Religionsspecial, Teil 3

„Die“ Religionen sind langweilig- Glaube aber ist immer noch spannend

Ich sehe schon, die Religions-Texte erfreuen sich reißender Beliebtheit. Sie werden mir quasi vom Schreibtisch weggerissen, kaum habe ich sie fertiggeschrieben, stehen die Leute schon Schlange und drucken und drucken. Sie nehmen die Texte, heften sie an die Wand, in die Küche, ins Schlafzimmer, ins Klo…

Eine großartige Diskussion hat sich entwickelt, alle wollen wissen, wie es weitergeht. Ich werde berühmt für meine Texte, jeder liebt mich und eines Tages bekomme ich den Friedensliteraturpreis. Und alles nur, weil ich an diesem schönen Sonntagmittag über Religionen geschrieben habe.

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Die Realität sieht anders aus, Moralfragen sind langweilig. Ich habe in der letzten Zeit versucht, im Fernsehen nur Sendungen über Religion und Geschichte zu schauen, weil es mich momentan interessiert. Das Ergebnis war niederschmetternd- wohin ich auch schaue, wertvolle Sendungen muss man mit der Lupe suchen. Es gibt Tage, da finde ich keine einzige Sendung über Geschichte. Keine einzige Sendung über Religion oder Psychologie. Keine einzige! Und es gibt genug Sender, geschätzte 578.

Sicherlich, die Erkenntnis ist abgedroschen, die Sachlage schon längst bekannt- aber doch immer und immer wieder verwunderlich. Die interessanten, schwierigen Themen sind keine Massenthemen- und so wird man auch mit Religionen oder Theologie nie berühmt werden.

Und gerade, weil das so ist, interessiert sich die Masse nicht für Religion. Daher sieht man niemand auf der Kirchenbank-

Sonntags morgen kann man wohl besseres machen. Um die Religion zu verstehen, muss man auch die Menschen, die jeweilige Kultur und die Geschichte verstehen.

Ich denke, in Zeiten als es noch kein Fernseher, kein Internet, keine Bilder, überhaupt sehr wenig Abwechslung gab, waren die Kirchen für die Menschen eine regelrechte Attraktion. Das einfache Volk hat unter der Woche schwere Feldarbeit verrichtet- vom Rumsitzen, Surfen und Fernsehen keine Spur- nein, früher mussten alle Leute arbeiten und zwar hart. Das Essen war einfach, meistens gab es nur Brei und einfaches Gemüse, Fleisch nur in Ausnahmen, denn die einfachen Menschen durften nicht einfach in den Wald zum Jagen gehen- dazu brauchte man Jagdrechte und die hatte meistens nur der Adel. Auch gab es noch kein Burger King und kein McDonalds. Tiefkühlkost und Tupper-Schälchen auch noch nicht.

Es muss langweilig gewesen sein, vor allem wenn man auf dem Land gewohnt hat, ohne Auto, ohne Fernseher, ohne Computer. Lesen konnte man vielleicht nicht, weil die Bildung nicht da war- was konnte und sollte man also machen?

Die Kirchen waren eine willkommene Abwechslung.

  1. Der Pfarrer erzählte weise Dinge und war gebildet. Man sah zu ihm auf. Man bewunderte ihn für sein Wissen, seine Rhetorik und Interpretationen. Der Pfarrer war für das einfache Volk eine Art Showmaster, ein Unterhalter, der den Alltag aufmöbelte.
  2. Die Inhalte waren Medizin für die einfachen Leute. Es ging um Moral und die Begründung, warum das einfache Volk hart zu arbeiten hatte. Die Monarchie war über die Kirche begründet, der König von „Gott eingesetzt“- das ganze christliche Weltanschauungsmodell war also auch ein Instrument der Macht und der Verwaltung- und der Rechtfertigung. Kein Wunder, dass die Leute es nicht erwarten konnten, die Lügen in die Tonne zu treten, als sie es enttarnt und überwunden haben.
  3. In der Kirche wurde gesungen und Orgel gespielt. Radios gab es noch nicht. Musikintrumente waren sicherlich selten und teuer- von dem brachialen, lauten Klang der Orgel ganz zu schweigen. Die Orgel war die Stereoanlage der Vergangenheit. Die Leute haben gerne gesungen und die Gemeinsamkeit gesucht. Für sie war es eine Freude, etwas Besonderes.
  4. Die Sonntage waren ein Moment der Geselligkeit. Man kann zusammen, um Nachbarn aus dem Ort zu treffen, reiche Leute, die man unter der Woche vielleicht nicht sehen durfte. Alle waren vor Gott gleich, alle saßen auf der gleichen harten Bank. Der Sonntag nivellierte die Unterschiede.

Es gibt also viele Gründe, warum damals die Kirchen erfolgreicher, einflussreicher und stärker gewesen sind. Wir werden diese Zeit nie wieder bekommen, die Moderne und die technischen Errungenschaften haben viel verändert- und zwar für immer.

