Ungute Entwicklungen werfen ihre Schatten voraus

Ich habe mir vor ein paar Tagen die Vereidigung von Donald Trump im Fernsehen angesehen.
Es war ja gut, dass sie auf einigen Fernsehsendern live übertragen wurde. Und immerhin hat mich dieser „president elect“ dazu gebracht, mir so eine Vereidigung mal anzusehen. Bei allen anderen vorherigen Präsidenten der USA hatte es mich nie interessiert.

Es ist schon einiges dazu geschrieben worden, u.a. hat man festgestellt, dass es bei Trump weniger Besucher als bei seinem Vorgänger Obama gab.
Bestimmte Fernsehbild-Einstellungen konnten das genau beweisen, der Platz war weniger stark gefüllt als bei Obama. Darauf wurde dann von einer Beraterin Trumps gekontert, sie hätte „alternative Fakten“ dazu, das erste Unwort des Jahres war geboren.

Und so geht es derweil munter weiter mit den politischen Besonderheiten und anstößigen Entscheidungen, die durch die Medien wabern. Trump sorgt für Aufsehen und für Skandale. Er erweist sich als „Mann der Tat“ und mit seinen Präsidenten-Erlassen setzt er Dinge nur mit einer Unterschrift und in einem atemberaubenden Tempo in Gang, so dass viele Menschen überrascht sind und sich fast schon überrumpelt fühlen. In nur wenigen Tagen hat er sehr viele heiße Eisen angefasst und sich seine eigenen „Fakten“ geschaffen:

Er will jetzt die Mauer nach Mexiko bauen, die Mexikaner sollen die Mauer selbst bezahlen (notfalls mit Strafzöllen), er erlässt ein Einreiseverbot für bestimmte muslimische Länder, und auch für die internationale Handelspolitik zeichnen sich dunkle Wolken am Horizont ab.

  • Das Handelsabkommen TPP hat er bereits zurückgezogen und weitere Verschärfungen in dieser Richtung sind zu vermuten.
  • Eine der größten Errungenschaften von Obama, die Gesundheitsvorsorge für alle („Obamacare“) hat er fast am ersten Tag zurückgezogen.
  • Auffällig ist auch, dass schon am ersten Tage bestimmte Bekenntnisse zu Schwulen und Lesben von der Webseite entfernt worden sind und
  • er ein Gegner der Abtreibung ist
  • Zudem ist er kein Freund des Klimawandels und
  • lässt weiter Pipelines nach Kanada bauen

Alles in allem eine schlechte Woche für Leute, die sich progressive und fortschrittlich-liberale Werte in den USA und der Welt wünschen! Politisch kippt die USA nach rechts, aber menschlich scheint sie sogar nach hinten oder nach „unten“ zu kippen.

Wie ist das alles in nur so kurzer Zeit möglich gewesen? Warum gibt es nicht mehr Widerstand von den Bürgern in den USA?
Immerhin ist Trump ja ein „gewählter Präsident“ und er hat all diese Dinge, die er jetzt umsetzt, auch angekündigt. D.h. man wusste vorher, was einen mit ihm erwartet. Man muss ihm eins lassen, er ist konsequent. Er hat die Dinge angekündigt und er beschließt sie jetzt einfach.
Er ist aber auch zutiefst undemokratisch. Demokratie besteht ja im „gemeinsamen Beschließen und Diskutieren“ von Dingen. Und erst nach dem sorgfältigen Abwägen aller Interessengruppen sollte dann eine Entscheidung getroffen werden, die möglichst allen nutzen und die wiederum von einer Mehrheit getragen wird.

Aber wieviel Demokratie war bei Trump im Spiel? Er hat sich ja im Wahlkampf schon sehr unfair gegeben. Tlw. mit Lügen und Beschimpfungen und wilden Versprechungen gearbeitet. Niemand konnte oder wollte ihn stoppen. Man hat einfach den „starken Mann“ gewähren lassen.
Und dieser starke Mann hat sich immer weiter durchgesetzt und die Bevölkerung vor den Fernsehschirmen begeistert. Es ist traurig, wenn es nicht so real wäre und „so gut funktionieren“ würde.

