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Religionsspecial, Teil 4

Das Religionsspecial

  • Teil 1 Übersicht und Einleitung
  • Teil 2 Atheismus und Gottfrage
  • Teil 3 Glauben im Wandel der Zeit
  • Teil 4 Religion im Alltag; der Buddhismus

Religion im Alltag

Einleitung

1997 kam ich das erste Mal mit dem Buddhismus in Kontakt. 2002 hatte ich dann eine Phase, wo es große persönliche Veränderungen gab und ich mich weiterhin intensiv damit beschäftigt habe. In dem heutigen Artikel, ca. sieben Jahre später, möchte ich versuchen zu klären, was bis heute vom Buddhismus übrig geblieben ist und wie sich meine Perspektive gewandelt hat. Ich selbst bin absolute Laie auf dem Gebiet und nähere mich dem Thema sehr vom Geist her (wie üblich im westlichen Kulturkreis). Ich analysiere es und habe versucht, manche Dinge auf den Alltag anzuwenden und mir dabei Gedanken gemacht. Der Text wird also eine kleine Zusammenfassung, was ich bis jetzt erlebt habe und wo die Stolpersteine und die Schwierigkeiten liegen. Noch etwas zum Schreibstil: Da ich versuche, meine Gedanken eins zu eins aus dem Kopf abzuschreiben, werde ich die stilistischen u. grammatikalischen Aspekte in diesem Text etwas zurückdrängen. Manche Formulierungen könnten dabei holprig oder ungeschickt erscheinen. Das liegt einfach daran, dass ich schnell schreibe, um alles aus dem Kopf zu bekommen. Vielleicht muss ich hinterher noch den einen oder anderen Satz umdrehen, also bitte um Entschuldigung, wenn etwas zu umständlich aufgeschrieben wurde. 🙂

Öffentliche Sichtweise und Zugang

Ich sprach ja schon weiter vorne an, dass ich mich mitunter nur schwer zwischen dem Christentum und dem Buddhismus entscheiden kann und das liegt nicht nur, aber vor allem auch an der Gott-Frage. Ein Problem, dass den Zugang zum Buddhismus aber beschwert, ist die Tatsache, dass ich nur wenig Leute kennen, die sich damit wirklich eingängig beschäftigen- ein Problem, dass ich mit philosophischen oder geisteswissenschaftlichen Themen öfters mal habe. Und ich möchte hier mit allen Leuten reden, nicht nur mit schulisch oder studentisch vorgebildeten- nein ich denke, das sind Themen, die gehen alle etwas an und theoretisch könnte auch jeder eine Meinung dazu haben. Und daher ist der Buddhismus auch ein geeignetes und wichtiges Blog-Thema.

Wo liegen also die Ursachen für so wenig geführte Dialoge über den Buddhismus, gerade im Alltag?

Zum einen ist er in DE nicht so verbreitet wie andere Religionen (Quelle;  ca. 250.000 aktive Buddhisten in Deutschland), zum anderen entstammt er aus einem völlig anderen Kulturkreis. Man müsste bestimmte Sachen und Inhalte aus dem Buddhismus auch in eine westliche Kultur übersetzen. Dann kann man nicht Buddhismus studieren oder einfach so in ein Kloster gehen, die nächste Kirche ist in 99 Prozent der Fälle immer eine Christliche.

Zum Auswandern bräuchte man viel Mut, im Internet viel Zeit- egal in welche Richtung man seinen Glauben ausbreiten möchte, es ist immer mit viel Arbeit und Zeit verbunden.

