Oberlehrer vs. Oberlehrer

1:0 für die Diplomatie

Quo vadis, Blog? Diese Frage habe ich mir schon öfters gestellt, aber diesmal habe ich einen sehr konkreten Zusammenhang, bei dem es sich lohnt, darüber nachzudenken (finde ich). Ich frage mich derzeit, was man mit einem Blog überhaupt erreichen kann, vor allem bei den Blogs mit einem politischen Hintergrund oder die rein privaten Blogs (die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben). Der Aspekt der kommunikativen Botschaft interessiert mich, aber auch die Frage, wie wir Menschen aufeinander bezogen sind und ob das gut so ist.

Die Botschaft: ist das Ziel

Bei beiden Herangehensweisen möchte man ja etwas erreichen: Bei den politischen Blogs möchte man eine Meinung verbreiten, bei den privaten Blogs möchte man vielleicht Rückmeldung, Anteilnahme, „Freundschaften“ und Austausch im Allgemeinen. Nichts ist ohne Sinn und Absicht und ein zeitintensives Medium wie ein Blog o. Twitter schon gar nicht.

Wenn ich z.B. auf Twitter unterwegs bin, gibt es sehr viele Menschen, die mir ihrer Meinung aufs Auge drücken, ob ich will oder nicht. Das Ganze ist dann mit einem „Werbe-Spam“-Effekt zu vergleichen: Man bombardiert die anderen einfach ohne zu fragen mit politischen Ansichten und Links und hofft dann vielleicht, dass sich jemand dafür interessiert oder sogar umstimmen lässt. Ob diese Meinung überhaupt akzeptiert oder hinterfragt wird, steht nicht im Raum. Viele Meinungen stehen einfachen parallel im Raum, ohne dass die Menschen wirklich aufeinander eingehen und ich denke, dann erreicht man mit dieser Meinung auch nichts. Vielleicht gewinnt man ein paar Zustimmer, ein paar Mitläufer, die gerade zufällig im luftleeren Raum der Gedanken standen, aber seine ‚Feinde‘ wird man damit kaum überzeugen.

„Vernünftige“ Meinungen erzeugen meist Gegenwehr

Im Gegenteil: Ich habe mich in der letzten Zeit oft dabei erwischt, dass genau das Gegenteil entsteht, einfach weil man als freier Mensch keine Lust hat, vorgekaute Meinungen zu übernehmen, nur weil sie irgendjemand in Twitter gepostet hat oder einen sehr langen Artikel darüber geschrieben hat (der noch so gut sein kann, darauf kommt es nicht an.) Ich habe begonnen, konsequent alle Blogger aus meinem Reader zu entfernen, die nicht so schreiben und denken wie ich, einfach weil ich der Meinung bin, dass sie sich auch kaum für mich interessieren werden. Wenn man nicht aktiv auf andere eingeht und seine Meinung verbreitet kann ein Konsens, quer über Geschlechter, Parteienansichten und andere Dünkel hinweg, nur schlecht entstehen. Jemand umstimmen ist ein aktiver Schritt, es auszuhalten und zu erdulden, ein passiver. Leider sind die meisten Menschen besser dabei, etwas zu erdulden, als sich gegen etwas zu wehren.

Bei jedem Werbespot im Fernsehen gibt es ja auch mehrere Ebenen der Botschaft: Einmal möchte der Hersteller im besten Licht dastehen und sein Produkt bewerben. Durch hohe Einschaltquoten und gute Sendeplätze (( der geldwerte Faktor „Aufmerksamkeit“, der im Netz meistens kostenlos, dafür aber auch viel kleiner ist )) und ständige Wiederholung des Gleichen versucht man das Bewusstsein des Empfängers zu malträtieren und zu penetrieren, solange bis dieser seinen inneren Widerstand aufgegeben hat oder die gewünschte Botschaft sich so tief im Unbewussten eingegraben hat, dass dieser sich im Supermarkt nun „automatisch“ für ein gewünschtes Produkt entscheidet.

