Kompliziert, einfach oder dazwischen?

Einen Tag nach meiner partiellen, inneren Kündigung als größte Polit-Bloggerin aller Zeiten denke ich über eine viel banalere Frage nach: Die Frage, ob ich „typisch Frau“ bin. Ja, ich, genau ich, nur ich selbst, der Liebling meines Spiegels, der Gegenstand meiner Betrachtung, das Objekt meiner Introversion, das Ziel und die Basis des künstlerischen Schaffens. Quell aller Selbstliebe, und hypothetische Ausgangsform für die altruistische Liebe, aus derer ersten Erstarrung es sich zu lösen und derer zweiter es zu erstreben gilt. (und dessen Grammatik es sich zu lernen hat, sorry Blog, habe heute meinen umständlichen Tag)

Die Fragestellung rührt daher, weil ich letztens einen Satz gelesen habe, der sinngemäß so gestanden hat: Frauen machen alles immer so kompliziert. Sie lesen zwischen den Zeilen, sie interpretieren etwas, wo es unter Umständen nichts zu interpretieren gäbe. Männer sind vielleicht geradliniger, einfacher zu berechnen und für manch Dame vielleicht auch einfacher zu manipulieren…

Aber warum sind Frauen von Natur aus komplizierter, warum sind sie emotionaler und letztendlich: Wo erwische ich mich da auf meinem eigenen, persönlichen blinden Fleck, also derjenigen Region, die man nicht kommunzieren möchte, die aber dennoch wie ein unsichtbarer, klebriger Faden am Ärmel des rechten Armes hängt?

Auf die andere Menschen dann unvermittelt und beinahe „zufällig“ stoßen?

Klischee: Frauen können Stunden damit verbringen, über eine Sache nachzudenken. Vielleicht, weil sie empfindlicher sind? Weil sie mehr Synapsen für die zwischenmenschliche Problemlösung und dreimal soviele Synapsen für die sprachgesteuerte Analyse ihrer Umwelt zur Verfügung stehen, die ja manchmal, unter Umständen häufig, auch genutzt werden müssen!

🙂

Äh, aber was wollte ich eigentlich sagen? Genau, das Reden. Warum reden Frauen soviel? Warum machen sie es immer so kompliziert? Was definiert eigentlich das Wesen der Frau? Wäre das nichtmal eine schöne Kernfrage für die Identität des Feminismus, der auch stets mit ganz neuen Weiblichkeits-Strömungen -von jung und alt und jeglicher Coleur- zurecht kommen sollte? Der Feminismus im Spiegel des Maskulinissimus: Was bleibt übrig? Wo gibt es Überschneidungen und was kürzt sich ‚raus?

Heute, z.B. bei Peter Zwegat: Die Dame mit sechs Kindern, neigt zur Bestellwahn im Internet, gemeinläufig auch als ‚Kaufsucht‘ betitelt. Ca. 800.000 Menschen in Deutschland sollen darunter leiden. ((Quellen zum Weiterlesen: http://www.palverlag.de/Kaufsucht.html und http://www.bpb.de/publikationen/FJN7KA,0,Zur_Entstehung_und_Verbreitung_der_Kaufsucht_in_Deutschland.html ))

Kurzerhand, der männlich analysierende Über-Papa und Schuldnerberater in einer Person hat des Schopfes Lösung erkannt und virtuell ergriffen: Die Finanzen biegen sich und brechen, also muss eine Therapiesitzung her.

Die Dame bekommt einen Termin bei der Selbsthilfegruppe. Reist, zwei-einhalb Stunden an, um dann kurz vor der Türklinke feststellen zu müssen, dass sie „darauf absolut keinen Bock hat“, eine Schnute zieht und ärgerlich von dannen zieht. Während ich darüber noch leicht lächle und meine eigenen Fehler in ihr erkenne, dreht der fragende Teil meines Gehirns schon längst weiter. Warum hat sie es sich nicht vorher überlegen können? Warum konnte sie diesen Schritt nicht mit Ruhe und Gelassenheit vorausplanen, durchziehen, abhaken. Das wäre die männliche Lösung. Aber nein, einzig und allein das Denken steht ihr im Weg, das Fühlen und die Angst vor Entblößung. (( by the way, das war ein sehr trauriger Fall.. über den es eigentlich nichts zu lachen gibt, aber er fiel mir eben spontan ein, um das grob umrissene Problem des Artikels etwas näher zu erläutern))

Und da ich es letztens von Klischees hatte, die manchmal auch ihre Richtigkeit im Alltag beweisen und daher wohl so beliebt sind: Ist es typisch Frau, kompliziert zu sein? Woher kommt diese Kompliziertheit? Und, welchen Sinn macht sie?