Die politische Denkweise von vielen Menschen in Europa scheint (seit dem 11. September 2001) zu sein, das Christentum als „Kraft“ gegen den Islam anzusetzen (Quelle ). Vielen Menschen ist aufgefallen, dass wir kaum Werte in Europa hochhalten, dass wir keinen starken Glauben haben. Jahrelang vernachlässigt, scheinen viele Menschen das Christentum wieder beleben zu wollen, als imaginäres und geistiges Bollwerk gegen fremde Einflüsse (auch gegen die bösen Manager, z.B.). Es ist eigentlich schade, wenn so etwas aus alten Reflexen und niederen Instinkten heraus entsteht, wo doch der Geist jedes Glaubens die Toleranz und das friedliche Nebeneinander der Kulturen sein müsste. Der Buddhismus, der frei von Terroristen ist und selbst eher aus der Welt zurückgedrängt wird (siehe z.B. die ungelöste Tibet-Frage), gerät unter die Räder und vielleicht in Vergessenheit.

Uns einzelnen Menschen, die den Glauben verstehen und im Alltag anwenden wollen, bleibt also nichts anderes übrig, als selbst und friedlich auf die Suche zu gehen und uns den inhaltlichen Fragen der fremden Kulturen mit viel Mut und Offenheit zu stellen.

Religion im Alltag

So langsam verstehe ich daher auch die Lehrtexte, z.B. eines Dalai Lamas, wenn es heißt, dass man für sein spirituelles Leben erstmal die oberflächlichen Ablenkungen (also ein Stück des gewöhnlichen Alltags) abschaffen, bzw. in den Hintergrund drängen soll. Nur durch ein gutes Stück Askese und Befreiung von den „weltlichen Dingen“ haben wir überhaupt die Zeit und auch die Aufmerksamkeit für Spiritualität.

Normalerweise sind Menschen sehr stark in ihren Alltag eingebunden und Gedanken an Religiosität werden in den Hintergrund gedrängt- ja noch nicht mal ansatzweise als existent wahrgenommen. Der Alltag ist frei von religiösen Momenten. Der Kapitalismus, die Geschäftigkeit und die Pflichten der Arbeitgeber und anderer Institutionen drücken im Nacken. Selbst die Zeit um so einen langen Text zu lesen, werden nur wenige haben- Studenten vielleicht, Arbeitslose, Hausfrauen, Kinder oder Senioren. Vielleicht auch Selbstständige und berufstätige Leute mit mehr Freizeit. Leute, die die Macht über ihre eigene Zeit haben.

Hier beginnt die Spiritualität: Es bedeutet im positiven Fall nichts anderes als ein vollwertige und ganzheitliche Entwicklung der eigenen Persönlichkeit in jedem Teilbereich. Die Bildung spielt eine Rolle, die Art meines Berufes, meine Hobbys und meine Freunde.

Wie viel kann ich aber aufgeben, wie viel will ich mir erhalten? Wie viel Rückzug von der Welt ist angebracht, was ist vertretbar und realisierbar? Im Alltag stoße ich oft auf Grenzen, es ist ganz klar ersichtlich, dass man in seinem normalen westlichen Alltag den Buddhismus zwar „unterbringen“ kann, aber kaum die Zeit für eine tiefe und ausgedehnte Glaubenspraxis hat. Der Alltag ist oft so voll mit Pflichten und fremdbestimmten Einflüssen, dass ich gerade diese Hürde als zunehmendes „Ärgernis“ sehe und mich oft frage, wie ich solche Dinge rein von der Organisation besser vereinen kann. Den Buddhismus im Alltag anzuwenden, ohne die Zeit zur Meditation oder zum Nachdenken über die Inhalte aufzubringen, ist beinahe unmöglich. Der Buddhismus verwässert sehr schnell, wenn man sich nicht jeden Tag damit beschäftigt. Und somit gerät im schlimmsten Fall auch die Ethik, vielleicht sogar die Moral in den Hintergrund.

Abhilfe könnte ein Tagesplan sein und z.B. jeden Tag um X Uhr eine kleine Meditation zu machen (so wie man zum Yoga oder zum Sportverein geht.) Oder früh nach dem Aufstehen beim Kaffee Trinken kurz inne zu halten und sich zu überlegen, was man aus dem Tag machen will und wo die spirituellen Schwerpunkte liegen sollen.