Der Kunde ist auch ein „Ich“

Dabei übersieht man aber vieles: Der Kunde ist auch ein mündiger Kunde, d.h. seine Entscheidungen werden nicht vom Werbespot oder dem Markenbewusstsein alleine gesteuert: Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe, der Preis, ob es ein Bio-Siegel gibt, selbst die Art u. Atmosphäre des Einkaufmarktes, die Freundlichkeit des Verkäufers und viele andere Faktoren können entscheidend sein. Vielleicht ist man gerade gehetzt und greift nach dem erstbesten Produkt und erwischt in Augenhöhe natürlich immer die teuer platzierten Sachen – oder aber man nimmt sich etwas Zeit, vielleicht mit einer Freundin und Freund zusammen, und kauft bewusst sein. Dann stehen die Hersteller auch mehr in der Pflicht und mit dieser Mündigkeit des Kunden sollte immer gerechnet werden.

Ich erwische z.B. viele Hersteller dabei, wie sie heimlich ihre Zutaten ändern, an den Packungsgrößen und Zusammensetzungen spielen, dabei noch ein schönes neues Logo auf die Packung drücken, eine gigantische Medienkampagne inszenieren und dann hoffen, dass es schon ankommt und sich der Kunde so überzeugen lässt.

Aber wer so denkt, sieht abschätzig und überheblich auf den Kunden herab, sieht ihn nicht als mündigen Menschen, sondern als jemand, der ja nur gerne manipuliert werden will und letztendlich als jemand, der dem eigenen Profit dient. So ein Denken und Verhalten kann langfristig einfach nicht erfolgreich sein und es offenbart eine sehr unschöne Seite am Geschäftsleben, den Egoismus. Es ist zwar sehr verbreitet, aber es hat große Schwächen, gerade was die Nachhaltigkeit und das Vertrauen des Verbrauchers in die eigene Marke angeht.

Mein Account ist meine Marke

Die ganzen privaten Blogger und Twitterer erschaffen nun mit ihrem eigenen Webauftritt eine eigene Marke und mir scheint, viele schauen sich etwas aus der klassischen Werbewelt ab und kopieren solche schlechten Verhaltensweisen, indem sie ihre Leserinnen und Leser bombardieren, aber nicht auf sie eingehen. Dabei wären die neuen direkten Medien doch hervorragend dazu geeignet, es anders zu machen, die Ansprache und den Dialog mit dem Kunden zu suchen und sich eben nicht hinter der eigenen Firmen-Hochburg zu verstecken und nach außen nur ein hübsches Lächeln aufzusetzen. Klar, es geht ums Geschäft- aber geht es bei den vielen privaten Twitterern letztendlich auch immer nur ums Geschäft?

Jeder möchte mit seinen Äußerungen ja irgendwas erreichen, keiner geht ins Netz, wenn er keine Absichten hätte. Selbst die private Homepage hat einen Zweck: Einmal will man sich seiner Meinung entledigen, dann aber auch Freundschaften und Link-Partnerschaften aufbauen, vielleicht auch nur etwas Anteilnahme. In diesem Zusammenhang würde dieses Konzept des gegenseitigen Austauschs, des „Miteinanders“ aber nur viel stärker gelten. Denn wenn es um Freundschaften und Vertrauen geht, kann man nicht mehr mit dem Konzept der Marke punkten, dann zählen ganz andere Werte: Eine gute Freundschaft will gepflegt werden, d.h. man muss sich aktiv um andere Menschen bemühen. Man muss nach dem Befinden fragen, anstrengende Mails hin- und her schicken, man muss den Streit aushalten, man muss aufeinander eingehen, man muss tolerant sein und bereit, sein ganzes Geld und Zeit dafür zu opfern in der Erwartung, niemals etwas dafür zurück zu bekommen.

