Nehmen und Geben

Einatmen und ausatmen. Konsumieren und selbst gestalten. Zuschauen und nachmachen.
Geld einnehmen und ausgeben.

Sich die Sorgen der anderen anhören und über die eigenen Sorgen sprechen.
Essen zu sich nehmen und Essen von sich geben.

Dem Krach Zuhören und selber schreien. Etwas schönes empfinden und andere streicheln…
Ein Bild anschauen, sich darüber freuen und dann selbst etwas malen.

Es bildet sich eine Einheit oder ein Gleichgewicht, wenn man die Brücke dazwischen überwindet… ganz natürlich eigentlich.

Eine Störung kann eigentlich nur auftreten, wenn etwas davon einseitig passiert. Also wenn man nur einatmet, aber nicht ausatmet. Wenn man nur Kalorien zu sich nimmt, aber keinen Sport macht. Wenn man nur anderen zuhört, aber nicht mehr über sich selbst sprechen kann.

Wenn man nur Fernsehen schaut, aber darüber nichts sagt, nicht redet und keine eigene Meinung „postulieren“ kann.

Es gibt viele Leute, bei denen ist dieses Gleichgewicht aus Nehmen und Geben etwas gestört, bzw. im Ungleichgewicht: Leute, die nur geben, die sich verausgaben aber nicht an sich selbst denken.

Oder Leute, die nur reden und reden wie ein Wasserfall, aber anderen nicht zuhören können.

Oder Leute, die nur Reichtum anhäufen, aber vergessen, das ganze wieder auszugeben und in den Kreislauf des Lebens zurückzugeben.

Es gibt viele Leute, die nehmen und halten alles für selbstverständlich: Die Lebensmittel, die Straßen, die Arbeit der anderen, das Gesundheitssystem, die Rente, die Polizei, das Wasser-Angebot, die Ordnung und die schönen, neuen gepflanzten Blumen am Wegesrand- aber sie geben nicht. Wollen keine Steuern zahlen, fühlen sich nicht verantwortlich, nehmen nur.

Der Weg zum Kriminellen ist nicht mehr weit : Auch der nimmt nur anderen etwas weg, ohne jemals zu geben. Spionage-Dienste und Hacker nehmen anderen ihre Daten und klauen ihre Identität, geben aber nichts von sich selbst preis. Der Internet-Troll zerstört die Kommunikation von anderen, kann aber selbst nichts produktives herstellen.

Daher ist es im Rahmen einer Religion (aber auch einer Ethik) so wichtig, über das „Geben“ nachzudenken. Es ist für die meisten etwas schwieriger zu erreichen als das „Nehmen“.

Besonders deutlich wird das auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen: Wir erwarten oft, dass der andere den ersten Schritt macht, erwarten, dass er etwas „gibt“ und wollen nur nehmen. Wir sitzen einsam und enttäuscht in unserem Zimmer und fragen uns, warum uns niemand etwas gibt…

So können Kontakte aber nicht funktionieren. Im Grunde basiert jede Freundschaft, jeder Kontakt auf einem aktiven Geben und einem Vertrauensvorschuss, den ich anderen quasi als Kreditgeber „gebe“…

… auch wenn ich schon weiß oder ahne, dass evt. nichts mehr zurückkommt und ich auf meinem investierten „Mitgefühl“ sitzengeblieben bin. Dieses Risiko muss man einfach eingehen. Denn meistens kommt deutlich  mehr zurück, als man eingesetzt hat.

Wenn man genau überlegt, kann die Welt nicht ohne diese beiden Elemente existieren. Weder nur aus dem „Nehmen“ heraus, noch nur aus dem „Geben“ heraus.

Kein Ohr- Teil 3

An einer Sache Zweifel zu haben, bedeutet ihren Sinn zu finden

Ich beantworte hier die letzte Frage von Alesandra, die nochmal wissen wollte, was ich eigentlich mit dem Blog will, bzw. was der Idealfall wäre.

Da ich das in den vorherigen Artikeln noch nicht ganz herausgearbeitet habe, hier eine kleine Ergänzung:

Das Blog hat viele Zwecke, die erstmal ohne erkennbaren Nutzen sind, aber dennoch Spaß machen oder einen inneren Antrieb erzeugen: Kommunikation, sich austauschen, von der Seele reden, Kunst produzieren, Freude am Tun, Ventil für Emotionen, usw.

