwei Personen abgewickelt. Nur bei der Waschmaschine haben wir „Freunde“ eingeladen und uns helfen lassen.

Ich erinnere mich daran, dass es eine recht harte und anstrengende Zeit war. Die Renovierung der Wohnung wickelten wir dann innerhalb einer einzigen Woche ab und begannen diese wie die normalen Handwerker morgens um 8 und endeten irgendwann am Nachmittag. Ausräumen, sauber machen, abkleben, Plane ausbreiten. In den Baumarkt fahren. Quirl aufstecken, Werkzeug bereit legen, Farbe anrühren, auf die Leiter klettern, streichen- immer und immer wieder. Dann die Decke, da kommt einem alles entgegen, abends ist man weiß gesprenkelt und verschwitzt. Zu Essen gibt es nicht viel, vielleicht ein belegtes Brötchen und Apfelsaft-Schorle- aber das reicht, wenn man hungrig ist und Bock auf Arbeit hat!

Abends hatten wir natürlich Muskelkater, Schmerzen, Hunger und waren kaputt. Zum Plaudern, Chatten oder ähnlichem ist einem dann nicht mehr. Man sieht noch was im Fernsehen und geht dann sehr müde schlafen.

Ich frage mich, wie wir diese ganzen Arbeiten verrichten konnten und dabei noch motiviert waren? Was hat uns angetrieben?

Warum haben wir die Kosten nicht übernehmen lassen? Warum meldete ich mich noch nie in meinem Leben arbeitslos, obwohl ich darauf bestimmt auch einen Anspruch hätte- wenn ich mal überlege?

Mir war es schon immer wichtig selbstständig und unabhängig zu sein. Die Zwickmühle, die abhängige Situation in einer Mietwohnung ist nicht schön. Das ist keine Freiheit. Man hat blöde Nachbarn, Lärm, Gerüche, Ärger mit der Kehrwoche, Ärger wenn man Grillen will, keinen richtigen Garten und ist überhaupt sehr eingeengt. Die Vermieter sitzen am längeren Ende der Macht, der Stromableser und der Heizungs-Kontrolleur kommen wann sie wollen und man hat keine Wahlmöglichkeiten. Man kann nicht renovieren, nichts verändern ohne den Vermieter zu fragen- und wenn der eben keinen Bock hat, hat der keinen Bock.

Wir sind nicht besonders reich und einflussreich, aber uns war klar, dass wir eine Veränderung brauchen, eine Zukunft wollen, die aus Eigenständigkeit und Freiheit besteht. Und daher haben wir diese Arbeit auf uns genommen. Dieses alte Haus gekauft, was soviel marode Stellen hat, an denen man arbeiten muss. Dass soviel Zeit und Energie verschlingt. Die ungünstige Situation auf dem Land, abseits aller Vergnügungen, nur weil es günstiger ist- und wir die Miete sparen. Das ist unser Ziel. Freiheit, Eigenständigkeit und das Gefühl, es selbst geschafft zu haben.

Das treibt uns an. Selbst wenn die Arbeit dabei hart und unbequem ist, bleibt immer das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein und alles richtig zu machen. Ich stehe auf und weiß, was mein Ziel ist. Ich gehe abends schlafen und weiß, was ich gemacht habe.

Ich bin in gewisser Weise selbst Handwerkerin geworden, das finde ich schön und es bereichert mein Leben. Ich weiß, wie es sich anfühlt hart und körperlich zu arbeiten und dies ist eine Erfahrung, keine Theorie!

Manchmal fluche und schimpfe ich und ärgere mich über den langsamen Fortschritt oder die viele Arbeit.

Aber nie bereue ich das, was ich getan habe.

Karriere und Pläne

Wenn ich jetzt noch mal 15, 18 oder 20 wäre, was würde ich anders machen? Sieht man junge Leute, hat man oft ein positives Gefühl, sie sind oft so optimistisch und haben ihr Leben voll Plänen und Zielen. Je nach Biografie kommen die Probleme erst später dazu. Aber je jünger ein Mensch ist, desto optimistischer ist er meist und deswegen mag ich junge Menschen.

Ältere Menschen haben oft schmerzhafte Erfahrungen gemacht, sind irgendwie gezeichnet vom Leben. Bei nicht wenigen merkt man, dass sie das grundsätzliche Vertrauen in andere verloren haben. Sie sind nicht mehr mitteilungsfreudig und sie haben gelernt, die Welt in gut und böse aufzuteilen. Je nach Beruf, Partnerschaft, Privatleben haben sich unterschiedlichste Misserfolge, Enttäuschungen und Verluste angehäuft, so dass ein „reiferer“, aber auch ein desillusionierter Mensch übrig bleibt, der eigentlich Anlass zur Sorge und Anteilnahme geben sollte. Was aber passiert mit alten Menschen zumeist?

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