Gesicht zeigen

Einen Neuanfang brauche ich auch dringend beim Bloggen.

Ich sehe das in meiner Blogroll und in meinem Feed-Reader. Mit der Zeit ist es immer weniger geworden.

Ich habe immer weniger andere Blogs gelesen und es sind immer weniger „neue Leser“ dazu gekommen.

Für mich ist das das beste Zeichen, dass sich irgendwas „überlebt“ hat. Sind es die Blogs an sich?
Kommen nicht mehr soviele nach? Oder ist es meine Einstellung? Kann ich nicht mehr soviel aufnehmen, wie ich eigentlich müsste oder sollte?

Das Schreiben gerät mir immer mehr zur Ruheinsel, zu einem Punkt, auf den ich mich zurückziehen kann.
Das Schreiben hilft beim Verarbeiten. Es gibt zwei Ebenen: Die eine Ebene, die nach außen gerichtet ist und neuen „Input“ braucht und dann die Ebene, die alles verarbeitet und durch Nachdenken und Überlegen zu eigenen Schlüssen kommt.

Obwohl ich es nicht geplant habe, haben sich bei mir zwei Pole eingependelt: Auf Facebook und Twitter hole ich mir Anregungen, bin mehr im Außen, auf andere Leute hin ausgerichtet und der Strom an Informationen scheint nicht abzureißen.

Auf meinem Blog kann ich alles in Ruhe verarbeiten. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zum Schluss, dass es wohl genau so sein muss.
Dass man auch hier wieder eine nötige Dualität findet.

Bei Instagram ist es ähnlich. Es gibt User, die haben sehr schnell 1000 oder 2000 Follower und manche Bilder bekommen 10.000 oder sogar 20.000 Likes.
Wer aber braucht diese ganzen Likes eigentlich? Ab wann darf ich mit meinem Bild zufrieden sein?

Es ist doch wie das Geld-System. Leute scheinen zu glauben, wenn sie „mehr“ haben, werden sie glücklicher. Oder sie vergleichen sich mit anderen und fühlen sich besser oder schlechter, je nachdem wie viele Likes sie bekommen.

Diese „Beliebtheit bei anderen“ sagt doch aber gar nichts aus, was ich erlebe, wenn ich ein Bild mache. Ob ich mich dabei gut fühle. Ob ich mich damit ausdrücken kann und meinen Gefühlen nachgehe. Mache ich das Bild nur, damit es schön in Szene gesetzt wird und es andere bewundern sollen?

Oder mache ich das Bild auch erstmal für mich selbst?

Schöne Bilder entstehen oft, wenn man es „fließen“ lässt. Wenn man einfach nur die Natur oder die Stadt geht und ganz spontan entscheidet, was man schön findet oder was nicht. Erfahrungsgemäß sind Perspektiven, die ich spontan als „schön“ oder „besonders“ empfinde auch ganz besonders gut geeignet, um schöne Fotos zu produzieren.

Dann werden die Werke sehr persönlich. Und wer sagt, dass es immer nur „schön“ sein muss? Wie langweilig!
Warum kann es nicht mal nervenaufreibend, hässlich oder trist sein?

Warum kann das Bild nicht mal bestimmte Gefühle wie Ärger, Angst, Ekel oder sogar Wut erzeugen?

Wenn ich mir meine eigenen Bilder so anschaue, dann stelle ich oft fest, dass ich mich um Ausgeglichenheit bemühe.
Auch das sagt viel über mich aus. Ich produziere gerne „Stilleben“, auf denen das Auge ruhen kann. Gähn!

Ich nutze Fotos also zur Entspannung und zur Entschleunigung. Ich fotografiere gerne Szenen, auf denen KEINE Menschen zu sehen sind.

Auch in meinen Bilder suche ich also oft mehr die „Distanz“ und weniger die „Nähe“. Ich fotografiere mich gerne selbst.
Ich würde auch gerne andere Menschen fotografieren, aber ich möchte ihnen nicht zu nahe treten.

Ich müsste sie erst fragen, ob ich das darf. Ich muss mit ihnen Kontakt aufnehmen. Ich muss mich auf sie einlassen, ein Bild von ihnen machen.
Das ist was ganz besonderes. Für gute Porträt-Fotos muss sich auch der Fotograf ändern!