Das ist alles sehr wichtig und muss auch nicht ständig in Zweifel gezogen werden. Man macht es, weil es Spaß macht und irgendwie hilft- fertig.

In diesem speziellen Betrachtungs-Fall versuche ich aber, das Blog darauf zu reduzieren, was es für eine gesellschaftliche Wirkung und was für einen Nutzen es für die demokratische Teilhabe haben könnte. Also ein ganz spezielles Detail, das von verschiedenen Fragen eingegrenzt und beschrieben wird:

Zum Beispiel

  • Werden Bloggerinnen und Blogger ernst genommen?
  • Nehmen Politiker es wahr, was BloggerInnen schreiben oder ist es ihnen egal?
  • Hat man mit seinen wenigen Besuchern einen Breitband-Effekt auf die Meinungsbildung?
  • Wenn nein, warum nicht? Liegt es an der Art des Mediums oder einfach an der Reichtweite?
  • Welches Prestige haben Blogs und warum spielen sie in der öffentlichen Meinung eine so untergeordnete Rolle?
  • Warum gibt es in DE keine echte Basisdemokratie?
  • Warum interessieren sich in Deutschland so wenige Menschen für echte Basisdemokratie, obwohl doch vielen Menschen klar ist, dass man viel ändern könnte und sich mit wenigen Mitteln gut einbringen könnte?
  • Warum scheitern viele Menschen schon an der einfachsten Grundlage zur Demokratie, nämlich der Diskussion mit anderen und die tolerante Akzeptanz von anderen Meinungen? (Stichwort Streitkultur)
  • Wie ist die „Macht“ der Blogs im Vergleich zu den traditionellen Medien?
  • Wem dient die Macht der Medien? Man denke z.B. an einen Menschen wie Berlusconi wie er die Medien für seine eigenen Zwecke missbraucht oder bei uns in DE die Macht der Zeitung mit den großen Buchstaben ….
  • wenn man sich z.B. Einschaltquoten von Fernsehsendungen oder Auflagen von großen Zeitungen anschaut, wird schnell klar, dass man da als kleine Bloggerin/ kleiner Blogger überhaupt nichts ausrichten kann
  • hat man überhaupt das „Recht“ mit dem eigenen Werk Einfluss auf die Meinung anderer zu nehmen oder ist nicht schon der kleinste Versuch eine Manipulation von anderen, die eigentlich nur Abwehr und Blockade erzeugen kann (moralische und psychologische Frage)

Also bei all diesen Punkten wird mir schnell klar, dass das Blog nichts in dem Sinne bringen kann wie eine „normale Zeitung“, einfach weil es viel kleiner und viel privater ist und auch auf einer anderen Grundlage entsteht.

Die Frage bleibt: Was bringt es dann? Wenn ich mich mit ein paar Menschen vernetze und einen engen Austausch betreibe, ist das dann genug? Kann eine kleine Bewegung zu etwas großem werden? Hat die kleine Vernetzung und die kleine Bewegung nicht auch einen „Sinn“ ?

Wenn ich mich über etwas aufrege, aber nicht dafür sorge, dass etwas besser wird, kann ich mir die Aufregung eigentlich gleich sparen, weil sie dann überflüssig ist. Der Mensch ist von der Natur zu sehr auf Energie-Sparen angelegt, dass so eine Verschwendung von Zeit, Energie und Ressourcen eigentlich sinnlos und im Extremfall sogar lebensbedrohlich bis unsinnig wäre. Welchen Sinn macht dann eigentlich ein „übergroßes Gewissen“ oder ein „übergroßes Mitteilungsbedürfnis“? Wie können wir diesen Effekt nutzen, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen?

Und wenn ich etwas nur tot diskutiere, aber nichts im täglichen Verhalten ändere, macht es auch keinen Sinn. Rein moralisch kann man den hungernden Kindern in Afrika nicht zuschauen, ohne etwas zu tun und gleich im Anschluss an die Fernsehnachrichten etwas spenden zu gehen.

