Gedanken zum JMStV – Teil 3

Nur ein einzelnes Gesetz, doch es hat viele Folgen.
Damit ist es auch ein Musterbeispiel für juristische und bürokratische Abläufe in diesem Land.

Was man mit dem JMStV und dessen Neuauflage erreichen wollte:

Mehr Sicherheit für unsere Kinder im Netz

Was man erreicht hat, bzw. erreichen wird:

  • Rechtsunsicherheit bei allen Menschen, die im Netz Inhalte erstellen
  • potentielle Abmahngefahr durch Anwälte, die daraus Profit schlagen wollen > wirtschaftliches Risiko für nicht geschützte Einzelpersonen
  • Schutz für große Nachrichtenseite und Portale (also weiter sexistische Bilder von halbnackten Frauen auf Bild und ähnlichen) mit beträchtlich größeren Besucherzahlen und damit auch mehr „Gefährlichkeit“
  • Verschlechterung der Konkurrenzsituation für „kleine Blogger“ und einzelne Autoren
  • „handwerkliche“ Erleichterung für die Pornoindustrie, vor allem sog. Softpornos (siehe hier oder auch hier)
  • viele Blogs schließen im Voraus > Verlust an Meinungsvielfalt, Offenheit und Transparenz im Netz
  • Zeitlicher Mehr- Aufwand für Recherche über das neue Gesetz und die Folgen
  • Zeitlicher Mehr- Aufwand für die Einbindung von Filtersystemen oder manuellen Sichtung von Inhalten
  • Deutlicher finanzieller Mehraufwand für Jugendschutzbeauftragte oder Mitgliedsbeiträge > die Blogs rechnen sich bald nicht mehr > die Bürokratie frisst die Wirtschaftkraft von Start-Ups und deren Eigeninitiative auf
  • das kann dazu führen, dass Seiten und Inhalte rückwirkend gelöscht werden > Verlust an Meinungsvielfalt
  • bürokratische Hürden für kleine Netz-Firmen und Online-Produzenten, Journalisten > wirtschaftliche Hürden, Verlust an Produktivität
  • der Standort-Vorteil „Deutschland“ verschlechtert sich
  • ein Klima der Angst wird geschürt und vorangetrieben > Verlust an menschlicher Freiheit und Autonomie
  • moralischer Schaden an Leistungsträgern, die freiwillig Inhalte erstellen und ihr Fachwissen unentgeltlich weitergeben
  • Rückzug von Fachkräften und Experten aus einem Land, dass sich zunehmend selbst im Weg steht > Produktivitätsverlust, Fachkräftemangel
  • Abschreckende Wirkung auf ausländische Fachkräfte (zuviel Bürokratie in Deutschland!)
  • kein Schutz für Kinder und Jugendliche, da sie auf ausländischen Seiten oder über Proxies sich weiter gefährdende Inhalte beschaffen können (das Internet ist kein nationaler Raum, sondern ein internationaler)
  • moralische Entlastung für Eltern, sich nicht weiter um ihre Kinder oder deren Medienkompetenz kümmern zu müssen („die Politiker regeln ja alles“)
  • ….

Sehr gute Informationen zu den möglichen Folgen gibt es auch unter diesem Link

http://ak-zensur.de/download/JMStV-Stellungnahme-2010-12-02.pdf

4 Gedanken zu „Gedanken zum JMStV – Teil 3“

  1. Hallo Julia!

    Vielen Dank für die Mühe, die Du Dir mit Deinen Beiträgen zum JMStV gemacht hast. Ich kann mir gut vorstellen, daß Dich dies einiges an Zeit und Kraft gekostet, und die Beschäftigung mit der Materie Dir sicher auch häufig die Zornesröte ins Gesicht getrieben hat.
    Trotzdem ist Dir ein guter Überblick über das Thema gelungen, in dem vieles, was man sich sonst auf dutzenden Seiten zusammensuchen müßte (aber auch einige eigene Anmerkungen!), enthalten ist. Ich hab mir gerade noch mal alle drei Teile der „Gedanken“ durchgelesen, bin auch allen darin enthaltenen Links gefolgt und fühle mich jetzt bestens gerüstet für jedwede Diskussion in dieser Richtung.

    Für einen kurzen Moment war ich irritiert, daß sich in Deinen Links keiner befand, in dem der JMStV positiv erwähnt und seine (vermeintlichen) Vorteile ausführlich dargelegt werden. Aber nach einer kurzen Recherche im Netz bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es so etwas gar nicht gibt, Du es also nicht finden konntest. Keiner der politisch Verantwortlichen scheint sich die Mühe machen zu wollen, sich an der Diskussion im Netz zum JMStV zu beteiligen. Es werden bestenfalls ein paar vage, inhaltsleere Statements abgegeben.
    Dies ist auch ein Zeichen dafür, wie wenig unsere Politiker das Medium, das sie zu regulieren versuchen, überhaupt verstanden haben.

