Liebe Welt, wir müssen reden

Distelblüten, die halb aufgeblüht sind vor einem dramatischen Himmel mit vielen WolkenLiebe Welt,

es wird Zeit über Dich zu schreiben. Denn du stehst am Abgrund und wir mit Dir.  Wir blicken in den Abgrund, der da heißt Inflation, Krieg, Energiemangel und Klimakrise. Wie sind wir dahin gekommen? Haben wir es nicht kommen sehen? Wo waren unsere politischen „Führer und Führerinnen“, als es galt, das Unheil zu wenden?

Nun zieht sich die gute Laune und die Unbeschwertheit aus allen Lebensbereichen langsam aber sicher zurück.

Die Beziehungen werden weniger, die Social Media Posts verdorren, wie der Po in Norditalien.

Wir verstummen. Wir wissen nicht mehr, was wir sagen sollen. Schauen in den Abgrund unserer Zivilisation, den wir alle mit verursacht haben. Gleichzeitig rennen die Menschen immer noch wie die Lemminge zu den Fliegern, die ihnen wenigstens für zwei Wochen Abstand von ihrem grausigen Leben versprechen, das man Alltag nennt.

Und selbst die endlosen Schlangen vor den Schaltern, die herrenlose Koffer, die sich zu Tausenden stapeln, weil „niemand sie wegräumen möchte“, kann die Meute nicht davon abhalten, die schöne Zeit vor Corona nochmal hinauf zu beschwören.

Aber es wird nicht mehr so „wie vorher“. Wir sind in einer anderen Zeit angekommen. In der Zeit, die sich „gewendet“ hat.

All das Reden und Schreiben der Intelligenten hat nichts gebracht, jetzt machen Diktatoren und Kriegstreiber das, was sie schon immer gemacht haben. Sie diktieren und treiben Krieg. Sie töten Frauen, Kinder und alle anderen. Sie besetzen, sie stehlen und vernichten. Ganz unverhohlen, ohne politischen Filter, ohne Rücksicht und ohne Scham. Und die, die von außen zuschauen müssen und keine Mittel in der Hand haben, sind noch entsetzt und werden gleichsam mit bestraft. Das Unheil nimmt seinen Gang und es wird über die Erde geschüttet, wie eine riesige Milchkanne aus den 80er Jahren, als es noch „genug von allem gab“.

So muss das gewesen sein, als damals zwei Weltkriege über die Menschen gerollt sind und man sie durch nichts aufhalten konnte. So wie damals gibt es nun „den Ruf nach den Waffen“, weil man sich von ihnen den Frieden verspricht, was widersprüchlicher nicht sein könnte. Es gibt kein Frieden unter den Menschen, wenn im Kopf nur Hass und Krieg herrscht.

Liebe Welt, du stehst am Abgrund und ich schaue dir mitleidig zu. Aber ist es wirklich alles so schlimm oder sind es nur die Nachrichten, die uns solch grausige Wahrnehmung bescheren? Manchmal denke ich, bei mir persönlich ist alles so friedlich wie immer. Ich schlafe morgens lang, dann gehe ich mit meinem Hund durch die Felder, die im Moment so schön sind. Am Wegrand blüht alles in tausend Farben, der Großteil der Ernte ist eingebracht, die Silos und Mägen werden bald wieder gefüllt sein. Ich mache meine Arbeit, so wie ich sie jeden Tag mache, dann koche ich ein Essen, so wie jeden Tag und abends genieße ich die Ruhe in den eigenen vier Wänden.

Es ist warm, freilich. Aber ist es „die große Hitzewelle“, von der alle schreiben und sie an die Pinnwand des Internets heften?
Nein, es ist warm. Es ist Sommer. Liebe Welt, wir sollten uns nicht vor den Gedanken und Ängsten der anderen fürchten. Wir sollten lieber lernen, unser Leben glücklich zu leben und auf uns selbst zu hören. Denn wir haben nur dieses eine Leben. Wir sind verpflichtet, es richtig zu machen. „Gut zu leben“, verantwortungsvoll zu handeln, hier im Jetzt. Es gibt soviel zu tun! Soviel zu erleben! Die Welt ist so schön, meine Liebe, wenn Du sie nur lässt!

Lass dich nicht beherrschen, von den Untergangspropheten, von den Nein- und Vielleicht-Sagern, von den Zweiflern, Hetzern und Spaltern. Lebe einfach dein Leben, meine liebe Welt.

