Liberaler Umbau

an der Oberfläche

Nicht viel bloggenswertes passiert in der letzten Woche. Das Geschachere um Posten in der FDP… wirkt auf mich eher oberflächlich und verstärkt den negativen Eindruck, den diese Partei auf mich macht. Aber warum eigentlich? Was ist so schlimm am „liberalen Geist“, der jetzt neuerdings auch „mitfühlender Liberalismus“ genannt wird? So kam gestern eine Interview-Sendung mit einem Politiker, der ein paar ganz interessante Worte zum Thema sagen konnte: Wolfgang Gerhardt
Und das ganz abseits der Vorurteile, die man sonst für diese Partei hat und abseits der ständig gleichen Floskeln, die sie selbst hervorbringt.

Aus dem öffentlichen Gesicht der FDP ist er verschwunden, was schade ist, weil er eigentlich einen vernünftigen Eindruck macht und mehr Profil zeigt, als die anderen „Gurken“ von der derzeitigen FDP- Meinungs- und Führungsspitze.

So sagte er z.B. im Interview, dass er auch eher einfache Wurzeln hat und daher die sozialen Belange in einer Gesellschaft besser verstehen kann, sein Cousin ist sogar SPD-Mitglied geworden. Er hat wohl mal auf dem Bau gearbeitet und kommt auch eher aus einfachen Verhältnissen. Die FDP war für ihn in den 60er Jahren „avantgardistisch“ und eine Art moderne Alternative zur etwas in die Jahre gekommenen CDU. (Heute ist es eher umgekehrt und ein moderner bürgerlicher Geist wird eigentlich eher von den Grünen vertreten). Er betont, dass die Verantwortung eines Einzelnen sehr wichtig sei und dass er einen zu starken Staat eigentlich ablehnt, das ist wohl so etwas wie der Kerngedanke der Liberalen. Er bemängelt dann auch, dass die Grünen für ihn zu staatsgläubig sind und dass sie erstmal beweisen müssen, wie sie ihre vollmundigen Versprechungen auch umsetzen wollen (Stichwort Atomausstieg und Umbau der Netzinfrastruktur beispielsweise). Der Moderator merkt dazu an, dass dieses „weniger Staat“ bei den Bürgern aber gar nicht gut ankommt.
Meine Meinung dazu: Meistens wird von den Wählern nach „mehr Staat“ und einer Art „Ersatz-Fürsorge“ für alle gerufen. Dem kann die FDP freilich wenig Attraktives entgegensetzen. Mit den derzeitigen gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen wurde das Leistungs-und Aufstieg durch Arbeit-Prinzip ausgehebelt und wurde eher von einem „wer sich mehr nimmt, bekommt auch mehr“- Prinzip ersetzt. Da viele Menschen spüren, dass das so ist und sich Anstrengung im Grunde nicht lohnt, weder im Geldbeutel noch bei den Lohnerhöhungen (z.B. wegen der kalten Progression und anderen Rahmenbedingungen, die Reiche und Superreiche belohnt, aber die Mittelschicht über alle Maßen belastet), trifft der liberale Geist eher auf eine skeptische Grund-Haltung in der Bevölkerung. Dabei ist es gerade der frische Wind des Liberalismus, der Änderungen in die richtige Richtung hervorrufen könnte.

Wenn es so etwas wie liberalen Intellektualismus gäbe, dann würde Gerhardt ihn am ehsten in einem Politiker wie Christian Lindner sehen. Insgesamt käme dieses liberale Profil in der FDP aber zu kurz.

Der Meinung bin ich auch. Wofür stehen denn Leute wie Rösler, Brüderle und die so eben geschasste Homburger? Ich glaube, es ist das schlechteste Führungspersonal seit langem. Rein subjektiv! Brüderle wirkt auf mich immer so selbstverliebt, er ist irgendwie immer am Dauergrinsen und er hat eine fürchterliche Aussprache. Er wirkt sehr wirtschaftsfreundlich und wenig bürgernah. Rösler ist viel glatter, aber in seiner allzu polierten Glattheit schon wieder abstoßend. Auch mit ihm kann ich mir einen „mitfühlenden“ oder gar „intellektuell geführten“ Liberalismus kaum vorstellen. Homburger war einer der wenigen wichtigen Frauen in der FDP-Spitze und wurde prompt weggemobbt, auch das sind so feine Zwischentöne und sie werden dem aufmerksamen Wähler (und vor allem Wählerin) kaum entgehen. Sylvana Koch-Mehrin fand ich noch ganz gut, aber sie hat ja jetzt dieses Doktor-Problem… Westerwelle hatte bestimmt gute Ideen, konnte sich aber nicht mehr durchsetzen. Insgesamt ist er dann doch zu steif und für einen Politiker in seiner Macht-Postion zu stur gewesen. Und seine Verbal-Attacken gegen die „spätrömische Dekadenz“ waren der Anfang vom Ende. Irgendwie hat sich seine Arroganz am Ende doch gerächt. Rein menschlich hat die FDP so ziemlich alle Fehler gemacht, die man machen kann und auf einer Erfolgs-Welle können sie derzeit auch nicht reiten, das kostet zusätzliches Selbstbewusstsein und Glaubwürdigkeit.

