Grenzenloses Europa

(Der Text stammt vom 10.1.2016, wurde aber wegen ein paar Überarbeitungen erst heute veröffentlicht)

In der aktuellen Flüchtlingsdebatte gibt es einen Begriff, der mir sehr zentral scheint- der aber dennoch von den Medien oder den Bloggern kaum aufgegriffen wird. Es ist der Begriff der Grenze.

Ich stolpere immer wieder darüber, weil viele Probleme die wir derzeit mit der Flüchtlingsbewegung ja daher kommen, dass die Grenzen offen stehen und „ungehinderte Flüchtlingsströme“ nach Europa aufbrechen. In einem Artikel der FAZ steht, dass es bis jetzt erst „10 Prozent“ aller Flüchtenden sind und man noch deutlich mehr erwartet.

Viele Kommentatoren (also meistens einfache Bürger) stellen nun die Frage in Online-Foren, warum man die Grenze nicht einfach schließt? Meistens geschieht das ganze auf dem Hintergrund einer Stammtisch-Diskussion und vermischt sich dann mit spontanen, unüberlegten Aussagen oder einer großen Emotionalität, die in die Worte gelegt wird.
In der Meinung der meisten Politiker, aber auch der meisten Medien ist eine Grenzschließung überhaupt keine Option. Allein darüber nachzudenken, bedeutet demnach sich mit „rechtem Gedankengut“ zu beschäftigen. Anscheinend ist die bedingungslose Offenheit eine Prämisse, quasi ein ungeschriebenes Gesetz, von dem man auf keinen Fall abrücken möchte.

Diese gängige Meinung, das „Diktat der Politik“ ist allerdings nicht von jedem zu verstehen.

Besonders erschreckend finde ich auch die Tatsache, dass sich die Deutschen mittlerweile massiv mit Pfefferspray eindecken oder z.B. in Düsseldorf eine Bürgerwehr gegründet wurde, die mittlerweile über 9.000 Facebook-Mitglieder haben soll.

Die Beobachtungen der Meinungsäußerungen und der Medienberichte deuten daraufhin, dass es einen engen Zusammenhang mit der Zahl der Zuwanderer und den damit verbundenen Ressentiments gibt.
Je weniger die Politik eingreift und handelt, je schwächer der Staat empfunden wird, desto stärker ist die Eigenintiative (die Selbstjustiz) der Bevölkerung. Und die gesamte Stimmung wird immer weiter nach rechts und ins Extreme kippen. Köln war erst der Anfang, aber man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass solche Vorfälle noch weiter zunehmen und auch ein tatsächlich verübter, islamistischer Terroranschlag nicht mehr weit entfernt ist.

Ich frage mich also: Wenn es so klar erkennbar ist, dass die ganze Flüchtlings-und Zuwanderersituation in Deutschland und Europa auf die Spitze getrieben wird, große Konflikte erzeugt und sie eben nicht „von selbst wieder verschwindet“- warum handelt dann die Politik nicht entsprechend? Allein schon aus Selbstschutz und um das Erstarken rechter Parteien nicht weiter zu befördern.

Und da bin ich wieder beim Begriff der Grenze. Man kann und möchte die Grenze aus irgendwelchen Gründen nicht schließen. Ähnlich wie beim Satz „scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ ist es wohl auch bei der Grenze „scheitert Schengen, dann scheitert die europäische Idee.“ Wenn Deutschland die Grenze dicht macht, werden es andere Länder gleichtun. Das kann zu einem „Rückstau“ und Kettenreaktionen führen. Die Flüchtlinge bleiben irgendwo „hängen“ und es ist stark zu vermuten, dass sie das nicht friedlich tun. Sie werden sich entweder mit Gewalt einen Weg bahnen oder mit Schlepperbanden illegal einreisen, so wie es z.B. die USA schon seit längerer Zeit mit Mexikanern erlebt (und trotz bester Sicherheitsausrüstung und finanzieller Ausstattung der Grenzsicherung die Lage nicht unter Kontrolle hat).

Kann man die Grenze also einfach offenlassen, das Problem vertagen, mit schönen Floskeln überdecken („wir schaffen das!“), um sich all diese Probleme und die unschönen Bilder zu ersparen?

Wozu dient denn eine Grenze überhaupt?