Lebe jeden Tag und versuche, jeden Tag glücklich zu sein. Das ist schwierig genug.

Endspiel

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Geotop

Es war sehr heiß gewesen. Schon seit Tagen, Wochen, Monaten. Es hatte einfach nicht mehr geregnet. Die Tropfen wollten nicht mehr auf die Erde kommen und die, die es dann doch schafften, verpufften und verdampften so schnell, wie sie gekommen waren. Die Menschen machten sich noch keine Sorgen, weil sie sich nie Sorgen machten. Sie beschwichtigen und wiegelten ab. „Das wird schon wieder! Heiße Sommer hat es schon immer gegeben! Im Winter sind die Wasserspeicher wieder voll. Ach was soll diese Klimawandel-Hysterie?“ Diejenigen, die sich für die Lehren über den Klimawandel einsetzten, wurde mal wieder verspottet. Mundtot gemacht, ausgelacht, ins Lächerliche gestellt. „Das Intelligente“ wollte keiner hören. Und schon keiner wollte hören, dass sein Handeln in irgendeiner Weise Auswirkungen auf die Welt hatte! Hey, wir haben uns doch gerade erst daran gewöhnt, alles haben zu können. Freiheit, unendliche Möglichkeiten! Leben im Konsum, im Rausch, ohne Verantwortung, ohne Sinn und Verstand. Und das sollten wir jetzt alles aufgeben? Nur weil es ein bisschen wärmer wird? Weil die Flüsse plötzlich kein Wasser mehr haben? Wer braucht schon Wasser. Duschen kann man auch mit Sand…

Aber es regnete immer noch nicht. Erst versiegten die kleinen Flüsse, dann die großen. Die Schifffahrt wurde eingestellt. Die Menschen machten einfach immer weiter. Die Atomkraftwerke mussten abgestellt werden, es gab immer öfters Stromausfälle. Auch die Klimaanlagen mussten dann stehen. Viele alte Menschen starben. Früher als geplant, an Austrocknung und Erschöpfung. Aber auch das fiel noch keinem auf. Alte Menschen waren ja meistens „abgeschoben“, von den Augen der Welt, den anderen Menschen verborgen. Alter war in dieser Zeit so was wie eine Schande, eine Belastung, keiner wollte was damit zu tun haben. Lieber weiter unvernünftig sein ! Lieber weiter konsumieren!

Als auch im zweiten Jahr die Ernte ausfiel, begangen einige Leute nachzudenken. Die empörten Stimmen der Landwirte wurden lauter. Aber auch das war kein Problem. Die EU schob ihnen ein bisschen mehr Geld zu. Das war kein Problem. Geld konnte ja einfach gedruckt werden und stand quasi unendlich zur Verfügung. Die großen Supermarkt-Ketten drückten weiter auf den Preis und das mit der Knappheit fiel erstmal keinem auf. Wie konnten die realen Dinge knapp werden, wo doch die Währung und die Vermehrung der Geldmenge grenzenlos schien?

Im dritten Jahr mussten die Preise dann doch etwas angehoben werden. Trinkwasser wurde aus Norddeutschland importiert. Es war verboten, den Rasen zu sprengen. Im Supermarkt gab es manchmal Gerangel um knappe Güter, vor allem Fleisch wurde jetzt teurer. Für Getränke musste man meistens anstehen. Oder warten, bis wieder eine Lieferung reingekommen war. Einmal in der Woche fuhren die Kommunen mit einem Trinkwasser-LKW herum. Dafür wurden die Steuern noch ein bisschen angehoben.

Öl und Energie wurden billiger, aber die Preise für Lebensmittel und Wasser schnellten nach oben.

Im vierten und fünften Jahr gingen die Leute in den Flussbetten spazieren. „Das war mal der Rhein“ erklärte die Oma ihren Enkeln. „Da gab es früher große Schiffe, auf denen konnte man bis ans Meer fahren“… „Und Fische?“ fragte der Enkel „gab es dort auch Fische? Ich würde so gerne mal einen sehen.“… die Oma versprach, demnächst mal ins Museum zu fahren, dann würde sie sich ein paar Fische anschauen. So genau wusste sie selbst nicht mehr, wie die aussahen.