Es ist -ganz allgemein- das Wesen des Menschen, das uns belastet. Das Denken und vor allem das Fühlen. Unsere partielle Unfähigkeit, Dinge zu entschlüsseln und sie in die saubere Handhabung unseres alles-ordnenen Überbewusstseins zu fügen. Die generelle Unsicherheit und der tiefe Zweifel – so sehr wir ihn manchmal gerne verteufeln würden- gehört einfach zum Leben. Unser Salat im Kopf schreit einfach nur so nach Ordnung, nach Abstraktion, nach Vereinfachung, nach Sicherheit und Verlässlichkeit und doch bekommen wir sie nur selten. Wenn wir nichts vereinfachen könnten, würden wir an der Komplexität des einfachsten Alltags schon verzweifeln. Es wäre uns nicht mehr möglich, auf die Unterscheidung zu verzichten, was (an für sich) eine große menschliche Freiheit darstellt. Es aber wirklich zu machen, ist in der Tat anstrengend und das ist wohl der Grund, warum Klischees dem tiefergehenden Denken meist vorgezogen werden. Das Klischee wirkt schneller, ist besser verdaulich und man isst es, weil man es schon kennt.

Nur, wer sich in den täglichen Gedankenwahn des Unterscheidens, Denkens und Grübelns begibt, muss sich anstrengen und unter Umständen auch leiden. So wie der Zwangs-Patient in einer übersteigerten Form, aus einer anderen Sendung, ((man sieht schon, der Ausdruck „Fernsehen bildet“ beweist oft seine zynische Richtigkeit)) dem es unmöglich war, aus einem Stapel Zuckertüten, die richtige für seinen Einkaufswagen zu finden, da sie nun alle gleich aussehen. Etwas traurig und verzweifelt kniet er sich auf den Boden, dreht und wendet die Tüten, misst sie tlw. sogar auf der Gemüsewaage ab, nur um ein Kritierium, eine Entscheidung, ein Argument für seine verzweifelte Situation zu finden (die durchaus ein Krankheitsbild ist). Und er findet dabei meist keines, dreht sich im Kreis seines selbst-gebauten, aber doch nur schwer zerstörbaren Gefängnisses.

Und so, wie diesem armen Menschen, geht es dem denkenden und empfindsamen Menschen meist auch. Seine Freiheit, Meinungen und Entscheidungen zu bilden, belastet ihn schwer. Die Gedanken sind wie ein dicker, dunkler Schweif, den man immer mit sich herumträgt, eine schwarze Schleppe der Belastung, ein dunkler Mantel der zwar Wärme und Sicherheit spendet, aber einem doch der Umwelt etwas grauslig und missmutig erscheinen lässt.

Vielleicht, zu recht. Wer allzu tief denkt, sollte nicht vergessen, hin und wieder auch die heiteren Seiten des Lebens zu erfassen…

2 Gedanken zu „Kompliziert, einfach oder dazwischen?“

  1. Hallo Julia,

    lass mich ein paar spontane Gedanken (und komplizierte Kritik) dazu niederschreiben.

    Du stellst am Anfang deines Artikels die ironisch gemeinte Frage, ob du „typisch Frau“ wärst. Dabei verabsäumst du es nicht, eine Beschreibung deines Selbstbildes zu geben.
    Hier sehe ich nicht wirklich einen Zusammenhang zum folgenden Text. Aber egal.