Sobald man über den Begriff nachdenkt, kommt man auf verschiedene Ideen. Dazu muss ich etwas weiter ausschweifen und mir das Wort „Grenze“ in anderen Zusammenhängen veranschaulichen:

  • eine Grenze zwischen zwei Nachbarn sichert das Eigentum. es stellt sicher, dass sich der eine nicht beim anderen bedient. Die Grenze der eigenen Wohnung ist beschränkt. Man hat nur 70 qm, aber nicht 100. Man kann seine Möbel nicht in der Nachbarwohnung abstellen. Jeder schläft in seinem eigenen Schlafzimmer. Haustüren sind abgeschlossen und die Fenster verriegelt. Wenn jemand in unser Haus einbricht und diese Grenze durchbricht, werden wir in unserer Intimsphäre verletzt. Opfer von Einbrüchen berichten oft, dass sie auch seelisch verletzt wurden und sich in der eigenen Wohnung nicht mehr sicher fühlen. Das Übertreten der physischen Grenze (die Grenzverletzung) erzeugt also auch seelisches Leid.
  • eine der größten Organe des Menschen ist die Haut. Und sie ist eigentlich ein Grenzorgan. Die Haut ist unsere Barriere nach außen und sorgt dafür, dass Viren und Bakterien nicht in uns eindringen können. Zusätzlich schützen wir die körperliche Unversehrtheit mit Kleidung oder bei großer Gefahr mit Schutzausrüstung und Verstärkungen (Polizei, Feuerwehr). Wenn die Grenze verletzt wird, bluten wir und das ganze kann sich entzünden. Wir müssen also darauf achten, dass die Grenze immer dicht ist. Nur an bestimmten Stellen im Körper ist die Barriere durchlässig und bestimmte, hilfreiche Stoffe können dann übertreten (z.B. die sog. Blut-Hirn Schranke überwinden)
  • es gibt juristische Grenzen. z.B. die Promille-Grenze beim Autofahren. Wenn die Zahl überschritten wird, fahren wir nicht mehr sicher Auto. Die Grenze ist sehr niedrig angesetzt und hat hohe Strafen in Folge, weil es so gefährlich ist. Wenn wir unsere eigene Alkohol-Grenze überschreiten und dann Auto fahren, gefährden wir auch andere. Die Grenze dient uns selbst und anderen als Schutz.
  • es gibt zeitliche Grenzen und Rahmen, wenn man einen Termin macht. Am zeitlichen Termin treffen sich zwei Personen. Nur wenn sie bereit sind, sich für den anderen Zeit zu nehmen, ist ein Treffen an der Grenze möglich. Wenn jemand die Grenze des anderen nicht einhält, ist ein Zusammenkommen nicht möglich oder die Verspätung sorgt für Ärger. Wenn sich der eine Menschen Freiheit nimmt und die Grenze übertritt (Verspätet) hat der andere den Schaden und muss das mit eigener Zeit kompensieren.
  • Es gibt pädagogische Grenzen und Regeln für das Zusammenleben. Kindern sollen abends keine Gewaltfilme anschauen, sondern um 21 Uhr ins Bett. Das ist ihre Grenze, die erst dann angehoben wird, wenn sie älter werden. Sie sollen ihre Eltern nicht anschreien und die Eltern sollen wiederum keine Gewalt anwenden. Hier gibt es eine Grenze, die sehr wichtig ist, aber nur schwierig überwacht werden kann. Hohe Strafen sollen abschrecken. Je schwächer das Opfer ist (z.B. Kind) desto wichtiger ist eine starke Grenze, die überwacht wird und bei Grenzverletzung sanktioniert wird.
  • Es gibt seelische Grenzen und innere, psychologische Sicherheit und Unversehrtheit. Das ist die wichtigste Grenze, weil hier der größte Schaden auftreten kann. Diese Grenze wird z.B. bei sexueller Belästigung oder Vergewaltigung durchbrochen. Der Schaden ist so hoch, dass er ein Leben lang bleiben kann. Das Opfer ist immer verunsichert und erleidet ein Traumata, weil jemand die Grenze durchschritten hat.

Man sieht in dieser Aufzählung also, wie wichtig Grenzen sind. Und dass der Schutz von Grenzen ein Teil unseres biologischen Selbstverständnisses ist und der eigenen „Sicherheit“ dient.

Grenzen sind im Grunde gar nicht diskutabel, sondern ein wichtiger Teil unseres menschlichen Daseins und unserer Gesellschaft. Grenzen ermöglichen erst ein friedliches Zusammenleben. Wir sind darauf angewiesen, abgetrennte Räume zu haben, die uns Schutz und Frieden ermöglichen. Auf nichts reagieren wir allergischer und empfindlicher, wenn diese Grenzen übertreten oder niedergewalzt werden.

