Ramstein

Eine seltsame Mischung aus Traurigkeit und Angst hat sich in meinem Körper breit gemacht, nachdem ich eben die 45-minütige Reportage über das Flugtagunglück von Ramstein gesehen habe. All die Gefühle von früher kommen wieder hoch. Die Autos, die Kleidung von früher. Ich war damals 10 Jahre alt und die Erinnerungen sind bruchstückhaft.

Ich erinnere mich daran, dass ich selbst auch dort gewesen bin und wie die Stimmung auf dem Flugplatz plötzlich umgeschlagen war. Wie ich es als Kind komisch fand, dass plötzlich eine schwarze Rauchwolke hinter dem einen Gebäude an den Himmel stieg, gerade als wir überlegt hatten, uns noch einen Hotdog zu bestellen. Irgendwas war passiert, soviel war klar. Mein Vater meinte noch so was in der Art, was denn jetzt los sei und an seiner Reaktion merkte ich, dass es etwas sehr Schlimmes gewesen sein müsste.


Etwas, was nicht in diesen schönen Tag gehörte. Der Tag, der so nett und fröhlich verlaufen war. Wir Kinder (meine Schwester und ich) durften uns die Flugzeuge und Hubschrauber aus aller Nähe betrachten, was wir sichtlich genossen. Mein Vater hatte einen guten Tag und erklärte uns alles sehr ausführlich. Ich war fasziniert von den vielen Maschinen, den fremden Menschen, das schöne Wetter, Eis und alles was das Herz begehrte. Dazu gab es Flugzeuggedröhn und waghalsige Flugmanöver, und endlich mal wieder ein Ausflug.

Neugierig und ratlos gingen wir ein paar Schritte weiter, um neben das Gebäude zu gelangen. Ich erinnere mich, dass uns schon bald Menschen mit angstverzerrtem Blick entgegen liefen, dass ein weitläufiger Bereich des Platzes wohl geräumt wurde. Soldaten mit Waffen patrouillierten, verscheuchten die Menschen und viele Krankenwagen fuhren hin und her, es wurde plötzlich hektisch und ungemütlich. Ich erinnere mich auch an Krankentransporte, die mit olivfarbenen Militärbussen getätigt wurden und ich erinnere mich daran, blutige und verbundene Menschen gesehen zu haben, die angstvoll und leer aus den Fenstern starrten. Es war plötzlich kein schöner Ort mehr, an dem man sein wollte, wir hatten einfach nur das Gefühl jetzt dringend weg zu müssen.

Wir gingen in Richtung Parkplatz und hörten erst dann vom eigentlichen Ausmaß der Katastrophe, als wir das Radio eingeschaltet hatten. Ich weiß noch, wie seltsam ich das damals fand, wo wir doch so kurz davor gestanden hatten.

Zu dem Ort des Unglücks mussten es damals 500 oder 700 Meter gewesen sein. Wir wollten nicht in die erste Reihe uns hatte es genügt, die Flugschauen auch von weiter weg zu betrachten. Was bin ich im Nachhinein für diesen weisen Entschluss dankbar.

Wir mussten wohl lange gewartet haben, denn die Autobahnen waren voll und man ließ die Besucher nicht weg vom Parkplatz. Endloses Warten im Auto, Handys oder andere Zerstreuungen gab es damals nicht.
Als wir spät am Nachmittag zu Hause ankamen, kamen mir meine Verwandten, vor allem meine Oma mit einem entsetzen Gesicht entgegen, sie schlug die Hände vors Gesicht und sagte so etwas wie „Gott sei dank, sie sind da“ und ich verstand ihre Aufregung nicht. Der ganze folgende Abend verschwimmt jetzt, ich fand den Flugtag klasse und verstand nicht, warum alle so aufgeregt waren. Als Kind hat man keine Begriffe, keine Kenntnisse für eine „Katastrophe“. Ich weiß nur, dass die Erwachsenen alle sehr traurig waren, geweint hatten und dass es ein Tag ist, den ich nicht vergessen kann. Meine Mutter weint heute noch, wenn ich sie auf diesen Tag anspreche, wo sie um ein Haar ihre gesamte Familie verloren hätte.