Und ganz wichtig: Der große Partner CDU/CSU hat die FDP nach der letzten Wahl schwer auflaufen lassen. Die FDP, noch im Wahlkampf die Steuersenkungspartei, ist an den Widerständen der konservativen Koalitions-Schwester gescheitert. Die Bürger vergessen das sehr schnell und schieben ihren Frust nun auf die FDP, obwohl der Widerstand eigentlich von einer anderen Stelle kam. An Teflon-Merkel prallte alles ab und auch jetzt, mit gigantischen Steuermehreinahmen hält der eiserne Schäuble die Hand fest auf der Steuer-Schatztruhe. Wenn es Geld geben wird, dann für die Haushalts-Sanierung oder neue Rettungspakete für Banken oder schlechtergestellte EU-Länder. Aber zu allerletzt für die Bürger, weil man das nämlich gar nicht will. So fließen z.B. schon heute ca. 65 Cent von jedem gekauften Liter Sprit nicht etwa in die Straßensanierung oder die Infrastruktur, sondern in die Rentenkasse! Die Mobilität der Jungen ist die Alterssicherung der Alten, aber es ist ja kein Geld da… (( Quelle: http://www.bundesfinanzministerium.de „Fast alle Einnahmen zahlt der Bund jährlich im Rahmen des zusätzlichen Bundeszuschusses an die allgemeine Rentenversicherung.“ Aber: Steigt der Benzinpreis, nimmt der Staat nicht mehr, sondern gleich viel ein ))

Für die CDU wird es sich im nächsten Wahlkampf zeigen, ob es eine Konsequenz hat, dass sie ihren Partner damals verraten hat. Auf die Dauer kann die Blockade bei der Entlastung der Mittelschicht keine gute Entscheidung sein. Was in der politischen Landschaft fehlt ist eine reine Mittelschichts-Partei und zwar keine, die sich nur auf dem Papier oder mit Worten dazu bekennt und dann nichts durchsetzen kann, sondern eine, die dem Bürger nach dem Mund redet und dann mit dem richtigen Personal tatkräftige Akzente setzen kann. Da bleiben im Moment nur die Grünen, aber sie haben auch ihre Schwächen, wie sich in Baden-Württemberg bald zeigen könnte.

Man kann nur hoffen, dass die FDP sich eines Tages neu erfindet. Oder dass eine ganz neue Partei gegründet wird, die ihre Schwächen ausbügelt und ein paar Stärken hinzuaddiert. So, wie sie derzeit aufgestellt ist, kann es einfach nicht gut gehen.

2 Gedanken zu „Liberaler Umbau“

  1. Hallo Julia!

    Ich glaube, eines der grundlegenden Probleme der heutigen FDP ist ihre zu große (gefühlte wie tatsächliche) Nähe zur Wirtschaft. Sie wird von den Wählern als Klientel-Partei wahrgenommen, die mit ihren Steuersenkungsphantasien Brotkrumen fürs Volk verspricht, während ihre reale Politik die Interessen der Hoteliers, der Pharmaindustrie und der Energiekonzerne bedient. Nicht, daß andere Parteien ebenfalls vor den Lobbyisten der Wirtschaft einknicken würden, allerdings gelingt es ihnen zumeist etwas besser, das zu verbergen, und der FDP haftet dieser Generalverdacht ja schon seit Urzeiten an.