    Das Gezerre um den JMStV zeigt zudem (ähnlich wie bei den Zensur-Bestrebungen im letzten Jahr), wie weit sich die Politik von Teilen der Bevölkerung inzwischen entfernt hat, und mit welcher Ignoranz sie Bedenken der Wähler beiseite schiebt. Was die Politiker hier – glücklicherweise so wunderbar öffentlich begleitet – tun, das tun sie auch in der Sozial-, Energie- und Gesundheitspolitik. Warum sollten sie sich dort anders verhalten?
    Ich frage mich, ob sie nicht merken, wie sehr sie die demokratische Idee damit schädigen, oder ob sie es billigend in Kauf nehmen. Aber vielleicht ist es auch zu weit hergeholt, einen solchen Bogen an dieser Stelle zu schlagen…

    Ich mag es, in Deinem Blog vorbeizuschauen, mich von Deinen Texten zum Nachdenken anregen zu lassen und dann noch ein paar Worte in die Kommentare schreiben zu können. Laß Dich nicht unterkriegen, Julia – und schon gar nicht vom JMStV!!

    Viele Grüße, Yva

  2. @ Hallo Yva: Ich danke dir für dein Bedürfnis nach Information. Sonst hätte ich mich vielleicht nicht so sehr damit beschäftigt. 😉

    Leider bin ich beim Recherchieren wirklich ein wenig wütend geworden.. es ist einfach unfassbar, was man sich damit ausgedacht hat und wohin die Konsequenzen führen könnten.

    Auch bin ich wieder am Überlegen, ob meine erste Einschätzung „erstmal abwarten“ die richtige ist. Letztendlich bleiben nicht viele Möglichkeiten. Ich möchte mein Blog ungern aus solchen Gründen schließen, und ein Umzug auf ausländische Server wäre sehr zeitaufwändig. Unter Umständen verliere ich sogar die Datenbank oder das Backup klappt nicht (ist mir einmal passiert, war sehr ärgerlich).

    Die 4.000 Euro Mitgliedsbeitrag in einem Verein für Jugendschutz kann und will ich mir nicht leisten. Hm, was bleiben also für Möglichkeiten?

    Ich denke, Ende des Jahres muss ich zu einer Schlussfolgerung kommen und ich bin sehr gespannt, wie sich alles entwickelt (bei anderen Bloggern und vor allem bei der Einschätzung von Experten).

    Etwas Positives zum Thema JMStV habe ich tatsächlich nicht finden können. Dass man das Thema Jugendschutz angeht, ist vielleicht etwas Gutes. Nur mal wieder das wie

    Danke für deinen Kommentar und

    Viele Grüße,
    Julia

  3. Hallo Julia!

    Da Dein Blog nicht kommerziell ist, droht Dir keine Abmahnung, falls Du gegen irgendeine der irrsinnigen Vorgaben des JMStV verstößt. Denn eine Abmahnung kann ja nur aus wettbewerbsrechtlichen Gründen erfolgen. Das fällt bei Dir flach – trotz flattr-Buttons. (Natürlich werden geldgierige Abmahnanwälte trotzdem versuchen, nichtkommerzielle Seiten abzumahnen, um sich die Chance darauf, daß jemand aus Angst voreilig zahlt, nicht zu verbauen, aber das muß man dann wohl mit starken Nerven aussitzen – zu einem Gerichtsverfahren kann es da meiner Meinung nach nicht kommen).

    Es bleibt somit zunächst als Risiko für Dich, daß eine der Prüfstellen auf Dein Blog aufmerksam wird und Dir dann auch noch einen Verstoß gegen den JMStV nachweisen kann. Für diesen Fall hast Du aber auf jeden Fall einen Freischuß, kannst die gewünschte Korrektur vornehmen und mußt ein Bußgeld erst dann fürchten, wenn Du wiederholt gegen das Gesetz verstößt.
    Solange aber noch gar nicht klar ist, wie eine Alterskennzeichnung technisch durchzuführen ist, werden diese Prüfstellen nicht aktiv werden können. Denn sie können ja gar keine Anweisung geben, wie Du es hättest richtig machen sollen.