Wenn die Grenzen so wichtig sind, warum sollte ein Volk oder ein Nation sie plötzlich weglassen? Was verlangt man von einem Volk, das sich derartig „selbst-entfremdet“ zu verhalten hat?
Die Staatsgrenze definiert das souveräne Staatsgebiet und definiert somit auch die Identität und die Wurzeln eines Volkes. In Online-Foren gab es schon Kommentare wie diese: „meine Vorfahren haben dieses Land nach dem Krieg aufgebaut, ich möchte es jetzt nicht anderen überlassen“ oder „Meine Oma weint jeden Tag, angesichts dieser Bilder und ist total verzweifelt“. Das zeigt, wie tief die Verletzung bei manchen schon geht und dass die Flüchtlingskrise für die Deutschen etwas sehr persönliches ist.

Auch die Politiker eines Staates können nur existieren, wenn sie sich auf ein Staatsgebiet berufen, das ihnen gehört. Die Grenzen definieren das steuerliche und praktische Einflussgebiet, aber auch die Grenzen ihres eigenen Handelns.

Dass Angela Merkel sich jetzt für Deutschland nicht mehr so einsetzt und die Grenzen nicht schützen will, lässt Raum für Spekulationen. Meine Vermutung ist, dass sie wirklich „für Europa“ denkt und meint, ihr würde ganze Europa gehören und die Grenzen sind irgendwo anders zu verteidigen. Sie sieht sich vielleicht gar nicht mehr als die Staatslenkerin Deutschlands, sondern als die Europas. (( Weitere Theorien zum scheinbar widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Vorgehen Angela Merkels muss man in weiteren Artikeln erörtern. ))

Warum ist es so unpopulär die Grenzen zu schützen?

Wenn die Grenzen für die Definition eines Staates, aber auch der Politiker selbst so wichtig sind, warum werden sie so ungerne geschützt? Vor ein paar Jahren hätte ich die Frage noch für absurd gehalten und niemals gedacht, dass man sie stellen muss. Mit dem „gesunden Menschenverstand“ scheint es selbstverständlich, dass Nationen ein Recht zu existieren haben und diese sich mit klaren Grenzen gegeneinander abgrenzen.

Gründe könnten z.B. sein, dass es sehr teuer ist, eine große Grenze zu sichern. Man hat sich schon daran gewöhnt, die Kosten dafür einsparen zu können. Wo erstmal etwas weggestrichen wurde, kann man später nur sehr schlecht wieder was „dranhängen“. Man müsste sich zudem eingestehen, dass man damals bei Einsparungen bei der inneren Sicherheit oder der Bundeswehr (z.B. auch der Abschaffung der Wehrpflicht) Fehler gemacht hat.

Sicherheitsthemen sind in der deutschen Politik sowieso sehr unbeliebt. Stets wurde auf die hohen Militärausgaben „eingedroschen“, globale und nationale Abrüstung propagiert (was sicherlich auch nicht schlecht ist, wenn alle mitmachen) und ein Vergleich mit Sozialabgaben oder Bildung gezogen (deren Etats die Sicherheitsausgaben deutlich übersteigen). Nur mal zum Vergleich : 125 Milliarden für Arbeit und Soziales, aber „nur“ 32 Milliarden für Verteidigung. Das Innenministerium bekommt ca. 6 Milliarden. (Quelle) Und von diesen 6 Milliarden bekommt die Bundespolizei 2,6 Milliarden, das BKA 0,4 Milliarden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerade einmal 0,2 Milliarden. Auch die Investitionen in IT und Netzpolitik erscheinen mit 0,28 Milliarden sehr niedrig. ((alle Angaben beziehen sich auf diese Quelle und sind gerundet ))

Die Einsparungen der letzten Jahre führten zur einer schlechteren finanziellen und materiellen Ausstattung von Sicherheitsorganen und ein maroden Bundeswehr, der aber GLEICHZEITIG immer mehr Aufgaben auf internationaler Ebene zugemutet werden. Kein Wunder, dass da das Dienen an der Waffe so unpopulär ist und sich nicht genügend Nachwuchs findet.
In der Bevölkerung sind Mehrausgaben für Sicherheit nur ganz schlecht „zu verkaufen“. Lieber lässt man sich auf Waffenhandel und Export mit anderen Staaten ein. Man profitiert also weiterhin vom technischen Know-How und der industriellen Stärke des Landes, aber nur unter einem Deckmantel und von kritischen Blicken der Öffentlichkeit abgeschirmt.