Wenn man sich nur ein bisschen für Politik interessiert, dann sollte einem auffallen, wie krass und außerordentlich dieses Geschehen in den USA derzeit ist. Ich befürchte, die amerikansiche Verfassung wird auf eine harte Probe gestellt, denn sie wird mit einer autokratischen (und durchweg un-demokratischen) Führerpersönlichkeit konfrontiert. Jemand der so stark und verbohrt ist, wie es noch keiner vor ihm war. Jemand der Folter gutheißt, eine „schöne Mauer bauen möchte“ und auf die Medien schimpft. Trump ist in seiner Art auf dem besten Weg, der erste Diktator der USA zu werden. Und niemand stoppt ihn! Niemand fällt es anscheinend auf, was da derzeit abgeht.

Klar, es gab Proteste. Allerdings nur am ersten Tag. Was ist jetzt los in den USA? Glaubt man immer noch, dass das Amt den Präsidenten formen wird? Glaubt oder hofft man darauf, dass es von selbst besser wird?

Ich glaube das nicht. Immer wieder gehen mir diese Fernsehbilder von der Vereidigung durch den Kopf. Der emotionale Gehalt dieser Bilder und auch der Ton der Rede war befremdlich und lässt mich nichts gutes erahnen.

Hier der starke, charismatische Führer, der von sich selbst extrem überzeugt ist. Ein Narzisst mit dem unbegrenzen Willen zur Macht.
Jemand, der seine grotesken Einfälle mit Twitter in die Welt setzt und damit die Medien-Maschinerie aushebelt. Jemand, der sich vermutlich auch nicht für die Medien interessiert, wenn sie nichts positives über IHN schreiben. Und daneben diese seltsamen Frauenfiguren auf der Bühne. Über diese wurde noch nicht viel geschrieben, sie sind etwas aus dem Fokus geraten. Aber sie verraten ebenso viel über Trump und seine Denkweise. Die Frauen um ihn herum sind auffallend hübsch und zurechtgemacht. Wie Barbiepuppen ohne eigenen Willen stehen sie auf der Bühne. Die Miene regungslos, fast einzementiert. Das Äußere sehr wohl hübsch und ausgefeilt, fast schon perfektionistisch. Aber irgendwie nicht „lebendig“. Nur ein Lächeln aufgesetzt, wie andere einen Hut aufsetzen. Künstlich, unmenschlich, kalkulierend. Sie sind alle Produkt und Ergebnis einer Gesellschaft. Der Mächtigste gewinnt, der skrupellose hat den Vorteil. Als Frau hat man nur eine Chance, wenn man sich knallhart anpasst und nur auf die Karte „hübsches Püppchen“ setzt. Sind das die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte in unserer Kultur? Ich dachte, wir wären da schon weiter! Aber Amerika scheint den Zeitstrahl rückwärts zu laufen, zurück in die 50er Jahre, als die Rollenbilder noch klar verteilt waren, als er Verlässlichkeit und Sicherheit gab und der allgegenwärtige „Kalte Krieg“ und die nukleare Bedrohung der kalte Stahl war, an dem sich alle festklammern konnten.

Gesellschaftspolitisch gibt es viel Spielraum für Interpretationen. Die Menschen haben vermutlich Angst vor der Moderne, Angst vor der Globalisierung und den unsicheren Zeiten, die überall entstanden sind.
Auch die „deutsche Flüchtlingskrise“ hat ihren Teil dazu beigetragen. Anstatt dass die Staaten auf der Erde die humanen Entscheidungen Angela Merkels zum Vorbild nehmen und nun frei von allen Schranken Menschen in ihre Länder aufnehmen, passiert das Gegenteil! Großbritannien will auch deshalb aus der EU austreten, weil sie wieder Kontrolle über die Einwanderung zurückgewinnen wollen. Und dass Donald Trump kein Freund dieser Einwanderungspolitik ist, hat er schon mehrfach gesagt („Merkel hat all diese Illegalen ins Land gelassen“) und nun auch mit den ersten Erlassen schon in die Tat umgesetzt.

Wo hat das Unheil seinen Anfang genommen? In den globalen Krisen, im Hunger und Elend dieser Welt? Oder in der enormen Verschuldung der Länder und den finanziellen Verschärfungen durch die Finanzkrise?

Und die viel wichtigere Frage derzeit lautet: Wo wird das ganze enden?

