Bürotür zu, Koffer auf

Hin und wieder muss man einfach Urlaub machen. Abschalten. Entspannen. Ganz bewusst.

Doch so einfach, wie man sich das vorstellt, ist es nicht immer.

Für viele Menschen ist Arbeit mehr als nur eine Tätigkeit, die man notgedrungen gegen Geld ausübt.
Für viele Menschen ist Arbeit auch eine Methode, um sich persönlich entfalten zu können. Man möchte sich z.B. irgendwo einbringen. Man möchte „Leisung bringen“ und dann die Früchte seiner Arbeit sehen. Wenn die Belohnung ausbleibt, wenn der Chef zu wenig lobt, die Kunden nörgeln oder das Gehalt zu mickrig ist, stellt sich keine Befriedigung ein. Man denkt dann „okay dann stimmt irgendwas mit mir nicht und ich muss einfach nur noch mehr arbeiten“. Dann werden die „Belohnungen“ schon kommen. Aber hier liegt ein großer Denkfehler vor. Denn die Belohnungen kommen nur selten „von außen“. Viele Belohnungen muss man sich selbst geben. Man muss der Arbeit selbst einen Sinn geben- und sich von der negativen Außenwirkung befreien. Und genau wenn man das schafft, schafft man es auch, mal auf die Bremse zu treten. Wenn ich selbst der Mensch bin, der sich motiviert, der gerne arbeitet- dann kann ich genauso auch der Mensch sein, der mal bremst. Der bewusst abschaltet. Der die Arbeit pausiert. Der begreift, dass das Leben noch aus vielmehr besteht, als nur ständige Arbeit und Rückmeldungen von außen in Form von Geld und Anerkennung! Sich davon zu lösen ist schwer. Weil die Tätigkeit ohne Belohnung erstmal seltsam anmutet. Kein Ergebnis sehen, einfach nur in den Tag leben? Nachdenken vielleicht, ein gutes Buch lesen, oder ein Gespräch führen, dass nicht auf Produktivität ausgerichtet ist? Für viele Menschen ist das sehr schwer.

Menschen, die dann nach langer Berufstätigkeit in die Rente gehen, fallen erstmal in ein Loch. Die Arbeit hat das ganze Leben strukturiert, dahinter war nicht viel. Es wurden niemals Hobbies ausgelebt und auch die Freunde und sozialen Kontakte haben stark gelitten. Man hat immer die Arbeit „ganz nach oben“ geschoben und dahinter blieb nur ein schwarzes Loch. Dieses schwarze Loch ist aber auch ein Teil unseres Ichs, unsere verdrängten Anteile, die wir nicht sehen wollen- die uns aber als Mensch mindestens genauso prägen und charakterisieren wie die Dinge, die wir „erzeugen“. Wenn wir lange weggeschaut haben, und immer nur alles mit Arbeit zugedeckt haben, wird es manchmal schwer, zurück an diese charakterlichen Baustellen zu gehen. Und es kann niemand für uns übernehmen, wir müssen das selbst hinbekommen!

Für viele Menschen bedeutet Arbeit die Freude am Tun, die Freude am Schaffen. Man beschäftigt sich mit logischen Dingen. Man investiert Energie und man sieht die Fortschritte. Vor allem der Erfolg ist für viele Menschen sehr reizvoll. Maßeinheiten gibt es genug: Die Zahl der Likes, die Zahl der Follower, das Geld, das wir verdienen oder die Zahl unserer Mitarbeiter. Anderen Menschen zeigen wir unseren Status über das Auto, das wir fahren und die Wohlgeformtheit unserer Vorgartens oder unserer Frau. Aber Statussymbole sind nie fertig, nie endlich. Nach oben hin wird es immer etwas geben, das wir nicht haben. Es wird immer jemand geben, der mehr hat als wir. Also können wir auf dem Weg auch nur sehr schlecht glücklich werden!

Für andere Menschen wird die Arbeit zum Selbstzweck. Man macht etwas gerne, weil man sich dafür interessiert. Der äußere Zweck ist unwichtig geworden. Man arbeitet, also ist man. Alle anderen nicken nur stumm und finden sich damit ab. „Der ständig arbeitende Mensch“ ist sowas wie der Normalzustand in unserer Gesellschaft geworden. Auf die „Arbeitslosen“ und „Lebenskünstler“ blicken wir nur spöttisch herab, die können wir nicht wirklich verstehen. Oder gar ein Leben ohne Geld anstreben? Für viele von uns unmöglich!

Dazu kommt, dass der äußere Druck wirklich hoch ist. In der Erziehung werden schon die Grundlagen gelegt. Wir sollen Leistung bringen, Fehler vermeiden und immer nach dem Höchsten und nach dem Besten streben. Mangelnder Arbeitseinsatz und Fehler werden bestraft, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit und sogar „Teamfähigkeit“ werden erwartet. Dabei bedeuteten die meisten gesellschaftlichen Werte nur, dass wir uns irgendwie an andere anpassen und selbst weniger frei sein dürfen. Die Welt ist voller Konsumgüter, die wir uns aber nur „leisten“ können, wenn wir selbst etwas leisten. Später kommt dann der Druck der Familie und der Ehepartner hinzu. Der Partner erwartet von uns, dass wir arbeiten. Und die Kinder müssen etwas essen, das Haus muss abbezahlt werden. Ohne dass wir es merken, rutschen wir in eine Unfreihheit hinein, die jegliche Spontanität und Lebenslust abtöten kann. Die Wirkung zeigt sich auf verschiedenen Ebenen. Wir verlieren vielleicht den Appetit oder unsere Freude an der Sexualität. Wir sind nicht mehr „wir selbst“, sondern wir brennen aus. Wir haben so stark für andere und für unsere Projekte gebrannt, dass in uns nur noch Asche übrig geblieben ist. Wir haben vergessen, die Temperatur des Arbeitseifers zu regulieren und rechtzeitig für Nachschub, also für neue Energiereserven zu sorgen! Die Folge ist, dass auch das Feuer nicht mehr so schön brennt. Es wärmt uns nicht mehr. Wir müssen uns ganz bewusst zurücklehnen und „abschalten“. Mal in uns gehen. Das eigene Ich wieder spüren. Erkennen, was mir fehlt!

Arbeiten ist auf lange Sicht nur sinnvoll und heilsam, wenn man auch ausreichend erholsame Pausen einlegt.

Schließe mal die Bürotür hinter Dir, wirf den Schlüssel weg- sieh dich und deine Arbeit mal von außen, aus großer Entfernung und komme erst nach drei Wochen wieder zurück!