Jahresendtext

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern des J.A. Blogs fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch in das Neue Jahr! Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.

Passender Song: Wolke 4 von Marv & Philipp Dittberner

Jahresendspurt! Die Ereignisse überschlagen sich mal wieder und ich tippe immer noch auf meiner neuen/ alten Tastatur.
Soviele Dinge sind passiert, dass ich nicht sagen könnte, wo ich eigentlich anfangen soll. Nimmt man noch den Filter „nichts privates“ dazu und stülpt ihn über die Kamera-Linse, bleibt das Bild sowieso nur schwarz. Egal, eine Zusammenfassung muss trotzdem sein, oder wenigstens nur eine Momentaufnahme, ein Zwischenfazit, ein „snapshot“ aus dem Leben. Ja, mein Leben, was passiert denn gerade so mit Dir? Komm mit und lass uns mal schnell ein Selfie machen:

Im Großen und kleinen haben sich Dinge und Prioritäten verschoben und oft hatte ich das Gefühl „ja, das passiert jetzt so“… aber wirklich aufhalten oder ändern konnte ich es eigentlich nicht. Das ist erstaunlich, lebt man doch in einer sehr freien Welt, in einer „freien Marktwirtschaft“ und mit dem aufgeklärten „freien Willen“, der nur „aus der Vernunft heraus“ agieren vermag, stellen wir uns oft vor, dass wir völlig frei sind und dem Wandel nicht unterworfen. Und doch stellt sich am Jahresende heraus „huch, ich hab wieder sehr viel für andere, aber nix für mich gemacht“ oder „die großen Prioritäten des Lebens, die großen Ziele wurden nicht erreicht“, dafür viele kleine Zwischenziele. Und das große Ganze? Kommt viel zu oft aus dem Blickfeld.
Dazu die Prozesse des Alterns, die anscheinend ganz von selbst innere Schwerpunkte, Vorlieben und Leidenschaften verschieben. So dass es mir z.B. überhaupt nicht leid tut, wenn ich nicht ständig auf Facebook/Twitter aktiv war und dort meine Zeit vertrödelt habe und auch über die eine oder andere entgangene Party keine Träne vergieße (genau genommen, war dieses Jahr fast ganz ohne Feste oder feierliche Höhepunkte, bis auf die übliche Handvoll Einladungen zu Hochzeiten oder Geburtstagen). Aber Feiern bis in die Nacht? Unrealistische Träume träumen? Sich die Welt kunterbunt malen und doch nie in der Realität ankommen? Mir scheint, diese Zeiten sind so unendlich weit weg. Stattdessen stehen jetzt andere Dinge auf dem Programm. Dinge, die Ende 30 nunmal wichtig werden: Familie, Stabilität, Zuverlässigkeit, finanzielle Unabhängigkeit, Reisen.. auch mit dem einen Auge wird schon auf die Rente geschaut, denn die schlechten Nachrichten aus dem deutschen Polit-und Gesellschaftsumfeld scheinen nicht abzureißen. Was ist da noch sicher? Worauf kann man sich noch verlassen? Die Russen vor der Tür mit ihren Manövern, die „Ausländerproblematik“, der demografische Wandel und der unsichere Euro. Die „Germans“ sind von Angst und Unsicherheit umgeben und das, wo sie die Sicherheit und Planbarkeit doch so lieben. Was auch erklärt, warum Bewegungen wie „Pegida“ so erfolgreich sind. Wo wir doch alle meinten, die braune Gefahr in der bürgerlichen Mitte sei längst überwunden… Angst und Ressentiments sind aber die denkbar schlechteste Reaktion auf Veränderungen. Eigene Anpassung und Flexibilität scheinen mir besser zu sein (zugegeben, aber auch deutlich schwerer umzusetzen).

Für größere, kreative Projekte ist mir dies Jahr nicht soviel Zeit geblieben. Das Blog z.B. : Dieses Jahr hat es sehr gelitten, weil ich soviele andere Ideen und Pläne hatte und auch viel auf Reisen war. Ich hatte mehr Lust, im Äußeren was zu verändern, als immer nur im Inneren zu verharren und die Impressionen des Lebens wie ein Memory-Spiel tausendmal umzudrehen. Da es diesmal fast nur Geschäftsreisen und keine Privatreisen waren, mussten sie jeweils gut vorbereitet und nachbereitet werden. Kaum war eine Reise vorbei, folgte auch schon die nächste. In den Reiseberichten kam das etwas zum Ausdruck. Auf dem Zettel standen vor allem Frankreich, Dänemark und Belgien. Alles Länder, die ich kaum kannte, die mich aber alle auf ihre Art beeindruckt haben. Und ich hab Blut geleckt! Ich will noch mehr sehen. Das Reisen rückt den eigenen Kompass und die – manchmal starre- Weltanschauung zurecht.