Jetzt aber sieht man, dass man das eine oder das andere nicht haben kann. Ohne sicheres Staatsgebiet gibt es keine innere Sicherheit und kein Schutz vor sexuellen Übergriffen- somit wird es auch schwieriger sich wirtschaftlich entfalten zu können und die Freiheit der Einzelnen leidet sehr darunter. Die Rechte von Frauen z.B. werden durch mangelnde Sicherheitsausgaben ganz real bedroht. Diesen Zusammenhang mal so drastisch sehen zu können, ist ziemlich einmalig. Ich kann mich an kein derartiges Ereignis in Deutschland erinnern.

Generell zeichnete sich die Politik der letzten 5-10 Jahre ja dadurch aus, dass viele Investitionen verschlafen oder ganz verschoben wurden. Es wurde zuwenig Geld in die Infrastruktur (Autobahnen, Schienen), zu wenig Geld in den digitalen Wandel (Netzinfrastruktur) oder den sozialen Wohnungsbau investiert. Da jetzt der Druck von außen zunimmt, werden diese verschlafenen Invesitionen noch viel deutlicher. Die Krise der inneren Sicherheit, die mit den Ereignissen von Köln erstmals auf die Spitze getrieben wurden, sind also auch eine direkte Folge einer Sparpolitik und vielleicht auch indirekt eine Folge der Wirtschaftskrise. Da die innere Sicherheit aber zum Markenkern von CDU/CSU gehören, ist zu vermuten, dass sich diese „Einsparungen“ am Tag der Wahl in reale Wahlergebnisse und vor allem in Wahlverlusten offenbaren werden. Die ganze Flüchtlingskrise wird deshalb so groß, weil sich vorher schon strukturelle Krisen angebahnt haben, die jetzt voll durchschlagen.

Für die Politiker und Großkonzerne ist es klar, dass die Grenzen immer weiter nach außen ausgedehnt werden sollen. Eine Vergrößerung des eigenen Herrschaftsgebietes wird meistens mit Macht- und Einflussnahme belohnt. Für die Politiker ist es allerdings eine Zeitenwende, wenn dieses große aufgeblähte Europa nun plötzlich wie ein kaputter Luftballon in sich zusammenfällt und nur noch ein paar Fetzen übrig bleiben. Daher will man das unbedingt vermeiden. Ohne politische Zusammenarbeit und ohne Einigung auf Grundwerte und tatsächliche Verpflichtungen (z.B. Verteilung der Flüchtlinge, finanzielle Mittel, gemeinsamer Grenzschutz) sind die Chancen auf eine Einigung allerdings sehr klein.

Die Grenzen Deutschlands werden nicht verteidigt, weil man noch versucht, die europäischen Grenzen zu schützen. Oder das Problem auf andere delegiert und von sich weghaben möchte. (z.B. mit Hilfe der Türkei)

Sollte die europäische Lösung nicht gelingen, werden wir alle in der Zeit zurückgeworfen und können irgendwo neu anfangen. Vielleicht ohne den Euro, vielleicht ohne Schengen. Vielleicht ohne die osteuropäischen Länder. Es ist eine Entwicklung, über die man durchaus nachdenken kann und die mir realistisch erscheint.

2 Gedanken zu „Grenzenloses Europa“

  1. Grenzen sind wichtig. Keine Frage. Das Bild mit der Haut als Grenze überzeugt. Eine Grenze schützt. Aber gleichzeitig muss sie auch durchlässig sein. Die Kamera, die in China produziert wurde, möchte ich hier in Deutschland kaufen können. Und gerne möchte ich vergleichen können, ob die aus Korea nicht besser ist. Für den Handel sind durchlässige Grenzen wichtig. Auch Informationen aus anderen Teilen der Welt sind wichtig, seien es Ereignisse (911, Fukushima), seien es wissenschaftliche Informationen (Entdeckungen), seien es persönliche Informationen von Freunden, die im Ausland leben. Ich gestehe, ich bin ein Kind Europas und geniesse die offenen Grenzen, genieße mein Recht, mich überall in der EU niederzulassen und in einem großen Raum mit „meiner“ Währung zu zahlen, ohne Umtausch. Das sind Freiheiten, die ich schätze.

    Doch Grenzen gibt es auch in diesem freien Europa. Strenge Vorschriften für Waren, Warenverkehr usw. Sie sind wichtig damit Europa funktioniert. Und dass bei der Sicherheit hier gespart wurde, das hat uns, wie ich finde, Köln gut gezeigt. Doch sind dort nicht Landesgrenzen verletzt worden, sondern die persönliche Grenzen der Frauen. Es sind bestehende Gesetze verletzt worden. Und die, die die Gesetze übertreten haben, müssen verfolgt werden. Dass das nicht funktioniert hat, liegt wohl daran, weil bei der Polizei gespart wurde oder weil die Koordination nicht funktioniert hat. Hier müssen wir ansetzen. Wozu brauchen wir schärfere Gesetze, wenn die existierenden Gesetze nicht durchgesetzt werden können?