Mich wundert es angesichts dieser Herausforderungen vor dem Hintergrund einer schnelllebigen, und individualisierten, aber zunehmend einsamen Welt nicht, dass es so wenig gute Freundschaften nach einem Konzept des „Seins“ gibt (( ‚Sein‘ nach Fromm bedeutet für mich in diesem Zusammenhang = man lässt den anderen so wie er ist, man will ihn nicht besitzen, sondern akzeptiert ihn einfach so wie er ist )). Die meisten Beziehungen scheinen nach dem Werbe- und Objektstatus zu funktionieren: Jeder Mensch hat einen bestimmten Wert, der wiederum von sozialer Macht, Beruf, Status usw. bestimmt wird, bei den Frauen kommt vielleicht noch Charme und Aussehen hinzu, ein nicht zu unterschätzender „Wert“ auf dem Paarungs-“markt“. Und wusstet ihr, dass intelligente Frauen bei Männern meist unbeliebter als Dummchen sind, zumindest im Vergleich mit seiner Intelligenz?

Geben oder nehmen?

Sicherlich, es ist verlockend, sich nach dem ersten Muster zu verhalten: Geben und Nehmen und lieber etwas mehr nehmen, als geben. Seine Leser mit Botschaften zu erschlagen, anstatt sie ernst zu nehmen und zu fragen, ob was angekommen ist. Nur das eigene Projekt im Sinn zu haben, die anderen als Oberlehrer zu beschimpfen, obwohl man es selbst genau so macht.

Und nur eine Meinung vertritt, die eigene. Viele kleine parallele Blogs, die letztendlich nicht miteinander verbunden sind, stehen für die Gesellschaftsstruktur der vereinsamten Einzelgänger, in einer Welt, in der sich jeder durchschlagen muss, aber niemand frei und verbunden sein darf.

So ein Verhalten mag zu Macht und Dominanz führen, aber ganz bestimmt nicht zu Glück.

2 Gedanken zu „Oberlehrer vs. Oberlehrer“

  1. Was ist nun deine Schlussfolgerung aus dem ganzen?
    Ist das Internet nicht gerade DAS Medium schlechthin, von dem man sich am besten nichts für sich selbst erwarten sollte? Ich meine, das Netz ist der Ort, der Supermarkt der Informationen, in den man geht und sich gratis die Dinge mitnimmt, die einem gerade in den Kram passen. Es soll sogar Menschen geben, die sich im Netz gartis und damit illegal Dinge (Programme, Musik, etc.) „nehmen“. Da sich als Bloggerin etwas zu erwarten, vielleicht sogar in finanzieller Sicht ist etwas optimistisch. Und wenn du eine Meinung (deine) zur Diskussion stellst, wird es nicht viele Leute geben, die darauf eingehen werden, fürchte ich. Denn die Menschen neigen generell eher zum „Überlesen“ von anders gearteten Meinungen, das darf man den Leuten aber auch nicht übel nehmen bei all der unglaublichen Flut an Informationen, die täglich über uns hereinbricht.
    Aber: Bloggen ist besser als Nicht-Bloggen. Meiner Meinung nach. Aktiv zu sein ist immer besser als passiv alles in sich hinein zu würgen.

  2. Hallo Cate,

    wie du schon sagst, es wird nicht viele Menschen geben, die dazu was schreiben. Von dieser Erwartung sollte man sich lieber früher als später lösen. Aber immerhin, du hast geschrieben, eine Tatsache, die mich sehr freut. 😉

    Ich habe kein Problem mit dem Internet so wie es ist, aber es macht mir Spaß, es zu betrachten und meine Beobachtungen und Schlüsse daraus zu ziehen. Vor allem der soziale Aspekt ist hochinteressant. Letztendlich bin ich auch nicht viel anders und durch die Art des Mediums gezwungen, mich in diesen Strom der Verhaltensweisen leise einzufügen – oder mich laut dagegen zu stemmen und die süße Flut des Gegenstroms an meiner Haut zu spüren.

    Mal so, mal so, ganz nach Stimmung und Gefühl.

    Meine Schlussfolgerung ist einfach, dass ich nicht weiß, was gut oder richtig ist und es zur Diskussion stellen möchte – aber dass ich meine persönlichen Anteile, meinen Ansichten und vielleicht Prinzipien dennoch treu bleibe und all das -so gut es geht- in das Webseiten-Projekt einfließen lassen möchte.

    Es grüßt dich herzlich,
    Julia

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