Letztens war ich im Wald. Es kam ein sehr netter, älterer Herr vorbei, der einen tollen, großen, wuscheligen Hund mit schönem Fell und tollen Augen hatte. Meine Mutter hat ihn gleich angequatscht und wir unterhielten uns angeregt mit ihm und über sein Haustier. Ich stand relativ still daneben. Ich hatte die Kamera im Anschlag. Sie war sogar noch an, der Objektivdeckel abgenommen.

Aber ich habe mich in den ganzen 15 Minuten, die ich da stand und zuhörte, nicht getraut zu fragen, ob ich seinen schönen Hund mal fotografieren darf!
Das hat mich geärgert. Daran hab ich gemerkt, dass ich was ändern muss.

Ich will in diesem Jahr mehr Tiere und mehr Menschen fotografieren und ich muss sie fragen, ob das okay für sie ist.

Auch bei Facebook ist mir das aufgefallen! Es heißt doch „Face“ book. Also Gesichter-Buch. Aber die wenigsten Menschen posten Fotos von sich oder ihren Gesichtern. Ist doch eigentlich langweilig! Und wenn, dann sind es meistens Frauen, die sich um Schönheit und Likes bemühen – ist ja auch verständlich.

Aber alle Menschen haben doch Gesichter! Alle Menschen sind für sich genommen schön. Warum sieht man dann nur bestimmte Menschen und warum posten manche Menschen überhaupt keine Gesichter von sich?

Die sozialen Medien zwingen uns in einen Dialog auf die Technik-Ebene. Wir müssen miteinander über Maschinen kommunizieren. Ich finde, wir als Menschen sollten die Kontrolle über die Maschinen zurück gewinnen, indem wir uns menschlich zeigen. Indem wir Gefühle und unsere Gesichter zeigen.

Das Gesichter-Buch

Wow, was für ein gut geschriebener Artikel über Facebook.

Ich geb zu, ich hab bis jetzt nur die ersten zwei Drittel gelesen, aber das was ich las, hat mir gut gefallen. Daumen hoch!

Wie ist meine persönliche Meinung zu Facebook? Der Gedanke drängt sich beim Lesen automatisch auf..

Ich hab es eigentlich nie besonders gemocht, fand es immer zu kompliziert und neuerdings die Werbung, die nervt mich auch.
Zudem misstraue ich dem ganzen, nicht erst seit der NSA-Affäre. Letztens gab´s im Fernsehen eine Reportage über einen Facebook-Server, da wurde mir erst bewusst, in welchen Dimensionen, die sich eigentlich bewegen. (so etwas ähnliches wie das hier ). Es ist eine riesige Maschine, die Daten aus uns heraus saugt und am Ende damit Geschäfte macht und an die Börse geht. Und wir sind die kleinen Computersklaven, die freiwillig mitarbeiten und den Profit erst ermöglichen. Die „Bezahlung“ ist, dass wir uns sozial geborgen und anerkannt fühlen, weil andere auf uns reagieren oder „gefällt mir“ klicken. Aus dem ur-eigenen und wichtigen Bedürfnis des Menschen nach Anerkennung haben schlaue Leute ein Milliarden-Geschäft gemacht. Das ist erstmal das wirklich kritische, die „dunkle Seite“ an all den sozialen Netzwerken. Die Frage ist also: Überwiegen die positiven Dinge, die man aus den Netzwerken zieht über die Gefahren und das Ausspioniert-Werden?

Natürlich, letztendlich kann nix von dem was man sagt, wirklich privat oder „sicher“ sein. Das ist sehr schade. Dennoch halte ich auch einen völligen Boykott für falsch. Man muss halt nur wissen, wie weit man gehen kann. Welche Dinge kann man von sich preisgeben und welche nicht? Ich denke es ist wichtig, sich selbst starke Grenzen aufzusetzen und selbst zu kontrollieren. Allerdings ist dann auch die Gefahr groß, dass der „Spaß“ verloren geht. Dass man zu selbst kontrolliert wird und gar nichts mehr schreibt. Seine Gefühle kontrolliert, weil man denkt, „das kann ja alles gespeichert werden“. Ich denke, der richtige Weg liegt darin, das Potential zu nutzen, sich mit anderen zu vernetzen und versuchen sein soziales Netz zu verbessern. Online wie offline. Dabei aber auch nicht vergessen, wie gläsern man dabei wird. Daher sind auch die klassischen Wege wichtig und wertvoll: Einen gut gepflegten Facebook-Kontakt mal im „echten Leben“ treffen. Generell kann man diese beiden Welten nicht wirklich voneinander trennen, sie werden immer stärker vermischt. Die Technik ist quasi schneller und stärker als unser freier Wille.
Wer das eine boykottiert, boykottiert und untergräbt damit auch das andere. Wer sich nicht traut, im Internet offen und ehrlich und unbeschwert zu sein, wird es im realen Kontakt auch nicht sein..