Warum gibt es bei manchen Themen eine so große Bereitschaft der Menschen, sich zu zusammenzuschließen und zu demonstrieren (z.B. bei der Atomkraft oder Stuttgart 21) und bei anderen Themen wiederum nicht (z.B. niedrige Löhne, Armut in Deutschland, Steuerrecht, Kindermangel, etc.) ?

Das sind einfach alles Fragen und Themenbereiche, die mich beim Bloggen sehr beschäftigen und hin und wieder auch Zweifel aufkommen lassen. Ich weiß nicht, ob ich darauf unbedingt eine gute Antwort oder eine Lösung brauche, aber es sind zumindest mal offene Fragestellungen, die ich als wichtig empfinde. Einfach als Grundlage für das eigene Schreiben und Wirken- um zu wissen, in welchem Kontext man sich bewegt.

Erst kommt das Fressen

„dann kommt die Moral“- Zitat aus der Dreigroschenoper

Die Frage nach der Moral ist mitunter genauso bagatellhaft wie die Frage nach dem Sinn des Bloggens. Entweder man stellt sie sich oder nicht. Entweder man entwickelt darüber das Gefühl, dass es eine Frage ist, die es wert ist, darüber nachgedacht zu werden oder man verzichtet darauf.

Wozu also Moral? Oder : was ist überhaupt Moral?

Als Laie würde ich es mir so erklären: Moralische Handlungen sind Handlungen aus dem Über-Ich (also dem Gewissen im Unterschied zum logisch-analytischen Denken und den kindlichen, emotional motivierten Absichten). Im Volksmund sagt man auch „Gewissen“ dazu. Beispiel: „Er hat gewissenhaft gehandelt“ oder das ist „ein Mensch ohne Gewissen“.

Das Gewissen ist also eine virtuelle Instanz, die bei Mensch höchst unterschiedlich stark ausgeprägt ist und als übergeordneter Gehirn-Bürokrat in die triebhaften und autonom ablaufenden, unreflektierten Handungen eingreift. Ein zu starkes Gewissen kann dabei den normalen Arbeitsalltag sehr erschweren, weil es mitunter zum Zweifeln, zum Zögern und zum Hadern führt und der „Spaß am Leben“ sich einfach nicht entfalten kann. Umgekehrt ist es bei Menschen ohne Moral, im Extremfall Verbrecher, die einfach das machen, worauf sie Lust haben und ihnen der Sinn steht. Wenn sie etwas haben wollen, holen sie es sich einfach und fragen nicht nach dem Besitzer. Aber auch der rücksichtslose Liebhaber, der sich einfach aus dem Staub macht und auf die Bedürfnisse seiner Partnerin keine Rücksicht nehmt, ist und handelt gewissenlos.

Moral ist flexibel und Deutungen unterworfen

Es ist sehr verbreitet, die moralisch verwerflichen Handlungen und das Fehlen einer Moral zu kritisieren. Wenn man genau hinschaut, ist das tägliche Geschäft der Medien, aber vor allem der Ereiferer dahinter, den Stammtischbürgern und der Volksseele (den Wutbürgern). Auf der einen Seite gibt es „alternativlose“ Pläne und Beschlüsse von moralisch dünn-besetzten Politikern und dann gibt es Wut-Aufschrei der Protestgeneration.

Alles ist letztendlich auf die Fragen des Gewissens zurückzuführen, auf die Frage nach der Moral und nach dem jeweiligen Interpretieren dessen, was richtig oder falsch ist.

Im gleichen Zug hat sich der Begriff des „Gutmenschen“ verfestigt, mit dem die moralisch attackierten „Schlechten“ den Kritikern ein Spiegel vor das Gesicht halten können. Das deutet daraufhin, dass die Moral in ihrer Besetzung flexibel ist und sogar umgedreht werden kann. Letztendlich ist für viele Menschen immer die eigene Haltung, die eigene Einsicht „moralisch“ und die der anderen, die den eigenen Thesen widerspricht „unmoralisch“. Für die einen sind Atomkraftwerke eben moralisch gut, weil sauber und effizient und für die anderen steht der Atommüll und die Gefährdungslage im Vordergrund. Moral ist eine Frage der Bewertung und es ist sehr schwer, eine objektive Moral herauszuarbeiten.