    Dann leitest du den Artikel mit einem Zitat zu einer Klischee-Analyse über.
    Du schreibst, das Zitat wäre Frauen „machen alles“ kompliziert.
    Ist das genau zitiert?
    Es ist nämlich ein Unterschied, ob jemand alles kompliziert macht oder ob jemand kompliziert ist. Denn das eine bedingt nicht automatisch das andere.
    Wenn ich zum Beispiel grüblerisch bin und mir für Entscheidungen Zeit lasse, alles versuche abzuwägen, mir zusätzlich durch Lesen zwischen den Zeilen und das Einbinden der eigenen Emotionen alle wichtigen Informationen, die ich für eine Entscheidung brauche, zu holen versuche, dann denke ich vielleicht kompliziert, handle aber effizient und lösungsorientiert (Und schreibe komplizierte Sätze – aber oft geht’s nicht einfacher ;-).
    Das Ergebnis des Denk- und Fühlvorgangs ist dann vielleicht besser als bei geradlinigeren Menschen. (Müssen das unbedingt Männer sein? …Denkanstoß)
    Denn, nur wenn jemand etwas geradlinig macht, heißt das noch lange nicht, dass er richtig handelt dabei – und, dass das Handeln selbst nicht kompliziert ist.
    Bitte tu diesen Punkt nicht als kleinliche Spitzfinigkeit ab, sondern schau auf den großen Unterschied „Kompliziert machen – kompliziert denken“.

    Dann gehst du richtig weiter: Du fragst: „Aber warum SIND Frauen von Natur aus komplizierter…?“ Usw.

    Nur dein Verwenden des Begriffs „Klischee“ ist verwirrend; ein Klischee ist doch eine Eigenschaft, die einer Gruppe zugeschrieben wird, für den Einzelnen jedoch niemals richtig beschreibend ist.
    Dennoch scheinst du Frauen zugeschriebene Eigenschaften als richtig einzustufen und bezeichnest sie trotzdem gleichzeitig als „Klischee“.
    Also: Eigenschaft oder Klischee?

    Du schreibst „Warum reden Frauen so viel?“. Das wiederum, meine Lieblingsbloggerin, ist meiner Meinung nach nun wirklich ein Klischee…
    Wenn du das ironisch gemeint hast, geht das aus dem Textfluß nicht wirklich hervor.

    Die letzten vier Absätze sind sehr gut, denen kann ich mich voll und ganz anschließen.
    Das ist jetzt zwar nur 1 Satz, soll aber vom Gewicht her soviel wiegen wie der ganze Text zuvor 🙂

  2. Okay Cathi,

    erwischt: Die persönliche Offenbarung fehlt. Vielleicht habe ich es indirekt ausgedrückt:

    Ich offenbare meinen blinden Fleck nicht so ohne weiteres, denn dann wäre er nicht mehr „blind“. (Blinder Fleck = Psychologische Eigenschaften eines Menschen, die er sich nicht bewusst ist, die ihn aber dennoch definieren)

    Alle Menschen können kompliziert sein, dass müssen nicht nur Frauen seien. Aber, umgekehrt, dass sie überproportional viel reden, daran glaube ich schon, zumindest gibt es darüber Untersuchungen und interessante Veröffentlichungen. („das weibliche Gehirn“)

    Und, ich selbst rede auch viel und gern und ich halte mich auch für kompliziert. Schwierig wird es- gute Unterscheidung!- wenn man etwas künstlich kompliziert macht. Manchmal liegt die Stärke eben auch in der Abstraktion und in der schnellen Herausfindung des „Pudels Kern“.

    In allen wissenschaftlichen Disziplinen geht es um Schnelligkeit, um Abstraktion um das Herauslösen von Naturgesetzen, in der Betriebswirtschaft geht es um Rationalisierung und Kosteneinsparen, warum sollte aussgerechnet der Mensch und die Psychologie ganz frei davon sein? Und ich denke, es gibt tausende von bodenständigen Frauen, die sehr pragmatisch veranlagt sind und das Klischee nicht mal ansatzweise erfüllen. Aber auch Millionen von komplizierten, feinfühligen Männern, die sich selbst oft im Weg stehen. Daher kann das Ganze eigentlich nur ein Klischee sein.

    Ich habe absichtlich viele Fragen eingebaut und alles ein wenig offen gelassen, damit man sich selbst Gedanken dazu machen kann. Außerdem hatte ich große Freude am Schreiben und dem Ausformulieren, dass das eigentliche Thema vielleicht darüber verblasst ist. Im Idealfall deckt man beide Bereiche ab, also sorry dafür.

    Ansonsten kann ich dir nur zustimmen und danke für deinen Kommentar,

    Julia

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