………..
Heute weiß ich mehr, zwanzig lange Jahre sind seitdem vergangen. Für Flugzeuge interessiere ich mich noch immer, aber auf einer Flugshow war ich seitdem nicht mehr, höchstens für Modellflugzeuge. In den Medien wurde das Thema tlw. breitgetreten, tlw. instrumentalisiert. Auf jeden Fall war es ein schlimmes Unglück, aus dem man lernen muss. Mein damaliger Psychologe betreute die Hinterbliebenen, so kam ich immer wieder in meinem Leben mit diesem einen Tag in Berührung, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Ich weiß noch, dass er mal gesagt hat, wie schlimm es ist, dass die Opfer dieses Flugtages keinen Schadenersatz für ihre psychologischen Spätfolgen bekommen und dass das sehr ungerecht und nicht zu verstehen sei. Ich denke, dem kann man nur zustimmen. Irgendwas wurde hier unter den Teppich gekehrt und es sieht oft so aus, als ob die Verantwortlichen nicht wirklich dafür gerade stehen, was gemacht wurde. Einschließlich aller Kriegstreiber und Militär-Befürworter. Der einzige vernünftige Gedenkstein wurde von den Betroffenen selbst aufgestellt. Es gab ein Tag Tiefflugverbot nach der Katastrophe (ein Witz!) und selbst die italienische Flugstaffel übt und fliegt schon längst wieder.

Unglücke sind die eine Sache- sie passieren und sind vielleicht „Gottes Wille“. Aber was der Mensch daraus macht und was er daraus lernt, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Links

http://de.wikipedia.org/wiki/Flugtagungl%C3%BCck_von_Ramstein Wikipedia
http://www.ramstein-1988.de/ Die Seite eines Betroffenen
http://www.crashdehabsheim.net/autre%20crash%20ramstein.htm Bilder

5 Gedanken zu „Ramstein“

  1. Ich war nur ein einziges mal in meinem Leben auf einer Flugtagschau, und das war genau gestern, vor 20 Jahren. Habe am Flugfeldrand gestanden und musste 15 Minuten vor dem Unglück fort.
    Werde ich daran erinnert, wie jetzt auch von dir, wird mir wieder bewusst, das es so vieles im Leben gibt, was ungeklärt bleiben wird.
    La vita passa.

  2. das ist wirklich erstaunlich. Soviel ich weiß, waren 300.000 Menschen an dem Tag dort. Also sehr viele Leute, die das Schicksal indirekt mitbewegt und verändert hat.

  3. Ganz ehrlich gesagt habe ich noch nie sowas verstanden. Ok die Piloten können es. Aber irgendwann geht es schief. Wie in diesem Fall. Schlimm was damals passiert war. Und hoffentlich passiert sowas nicht noch einmal.

  4. Es ist schon merkwuerdig. Diese Katastrophe begleitet mich die ganzen zwanzig Jahre, da sie zufaellig an meinem Geburtstag stattfand und ich daher einen irgendwie engeren Bezug zu ihr habe (Wie soll man bloss eine Beziehung zu einer Katastrophe erklaeren?).

    Aber in meiner Erinnerung hatte eine andere Flugzeugkatastrophe immer einen groesseren Stellenwert, einfach weil sie meine damalige verschlafene Heimatstadt Remscheid schlagartig veraendert hat. Sie fand drei Monate nach Ramstein statt, Dezember 1988. Mitbekommen habe ich recht wenig, noch nicht einmal die Wolke habe ich gesehen. Zunaechst wusste keiner etwas. Es hiess, ein Hubschrauber sei abgestuerzt. Ich hatte einen Freund, der in der Naehe wohnte, aber zum Glueck nicht betroffen war. Ihn erreichte ich erst spaet an diesem Abend, da das Telefonnetz zusammengebrochen war.

    Im Gegensatz zum Unglueck in Ramstein kamen in Remscheid deutlich weniger Menschen um – eingerechnet derer, die in den Jahren danach an den Spaetfolgen starben. Es war viel Glueck im Spiel hier in Remscheid: Zwanzig Sekunden vor dem Einschlag des Jagtbombers fuhr ein Schulbus an der Absturzstelle vorbei. Keinem der Kinder ist etwas zugestossen.

    Nun ja. Das Jahr 1988 war schon ein merkwuerdiges Jahr. In jeder Hinsicht.

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