Generell denke ich aber, dass die Moral-Fragen die wichtigsten sind, weil es die einzigen sind, die das Handeln von Menschen hinterfragen, die ihn und seine Entscheidungen transparent werden lassen.

Ein starke Moral-Instanz aus früherer Zeit waren die Kirchen und ihre- zugegeben- oft zweifelhafte oder doppelzüngige Moral. Es gibt langfristig keine absolute Moral-Instanz, die ohne Fehler ist und je mehr jemand dieses für sich behaupten möchte, desto anfälliger wird er für Kritik und reale Verfehlungen. Man denke z.B. an die Vorfälle im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandalen in katholischen Einrichtungen.

Manchmal kann eine starke moralisch Atmosphäre und die Verpflichtung „moralisch“ zu sein, sogar eine Bürde oder eine Last für die Betroffenen sein und die Verstöße gegen die Moral (z.B. die Sexualmoral) dann umso reizvoller erscheinen oder das eigentliche Bedürfnis so sehr unterdrücken, dass es sich irgendwann untkontrolliert einen Lauf bahnt.

Moral und Philosophie

Die Moral und die Philosophie sind enge Verwandeten, denn auch die Philosophie fragt stets nach dem Warum, Weshalb und ob etwas richtig oder gut ist. Es kann keine normativen Erklärungen der Welt geben, ohne dabei die weitausläufigen Gebiete der Moralfragen zu streifen.

Auch die oft als moral-freie definierte Wissenschaft erreicht ihre Grenzen, wenn etwas wissenschaftlich möglich ist, aber von den Grenzen der Moral eingefangen werden muss: Zum Beispiel die Nutzung der Atomkraft, Atomwaffen, oder genetische Veränderungen an Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Frage lautet dann: Ist das überhaupt gut, was wir da machen? Ist es moralisch gesehen einwandfrei? Solche Fragen hätten schlimmeres verhindern können, denkt man z.B. an die ersten Atomwaffen-Abwürfe im zweiten Weltkrieg. Aber ein Krieg kann, wenn er erstmal entfesselt ist, nicht als der Hüter der Moral bezeichnet werden, sondern eher als deren Vernichter.

Die Moral als Solches ist im Volks-Bewusstsein und im jeweiligen Zeitgeist streng verstrickt und erinnert tlw. an die Auswirkung eines gedanklichen „Virus“ der von Vera Birkenbihl einst so anschaulich beschrieben wurde.

Moralischer Zeitgeist

Es ist z.B. derzeit unmoralisch, zu rauchen. Die Denkweise hat sich bei den Menschen (bzw. einer bestimmten bürgerlichen Schicht von Menschen) stark verbreitet und z.B. in Bayern zu einem Volksentscheid geführt, der dann das Rauchen aus öffentlichen Räumen und Kneipen verbannt. Noch vor ca. dreißig Jahren haben viel mehr Menschen geraucht, es gab Werbung im Fernsehen dazu und es war sogar „schick“ wenn man rauchte. So schnell können sich die Ansichten drehen und so flexibel ist die Moral.

Dann gibt es aber unmoralische Dinge, die schon immer unmoralisch waren und sich wahrscheinlich nicht ändern werden. Vieles findet man in den zehn Geboten oder anderen Gesetzen wieder: Jemand zu töten ist sehr unmoralisch, genauso wie stehlen, lügen, fremd gehen, usw.

Aber die Dinge können auch aufgeweicht werden, „Fremd gehen“ ist z.B. nicht mehr ganz so unmoralisch wie einst. Es gibt viele Dating-Plattformen im Internet, die sich darauf spezialisiert haben und einen bequemen Seitensprung anbieten. Auch das einst stark verpönte uneheliche Kind ist heutzutage kein Problem mehr, eine Brustvergrößerung kann machen, wer will und die Patchwork-Familien sind an der Tagesordnung. War die Scheidung vor ein paar Jahren (vor allem seitens der Frau) noch ein Riesenproblem, hat sich die moralische Bewertung dessen heute stark gewandelt. Vieles ist „normal“ geworden , was früher noch „unmoralisch“ war.

Grenzenlose Moral?

