Groteske Nachrichten

Lächerlich waren heute genau zwei Dinge: Einmal die Nachricht über die Kassiererin, die wegen 1,30 € Betrugs entlassen wurde und dann die Tatsache, dass man Lärmschutzwände um Kindergärten bauen lässt, weil es tatsächlich Leute gibt, die sich über den Lärm beschweren.

Die Meldungen waren beide so dumm und lächerlich, dass ich mich fragen musste: War das ein verspäteter Fastnachts-Spaß?

Aber alle Beteiligten meinen es wohl furchtbar ernst und das Groteske der dahinter liegenden Gedanken kommt so augenscheinlich und unvermittelt zum Vorschein, dass man noch nicht mal lange suchen muss.

Ich will mich nun mal kurz auf dieses „Krankhafte“ des ersten Falles einlassen und ein wenig spekulieren:

Die Kassiererin unterschlägt zwei Bons einer Pfandrückgabe und wird erwischt. Zehn Tage hatte man gewartet, dass jemand kommt und sie einlöst, aber keiner kam. Nun, eine kleine Versuchung und vielleicht das Gefühl, die Sache korrekt abgeschlossen zu haben: Die Frau löst die Bons ein. Dank moderner Datenüberwachung natürlich alles genau protokolliert und rückverfolgbar.
Tja leider zuviel für den Arbeitgeber. Er entlässt sie.

Das Gericht argumentiert mit „Vertrauenswürdigkeit“. Aber ich finde: Vertrauen muss immer von beiden Seiten kommen. Auch der Arbeitgeber hat eine Verantwortung gegenüber dem Mitarbeiter. Dass es eine Frau ist, bei denen sowieso bekannt ist, dass sie schlecht bezahltere Jobs haben und den Großteil des deutschen Kassenpersonals ausmachen, verschlimmert das Ganze. Wer redet angesichts solcher Fakten von Matriarchat? Ich denke, was das Geld und die Macht in Betrieben angeht, ist es eher umgekehrt.

Und diese Vorwürfe, dass man einen unbequemen Kopf weghaben wollte, dass sie sich „zuviel“ in der Gewerkschaft engagieren wollte, sind nicht ganz unlogisch!

Was bleibt? Ein Fall, der in den Augen der Justiz zwar einfach scheint „Bestehle nie deinen Arbeitgeber!“, der aber in menschlichen und Arbeits-psychologischen Gesichtspunkten ein ungutes Licht wirft und viele Fragen offenlässt. Hier wurde auf jeden Fall ein falsches Signal gesetzt.

Zu der Kinderfeindlichkeit und den Menschen, die sich an Kindergeschrei stören, aber laute Autos, Abgase und hässliche Mauern vielleicht besser finden, mag ich gar nicht erst anfangen, zu denken.

Warum mauern wir uns nicht alle einfach in Beton ein? Das würde vieles vereinfachen! Wenn es darin nur nicht so schrecklich dunkel wäre!

Update

Die Römer hatten für die Justiz die weibliche(!) Göttin Justitia, eine Jungfrau mit verbundenen Augen. Das Schwierige in der Rechtssprechung ist die Tatsache, dass man sich nicht immer stur an bestehende Gesetze halten kann und darf, sondern im Einzelfall auch die menschliche Gerechtigkeit sehen muss, die ungleich schwieriger zu bewerten ist. Ich finde, ein guter Richter mit Erfahrung, Feingefühl und Mut sollte das aber hinbekommen. Sonst taugt er nicht für die Justiz.

Inwieweit ist die heutige Justiz überhaupt noch dehnfähig? Die Flut von Abmahn-Klagen in allen erdenklichen Bereichen und ähnlicher Nonsens spricht ja keine gute Sprache. Haben wir zur Finanzkrise jetzt auch noch eine Gerechtigkeits-Krise?

4 Gedanken zu „Groteske Nachrichten“

  1. Ich rede angesichts solcher Fakten von Matriarchat!
    Denn was wird wohl die entlassene Kassiererin ihrem Sohn mit auf den Weg geben? Und was, wenn sie eine Tochter hat. All ihre Enttäuschung und Wut wird sie einfließen lassen, den Jungen oder das Mädchen insoweit manipulieren.
    Das kommt und daran glaube ich. Vielleicht nicht in dieser aber in der nächsten Generation!

    Wichtig ist nur, dass die Frauen auf dem Weg in die Machtposition nicht zuviel ihrer Weiblichkeit einbüßen und sich selbst als harte Hunde präsentieren.
    Für mich war es immer ein schöner Gedanke, dass sich Mann und Frau ausgleichen, aber derzeit verschiebt sich leider alles.

