Diskriminierung erkennen & verhindern

Diskriminierung ist verboten. Offensichtlich. Und dennoch vergehen keine zwei Tage, ohne wieder und ständig mit diesem Thema konfrontiert zu werden.

Ob das nun die mangelnde Barrierefreiheit im Hamburger Rathaus ist, die Diskriminierung einer transidenten Frau beim Männergespräch auf der Herrentoilette oder die Frau in Ketten ist, die nur unter männlicher Aufsicht ihr Baby bekommen darf. Meine Nachbarblogs sind voll mit diesen Geschichten und wenn man den Horizont noch weiter öffnet, findet man solche neuralgischen Punkte überall.

Aber was heißt Diskriminierung eigentlich? Im strengen Sinne und nach dem lateinischen Wortstamm zu urteilen, nicht viel mehr, als etwas zu trennen.

Darin ist eigentlich noch keine Wertung enthalten. Im strengen juristischen Sinne ist alles, was offensichtlich abwertend und von Nachteil der Betroffenen ist, eine Diskriminierung und es ist gut, dass es inzwischen so viele Gesetze dagegen gibt und auch die Denkweise der Bevölkerung sich dahingehend sensibilisiert hat.

Aber es gibt noch die kleinen Diskriminierungen des Alltags, die nicht so leicht zu definieren und einzufangen, aber doch meist Vorläufer von größeren, negativen Entwicklungen sind.

Da sich Menschen unbewusst nach Normalität sehnen, empfinden sie alles, was sich von dieser selbst gemachten Normalität abrückt, künstlich getrennt. Wir haben uns auch angewöhnt, ständig zu werten, zu bewerten, wir trennen im Kopf und unsere innere Realität gestaltet sich dadurch jeden Tag neu. Wir brauchen auf der einen Seite die Bewertung, aber wenn sie zu viel wird, schadet sie uns.

Und nun ist es nicht verwunderlich, dass es verschiedene Menschen und somit auch ganz verschiedene Mittelpunkte von Universen und Blickwinkel gibt. Was für den einen noch völlig im Rahmen der eigenen Normalität liegt, ist für den anderen schon ein Tabubruch der Extraklasse.

Je nach Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft, Beruf, Nation, Kultur, Religion, usw. haben die Menschen andere Blickwinkel und Ansichten. Es ist also völlig normal und unvermeidlich, dass man sich voneinander trennt, dass die Menschen verschieden sind. Schwierig wird es immer erst dann, wenn man die eigene Perspektive als die einzig richtige ansieht und dann gegen alle anderen von außen verteidigt! Wenn man keine Toleranz und kein Verständnis zeigen kann, sondern sich nur auf den eigenen Standpunkt stützt.

Je größer die Kerngruppe und je kleiner die gehasste Diskriminierungs-Gruppe ist, desto „besser“ und stärker ist dieser Effekt.

Kein Mensch kann aber in allen Gruppen u. Bereichen des Lebens „normal“ sein, immer wird man irgendwo ein Außenseiter sein, nicht dazu gehören. Aber ist das 1. ein Grund traurig darüber zu sein und 2. eine Grundlage, von anderen noch zusätzlich „diskriminiert“ zu werden?

Anscheinend ja, denn die Menschen sehnen sich nach Normalität und Diskriminierung kommt im Alltag häufig vor, obwohl es verboten ist. Was die Menschen denken und fühlen und wie sie vom Gesetz gemaßregelt werden, ist etwas völlig anderes.

Menschliche Gefühle, unbewusste Antriebe und tief-verwurzelte Einsichten kann man nicht einfach per Gesetz von oben regulieren. Es wird zwar immer gemacht und ist politisch oft der einzige Weg. Aber nur weil es z.B. ein Anti- Diskriminierungs-Gesetz gibt, heißt das noch lange nicht, dass nun alles verschwindet, was weh tut.

Im Gegenteil, mancher mag es vielleicht sogar als Ansporn sehen, dagegen zu verstoßen. Je größer ein Verbot ist, desto schöner, sich darüber hinwegzusetzen. Und gehen z.B. die Witze über unfähige Frauen an den Stammtischkneipen dieser Welt nicht am besten?

Kann man sich an einem Frauenabend über etwas besser und schöner aufregen, als die völlig unverständliche, raue und ungehobelte Welt der Männer?

Hier sieht man, dass des einen Diskriminierung auch die Stärke der anderen Gruppen-Identität ist. Nur wo ich andere ausschließen kann, kann ich auch andere für meine Seite gewinnen. Das geht überall, und mit fast allem. Künstlich und gerne zelebriert wird das z.B. beim Sport, wo man die Zugehörigkeit zur Gruppe lautstark und allerlei Symbolik „bewaffnet“ zum Ausdruck bringt und das eigene Zugehörigkeitsgefühl in einem kulturell akzeptablen Rahmen gegossen wird (z.B. Fußball-Fans in einem Stadion). Zugehörigkeit ist anscheinend ein ebenso wichtiger wie unersetzlicher, menschlicher Sinnstifter und da wo ich keine Zugehörigkeit mit etwas empfinde, muss ich eben so lange künstlich trennen, bis ich etwas finde!