Vielleicht können die letzten Jahrzehnte mehr als je zuvor eine Befreiung des Menschen von der Moral bezeichnet werden. Alles muss schneller, besser größer sein, die persönlichen Freiheiten haben in den Industrieländern stark zugenommen und der materielle, volkswirtschaftliche Reichtum ist stark angestiegen. Natürlich kommt der Reichtum nicht bei allen an, denn durch das moralische oder nicht-moralische Handeln von einzeln wird eine ungleiche Verteilung voran getrieben. „Reichtum für alle“ war gestern und heute eine Utopie wie je zuvor und die Verfechter des Kommunismus sind „höchst unmoralisch“ (obwohl sie ja eigentlich etwas moralisch gutes wollen, nämlich Reichtum für alle..).

Diese riesige Freiheit an Möglichkeit und Entscheidungen führt aber auf der anderen Seite auch zur Unsicherheit. Wo alles möglich ist und die Grenzen der Moral ausgehebelt wurden, gibt es auch keine Grenzen mehr. Wer begrenzt unseren Konsum, wenn nicht wir, durch unsere Moral? Wer hält uns davon ab, pro Woche 20 kg Fleisch zu essen und uns mit Süßigkeiten vollzustopfen? Bestimmt nicht das Geld, bestimmt nicht der Mangel an Lebensmitteln- sondern nur wir selbst.

Die Befreiung von der öffentlichen Moral und den äußeren Grenzen ruft automatisch unsere Verpflichtung zu einer inneren Moral wach. Die innere Moral ist oft der einzige Pfeiler, der uns geblieben ist. Er muss unweigerlich wachsen, wenn wir nicht in der Fülle der Möglichkeiten untergehen und völlig den Halt verlieren wollen.

Der Mensch, so frei wie er auch ist, kann nicht ohne Moral leben. Die Moral, hat im Guten einen wichtigen Zweck: Sie ist Wegweiser und höhere Instanz, die die Dinge bewerten kann. Sie muss flexibel und darf nicht dogmatisch sein.

Gewaltfreie Kommunikation

geschrieben zu Moby- Sweet Apocalypse und Coldplay Fix You

Über die „gewaltfreie Kommunikation“ habe ich in früherer Zeit schonmal geschrieben (hier und hier).

Ursprünglich darauf gebracht wurde ich durch den Buchtipp eines aufmerksamen Blog-Lesers vor einigen Jahren. Ich habe mir das Buch gekauft, durchgearbeitet und schaue immer mal wieder gerne rein.

Das Buch behandelt die Basis für unsere mitmenschliche Kommunikation, die Brücke oder Mauer zu unseren Mitmenschen, Quell für Glück oder Leid, das Mittel um uns unbeliebt oder einfühlsam werden zu lassen: Die Sprache.

Es ist ein Wissen, das man immer wieder auffrischen und in der Praxis anwenden muss. Obwohl die Theorie recht einfach ist, ist die Umsetzung schwierig. Zu sehr sind wir an alte Kommunikationsmuster gewöhnt und zu sehr hat uns eine in Machtstrukturen einseitig verteilte Welt gelehrt, dass die Sprache auch ein Mittel zum Kampf und zur Duchsetzung ist. Aber wie die Schwerter, können auch die Worte zu Pflugscharen werden… es liegt an uns, ob wir warten wollen, dass andere etwas tun oder ob wir nicht einfach selbst damit anfangen. Um das Gute zu realisieren braucht es Mut und Zuversicht, Vertrauen und Entschlossenheit. Das wirklich Gute ist in der Welt selten und versteckt sich meistens hinter dem Bösen. Prozentual und verallgemeinernd gesprochen ist das „Böse“ auf dem Vormarsch und die massenhafte Abkehr der Menschen von der Kirche (ohne an anderer Stelle Ersatz zu schaffen) belegt diesen Trend. Die Welt wird seelisch nicht gesünder, sondern eher kränker. Der Verbrauch von Psychopharmaka und der allgemeine Drogenkonsum steigen stetig an.

Konsum und Energieverschwendung haben uns zwar materiell glücklich gemacht, aber seelisch u. intellektuell viele offene Fragen hinterlassen. Auch die mangelnde Religiösität im Alltag, mangelnde Vorbilder und das Befremden, das wir z.B. vor einer fremden Kultur und einer festen Glaubenseinstellung haben, deuten darauf hin.