    Aber geht es in dem ganzen Drama, das wir gerade erleben, nicht eher um Angst. Angst halte ich für den wichtigeren Begriff zur Zeit. Ich lebe in einem Bezirk, der noch stark von Ausländern geprägt ist. Jden Tag begegne ich Türken, Arabern, Pakistanis, Senegalesen und weiteren Afrikanern und Asiaten. Ich fühle mich hier durchaus sicher. Mein Vater, der auf einem kleinen Dorf lebt mit knapp 100 Haushalten – fast rein deutsch – fühlt sich hingegen nicht so sicher. Ich habe den Eindruck, dass dieser Strom an Flüchtlingen, der sicher eingedämmt werden muss, benutzt wird um Angst zu schüren. Angst vor dem Fremden, der Zukunft, dem Ungewissen. Aus Angst und dem Gefühl der Unsicherheit wird irgendwann blinder, unüberlegter Aktionismus, der mehr schadet als nutzt.

    Ich bin kein Freund der CDU, aber zur Zeit bewundere ich Merkel dafür, dass Sie in einer Zeit, in der alle ängstlich und aufgeschreckt nach Maßnahmen schreien, die Ruhe bewahrt und versucht kühl eine Lösung zu finden.

  2. Hallo Stoha,

    du hast auf jeden Fall Recht, dass die Durchlässigkeit auch zu einer „guten Grenze“ gehört. In vielen Stammtisch-Diskussionen wird ja sehr einseitig argumentiert und man erwartet, schnelle, einfache Lösungen zur Flüchtlingskrise: „Grenzen zu!“ Diese Aufführung zum Thema „Schusswaffen an der Grenze einsetzen“ von Frauke Petry geht ja auch in diese Richtung und bedient den Stammtisch.

    Ich mag auch das offene und freie Europa. Allerdings denke ich auch, dass es sehr bedroht ist und die Politik dringend handeln muss, um weiteren Schaden von der europäischen Idee abzuwenden. Das größte Probleme sehe ich derzeit in der mangelnden Solidarität und dass die meisten „Partnerländer“ meinen, dass die Flüchtlingskrise kein europäisches, sondern ein „German problem“ ist (so wie von Ungarns Staatspräsident geäußert). http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/hungary/11841822/Hungary-Migration-crisis-is-Germanys-problem-not-ours.html
    Diese These steht immer noch im Raum und wurde auch von keinem anderen europäischen Politiker mit Nachdruck oder Empörung verneint. D.h. unbewusst stimmen viele Staatslenker mit dieser Meinung überein. Und solange unsere „Freunde“ sich darauf verlassen, dass Deutschland „das Problem“ lösen wird… sehe ich schwarz für eine gemeinsame, europäische Lösung.

    Auch wenn Angela Merkel da sicherlich sehr standhaft ist und bestimmt auch gute, moralische Absichten hat, denke ich, dass sie scheitern wird. Es wäre für sie schlauer, das schnell einzusehen und ihre Politik anzupassen. Denn ein gewisser Alltags-Pragmatismus gehört ja auch zu einem guten Politiker.

    Angst spielt sicherlich auch eine große Rolle. Danke für das Beispiel. Ich lebe ja auch auf einem Dorf mit wenigen Einwohnern und in Gesprächen hab ich schon gemerkt, dass viele ältere Menschen Ausländern oder Asylanten gegenüber eher kritisch bis ablehnend sind.

    Wenn die eigene Sicherheit bedroht wird, kann man eigentlich nur mit Angst oder Aggression reagieren. Die Medien verstärken diese unguten Gefühle, indem man tagein-tagaus schlechte Meldungen und Hiobsbotschaften ins Haus geliefert bekommt. Wie soll man es da schaffen, abzuschalten oder das ganze nicht an sich ranzulassen? Dazu kommt, wie von dir beschrieben, dass die Migration mittlerweile auch sehr deutlich im Straßenbild wird (zumindest in den Städten).

    Die Angst wird vielleicht auch von den vorherigen Krisen verstärkt und schaukelt sich so richtig auf.
    Flüchtlinge und Asylanten sind eine Projektionsfläche, die für eigene Ängste, aber auch für eigenes Versagen und Misserfolge ein Ventil sind…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Protected with IP Blacklist CloudIP Blacklist Cloud