Wahl in den USA -2

Wähleranalyse und Gedanken zur Persönlichkeit des Wahlsiegers

Ich glaube, dass es zu einfach ist, wenn man Donald Trumps Erfolg nur auf die Wahlentscheidung einer fehlgeleiteten, weißen Unterschicht „ohne Collegeabschluss“ schiebt. Sicherlich mag das am Wahlausgang einiges verändert und Hillary Clinton entscheidende Wählerstimmen gekostet haben. 72 % der Wähler waren weiß und hatten keinen College-Abschluss. (Quelle)
Erschreckend finde ich bei der ersten Wahlanalyse aber, dass durchaus auch Frauen und Latinos sich für Trump entschieden haben. Obwohl er diese ja lautstark und offensiv beleidigt hat. So haben sich immerhin 42% der weiblichen Wähler für Trump entschieden und 29% der Wähler waren Latinos.

Was sagt also dieser Erfolg über die Psyche der Wähler aus? „Die Schafe wählen ihren Metzger selbst“, anders kann man es -glaube ich- nicht formulieren. In der Wahlentscheidung für einen Präsidenten, der höchstwahrscheinlich zu ihrem eigenen Nachteil handeln wird, kann doch nur so etwas wie der Wille zur Demütigung und Bestrafung stecken. Wo die Gesellschaft auf der einen Seite durch falsche Erziehung und Vorbilder Narzissten und Egoisten wie Trump hervorbringt, muss es auf der anderen Seite auch Verlierer und Masochisten geben- die die Unterdrückung und Ungleichheit schon so sehr verinnerlicht haben, dass sie das Kreuz an der falschen Stelle machen.
Bei der Wahl war aber auch viel Protest im Spiel, was man an der Verteilung der Wahlgründe sieht. Hier geben 70% der Wähler an, dass sie Trump gewählt haben, weil er für einen Wandel sorgt. Erfahrung hat man Clinton immerhin mit 40% zugesprochen, aber Trump nur 3%.

Die Leute wissen also, dass Trump sehr wenig Erfahrung für den Job mitbringt, und wählen ihn trotzdem?

Hier kann man indirekt auch einen starken Geschlechterunterschied in der Bewertung von Führungspersönlichkeiten und allgemeiner Kompetenz ausmachen. Wo dem polternden, aggressiven Mann ein großer Vertrauensvorschuss entgegen gebracht wird, kann die Frau trotz ihres großen Wissens und ihrer Erfahrung sich nicht durchsetzen. Die Menschen wissen zwar, dass Clinton mehr Erfahrung hat, auch ihr Urteilsvermögen wird höher eingeschätzt (27% vs 11%).
Das „Gefühl“ setzt aber dennoch auf den starken Mann. Die Masse vertraut, dass er sich mit seinen Ellenbogen und seiner Aggressivität durchsetzen wird und ihrgendwie in den Job reinwachsen wird. Er soll die Kohlen für die abgehängten Amerikaner aus dem Feuer holen. In der Erziehung denke ich hier an Eltern, die den Jungen vor die Tür setzen, ihn hart ran nehmen und darauf vertrauen, dass er seinen Weg selbst findet- wohingegen die Mädchen eher vor negativen Erfahrungen und großer Stress-Berührung in Schutz genommen werden und man ihnen das sowieso auch nicht zutraut.

Es ist so offensichtlich das Donald Trump „nicht ganz normal“ ist, um es vorsichtig zu formulieren.
Googlet man nach der Psyche von Trump oder einer möglichen Psychoanalyse, dann stößt man ganz schnell auf den Begriff des „Narzissten“, also dem selbstverliebten Menschen, der nichts kennt außer sich selbst und sein Spiegelbild.

Es gibt einige Texte über den narzisstischen Trump, z.B. diesen hier,  der die These aufstellt, dass der Narzissmus einer prominenten Person auch einen Stellvertreter-Komplex lösen kann. Man sieht also in der Befriedigung des Narzissmuses eines anderen, seinen eigenen Narzissmus befriedigt. Zu dieser Erkenntnis kommt auch dieser Text, der gleich die ganze Kultur als narzisstisch gestört betrachtet.  Allerdings wurde das vom Sozialkritiker und Autor Christopher Lasch schon 1979 erkannt und vorhergesagt.