Der Zeitrahmen für das intensive Bloggen war daher auch das erste, was abgeschnitten und anderswo zugeteilt wurde. Ja, ich muss es zugeben: Das Blog ist eben nur ein Hobby, Geld wird damit nicht verdient, es ist „freie Kunst“ und die leidet am ehsten, ordnet man sie den übrigen Pflichten des Alltags unter. Und wenn ich das Blog nicht pflege, mich nicht aktiv vernetze, kommen auch nicht soviele aktive LeserInnen und Kommentare. Dennoch sehe ich an den Suchergebnissen, dass die Leute durchaus mit der Suchmaschine hier landen und ganz gezielte Antworten auf bestimmte Fragen bekommen. Das freut mich irgendwie, leistet so das Blog auch seinen Dienst, wenn ich nicht ständig davor sitze und neue Texte produziere.

Mit dem Alter nehmen die Pflichten ganz von selbst zu und ähnlich wie das Körperfett muss man „nichts dazu tun“, es wird einfach immer mehr, auch wenn man nur regungslos und passiv bleibt. Vielleicht ist genau das Problem! Das war für mich auch der Grund, warum ich dieses Jahr versucht habe, „aktiv“ zu werden. Dem inneren Schweinehund bewusst und aktiv ins Gesicht zu schauen, raus aus „der Komfortzone“ zu kommen, die viel zu oft aus Schreibtisch, Flur und Küche besteht. Nein, das kann es nicht sein! Dafür bin ich noch zu jung. Mein Glashaus und mein Elfenbeinturm sind mir zu eng geworden. Das Leben braucht große Pläne und es darf auch gerne mit besonderen Anstrengungen versehen sein. Ich hab wieder Bock auf das Leben und das fühlt sich gut an! Meine Güte, wir haben nur das eine Leben! Machen wir das beste draus! Und wenn wir abends müde und kaputt ins Bett fallen, gut so! Dann hat man das Leben wenigstens gelebt. Dann spürt man wenigstens die Lebendigkeit…

Das Jahr stand auch freundschaftlich im Zeichen des Wandels. Alte Freundschaften habe ich versucht zu reaktivieren, mit dem Ergebnis, dass es mir nur tlw. gelungen ist. Und bestehende Freundschaften haben urplötzlich andere Seiten gezeigt, ohne sich zu erklären. Da die Mitteilungsfähigkeit, die Toleranz und die gegenseitige Kommunikation aber die Grundlage für jegliches Vertrauen ist, können sich Freundschaften ohne Kommunikation nicht entwickeln. Sie bleiben auf einer Stufe stehen und entwickeln sich zum Ende völlig zurück. Ich hab oft versucht, eine Kommunikation anzustoßen und sehr oft ist nichts zurückgekommen. Sollte ich deswegen ganz aufgeben? Oder es nicht einfach so akzeptieren, wie es ist? Wenn dann mal was zurückkommt, ist es umso schöner.

Ich bin mir zwar sicher, dass es sich lohnt, um alte Beziehungen und Freunde zu kämpfen, es aber auch unglaublich schwierig ist. Freunde zu verlieren und sich irgendwo neue zu beschaffen, scheint viel schneller zu gehen. Ein klarer Strich, klare Grenzen. Tür zu, Klappe dicht.. Die Erde hat über 5 Milliarden Einwohner, da wird man schon jemand finden, der zu einem passt.
Alte Freunde sind aber das Kapital, der Boden und somit auch die Zukunft unserer eigenen, sozialen Existenz. Man kann die Vergangenheit nicht einfach abstreifen und sagen „ich konzentriere mich einzig auf die Zukunft und das Neue!“. Das würde ja nur bedeuten, die alten Fehler immer und immer wieder zu wiederholen. Der gesellschaftliche Konsum- und Jugendwahn scheint auch die Verjüngung von Freundschaften zu beeinflussen („mehr Freunde haben“). Dennoch muss man sich davon etwas frei machen und den eigenen Kompass auf Grund der eigenen Werte gestalten und oft neu korrigieren. Das hab ich dieses Jahr versucht und ein paar interessante Erkenntnisse gewonnen: Und zwar, dass ich mich selbst auch verändert habe. Dass ich mich zwar über das Verhalten von anderen wundere oder aufrege, aber im Anschluss in den Spiegel schaue und feststelle, dass es auch an mir liegt. An meinen eigenen Urteilen, an meinen Wertvorstellungen, an meiner Schablone für „gute oder schlechte“ Freunde. Dass ich mich mal so und nicht anders verhalten habe. Wenn man das begreift, kann man auch die Veränderung besser akzeptieren.