Denn wie hieß es da so schön in dem einen Artikel : „Gegenseitiges Vertrauen ist eine Sache der Intelligenz.“

Aber ein gesundes Misstrauen hat auch noch niemanden geschadet. 😉

( Sowie die Blogs. Vergesst die Blogs nicht. Hier man das meiste selbst in der Hand. Dezentral, von Privatperson zu Privatperson. Mehr Vertrauen geht nicht. Kein Unternehmen, das mitlauscht. Keiner, der mitverdient. Keine Werbung. )

Gefangen im Netz

Nun, ich sehe die Fakten eindeutig vor mir: Ich werde mein Blog-Karriere aufgeben müssen, denn ich bin nun ein erfolgreiches Mitglied der größten Mafia der Welt.

Links, die Anzeige mit meinen „Live-Besuchern“ des Blogs, auf der rechten Seite der tickende Timer von Mafia Wars, dem beliebten Spiel auf Facebook, bei dem ich mich vor ein paar Tagen wegen einer seltsamen Mischung aus Langeweile und Neugierde registriert habe.

Auf der linken Seite ist Stillstand, manchmal kommt stundenlang kein neuer Besucher auf mein Blog mit den politischen und sozialen Aussagen. Mein Blog, mein geliebtes Blog, das ich so liebe und verehre und dass mir schon viel geholfen hat. Mit dem ich aber nie ein breites Publikum ansprechen oder erreichen konnte.

Auf der rechten Seite ist es ganz anders, da pulsiert das Leben, das echte Leben möchte man meinen. Im geöffneten Facebook-Fenster  prasseln die Freundschaftsanfragen im Minutentakt auf mich ein, ich verwalte meinen virtuellen Avatar und knobel‘ mich durch die abgefahrensten Browser-Spielchen. Auf drei hab ich mich eingelassen, dass muss erstmal reichen, aber im Grunde spiele ich nur „FarmVille“ und „Mafia Wars„. Die Spiele sind von der gleichen Firma, aber sehr unterschiedlich aufgebaut.

In Mafia Wars geht es darum, mit virtuellen Punkten im Wesentlichen „Jobs“ und „Kämpfe“ zu erledigen. Vor allem der Energie-Faktor ist wichtig, weil man hier nur eine begrenzte Menge hat, um Aufgaben zu erfüllen.

Dieser Punktestand (bei mir sind es auf Level 14 gerade mal 40) ist quasi das Guthaben, dass man in Aktionen umsetzen kann, dazu kommt noch der klassische Geldfaktor und der Ausdauer-Balken, der für die Kämpfe wichtig ist (je mehr, desto öfters kann man kämpfen).

Die Story ist schnell erzählt, es gibt eigentlich keine, denn es ist ein Browserspiel. Es gibt nur ein „Setting“, also ein grober Hintergrund, auf dem die Thematik angesiedelt ist. Das meiste muss man sich selbst erzählen und diese Spiele leben auch mehr von der interaktiven Dynamik. Die eigentliche Spiel-Engine ist zum Vergleich zu klassischen PC-Spielen sehr dürr und im Grunde vernachlässigbar.

Hier geht es nicht um Spannungskurven, um technisch und dramaturgisch aufwändige, interaktive Meisterwerke, die mit Kinofilmen Schritt halten können oder sie gar übertreffen.

Nein, die FB-Spiele sind eine Art „Tool“ für den modernen Menschen. Man loggt sich ins FB ein. Man „addet“ neue Freunde, man nimmt virtuelle Geschenke an oder verteilt welche, man klickt sich durch die diversen Jobs und Aufträge. Das virtuelle Geld vermehrt sich, man lernt neue Menschen kennen. Der Kreis ist geschlossen.

