Ein-einhalb Stunden auf deutschen Straßen

Der Puls rast, das Mobil steht

Es sollte eine kurze Reise werden. Von flachen Land über Mannheim nach Stuttgart, eigentlich ein Klacks, vielleicht etwas mehr als 160 Kilometer. Der Tag begann auch ganz schön, mit gemächlichem Verkehr und viel Platz um uns herum. Spätestens am (inzwischen schön ausgebauten) Kreuz Mannheim zog sich der Verkehr dann zu, es rollte aber noch. Diese Ballungsgebiete sind ja dafür bekannt, dass hier sehr viele Leute aus der Umgebung die Autobahn für Kurzstrecken benutzen (Quellverkehr) und zum normalen Langstrecken- oder Güterverkehr kommen noch wesentlich mehr Autos hinzu, was die Straßen verstopft. Früher konnte man sich auf der Autobahn nach Zeiten richten und es gab vor wenigen Jahren noch die Formel, dass nachts weniger los ist oder der Feierabendverkehr für besonders viel Verkehr sorgt. Auch gab es vor ein paar Jahren, als ich den Führerschein gemacht habe (1997) noch Autobahnen, die sehr frei waren und wo überhaupt niemand gefahren ist. Aber inzwischen scheint sich die Verkehrssituation exponentiell verschlimmert zu haben und wenn man sich das Aufkommen so anschaut, dann muss man ganz einfach sagen: Das Transportmittel Auto ist an seiner oberen Grenze angekommen, wenn es nicht mit diesem deutschen Autobahnnetz inzwischen ganz versagt hat.

Hohe Geschwindigkeiten können überhaupt nicht mehr gefahren werden, es ist ein Wunder, wenn man mal über 180 fahren kann- auf unserer Strecke vielleicht 5 Kilometer lang. Dadurch steht das Auto schon lange nicht mehr in echter Konkurrenz zum Zug, der hohe Geschwindigkeiten viel länger und sicherer halten kann und dabei noch kostengünstiger ist (wäre, wenn die dt. Bahn nicht ständig die Preise erhöhen würde).

Der Rest ist ein sehr enges Fahren mit 200 Metern Abstand zum nächsten Vordermann, eingeklemmt zwischen LKW, die munter überholen, dabei mehrere Spuren dicht machen und natürlich alle anderen Verkehrsrowdys, denen die neuen Strafen für dichtes Auffahren und Nötigung im Straßenverkehr anscheinend noch nicht zu Ohren gekommen sind (mein Tipp: hängt noch ne Null ran, dann wird es wirken). Und die Enge schürt natürlich die Aggressionen, weil sich jeder gegen den anderen abgrenzen möchte, was auf dem Gemeinwohl Autobahn nur sehr schlecht zu realisieren ist.

Der Aufwand des Fahrer beschränkt sich fast ausschließlich darauf, ständig Abstände und Geschwindigkeiten zu kontrollieren, auf plötzlich Einschwenkende Spurwechsler zu reagieren und alle Spiegel ständig im Blick zu haben. Das ist überdurchschnittlich anstrengend und wenn man am Ziel angekommen ist, hat man viel Kraft nur für die Fahrerei aufgebracht. Auch als Beifahrerin habe ich diesen Streß. Ich kontrolliere ständig den Straßenverkehr mit, mache auf Gefahr-Situationen aufmerksam oder bediene das Navigationsgerät. Wenn ich so in mich gehe, merke ich wie hoch mein Adrenalinspiegel ist und wie der Puls rast, in Gedanken fahre ich voll mit. Es gibt sogar Studien darüber, dass die nervliche Belastung für den Beifahrer höher als für den Fahrer selbst ist, was nicht zuletzt dadurch verschuldet ist, dass man die Gefahren zwar sieht, aber nicht wirklich eingreifen kann.

Zur Ruhe kommt man nicht oder nur dann, wenn der Verkehr langsam rollt, was er leider nur selten tut.

Zwei Nadelöhre unserer Reise waren das Kreuz Weinsberg, dass regelmäßig in den Verkehrsnachrichten ist und das beinahe unumgängliche Dreieck Leonberg bei Stuttgart.

Bei Weinsberg ging es gerade noch, aber spätestens beim Dreieck Leonberg hieß es dann: Runter vom Gas, hier geht nichts mehr. Das Tempo verlangsamte sich von 80 auf 50, auf 30, 20 und schließlich war es ganz aus. Stillstand. Stau. Enge. Warten.

Der hochtechnisierte Motor hat nichts zu tun. Das Benzin schwappt gelangweilt im Tank hin und her. Die Insassen, vor allem ich, atmen auf. Endlich, diese himmlische Ruhe. Keine Abriebgeräusche der Winterreifen mehr. Nur noch, abgasgetränkte Luft. Noch nicht mal das Fenster kann man aufmachen. Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und andere Gase kann man spüren, aber nicht riechen. Müdigkeit macht sich breit.

Ich werde schläfrig, kann mich nicht konzentrieren. Will mich wach halten, es geht nicht. Immer wieder prasselt der Regen gegen die Windschutzscheibe, dann wieder ein Sonnenstrahl. Bunte Blätter wehen uns entgegen. Hübsche deutsche Wälder gilt es zu bewundern. Und Ruhe.

40 km Stau. Nach ca. 20 Minuten kommen wir endlich zur 1,5 km entfernten und rettenden Ausfahrt.
Runter auf die Dörfer. Dem Navi blind folgend. Den Knoten umfahren.

Noch ca. 20 Minuten und wir sind endlich am Ziel unserer Reise angekommen. Kälte schlägt uns entgegen.

Nur raus, raus in die Nacht.

2 Gedanken zu „Ein-einhalb Stunden auf deutschen Straßen“

  1. Ich werd mich demnächst dafür einsetzen, dass wir wieder mehr mit dem Zug fahren, denn das gestern war echt nicht mehr schön.

    Eigentlich fahre ich gerne mit dem Auto mit, aber deutsche Autobahnen- und Fahrer sind furchtbar aggressiv, das vertrage ich nur schlecht. Egal ob aktiv oder passiv.

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