In der Zwischenzeit waren noch mehr Menschen gestorben. Nur die jungen Menschen blieben übrig. Die Menschen in den heißen Mietwohnungen mussten zuerst ausziehen. Es gab Leerstände und verlassene Stadtviertel, vor allem in Süddeutschland wurde das Wohnen immer schwieriger. Die Preise purzelten in den Keller. Ob jemand eine Klimaanlage hatte oder nicht, wurde mittlerweile zum Politikum. Politiker der Linken und Grünen forderten eine Förderung vom Staat für Kühlgeräte und eine Absenkung der Stromsteuern. Die Parteien der Union aber wiegelten ab. „So ein Schmarrn!“ tönte es aus Bayern. Und so mussten die armen Menschen weiter schwitzen und schauen, wo sie ihre Abkühlung her nahmen. Und immer mehr Geld fürs Trinkwasser ausgeben, das mittlerweile deutlich im Preis gestiegen war.

Im sechsten und siebten Jahr gab es immer noch kein Regen. Es wurde wärmer und wärmer. Temperaturen von über 30 Grad wurden jetzt schon im März gemessen. Im Sommer wurde es in Süddeutschland über 45 Grad. „Uns wird der Klimawandel doch nicht treffen!“ waren manche Leute immer noch überzeugt. „Das ist nur temporär, das geht wieder vorbei. du wirst sehen!“

Aber es ging nicht vorbei. Die Bevölkerung schrumpfte. Die Wirtschaft und die Landwirtschaft litten unter der Hitze. Große Waldbrände hatten die Natur zerstört. Ein tödlicher Kreislauf nahm Fahrt auf war kaum aufzuhalten.. Arme Menschen aus Afrika kamen in Scharen nach Europa. Auf dem afrikanischen Kontinent war es überhaupt nicht mehr auszuhalten. Es gab kein Wasser mehr. Andere Länder in Südostasien wurden regelrecht überflutet und ertranken in den Regenmassen.

„Gebt uns was ab!“ sagten die Afrikaner. „Nichts da“ zischten die Europäer vom rechten Rand zurück. „Schaut, dass ihr selbst was arbeitet und eure Felder bestellt“. Weil das immer so hin und her ging, wurde die Stimmung extremer. Rechte Parteien kamen an die Macht. Europa fing an sich zu spalten. Die Nationalstaaten wurden wieder stärker, der Stolz und der Egoismus kamen zurück. „Das Projekt Europa“, auf das man einst so stolz war, zerfiel. Man baute Zäune und benötigte dafür unendliche Massen an Stacheldraht. Die Armeen wurden aufgerüstet, die Wehr-Etats angehoben. „Der Sicherheit wegen“ betonten die Politiker.

Und so war es schließlich nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein Krieg vom Zaun brach. Wegen irgend so einer Kleinigkeit. Ein Wortgefecht von einem dummen Politiker, das eskalierte. Ein paar unbedachte Äußerungen. Aber wenn man genau hinschaute, war es der erste Krieg der Menschheit, der um die knappen Ressourcen ausgelöst wurde. „Uns trifft das schon nicht“ wiegelten manche immer noch ab. „Es wird alles gut“. Sagten sie immer noch, als die ersten Langstrecken-Raketen über die Köpfe huschten und die Mörser-Granaten neben ihnen einschlugen.

Doch nichts wurde gut. Die Menschheit war so weit gekommen, in ihrer Evolution. Hatte soviel Hürden überstanden. Die Pest überlebt, Hungerkatastrophen, das Mittelalter und den Dreißigjährigen Krieg überlebt. Hat sich in den beiden Weltkriegen millionenfach ausgelöscht und doch wieder aufgerappelt. Kurz, für einen winzigen Moment der Vernunft, konnte man meinen, dass nach dem Wahnsinn des Holocausts jetzt die Vernunft endlich siegte und das gemeinsame Leiden eine bessere Welt hervorbringen könnte. Die Menschheit war danach noch lange am Rand der nuklearen Katastrophe gewandelt und schaffte es am Ende doch zusammenzureißen und der Versuchung des roten Knopfes nicht zu erliegen.

Und nun, nur durch ihre eigene Dummheit, Gier und Unvernunft wurde sie wieder zurück auf den Anfang geworfen. Eines Tages würde der blaue Planet, der mittlerweile ein glutroter geworden war, einmal rülpsen und die ganze überflüssig gewordene Menschheit einfach ausspucken.