Die Vollkommenheiten

Es gibt im Buddhismus die Vollkommenheiten des achtfachen Weges (Quelle):

Vollkommenes Reden, Handeln, Entschließen, Lebensunterhalt;

Vollkommene Erkenntnis, Anstrengung, Achtsamkeit und Sammlung.

Diese Regeln empfinde ich geeignet für einen Laien, aber auch am wichtigsten, ähnlich wie die 10 Gebote für einen Christen. Es ist einfach ein Ding, dass man sich immer imaginär in die Westentasche stecken und anwenden kann.

„Vollkommen“ bedeutet in meinen Augen nichts anderes, als dass wir versuchen sollten, alle diese Dinge (also Reden, Handeln, usw.) mit Achtsamkeit und Sorgfalt auszuführen. Aber „Vollkommener Lebensunterhalt“ z.B. bedeutet auch, dass wir nicht der Faulheit nachgehen, keinen Diebstahlgeschäft betreiben (das wäre nicht vollkommen im engen ethischen Sinne!). Was „Vollkommen“ im Einzelfall bedeutet, ist wiederum Interpretationssache und individuell unterschiedlich. Die Ethik, ein guter Mensch zu sein, niemanden zu verletzen und Wesen in Not Hilfe zu leisten ist dabei das gedankliche Übergebäude.

Im Grunde bedeutet es auch, dass man im Leben nicht viel mehr machen kann, als stets diese Regeln zu befolgen.

Die Erleuchtung und das Nirvana

Es kann bei der Erleuchtung keinen großen Knall keinen bunten Feuerwerksregen geben und auf einmal sieht man alles rosa, blau und grün. Nein, ich verstehe es so, dass der Weg Zeit braucht- und dass das eigentliche Ziel (z.B. die Erleuchtung) dabei oft und notwendigerweise in den Hintergrund gerät. Dies ist für westliche Menschen schwer zu verstehen, da wir gerne abschluss-, lösungs–, und zielorientiert arbeiten, der Buddhismus mit seinen Regeln aber eher das ganzheitliche und ausgeglichene Leben über große Zeiträume begünstigt und fördert.

Die Erleuchtung (bzw. das Nirwana) hat mich am Anfang als Konzept sehr fasziniert. Anders als im Christentum soll man hier die Möglichkeit bekommen, durch eigene Kraft in so etwas wie einen Himmel kommen. Beim genauen Hinschauen drängt sich aber der Verdacht auf, dass sie im Kern dem „Himmels-Versprechen“ ähnelt.

Die nicht erfahrene „Erleuchtung“ bleibt ein Theoretikum, solange wir sie nicht erreicht haben. Die vollkommene Einsicht, die der Gläubige vor allem mit Hilfe der Meditation erfahren soll, bleibt dem verwehrt, der keine sechs Stunden pro Tag für diese Praxis freimachen kann.

Die größte Hürde dabei ist die Frage, „Warum soll ich mich vom Daseinskreislauf freimachen, wenn mir das Leben recht gut gefällt?“.

Sich also einseitig auf die Erleuchtung zu konzentrieren und sie als alleinigen Lebenszweck zu postulieren, halte ich für abwegig und für die meisten Menschen ungünstig. Es kann sogar eine tiefe Sinnkrise auslösen und verstärken und vom richtigen, gesund gelebten Leben und der Bewältigung der Alltags-Sorgen ablenken.

Letztendlich ist der Buddhismus eine Religion wie viele andere und im Kern soll die Frage nach dem richtigen Leben im Hier und Jetzt beantwortet werden. Oder mit den Worten des Dalai Lamas:

Es spielt keine Rolle, ob sie die tiefer gehenden Lehren verstehen oder nicht.
Wichtig ist, ein guter Mensch zu sein.

Fazit

Dies war nur der Anfang und ein kleiner Überblick über das bisherig Erlebte.