FB ist im Grunde ein Betriebssystem im Browser, sehr klein, aber doch mächtig und vor allem auf der Basis von Millionen Nutzern. Nach dieser Meldung zu urteilen, wurde die weltweite 300 Millionen Marke überschritten, dennoch ist es anscheinend schwer, in einen positiven „Cash-Flow“ zu kommen. ((  300 Millionen Nutzer (via http://twitter.com/i_am_fabs ) ))

So wundert es auch nicht, dass man nach kurzer Zeit der Spielerei das eigentliche Geschäftsmodell in Mafia Wars entdeckt: Mit speziellen Bonuspunkten kann man sich zusätzliche Items und Gegenstände kaufen. Diese Bonuspunkte bekommt man aber nur, wenn man Geld bezahlt oder bestimmte (wahrscheinlich meistens kostenpflichtige) Angebote, Gewinnspiele, Umfragen z.B. fürs Mobiltelefon annimmt.

Indirekt ist daraus zu schließen, dass die Spiele absichtlich auf einen Sucht-Faktor ausgelegt sind und die Spiel-Erfahrung bestätigt diesen Verdacht.

Wer andere ständig übertreffen will und sich mit ihnen misst, wird bald in Versuchung kommen, diese Extra- Punkte für echtes Geld zu kaufen (Einstieg in die Spielsucht!) . Wer aber damit umgehen kann, widersteht der Versuchung und spielt nur ab und an und kauft nichts für Geld. Die Spielmechanik und die ständige Werbung und Anfragen, die man mit dem Spiel versenden kann, führt aber zu einer „Massen-Verseuchung“ der Profil-Seiten, vor denen man sich nur schwer schützen kann.

Die eigentliche Spielmechanik ist im Grunde schnell erschöpft (so wundert es auch ein wenig, dass dieses Spiel süchtig machen kann) und mit der Zeit erkennt man einen weiteren, „sozialen Sinn“ im Spiel: Man fängt an, sich für die anderen Mafia-Mitglieder zu interessieren. Um bestimmte Aufträge zu erfüllen, braucht man eine bestimmte Mafia-Größe. Dieser bekommt man nur, wenn man wildfremden Personen Freundschafts- und Mafia Wars Anfragen sendet.

Diese bestätigen das dann im Idealfall und schon füllt sich der Pegel mit der Freundesanzahl. Hin und wieder kommt man in Verlockung, sich die Profile und Fotos der Gegenüber anzuschauen oder zu kommentieren. Vielleicht schickt man auch eine private Nachricht.

Es fällt aber auf, dass die meisten öffentlichen Profile nicht sehr viel Preis geben. Die negative Berichterstattung über solche sozialen Dienste hat wohl schon Früchte getragen und in Regelmäßigkeit tauchen neue Horror-Geschichten auf (vor allem, dass jemand wegen FB seinen Job verliert oder keinen bekommt).

Letztendlich ist es so, dass ich auf der rechten Seite viele Menschen hab, die ich nur wenig kenne. Die linke Seite mit dem Blog ist ganz anders, die linke Seite bin ich, ist meine private Gedanken- und Meinungswelt, nur manchmal garniert mit der Meinung von anderen.

Die rechte Seite ist die Öffentlichkeit, aber auch die Unendlichkeit. Es ist wie ein Bummel durch die Stadt. Man sieht viele Gesichter, manche sehen nett aus, andere nicht. Manche sind langweillig, andere will man näher kennenlernen. In der Stadt hat man wenig Möglichkeiten und vielleicht viele Hemmungen. Im Grunde kann ich auf der rechten Seite dafür sorgen, dass mehr auf die linke Seite kommen und sich mit mir beschäftigen (bzw. ich mit ihnen).

In Facebook kann man sehr einfach eine „private Nachricht“ schicken. Und wer weiß, vielleicht wird aus dem gemeinsamen Spiel ja mal eine gemeinsame Freundschaft? Gemeinsamkeiten haben schon immer Menschen zusammengebracht.

Oder alle gehen wieder ihren Weg und schauen einsam raus in die dunkle, kalte Nacht… in die ständige, dunkle Nacht des Internets.