Gefangen im Netz

Nun, ich sehe die Fakten eindeutig vor mir: Ich werde mein Blog-Karriere aufgeben müssen, denn ich bin nun ein erfolgreiches Mitglied der größten Mafia der Welt.

Links, die Anzeige mit meinen „Live-Besuchern“ des Blogs, auf der rechten Seite der tickende Timer von Mafia Wars, dem beliebten Spiel auf Facebook, bei dem ich mich vor ein paar Tagen wegen einer seltsamen Mischung aus Langeweile und Neugierde registriert habe.

Auf der linken Seite ist Stillstand, manchmal kommt stundenlang kein neuer Besucher auf mein Blog mit den politischen und sozialen Aussagen. Mein Blog, mein geliebtes Blog, das ich so liebe und verehre und dass mir schon viel geholfen hat. Mit dem ich aber nie ein breites Publikum ansprechen oder erreichen konnte.

Auf der rechten Seite ist es ganz anders, da pulsiert das Leben, das echte Leben möchte man meinen. Im geöffneten Facebook-Fenster  prasseln die Freundschaftsanfragen im Minutentakt auf mich ein, ich verwalte meinen virtuellen Avatar und knobel‘ mich durch die abgefahrensten Browser-Spielchen. Auf drei hab ich mich eingelassen, dass muss erstmal reichen, aber im Grunde spiele ich nur „FarmVille“ und „Mafia Wars„. Die Spiele sind von der gleichen Firma, aber sehr unterschiedlich aufgebaut.

In Mafia Wars geht es darum, mit virtuellen Punkten im Wesentlichen „Jobs“ und „Kämpfe“ zu erledigen. Vor allem der Energie-Faktor ist wichtig, weil man hier nur eine begrenzte Menge hat, um Aufgaben zu erfüllen.

Dieser Punktestand (bei mir sind es auf Level 14 gerade mal 40) ist quasi das Guthaben, dass man in Aktionen umsetzen kann, dazu kommt noch der klassische Geldfaktor und der Ausdauer-Balken, der für die Kämpfe wichtig ist (je mehr, desto öfters kann man kämpfen).

Die Story ist schnell erzählt, es gibt eigentlich keine, denn es ist ein Browserspiel. Es gibt nur ein „Setting“, also ein grober Hintergrund, auf dem die Thematik angesiedelt ist. Das meiste muss man sich selbst erzählen und diese Spiele leben auch mehr von der interaktiven Dynamik. Die eigentliche Spiel-Engine ist zum Vergleich zu klassischen PC-Spielen sehr dürr und im Grunde vernachlässigbar.

Hier geht es nicht um Spannungskurven, um technisch und dramaturgisch aufwändige, interaktive Meisterwerke, die mit Kinofilmen Schritt halten können oder sie gar übertreffen.

Nein, die FB-Spiele sind eine Art „Tool“ für den modernen Menschen. Man loggt sich ins FB ein. Man „addet“ neue Freunde, man nimmt virtuelle Geschenke an oder verteilt welche, man klickt sich durch die diversen Jobs und Aufträge. Das virtuelle Geld vermehrt sich, man lernt neue Menschen kennen. Der Kreis ist geschlossen.

FB ist im Grunde ein Betriebssystem im Browser, sehr klein, aber doch mächtig und vor allem auf der Basis von Millionen Nutzern. Nach dieser Meldung zu urteilen, wurde die weltweite 300 Millionen Marke überschritten, dennoch ist es anscheinend schwer, in einen positiven „Cash-Flow“ zu kommen. ((  300 Millionen Nutzer (via http://twitter.com/i_am_fabs ) ))

So wundert es auch nicht, dass man nach kurzer Zeit der Spielerei das eigentliche Geschäftsmodell in Mafia Wars entdeckt: Mit speziellen Bonuspunkten kann man sich zusätzliche Items und Gegenstände kaufen. Diese Bonuspunkte bekommt man aber nur, wenn man Geld bezahlt oder bestimmte (wahrscheinlich meistens kostenpflichtige) Angebote, Gewinnspiele, Umfragen z.B. fürs Mobiltelefon annimmt.

Indirekt ist daraus zu schließen, dass die Spiele absichtlich auf einen Sucht-Faktor ausgelegt sind und die Spiel-Erfahrung bestätigt diesen Verdacht.

Wer andere ständig übertreffen will und sich mit ihnen misst, wird bald in Versuchung kommen, diese Extra- Punkte für echtes Geld zu kaufen (Einstieg in die Spielsucht!) . Wer aber damit umgehen kann, widersteht der Versuchung und spielt nur ab und an und kauft nichts für Geld. Die Spielmechanik und die ständige Werbung und Anfragen, die man mit dem Spiel versenden kann, führt aber zu einer „Massen-Verseuchung“ der Profil-Seiten, vor denen man sich nur schwer schützen kann.