Einen interessanten Hinweis auf die extrem selbstverliebte Persönlichkeit findet man auch in diesem Artikel.
Zitat: „Selbstspiegelnd ist auch seine „Literatur“. Das Einzige, das er liest, sind Artikel über sich selbst. Diese werden von einem Team gesammelt und ihm als Morgenlektüre präsentiert, wie ein ehemaliger Angestellter berichtet.

Zu guter Letzt habe ich mir noch die berühmte Liste mit Beleidigungen vorgenommen, die vor kurzem von der New York Times veröffentlicht wurde. Hier wurden alle verbalen Entgleisungen Donald Trumps gegenüber „Personen, Orten und Dingen“ übersichtlich aufgelistet.

Entgleisungen, die „recent“ , also unlängst passiert sind, haben eine starke grüne Farbe, alles andere ist schwächer markiert oder weiß.

Beim Lesen der Beleidigungen musste ich erstmal das Wörterbuch zur Rate ziehen, denn viele Begriffe kenne ich aus dem Schulenglisch nicht. Für die werten BlogleserInnen folgt hier eine kurze Auflistung von verwendeten Wörtern Trumps und meine Übersetzung, die ich mit Hilfe von Leo nachgeschlagen habe.

Hillary Clinton kommt vor allem vor mit „crooked“ , was soviel wie „betrügerisch“ oder „schief“ bedeutet. Er attestiert ihr „schrecklich“ zu sein, dass sie „seit 30 Jahren scheitert“ und zu „schwach zum führen“ sei.

Andere Begriffe, die vorkommen sind z.B. :

phoney = Schwindler/ erfunden, gefälscht
biased = befangen, voreingenommen
dopey= blöd, dämlich
dumb = vereinfachen / geistiges Niveau senken
wacko= Spinner
dishonest = unehrlich
lightweight reporter= „Dünnbrettbohrer“ oder Leichtgewicht
overrated= überschätzt
thugs = Verbrecher
horrendous = entsetzlich, abscheulich
rambling = weitschweifig, schwafelnd
fraud = Betrug

political pundits = politischer Kritiker / Fachgelehrter (evt. abschätzig)
deadpan = Pokerface
media rigged / rigged = aufgetakelt
made-up = erlogen
flamboyant = grell, auffallend (über die Rede von Ted Cruz)
ridiculous = lächerlich
no guts, no glory = kein Mumm, kein Erfolg (über das Kaufhaus Macy)

Was kann man von jemanden denken, der solche verletzenden Worte massenhaft benutzt, und das meistens nur zum Zweck andere zu schwächen und zu diskreditieren? Er hat sein Ego an erster Stelle gesetzt und wertet nun alle ab, die ihm irgendwie schaden wollen oder kritisieren.
Somit ist er weit von einer demokratischen Basis entfernt, die ja Lösungen immer mit Hilfe von Diplomatie, Abwägungen, Abschätzungen und Diskussion zu lösen versucht. Beleidigungen sollten im demokratischen Alltag die absolute Ausnahme sein.

Wenn man in seinen Gegenübern aber von vornherein nur Feinde sieht, die man gerne beleidigen und schlecht machen würde, wird es niemals zu einer Diskussion oder gar einer konstruktiven Politik kommen. Wenn Trump seine ganze Schlangenhaut abstreift und sich plötzlich im weißen Haus ändern würde, würde das ja bedeuten, dass „das Amt den Präsidenten“ ändert. Aber bei der Bereitschaft zur inneren Änderung habe ich bei einem 70-jährigen Milliardär, der seinen ganzen Erfolg seiner aggressiven und egoistischen Attitüde verdankt, große Zweifel.

Es kann sein, dass einem Politiker unter Druck mal eine Beleidigung „herausrutscht“, aber es darf niemals zum täglichen Tagesgeschäft gehören. Mit so einer Einstellung wird sich Trump kaum Freunde machen und kaum vernünftig im Politikbetrieb interagieren können. Bezeichnend ist z.B. auch, dass fast keiner Europa-Politiker je Kontakt mit ihm hatte. Er ist also ein absoluter Neuling, ein unberechenbarer Faktor an der Spitze der mächtigsten Nation der Erde.