Keine Sprache mehr

Im Moment habe ich keine Sprache mehr. Ich schaue aus dem Fenster: und schweige. Ich sehe mir die Nachrichten im Fernsehen an, schüttle vielleicht den Kopf und: sage nichts.

Ich denke auch nichts mehr, lasse es an mir innerlich abprallen wie Wasser auf Stahl, laufen die Gedanken einfach tröpfchenweise an meiner inneren Mauer herunter.

Jemand brüllt mich an: Ich fühle nichts. Jemand lacht mit mir: ich zeige keine Reaktion. Emotionslos, leer, tot.

Ist das ein Idealzustand? Ich finde es eher beklemmend.

Keine Ahnung, was mit mir ist, warum das so ist. Ich hab es nicht geplant, noch wünsche ich es mir.

Ich bin sogar besonders konzentriert und merke, wie die Konzentration besser wird, wenn ich nicht den ganzen Tag mit Twittern, Reden und Bloggen verbringe. Es ist auch ein Versuch, denn die Frage bleibt: wie geht es mir, wenn ich es nicht tue? Spüre ich Entzugserscheinungen? Vermisse ich die Leute wirklich, mit denen ich virtuell Kontakt aufgenommen habe? Wie ordnen sich meine Gefühle, wenn ich schweige und nichts mehr aufschreibe?

Die Antwort ist ganz einfach: Es geht mir durchweg schlechter. Ich merke, wie sich negative Gedanken aufstauen, wie ich nichts loswerde. Ich merke, wie ich zunehmend alles in mich reinfresse und mein Zustand immer schlechter wird. Es wird unkontrollierbar und versinkt in den Weiten des Unbewussten, verschließt sich vor meiner Kontrolle. Das macht mich wirklich halt- und hilflos.

Es hat aber auch was Befreiendes. Man ist mit sich selbst viel intensiver im Kontakt, aber es fühlt sich letztendlich auch egoistisch an.

Ich habe im Blog ja oft darüber geschrieben, warum es so wichtig ist, sich nach außen zu öffnen und nicht alles dicht zu machen, warum das Mitgefühl und Anteilnahme mit anderen letztendlich zu seelischer Gesundheit und mehr Ausgeglichenheit führt.

Es ist aber schwer zu beweisen und es ist auch schwer mit Worte zu vermitteln, wenn es jemand nicht versteht.

Nur, wie es sich anfühlt, wenn man keine Sprache hat, das spüre ich momentan deutlich. Deutlicher als je zuvor. Immer wieder taucht das seelische Loch neben mir auf. Die ganze Zeit hat es sich versteckt, nur um Sekunden später aus der Deckung zu kommen und mich zu verschlingen droht.

Worte- aber was sind schon Worte? Überhaupt haben sie oft nur begrenzte Wirkung auf Menschen. Wenn jemand meine Sprache nicht versteht, ob Deutsch oder den Kontext, hat es keine Bedeutung, was ich schreibe. Ich erreiche immer nur einen Teil und vielleicht selbst mich nie richtig.

Taten sind viel wichtiger. Und Produktivität. Effizienz und Rendite. Das Credo unserer Generation.

Leider kann das eine ohne das andere nicht überleben.

Daher, vergesst die Worte nicht… und wenn sie noch so unsinnig und hohl erscheinen.

Manchmal ist es viel wichtiger, dass man redet und nicht zwingend: was.

4 Gedanken zu „Keine Sprache mehr“

  1. Ich hoffe, dass Du nur an dem Novemberblues leidest. Selbst bei den frühlingshaften Temperaturen ist der nicht zu unterschätzen.
    Du liegst genau richtig, wenn Du genau beobachtest, was mit Dir geschieht.

    Liebe Grüße

  2. hm keine Ahnung, ob es ein Blues ist..könnte schon sein!

    .. aber das Wetter ist auf jeden Fall komisch. Vor allem der Sturm ist mir überhaupt nicht bekommen.

    Zum Glück ist es heute schon wieder besser.

    Dir auch viele Grüße,

    Julia

  3. Hi Julia,

    anscheinend gehen diese Gefühle rum, faßt wie die Grippe. Ich hoffe auch daß es am Wetter liegt, an der eingeschränkten Bewegung, aber letztendlich weiß man es nicht sicher. In den von Dir beschriebenen Momenten ist es einem auch egal woher dieses seelische Loch stammt, das sich neben einem oder unter einem Auftut.

    Ich wünsche Dir auf alle Fälle, daß es Dir bald wieder gut geht und sich das Loch wieder schließt und Du von dort auch wieder unbeschadet heraus kommst.

    Liebe Grüße vom Bodensee,

    Michaela

  4. Vielen Dank, Michaela, das ist sehr nett.

    Hat mich übrigens sehr gefreut, mal mit dir zu chatten und ich hoffe, dass wir das vielleicht auch mal wiederholen können.

    lg, Julia

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