Ein Ausweg aus dem Dilemma kann die richtige Sprache sein. Mir ihr erschaffen wir unsere Welt. Gute Gedanken formen gute Taten, schlechte Gedanken formen schlechte. Kein Mensch schlägt auf den anderen grundlos ein, sondern immer nur, weil er vorher einen Grund gesehen hat. Weil er z.B. provoziert wurde. Weil man seine Bedürfnisse weder erkannt, noch befriedigt hat.

Obwohl wir sie ständig nutzen und ständig davon umgeben sind, denken wir selten bewusst darüber nach, was wir sagen und vor allem, wie wir es sagen. „Gewalt“ kommt zwar sichtbar selten vor (höchstens in Form von Beleidigungen, persönlichen Angriffen, Lügen, Unterstellungen, etc., die aber gesellschaftlich tabuisiert sind und daher umgangen werden müssen), aber doch ist die Sprache so komplex und läuft auf sovielen Ebenen ab, dass man den Gewaltanteil oft nur durch Umwege „entlarven“ und aufspüren kann.

Zum Beispiel kann schon eine eigentlich objektiv gedachte Analyse beleidigend aufgefasst werden, weil jedes Werturteil, das wir über die Welt stülpen, im Kern eine Verurteilung ist, die indirekt wieder aussagt, dass wir allein die einzige und beste Weltsicht haben und unser Gegenüber dafür nicht in der Lage ist. Wenn jemand z.B. Zahnschmerzen hat, sagen wir vielleicht analytisch „tut es hinten rechts weh? dann ist es der Weihsheitszahn. das würde ich schnell behandeln lassen. das sollte man schnell machen, weil man es sonst verschleppt. aber die Wartezeiten heutzutage beim Arzt, die sind unerträglich“. Der Mensch mit den Schmerzen wird hier wenig geholfen, anstatt sich seines Leides anzunehmen, wird ein Ratschlag gemacht und anschließend noch über das eigene Leid geklagt. Im Alltag mag das noch vertretbar sein, aber es gibt durchaus aggressivere Formen der Analyse und der Berurteilungen, die sich zwar auf der einen Seite „objektiv“ verpacken, aber im Kern eine Veruteilung oder eine Abwertung beinhalten. Ein aktueller Fall sind z.B. die Thesen von Sarrazin, die sich alle recht wissenschaftlich geben, aber im Grunde Volksgruppen diffamieren, d.h. ungerechtfertigt und unbegründet schlecht machen. Es ist gar nicht so schwer, die emotionale Botschaft hinter einer objektiven Aussage herauszufinden, meistens muss man sich nur auf die Zwischentöne konzentrieren, was wiederum leichter ist, wenn es gesprochene Sprache ist. Aber auch bei der geschrieben Sprache sind diese Verurteilungen, die sarkastischen Seitenhiebe und die Überheblichkeit in der Wortwahl gut zu spüren. All das schafft Leid und zwar unsinniges und überflüssiges Leid. Leid wiederum erzeugt psychischen Stress und dieser schadet unserer Gesundheit. Für unsere Mitmenschen, über die wir uns setzen wollen, aber am meisten für uns selbst. Denn je mehr wir über andere urteilen und je engstirniger wie werden, desto mehr wird auch über uns geurteilt und je mehr wir uns auf einen Streit einlassen, desto mehr werden wir davon „infiziert“.

Um also einem Streit zu entgehen, muss man zuallererst Abstand schaffen und sich erstmal selbst Mitgefühl geben. Dann kann man mit Hilfe der gewaltfreien Kommunikation (kurz: GFK) nach den Ursachen suchen und angemessen menschliche Lösungen heraus filtern.

Eine ethisch korrekte Sprache („ethisch“ im Sinne eines lebensbejahenden Glaubensmodells, das das Gute in uns und anderen stärken soll) muss dabei auf viele Dinge Rücksicht nehmen. Im Wesentlichen geht es darum, dass wir ein Gefühl für unsere Bedürfnisse und die Bedürfnisse der anderen bekommen.

Die vierteilige Formel, die man sich dabei leicht merken kann lautet daher:

Beobachten, Fühlen, Bitten, Brauchen.