    Für ein Blog wie Deines besteht also meiner Meinung nach noch keine Gefahr und somit auch noch keine Notwendigkeit, um über ein Schließen oder ein Auswandern ins Ausland nachzudenken. Das kann sich zwar im Laufe des Jahres 2011 (insofern der JMStV nicht doch noch kurzfristig in NRW oder Berlin gestoppt wird) ändern, aber dann ist es früh genug, weitere Schritte einzuleiten.

    Zudem glaube ich, daß in dem Augenblick, in dem die ersten Webseiten infolge des JMStV zusammenbrechen (nicht durch voreiliges Schließen, sondern durch Abmahnungen oder Bußgelder), ein gewaltiger Proteststurm losbrechen wird, der dieses unsägliche Gesetz im Nachhinein kippen wird. Und spätestens, wenn die ersten Arbeitsplätze im doch so wichtigen Mittelstand (Webshops, Dienstleister etc.) über den Jordan gehen, bekommen genügend Politiker kalte Füße.

    Ich habe also noch Hoffnung! 🙂

    Viele Grüße, Yva

  4. Hallo Yva,

    danke für deine wertvollen Informationen.
    Ich denke ähnlich wie du und bin froh, dass man das Thema JMStV vielleicht doch eher gelassen angehen kann und sollte.

    Dennoch bleiben bei mir ein paar Zweifel. Denn wenn ich bestimmte Texte richtig gelesen habe, ist es ab 2011 strafbar, Inhalte im Netz anzubieten, die nicht entsprechend gekennzeichnet sind, auch als privater Blogger. Eine komplette Freigabe hat man nur, wenn sich ausschließlich „ab 0 Jahren“ Inhalte auf der Webseite befinden. Und diese Einordnung kann man als Privatperson kaum vernünftig und rechtssicher treffen. Auch alle Tweets und Forenbeiträge sind davon betroffen, da kommt einiges an Mehraufwand auf die Betreiber zu.

    D.h. dass ich um eine entsprechende Durchsicht nicht herumkomme und da noch einige Fragen meinerseits offen stehen.

    Was ist z.B. mit Filmrezensionen über Filme, die erst ab 16 oder 18 sind? Und ab wann ist ein Text jugendgefährdend? Geht die Gefährdung nur von Bildern aus? Ist die normale Besprechung über einen politischen oder gesellschaftlichen Zusammenhang schon gefährlich für die Jugend, weil sie darin erfahren könnten, was alles in unserem Land schiefläuft? Darf ich Schimpfwörter benutzen? Oder muss ich die rausfiltern? Dann könnte ich auch keinen drastischen künstlerischen Text mehr schreiben, der über das klinisch reine hinausgeht. Keine besonderen Songtexte mehr. Nichts.

    Ich finde, der Gesetzgeber schafft sich hier über eine Hintertür geschickt Zugang über die Gedanken und Meinungsfreiheit seiner Bürger.
    Mich ärgert das enorm.

    Es wird auch dazu führen, dass ich meine ursprünglichen Pläne, das J.A. Blog oder meine Autorentätigkeit zu kommerzialisieren, wieder verwerfen muss. Darüberhinaus habe ich als Webdesignerin noch zwei weitere, kommerzielle Seiten und eine weitere Seite mit redaktionellen Inhalten. Für all diese Projekte habe ich nun einen Mehraufwand, der mich sehr ärgert. Zudem sind die Fristen so kurz. Anfang Dezember habe ich das erste Mal von dem neuen Gesetz gehört und jetzt soll ich noch in der Vorweihnachtszeit alles umändern, abändern, neu machen?

    Ich hoffe doch sehr, dass bei den meisten Webmastern an dieser Stelle der zivile Ungehorsam greift und man kollektiv erstmal gar nichts macht. Wo kein Kläger, da kein Richter.
    Zudem habe ich irgendwo gelesen, dass die Stellen des Jugendschutzes schon jetzt maßlos überlastet sind und sich einzelne Kontrollen gar nicht leisten können. Bei der Buchführung und der Betriebsprüfung von kleinen Unternehmen ist es ja ähnlich. Kontrolliert werden im Grunde nur die Großen. Dennoch steht man in Deutschland mit seinem ganzen Gesetzesdschungel immer ein bisschen im Illegalen und das finde ich einfach abschreckend und blöd. Man ist fast gezwungen, die Gesetze anders und lockerer zu interpretieren, als sie eigentlich gedacht sind. Ansonsten würde man zu nichts mehr kommen.

    Also deutet das Ganze auf ein „Pro- Forma“ Gesetz hin, ähnlich wie die Netzsperren und den ganzen Wirbel , den es um „Zensursula“ und ähnliche gab.

    Und bei all der Aufregung wird für die Jugend am wenigsten gemacht. Irgendwie traurig.

    Viele Grüße,
    Julia

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