Es fehlt noch ein langer Artikel über das „Mitgefühl“, eines der wichtigsten und schwierigsten buddhistischen Konzepte. Aber auch die Toleranz, die Geduld und Vergebung sind schon fast universelle Konzepte, die der näheren Betrachtung bedürfen. (Hier treten wieder engere Schnittpunkte zum Christentum auf)

Dies mache ich aber auf Grund der Länge und Wichtigkeit der Thematik in weiteren Artikeln.

Vielen Dank für ihr Interesse und bis hoffentlich bald!




Ein schöner Traum

Im Buddhismus gibt es interessante, philosophische Vorstellungen über den Zustand der Welt. Einer davon geht davon aus, dass die ganze Welt, so wie wir sie leben, eine Art Illusion ist, dass es alles Erscheinungen sind, die von Menschen erschaffen werden. Der Film „Matrix“ hatte ein sehr passende Metapher dazu gefunden: Menschen sitzen wie angekettet in einem Behälter und werden mit elektrischen Signalen gefüttert, von denen sie ausgehen, dass dies ihre Realität sei (heute nennt man das Internet…). Alles ist simuliert: Hungergefühle, Bewegungen, Bilder, Töne, Freundschaften, Arbeit- es gibt nichts, was außerhalb dieser „virtuellen Realität“ liegt und somit können sie auch nicht erkennen, was echt oder was falsch ist. Davon ausgenommen die Freiheitskämpfer, an ihrer Spitze „Neo“, der sich dann daran macht, das ganze Komplott aufzudecken und eine Art Sinnsucher in der grauen Tristesse der anderen darstellt.

Ähnliche Vorstellungen von der Welt kann man in jeglichen computersimulierten Umgebungen bekommen, z.B. sehr reale Computerspiele, Videos auf Großleinwänden, 3D-Brillen oder andere Dinge, die es einen kurzfristig vergessen machen, dass man nur eine Erscheinung der Realität sieht, aber nicht die Realität an sich.

Aber wenn man sich die Welt um einen herum genauer anschaut, wird man bald feststellen, dass im Grunde alles Dinge sind, die Naturgesetzen folgen, dass es alles Dinge sind, die in Abhängigkeit voneinander entstehen, aber nicht „aus sich selbst heraus“, wie der Buddhist sagt. Im Grunde sind dann die Augen perfekte Kameras, die Ohren sehr feine Mikrofone, die Hände feinmotorische Steuergeräte, usw. Unser Gehirn ein komplexer Computer, der alle Signale interpretiert und das als „echt“ herausgibt?

Genau genommen kann man sich das Leben wie einen großen Traum vorstellen. Jeder meint, die eigene Welt wäre die Realität, aber es ist immer nur eine begrenzte, subjektive Sichtweise auf den derzeitigen Stand der Dinge- der wiederum relativ von der Sichtweise anderer „Subjekte“ ist, die kollektiv gesehen das ausmachen, was den gesamten Beobachtungsraum- und Seins-Zustand aller Wesen ausmacht. Wir können keine letztgültige Realität finden, wir finden nichts, das für sich steht und absolut zu betrachten wäre. (Die Wissenschaft kennt z.B. das Phänomen, dass man nichts beobachten kann, ohne den Zustand des beobachteten Objektes zu verändern). Dies habe ich an anderer Stelle schon mal beschrieben. Ich möchte in diesem Artikel vor allem die Frage stellen, wie man sich dann zu verhalten hat, was die Folge dieser Erkenntnis sein könnte und was der Ausweg aus dieser manchmal recht traurigen, nihilistischen Vorstellung sein könnte?

Wenn alles relativ ist, lohnt es sich dann überhaupt zu leben? Warum sollte ich leben? Warum sollte ich diese Variablen des „Spiels“ überhaupt benutzen? Wäre es nicht besser, sich gleich umzubringen oder irgendwie den Notausgang zu suchen, so wie dieser „Neo“ aus dem Film?