Wenn wir z.B. im Streit mit jemand sind, sollten wir zuerst BEOBACHTEN: Warum regt er sich so auf, welche Reaktionen werden gezeigt? Welche Worte werden gewählt? Wie ist der Hintergrund? Wie ist die körperliche Reaktion, wie viel Erregung steckt in der Stimme und mit welcher Leichtigkeit wird gesprochen? Wie sind die Worte angeordnet, warum hat er gerade das gesagt und nichts anderes? Auf welche Aussage von mir wurde Stellung bezogen und warum? Wie ist das persönliche Umfeld und die Biografie meines Gesprächspartners? Worauf legt er wert und was stört ihn?

All das gehört in den „Beobachtungsprozess“. Es ist offensichtlich, dass es in einer schnellen Sprache, die oft in Millisekunden ausgetauscht wird, unmöglich ist, alles so genau und haarklein zu beobachten. Dann sollte man sich einfach ein wenig Zeit geben. Innerlich durch atmen, nicht gleich zurückschlagen. Und dabei auch sich selbst beobachten: Warum rege ich mich darüber so auf? Welcher wunder Punkt wird verletzt? Welches Bedürfnis gerade nicht erfüllt? Fühle ich mich geschätzt? Hat er/sie mich richtig wahrgenommen, richtig verstanden? Spricht er/ sie authentisch? Empfinde ich das als sinnvoll? Was stört mich?

Mit ein wenig Abstand ist es auch viel leichter, zum nächsten Schritt zu kommen: Was fühlt mein Gegenüber? Worum bittet er mich und was braucht er? Diese Fragen kann man nicht wirklich voneinander trennen und sie hängen miteinander zusammen. Aus dem Konsens dieser vier Fragen ergibt sich dann ein viel klareres Bild über den Gegenüber und man tritt in einen menschlichen Kontakt- was wesentlich besser ist, als sich gegenseitig Analysen an den Kopf zu werden und auf dem menschlichen Sektor immer nur auf der Stelle zu treten.

Natürlich sind die meisten von uns auch keine Krankenschwestern, keine Pastoren und keine Psychologen. In diesen Berufen wird die GFK auf den fruchtbarsten Boden treffen und psychisches Leid reduzieren. Aber auch für normale Leute, für den normalen Berufs- oder Beziehungsalltag, für Probleme mit Verwandten, Freunden, etc. ist die richtige Sprache das perfekte Hilfsmittel, um Konflikte zu entschärfen und produktiver, glücklicher und menschlicher zu werden. Da das emotionale Miteinander die Basis für alles Weitere ist, schafft eine positive Emotionalität ein wichtiges Fundament, um darauf zu wachsen und Frieden in der Welt zu schaffen..

Zum Schluss versuche ich mein Anliegen hinter diesem Blog-Artikel, nochmal GFK-getreu zu formulieren:

Ich wünsche mir, dass mehr Leute eine gute Sprache verwenden. Ich wünsche mir mehr Verständnis der Menschen untereinander und ich möchte dabei versuchen, meinen Anteil zu leisten. Ich finde die Theorie der GFK sehr gut und wertvoll. Durch das Denken darüber habe ich die Chance, mein Wissen zu vertiefen. Ich möchte mein Wissen weitergeben und hoffe, dass es andere verstehen.

Ich wünsche mir eine positive Welt, die frei von persönlichen Angriffen, Egoismus und Vorurteilen ist. Ich finde, dass der gute Kontakt zwischen den Menschen das wichtigste im Leben ist.

Mir fällt auf, dass das Formulieren in der GFK einem klassischen Gebet recht nahe kommt. Im Gebet sind wir meistens auch wir selbst und im Idealfall „beichten“ wir unser Leid und sind frei von Zuschauern, relativ ehrlich zu uns. Natürlich kann man sich auch in der Einsamkeit noch belügen, aber wenn wir in der GFK-Form beten, reduzieren wir automatisch auch die Lügen und die kleinen Not-Brücken, die uns sonst durch den Alltag schiffen. Das Ergebnis ist dann ein produktiverer und von Sorgen freierer Lebensablauf.

Wer also wie in der GFK spricht, bringt damit seine eigene Religiosität und sein Innerstes auf den praktischen Boden der Realität.
GFK bedeutet, eine gute Einstellung zu leben und in der Sprache zum Ausdruck zu bringen..