    Tatsächlich bedingt ein wirtschaftsliberales Gedankengut durchaus ein Eintreten für die Interessen der Arbeitgeber mit leichter Vernachlässigung der Arbeitnehmerschaft, was jedoch in der Bundesrepublik der 60er, 70er und 80er Jahre, deren Wirtschaft noch nicht so stark von großen, globalen Konzernen geprägt war, kein Problem darstellte. In dieser Zeit konnte sich die FDP als Korrektiv gegenüber allzu linken (sozialistischen?) Positionen verstehen.
    Vor allem jedoch war ihre Funktion als Korrektiv in dem zweiten, großen Bereich des liberalen Gedankenguts wichtig: im Bereich der Bürgerrechte. Die FDP ist lange immer wieder dafür eingetreten, daß der Bürger dem Staat gegenüber eine möglichst große Freiheit genießt, er nicht gegängelt oder von einer überbordenen Bürokratie erschlagen wird. Dieses zweite – meiner Meinung nach immens wichtige – Standbein vernachlässigt die moderne FDP in geradezu unverantwortlicher Art und Weise. Frau Leuthhäuser-Schnarrenberger, die letzte (im öffentlichen Bewußtsein) verbliebene Vertreterin dieses Flügels, agiert hier nur als eine Art Feigenblatt, die nur noch recht wenig mit solch klugen Köpfen wie Gerhart Baum oder Burkhard Hirsch gemein hat.

    Und dabei wäre es gerade heute – in den Zeiten des Internets, dessen Möglichkeiten zur freien Entfaltung des Einzelnen permanent unter Beschuß der verschiedensten Interessengruppen stehen, und in Zeiten einer (herbeigeredeten?) Gefahr eines internationalen Terrorismus, die immer wieder als Grund für die Beschneidung der Bürgerrechte herhalten muß – ungemein wichtig, wenn sich eine liberale Partei für die (immerhin über Jahrhunderte hinweg hart erkämpften) Rechte des Einzelnen einsetzen würde.
    Aber daß eine FDP, die diese Positionen irgendwo in ihren Parteiprogrammen sogar stehen hat und die dies früher aus einem liberalen Selbstverständnis ohne zu zögern immer wieder getan hat, hier den Falken der Union und den linken Bevormundern der SPD das Feld fast kampflos überläßt, ist für mich eine der bittersten Enttäuschungen der deutschen Politik im beginnenden 21. Jahrhundert.

    Die FDP hat in den letzten 10 bis 15 Jahren einfach zu viel falsch gemacht, was jetzt – wo sie endlich in der Regierungsverantwortung steht – schlicht überdeutlich wird: die Vernachlässigung des Bürgerrechtsflügels, die allzu große Nähe zur Wirtschaft, die Zunahme eines kalten Neoliberalismus in ihrem politischen Handeln sowie die Besetzung von politischen Spitzenämtern mit egoistischen Karrieristen und polemischen Schreihälsen.
    Philipp Rösler wird diese Fehler sicher nicht schnell korrigieren können (zumal ihm noch allzu viele Verteter des alten Führungspersonals zur Seite stehen), und der FDP steht somit ein schwerer und langer Weg entlang der 5%-Hürde bevor.

    Dies nur als Ergänzung zu Deinem lesenswerten und sehr anregenden Blogbeitrag.

    Viele Grüße, Yva

  2. Hallo Yva,

    Bürgerrechte ist auch noch ein gutes Stichwort, danke dafür. Überhaupt fasst du das alles sehr gut zusammen, wo ich mehr eher von meiner Emotionalität habe mitreißen lassen. 😉

    „Weniger Staat“ oder „weniger Bürokratie“ diese Kernforderung des Liberalismus wirkt in den heutigen Zeiten fast schon grotesk, in der durchregulierten und allseits umfassenden (und allseits fürsorgenden) Staats-Elternschaft. Persönlich denke ich, dass ein bisschen weniger Staat gesund sein könnte. Wenn Gelder eingenommen werden, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Gelder in falsche Hände geraten. Je mehr davon da ist, desto höher ist anscheinend diese Wahrscheinlichkeit. Oder wie kann es sein, dass Deutschland eine derartig hohe Wirtschafts-und Steuerleistung hat, bei den Bürgern aber faktisch immer weniger ankommt? Die realen Löhne in den letzten zehn Jahre sogar gesunken sind? Der Ausbau der prekären Beschäftigung immer weiter vorangeht und dass alles nur „damit die Wirtschaft wächst“?

    Ich finde auch, die FDP steht der Wirtschaft viel zu nahe und zwischen den Worten „Neoliberalismus“ und „Liberalismus“ ist nur ein ganz kleiner, kaum sichtbarer Spalt. Und von den Einflüssen der „Falken der Union“ (gute Metapher) und den Bevormundern sollte sie sich sehr bald lösen, sonst ist es ihr Untergang.

    Ich danke Dir ebenfalls für diese wichtigen, inhaltlichen Ergänzungen.

    Viele Grüße
    Julia

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