Im Grunde will der Buddhismus genau das erreichen, nämlich den Ausgang finden! Der Mensch soll erkennen, dass er „in einem Simulation“ sitzt, dass es alles relativ ist, dass die letztendliche Realität das Nirwana ist, somit ein Verlöschen jeglicher Erscheinungen. Paradox ist dabei, dass man einen Nicht-Zustand anstrebt, was der Natur eines Lebewesens, das nach Leben dürstet, sehr zuwider läuft. Warum sollte man das Leben verlassen, wenn das Leben doch soviel Spaß macht? Warum sollen die Reichen keinen Sekt mehr trinken, warum soll man kein Geld mehr ausgeben, sich nicht mehr freuen dürfen, keinen Sex mehr haben, keine Umweltverschmutzung mehr ausführen, keine Ressourcen mehr verschwenden? Der Buddhismus will im Grunde das Nicht-Leben und das macht es so schwer, ihn als wahr zu erkennen, denn als Lebewesen strebt man immer nach irgendetwas, nach Erscheinung, nach Sex, nach Essen, nach Glück. Warum sollte man „nach Nichts“ streben?

Dazu muss man sich in die Lage unterschiedlichster Personen versetzen. Für einen reichen Menschen mag die derzeitige Existenz sehr lustvoll sein. Wenn auch vergängliche Freuden, so erlebt er doch in Westeuropa mehr Lebensgefühl als in einem armen Land wie z.B. in Afrika. Für einen armen Menschen wird das Leben eine Qual sein. Es gibt Leute, die haben einen „sehr guten Traum“, dann gibt es wieder welche, die schlagen sich in Höllen-Qualen herum und erleben ihren eigenen Albtraum. Da wir durch das Leiden der Wiedergeburt und der veränderlichen Erscheinungen nie sicher sein können, dass wir nicht auch wieder „leiden“ werden, z.B. Pech haben, krank und alt werden, usw. muss man das eigene Leben als etwas Zyklisches erkennen. Niemand ist frei vom Leid. Die Erkenntnis des eigenen „Leids“ erzeugt den Wunsch, vom Leid frei zu werden.

Welchen direkten, praktischen Nutzen habe ich aus der Anwendung des Buddhismus im Jetzt?

Auf den Weg der Befreiung zuzugehen, bedeutet, asketisch zu leben und sich von den Begierden der Welt zu lösen, mehr Mitgefühl zu entwickeln und sich insgesamt spirituell und geistig weiterzuentwickeln. Das ist eine gute Sache.

Man lernt z.B. auf gewisse Dinge wie z.B. Alkohol zu verzichten oder sich zumindest einzuschränken. (Der Dalai Lama hat ein gutes Buch zum Thema buddhistische Ethik und Lebensregeln geschrieben, dass diese Dinge erklärt) Oberflächliche Freundschaften, die nicht auf echtem Mitgefühl beruhen, wird man vermeiden. Man wird selbst eher zu einem Sinnsucher und geht mehr in die Tiefe. Indem man sich dem Leiden und den spirituellen Dingen öffnet, wird man um viele Erkenntnisse reicher, die wiederum die eigene Angst vorm Leben nehmen und die eigene Sicherheit verstärken.

Man kann vielleicht nicht aus allem heraus, noch muss man das.

In erster Line geht es darum, die Erscheinungen, mit denen man jetzt umgeben ist, in eine richtige Richtung lenken- Traum oder nicht, wir können nicht wählen, ob wir träumen, also leben wollen oder nicht. Wir müssen leben!

Es geht also mehr um die Frage, wie wir leben wollen.

Im Christentum wird ja die gesamte Ethik auch darauf aufgebaut, dass man entweder die Hölle oder das Paradies erreichen wird und nur „gute Menschen kommen in den Himmel“. Der Buddhismus ist da sehr ähnlich, nur dass für einen Buddhisten das Jetzt sehr ausschlaggebend ist, der Himmel auf die nächste gute Tat folgen kann, es keinen Gott gibt und die Verantwortung für ein gutes Leben vollständig in einem selbst liegt.