    Natürlich braucht die Justiz ein gewisses Maß an Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl. Aber wie soll sie in einem Fall von Diebstahl in einem Arbeitsgerichtsprozess entscheiden?
    Ich sehe das insoweit wie die Richter. Bei Diebstahl – insbesondere in dieser Berufssparte – gibt es keine Bagatelldelikte. Genauso möchte ich als Kunde darauf vertrauen können, dass mir das passende Wechselgeld zurück gegeben wird. Ich zähle es an der Kasse nie nach und vertraue einfach!
    In dem Artikel der Tagesschau wird auch die fehlende Reue der Kassiererin angesprochen. Sie gibt sich auch recht kämpferisch. Sie wird es wohl auch in dem vor der Entlassung geführten Einzelgespräch getan haben.

    Ich selbst kenne die Problematik. Ich habe 20 Jahre beim Arbeitsamt gearbeitet und war gewerkschaftlich engagiert. Ich war in der örtlichen Jugendvertretung, der Bezirks- und der Hauptjugendvertretung, später beim örtlichen Personalrat. Als es um meine Entlassung bzw. meinen Aufhebungsvertrag ging, wurde das natürlich nicht thematisiert, wohl aber waren meinem Arbeitgeber bzw. meinen direkten Kollegen meine Fehlzeiten, wegen ihrer Interessenvertretung durch meine Person, immer ein Dorn im Auge.

  2. Das Schwierige in der Rechtssprechung ist die Tatsache, dass man sich nicht immer stur an bestehende Gesetze halten kann und darf, sondern im Einzelfall auch die menschliche Gerechtigkeit sehen muss, die ungleich schwieriger zu bewerten ist.

    Hm. Das ist schwierig in Zeiten der Ueberbelastung der Gerichte. Und wenn die Richter einfach keine Zeit mehr haben um sich tief genug mit dem Fall zu befassen, dann ist es mir noch immer am liebsten, wenn sie sich strikt an die bestehenden Gesetze halten. Andersherum waere es ja schliesslich auch denkbar, dass der Richter ganz andere gesellschaftspolitische Auffassungen vertritt, z.B. der Meinung ist, dass der „gesamte Abschaum von der Strasse“ genommen gehoert. So einem Richter moechte ich ungern die Freiheiten geben, die Gesetze nach persoenlichem Gusto zu biegen. Aber, wie gesagt, ein schwieriges, konfliktbeladenes Feld.

  3. Ob es überhaupt möglich ist „Gesetze zu dehnen“ weiß ich nicht. Aber es erscheint logisch: Die Parteien und Anwälte beider Seiten tragen ihr Anliegen vor. Zeugen werden befragt. Die bestehenden Gesetze werden geprüft. Und dann muss eine Entscheidung her!

    Ob das immer so stur und analytisch geht? Dann könnte man die Richter auch durch einen Computer ersetzen, der kann die Gesetze dann schnell und einfach von Festplatte laden und mit einem mathematischen Verfahren abgleichen.

    Aber da fehlte- wie gesagt- die menschliche Gerechtigkeit.

    Wenn ich Richterin gewesen wäre, hätte ich die Kündigung wegen Nichtigkeit abgelehnt. Die Kassiererin hätte eine 2. Chance bekommen sollen. Ein Arbeitspsychologe o. Vermittler soll zugezogen werden. Die Kosten für das Verfahren trägt der Arbeitgeber (der hat mehr Geld, das ist gerecht).

    In Deutschland braucht man wahrscheinlich noch ein Gesetz für „Kündigungen unter 100 € Betrug sind grundsätzlich abzulehnen!“

  4. Da hast Du wieder recht, der Richter oder das Gericht haetten den Fall wegen Geringfuegigkeit ablehen sollen / koennen. Wenn es wirklich so gewesen ist, wie die Presse berichtet (Da moechte ich auch nicht alles glauben, denn ich weiss weder von wem die Presse die Information bekommen hat, noch ob nicht noch mehr hinter dem Fall steckt, als berichtet wurde).

    In Deutschland braucht man wahrscheinlich noch ein Gesetz für “Kündigungen unter 100 € Betrug sind grundsätzlich abzulehnen!”

    Bloss kein Gesetz! Denn das wuerde im Umkehrschluss bedeuten, bzw. das Gesetz koennte so ausgelegt werden, dass ein Betrug legal ist, sofern es sich um eine Summe unter 100 Euro handelt. Dann lieber eine persoenliche Entscheidung des Richetrs im Einzelfall.

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