Die eigentliche Spielmechanik ist im Grunde schnell erschöpft (so wundert es auch ein wenig, dass dieses Spiel süchtig machen kann) und mit der Zeit erkennt man einen weiteren, „sozialen Sinn“ im Spiel: Man fängt an, sich für die anderen Mafia-Mitglieder zu interessieren. Um bestimmte Aufträge zu erfüllen, braucht man eine bestimmte Mafia-Größe. Dieser bekommt man nur, wenn man wildfremden Personen Freundschafts- und Mafia Wars Anfragen sendet.

Diese bestätigen das dann im Idealfall und schon füllt sich der Pegel mit der Freundesanzahl. Hin und wieder kommt man in Verlockung, sich die Profile und Fotos der Gegenüber anzuschauen oder zu kommentieren. Vielleicht schickt man auch eine private Nachricht.

Es fällt aber auf, dass die meisten öffentlichen Profile nicht sehr viel Preis geben. Die negative Berichterstattung über solche sozialen Dienste hat wohl schon Früchte getragen und in Regelmäßigkeit tauchen neue Horror-Geschichten auf (vor allem, dass jemand wegen FB seinen Job verliert oder keinen bekommt).

Letztendlich ist es so, dass ich auf der rechten Seite viele Menschen hab, die ich nur wenig kenne. Die linke Seite mit dem Blog ist ganz anders, die linke Seite bin ich, ist meine private Gedanken- und Meinungswelt, nur manchmal garniert mit der Meinung von anderen.

Die rechte Seite ist die Öffentlichkeit, aber auch die Unendlichkeit. Es ist wie ein Bummel durch die Stadt. Man sieht viele Gesichter, manche sehen nett aus, andere nicht. Manche sind langweillig, andere will man näher kennenlernen. In der Stadt hat man wenig Möglichkeiten und vielleicht viele Hemmungen. Im Grunde kann ich auf der rechten Seite dafür sorgen, dass mehr auf die linke Seite kommen und sich mit mir beschäftigen (bzw. ich mit ihnen).

In Facebook kann man sehr einfach eine „private Nachricht“ schicken. Und wer weiß, vielleicht wird aus dem gemeinsamen Spiel ja mal eine gemeinsame Freundschaft? Gemeinsamkeiten haben schon immer Menschen zusammengebracht.

Oder alle gehen wieder ihren Weg und schauen einsam raus in die dunkle, kalte Nacht… in die ständige, dunkle Nacht des Internets.

3 Gedanken zu „Gefangen im Netz“

  1. Hallo Julia,

    dankd für die Beschreibung der Spiele und deren Regeln. Ich bekomme regelmässig Anfragen, auch Mitglied bei eines der genannten Spiele zu werden. Genauso regelmässig lehne ich diese aber auch ab, da ich keinen Sinn darin sehe und ich auch nicht weiß, worum des dabei gehen soll.

    Auch mit Facebook habe ich mich noch nicht so richtig angefreundet, denn es ist mir immer noch etwas Suspekt und in der Bedienung nicht gerade selbsterklärend. Da lobe ich mir twitter, das ist sehr viel einfacher und manchmal auch informativ.

    Liebe Grüße vom Bodensee,

    Michaela

  2. Hallo Michaela,

    ich kann verstehen, dass du auf Mafia Wars und ähnliches keine Lust hast, das geht wohl vielen so.

    Vielleicht wäre es sinnvoll, sich auch andere Vorzüge von FB mal näher anzuschauen, aber bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen, weil die Spiele sich immer in den Vordergrund drängen. Ich habe aber eine Lösung gefunden: Einfach die Freunde in verschiedene Listen einteilen: Enge Freunde, Mafia-Freunde, Verwandte, Bekannte, usw.

    Dann kann man die Reiter durchklicken und bekommt auch wirklich nur die Informationen, die man gerade sehen will. Denn schon ab 60 Mafia Wars „Freunden“ wird das eigene Profil so unübersichtlich, dass FB fast unnutzbar für andere Dinge wird.

    Ich sehe so, dass du hin und wieder interessante Links postest, die kann ich dann viel besser wahrnehmen. 😉

    Viele Grüße aus der (verregneten) Pfalz,

    Julia

  3. Hallo,

    ich hab auch vor einiger Zeit mit Mafia Wars begonnen und das Spiel so weit gespielt, wie das ohne finanzielle Investitionen möglich ist. Das heißt aber, dass ich ziemlich viel Zeit vertrödelt habe, bevor ich den virtuellen Stecker gezogen habe.

    Der Suchtfaktor bei Mafia Wars ist unglaublich – selbst jetzt, noch Wochen nach meinem Ausstieg, spür ich noch den Entzug. Und ich weiß, wovon ich spreche, als Ex-Raucher. 🙂

    http://luxxx.wordpress.com/2010/12/07/mafia-wars-wie-ein-raucher-auf-entzug/

    LG, B.Licht

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