Da der Buddhismus auch gut mit wissenschaftlichen Überlegungen zu vereinigen ist, sehr friedvoll und durchdacht ist, ist es kein Wunder, dass er sich gerade in Europa und anderen westlichen Ländern soviel Beliebtheit erfreut.

Muss ich Angst haben, etwas nicht zu verstehen?

Nein! Man darf bei alldem nicht vergessen, dass dies alles Modelle sind und immer von einem selbst überprüft werden müssen. Im Grunde ist das eine Grundannahme, bzw. eine unabdingbare Voraussetzung für jegliche Erkenntnis, sei es im streng wissenschaftlichen oder philosophischen Bereich!

Da letztendlich der eigene Geist für die eigene „Geschichte“ der Spiritualität und Erkenntnis verantwortlich ist, kann man letztendlich nur das begreifen, was man sich selbst beigebracht und verstanden hat. Man kann zwar woanders lesen und es als Anregung verstehen. Aber umsetzen und anwenden muss man alles selbst. Dazu kann und muss man sich Zeit lassen. Es bringt nichts sich zu hetzen. Das Leben ist eine Bereicherung, eine schöne Sache, die wir voll auskosten sollten und zwar nicht nur was den Luxus, sondern vor allem die Spiritualität und die Erfahrungen angeht.

Solange man etwas nicht versteht, ist es nicht schlimm. Wenn man es nicht nachvollziehen kann, was soll´s?

Wenn der Buddhismus eine Sache ist, die man eines Tages mit wissenschaftlichen Methoden vereinen kann, wird er allen Menschen zugänglich.. dann wird man ihn eines Tages in den Schulen lernen, dann wird Tibet wieder Tibet sein dürfen, der Dalai Lama erlebt seine nächste Wiedergeburt und die Welt wird endlich friedlich!

Dann gehen alle Menschen ins Nirwana ein, und keiner ist mehr da. Dann hat der Planet keine Umweltsorgen mehr, die Sonne kann wieder friedlich schlafen gehen oder explodieren- und eines Tages kommen vielleicht auch die Dinosaurier oder die Marsmenschen wieder!

Und jeder weiß, dass das noch ziemlich lange dauern kann. Also kein Grund, sich irgendwie Sorgen zu machen…




Interdependenz

Das wichtigste philosophische Prinzip im Buddhismus scheint die gegenseitige „Abhängigkeit“ (Interdependenz) zu sein. Zumindest stoße ich immer wieder darauf, wenn ich Bücher darüber lese. Der Dalai Lama scheint das Thema besonders zu lieben und erzählt sehr viel darüber. Ich möchte also mal mit Hilfe eines Blogartikels überlegen, was „Abhängigkeit“ eigentlich bedeutet und wie wir das Prinzip in unserem Leben verstehen und anwenden können.

Abstrakt gesehen soll das – auch mit dem Begriff „Leerheit“ bezeichnete Konzept- bedeuten, dass alle Dinge in gegenseitiger Abhängigkeit bestehen und sie keine Selbst-Natur haben, die von allem losgelöst ist. Ein Baum z.B. besteht aus Elementen, die die Erde zur Verfügung stellt, er wandelt Sonnenlicht durch Photosynthese um, er produziert Sauerstoff und nimmt Kohlendioxid auf. Die Zellen teilen sich, folgen ihrem Plan, den die DNS vorgibt, je nach Umweltbedingungen formt sich ein mehr oder weniger schöner Baum. Der Baum an sich ist im Grunde nur die Summe seiner Teile und diese Teile wiederum auch nur wieder immer kleinere Teile. Der Begriff „Baum“ ist ein Element unserer Sprache und der Versuch, die Gruppe von Baumteilen zu einer Elemente- Menge zusammenzufassen und abstrakt zu bezeichnen. Dieser Zeiger, der auf die Baum-Elemente zeigt, ist wiederum veränderlich und kann z.B. je nach Sprache ganz anders besetzt sein und andere Buchstaben verwenden. Sogar die Buchstaben können anders sein oder es gibt nur Schriftzeichen dafür! Wo ist der Baum an sich also zu suchen?