Denn auch wenn man krampfhaft versucht, „am Alten festzuhalten“ wird man die Veränderung nicht völlig stoppen können. Es ist immer wieder der ideale Mittelweg, der angestrebt werden muss. Wo lasse ich etwas unwichtiges, zum Ballast gewordenes los und wo bin ich bereit, Neues anzunehmen?

Kann man andere Menschen überhaupt je vergessen? Kann das endgültige Loslassen funktionieren? Hat es eine heilende Wirkung auf uns? Und wenn man alles losgelassen hat, was bleibt dann? Das Nichts? Eine Leere, ein weißes Blatt Papier?
Wo das Leben doch soviel bietet, warum sollte man den Stift nicht schwingen und etwas neues draufschreiben?
Oder an die alten Sachen ein paar Ergänzungen und Fußnoten hängen… Schon so manch großer Roman ist aus einer Fußnote entstanden! Es ist auch egal, wo oder „auf wem“ man eigentlich schreibt, wichtig ist, dass man überhaupt schreibt. Dass man das Leben zu- und reinlässt und sich davor nicht versteckt.
Wenn man sich mal mit jemanden gut verstanden oder länger miteinander geredet hat, wie soll man sich je vergessen? Es geht faktisch nicht. Durch die ständige Präsenz des Internets noch viel weniger. Wer hatte das gedacht, dass es einmal die Computer sein werden, die die Menschen dazu zwingen, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen? Die das Vergessen quasi unmöglich machen?

Mich wundert es dennoch immer wieder, wie leichtherzig und vielleicht auch oberflächlich Menschen durch das Leben gehen und sich so vor der Tiefe im Miteinander fürchten. Denn hat man nur einmal den Fuß in die Tiefe der menschlichen Emotionalität und Beziehungsbereitschaft gelegt, kommt man so schnell nicht mehr heraus… es muss immer der andere sein, der den ersten Schritt macht! Und so kommt man nie ans Ziel…

Die Liebe kann auf manche Menschen wie eine klebrige Falle wirken: Sie lässt das hoch geschätzte, eigene Ego im Morast der Emotionalität versickern und bedroht seine strahlende Existenz.

Wenn man auf die Jahre zurückblickt, dann ist das „Ego“ das störende gewesen. Dieses „Ego“ hat verhindert, dass man sich freier und unbeschwerter verhalten konnte. Nur wer sein „Ich“ verteidigt, muss sich gegen andere verteidigen.

Wer es loslässt, kann die Liebe akzeptieren.

3 Gedanken zu „Jahresendtext“

  1. Schade, Julia, dass deine Zeit nicht mehr ausreicht, um in solch schönen Texten mehr von dir zu erfahren. Aber über diese etwas egoistische Ansicht hinaus freut es mich sehr, dass du die Schönheiten des Reisens nun mehr erleben kannst. Das ist wirklich eine große Bereicherung.

    Ich denke Julia, dass es ja nicht Schlusserkenntnisse in deinem Text sind, sondern es sich um Prozesse handelt. Sicher, es ist immer beruhigend, wenn wir gewisse Eckpunkte haben, aber der gesamte Farbenfächer der vielen Variationen wird erst durch Ambivalenz geöffnet.

    Diesen weiterhin zu öffnen wünsche ich dir für das Neue Jahr und ganz, ganz viele interessante Reisen.

    Alles Gute für das neue Jahr und herzliche Grüße aus Leipzig,
    Menachem

  2. Vielen Dank Menachem für die netten Grüße! Ich wünsche Dir auch viele Grüße und ein gutes Neues Jahr zurück.

    Den ‚Jahresendtext‘ könnte ich durchaus als eine Schlusserkenntnis bezeichnen, zum Glück aber nur für 2014. 😉 Ich hab versucht, das wesentliche zusammenzufassen. Das ist nicht immer leicht, vielleicht hab ich auch was übersehen.

    Was das neue Jahr so bringt, steht noch in den Sternen aber ich hoffe, es bleibt spannend.. und bloggenswert. Vorgenommen hab ich es mir auf jeden Fall.

    Viele Grüße und einen guten Rutsch,
    Julia

  3. Liebe Julia, wie schön, daß ich deinen blog wieder lesen kann, hat mir richtig gefehlt, danke für deine lesenswerten Texte. Weiter so, muß ja nicht täglich sein.
    Viele Grüße von Hanni.

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