Die modernen Götzen sind die Showmaster- wir beten sie an, wir werden taumelig und kreischen, wenn wir eine Band auf der Bühne sehen. Das ekstatische Erlebnis ist noch das gleiche, die Inhalte haben sich verändert.

Um dem Aberglauben der Germanen und anderen Naturreligionen etwas entgegen zu setzen, hat man damals verordnet, nur einen Gott zu haben. Schamanismus, Kräuterkunde und andere Dinge, hat man mit dem Begriff der „Hexe“ und des „Zaubereres“ verunglimpft und unterdrückt.

Heute sind solche alternativen Religionen wieder am Kommen- Esoterik ist ein Modebegriff und die Vielfalt zu wählen sind enorm. Es gibt nicht mehr den Glauben, nicht mehr die Richtung, nicht mehr diese Einigkeit.

Durch die Trennung der Kirche in die Konfessionen katholisch und evangelisch fing der Ärger ja schon an.

Wohin wird „die Religion“ also gehen? Worüber soll ich schreiben, wenn ich über „die Religionen“ schreibe? Über Geschichte?

Wo ist die Religion heute? Was ist Glauben eigentlich? Wozu braucht der Mensch den Glauben und warum können manche Menschen ohne Glauben leben?

All dies und noch mehr im nächsten Teil!

5 Gedanken zu „Religionsspecial, Teil 3“

  1. Ich glaube schon, Julia, dass sich viele mit deinem Thema beschäftigen und auch interessiert lesen. Und die Fragen, die du jetzt anpacken willst, könnten nach deinen bisher zusammengetragenen Fakten mehr Diskussion erzeugen. Allerdings bedarf es bei diesen Themen auch bestimmt mehr Zeit zum Nachdenken und selbst nachspüren, die nicht mit kurzen Statements ihrer Wertstellung gerecht würden.

  2. hm ja. und ich habe noch nichtmal Fakten zusammengetragen, das wollte ich später noch ergänzen. Zahl und Art der Konfessionen, Religionen, Kirchenaustritte, Höhe der Kirchensteuer, usw. all diese Dinge.

    Letztendlich interessiert mich die emotionale Seite an den Religionen mehr- aber beides ist wichtig.

  3. Ich sehe es ähnlich wie Menachem. Mach Dir bitte keine Gedanken, ob Du Rückmeldungen auf Deine Fragen oder Gedanken bekommst. Wer immer Deine Artikel liest, wird eine Menge zum Nachdenken haben oder es mal eben mit einem „Die ist ja durchgeknallt“ oder „die hat ja keine Ahnung“ vom Tisch wischen. Im Internet gibt es unzählige Blogs, Foren und Webseiten, die sich mit dieser Thematik befassen, manche Blogs und Foren explodieren gar vor den Kommentaren der Leserschaft.

    Ich werde ganz bestimmt keine Links setzen, weil ich es erfrischend finde, Deine Sicht kennen zu lernen, zu lesen, wie Du Dich tiefer in die Materie einarbeitest und weitere Gedanken fliessen lässt.
    Sei Dir dabei Gewiss, ich bleibe Dir gewogen und lese sehr aufmerksam, was immer da kommen möge, freue mich auf Deine Inspiration und werde sicherlich auch kommentieren. Übrigens, wenn es zu wenigen Kommentaren kommt, ist das auch für mich ein Zeichen, dass „man“ Dir nicht in Deine Serie „pfuschen“, Dich nicht beeinflussen oder lenken will. Du hast eine Serie begonnen und die schreibe ggf. bis zum Ende. Und dann diskutieren wir.

  4. @Hartmut:
    Sich in eine aktive Diskussion reinzuklinken wäre vielleicht nicht schlecht. Sicherlich, es gibt viele Seiten zu dem Thema, aber ich habe lange nicht mehr danach gesucht. Ich erinnere mich an eine Webseite, auf der alle möglichen Meinungen vertreten waren. Leider finde ich Foren immer so erschlagend und wenig präzise. Und ich möchte ungern in eine „Glaubens- und Wertediskussion“ gezogen werden.

    Mir wäre es lieb, mit wenigen Worten den Stand der Dinge festzumachen- das geht aber bei so komplexen Themen wie Religionen nicht. Das wäre schonmal eine erste Feststellung. 😉

    Beim Schreiben lasse ich von meinen Gefühlen und dem subjektiven Befinden lenken- es mag ein guter Wegweiser sein, aber vielleicht ist es nicht immer genau genug.

  5. Guten Tag, Julia,

    erst Jahre später nach seinem Erscheinen komme ich durch Zufall zum Lesen Ihres obigen Artikels. Ich finde ihn sehr gut geschrieben: aufschlußreich, thematisch weit umfassend. Danke! Vieles denke und empfinde ich wie Sie.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Hans-Jürgen Caspar

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