Wissenschaftlich gesehen müsste man darüber hinaus die Frage stellen, was sind die kleinsten Teile und wie sehen sie aus? Ist letztendlich alles nur Energie, mal mehr oder weniger fest? Alle Teile schwingen, d.h. das ganze Universum auf das wir uns beziehen, ist nicht statisch, sondern schwingt, wir haben Frequenzen, Rhythmen, Tag und Nacht, Kreisbewegungen, aber alles andere als Ruhe und „Beständigkeit“. Es gibt z.B. Zerfallszeiten von Atomen, was wohl bedeutet, dass sie irgendwann sowieso verschwinden, zerfallen, sich neu gliedern. Ständig sind wir mit chemischen Reaktionen umgeben, in unserem Körper brodelt es nur so von hochkomplexen Abläufen, die wir meistens gar nicht beachten!

Unsere Nahrung, die wir für das tägliche Auskommen benötigen besteht beispielsweise aus einer Scheibe Brot. Das Brot wiederum musste erst verkauft werden, wir brauchen Geld (EC-Automaten, Banken) und einen Arbeitgeber (Krawatte, Anzug, Auto, Frühstück, Handy). Der Supermarkt musste mit dem Großhandel verhandeln, dieser wiederum beim Bäcker einkaufen. Der Bäcker (Bäckermütze, Schürze, Backofen, starke Hände) braucht Mehl und andere Zutaten, u.a. Getreide. Getreide wird beim Bauern angebaut, der braucht wiederum Maschinen (Mähdrescher, Traktor, Maschinenbau, Bildung), Dünger, finanzielle Subventionen. Egal, wohin wir schauen es gibt immer Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen, nicht existiert für sich. Wir können jede Abhängigkeit je nach Perspektive und „Zoom“ bis hin zur Unendlichkeit aufsplittern, es gibt kein Ende. Je mehr wir untersuchen, desto mehr Abhängigkeiten und Beziehungen fallen uns auf und es gibt keinen Punkt, wo man definitiv sagen kann „Das Ende der Untersuchung ist erreicht.“

Die modernen Wirtschaftskreisläufe sind autonom, die Butter steht halt einfach im Regal, Geld hat man halt irgendwie auf dem Konto (oder nicht). Meistens machen wir uns keine Gedanken über die tausende Waren, die wir täglich konsumieren und schon gar nicht über die Menschen, die dahinter stehen. Das wäre auch zu komplex. In der gewöhnlichen Alltagssichtweise komprimieren und vereinfachen wir Dinge und Abläufe, um die Datenflut zu reduzieren und entscheidungsfähig zu bleiben. Je höher die Anzahl der bekannten Variablen ist, desto schwieriger wird es für unser Gehirn, alles genau zu berechnen und zu einem Fazit zu kommen. So ist es kein Wunder, dass die gesteigerte Lebensgeschwindigkeit die einfachen Tatsachen auf sozialer Ebene verdrängt, dass wir von anderen abhängig sind. Da alles so schön autonom und scheinbar selbstständig läuft, sehen wir das dahinter nicht mehr und können leicht die Zusammenhänge übersehen.

Von unserem Nachbarn sind wir heutzutage überhaupt nicht mehr „direkt abhängig“. Wer hat schon mal ein Pfund Mehl beim Nachbar geborgt? Dieser Fall wird im Fernsehen so gerne gezeigt, aber ich denke in echt ist er sehr selten.

Auch sind wir nicht mehr von unseren Verwandten so abhängig wie früher. Wir brauchen sie nicht mehr! Wir können uns die Freunde aussuchen, dahin ziehen wo wir wollen. Medizinische oder psychologische Hilfe beantragen, mit einem Pfarrer sprechen, eine Altersversorgung aufbauen, Ratgeber über Beziehungen lesen, im Internet das neuste Rezept ergooglen und das alles ohne je ein einziges mal ein Familienmitglied um Rat gebeten zu haben. Frauen brauchen ihre Männer nicht mehr so wie früher. Das Leben in der modernen Kultur wird auf die Kraft reduziert, die wir mit unseren Füßen aufbringen können (Autofahren), ein Knopf zieht das Verdeck automatisch hoch, für die Wegfindung gibt es das Navigationsgerät. Menschen werden überflüssig. Kinder steckt man in den Kindergarten, die Kosten übernimmt der Staat, Männer können Optionalerweise noch ein wenig Unterhalt zahlen (für den Luxus) oder man geht halt zum Amt.

Aber wir müssen bei niemand auf Knien rutschen, wir müssen uns nicht entschuldigen, wir brauchen keine zwischenmenschlichen Konflikte zu lösen und das ganze andere Gedöns ist auch überflüssig. Religion, Weltflucht, Moral- Gesabbel, was auch immer! Das moderne Leben führt dazu, dass das menschliche Leben und die menschlichen Werte zurückgedrängt werden können, wenn wir nicht etwas dagegen halten und unseren Geist, Gefühl und Menschenverstand benutzen.

Da wir das Geld als reduzierten Faktor der Handlungsfähigkeit haben, lassen sich die anderen (mitunter störenden) Faktoren leichter herausrechnen. Das Leben wird einfach und bequem, aber vielleicht auch „einsam“ und leer. Wie die Schattenseite einer Droge, die uns zuerst sehr glücklich macht und hinterher eine Leere und Depression hinterlässt, verführt man uns zu einem modernen, automatisierten Leben, was keine tiefgründige Bedeutung mehr hat und schnell zum reinen Vegetieren wird.

Im Buddhismus heißt es nun, man soll über diese gegenseitige Abhängigkeit nachdenken, in Folge dessen zu der Einsicht gelangen, dass wir von allen anderen mehr oder weniger abhängig sind und zum Schluss Mitgefühl für alle anderen aufbringen.

Wenn wir in unserem eigenen Egoismus verharren und meinen unser „Ich“ wäre von allen anderen losgelöst, führt es zu Stumpfsinn, Einsamkeit und Unglück. Wir können unser „Ich“ nicht wirklich beschützen, noch macht es einen Sinn, unseren Egoismus, unsere Ansichten, etc. übermäßig gegen andere einzusetzen oder gar „besiegen“ zu wollen. Wenn letztendlich alles Teil vom Ganzen ist, gibt es keinen Feind. Die linke Hand gehört zur Rechten und die Rechte zur Linken, die Frauen sind Teil der Männer und ihre Männer teil der Frauen. Es gibt nichts losgelöstes, kein für sich genommenes „weibliches Geschlecht“, was total unabhängig von den Männern existiert. Wer das glaubt, sollte man Frauen beobachten, die alleine einen Kaffeeklatsch machen und wie sie sich spontan verändern, wenn plötzlich attraktive Männer die Runde betreten. Sie sind plötzlich anders, sie reagieren auf ihre Umwelt, verändern sich, wollen ihnen vielleicht gefallen, genauso wie die Männer es andersrum auch machen.

Oder die Partnerschaften, die über die Jahre Menschen komplett umkrempeln, verbessern oder gar verderben können. Darin sieht man, wie sehr uns andere Menschen eigentlich beeinflussen und dass es letztendlich nichts gibt, von dem man sagen kann „es ist mein losgelöstes Ich und nichts beeinflusst oder verändert dieses Selbst“.

Zugegeben, es ist anstrengend, darüber nachzudenken, weil man die gewohnten Sprünge und Bequemlichkeiten mal auslassen muss. Darüber nachzudenken bedeutet bildlich gesehen, das Auto stehen zu lassen und sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Man hat mehr Zeit, mehr Muße, sieht die Dinge mehr, wie sie eigentlich sind.

Ich kann nur jedem empfehlen, diesen Spaziergang mal zu probieren. 😉