Es gibt nun zwei Wege, sich selbst gegen das tägliche Wesen der Diskriminierung zu wehren (zumindest sehe ich momentan nur zwei gute, essentielle Wege):

1.) Was der Dalai Lama im Kern sagt, ist wichtig und ein gutes Vorbild: Wir sind alle Menschen, wir sehnen uns alle nach Glück. Man sollte bei neuen Menschen nicht zuerst fragen „was hat er für eine Anschauung, was für einen Beruf, was denkt er“ sondern sich zuerst auf die grundlegenden Gemeinsamkeiten, also das Mensch-Sein besinnen. So wird am besten die Grundlage für eine gute Diskussion ohne Diskriminierungs-Elemente geschaffen.
Das mag etwas poetisch und weltfremd klingen, ist aber in der Praxis nicht viel mehr als eine geistige Übung, das ständige Werten und Bewerten von anderen (übrigens auch die Bewertung nach Status, Macht, Geld usw. ist eine ausschlaggebende, trennende Bewertung) in sich selbst zu regulieren.

Versucht es: Geht einfach offen und herzlich auf andere zu, überlegt und denkt nicht viel, überwindet euch selbst, seht das Gute im Menschen, den Augenblick, den Kern des Gegenüber, nicht seine Hülle. Bewertet nicht, denkt nicht nur stur logisch, sondern auch mit dem Herzen. Und schon schafft ihr „Verbindung“, das Gegenteil von Diskriminierung.

2.) Verbindung ist ein gutes Stichwort. Es geht im Leben darum, Knotenpunkte und Gemeinsamkeiten mit anderen finden, nicht unbedingt immer nur Trennendes, Abwertendes. Es ist zwar durchaus leichter, Menschen abzuwerten und dann einfach diejenigen heraus zu sortieren, die nicht passen – aber wirklich vorwärts kommt man im Leben nur, wenn man andere auch annimmt, wenn Synergien mit anderen hergestellt werden können. Und da können Extreme und Feindbilder des Alltags durchaus eine gute Praxis-Grundlage sein. Wenn ihr in einer Partnerschaft lebt: Versucht nicht immer eure Gegensätze herauszuarbeiten, sucht die Gemeinsamkeiten! Die anderen Ansichten des Arbeitskollegen, die euch so reizen: Versucht mal zu verstehen, warum er so denkt! Die Linie des politischen Gegners: ist sie wirklich nur schlecht oder warum kam er darauf? Lasst doch einfach mal das sarkastische Lachen und das emotionale Siegestaumeln, die ständige Bedürfnis, besser oder künstlich anders als andere zu sein. Sucht die Gemeinsamkeiten, sucht die Verbindung. Das ist auf die Dauer befriedigender, als sich ständig von allen anderen abzusondern.

Wer gemeinsam lebt und nach diesem Schema durch die Welt stapft, ist zwar selbst nicht gegen jede Form der Diskriminierung geschützt- aber er vermindert zumindest die eigene negative Energie, die von ihm selbst ausgeht- und das ist der beste und schnellste Weg in eine bessere Welt.

Was wir brauchen ist Vertrauen in andere und das geht nur über einen Vertrauensvorschuss, über die richtige Einstellung und mit viel, viel Geduld.

2 Gedanken zu „Diskriminierung erkennen & verhindern“

  1. Hallo Julia,

    das sich Begegnen als Mensch ist, denke ich, ein guter Ansatz um Vorurteilen entgegen zu wirken. Dabei merke ich immer wieder, wie tief manche Vorurteile machmal sitzen und das ich manchmal gar nicht merke, daß ich mit vorgefassten Meinungen einer Person entgegen trete. Ich versuche diesen Vorurteilen entgegen zu wirken, aber leider passiert es dann doch immer wieder. Da ist es manchmal ganz gut, wenn eine gute Freundin mich darauf hinweist.

    Deine Ausführungen über Normalität gefallen mir auch sehr gut. Ich empfinde sie sehr als sehr zutreffend.

    Viele liebe Grüsse,
    Michaela

  2. Hallo Michaela, erstmal danke für das Lob .. aber ich danke dir auch, denn immerhin war dein Artikel ausschlaggebend für meinen eigenen. 🙂

    Das Problem an der Diskriminierung ist, dass man auch immer zuerst schauen muss, wo und wie man andere diskriminiert, denn wenn alle nur auf andere zeigen und den Fehler nie selbst bei sich suchen, kann die Welt gar nicht besser werden.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die Diskriminierung gerade bei Transidenten oft sehr einseitig und ganz klar zu erkennen ist (zumindest die Fälle, die ich selbst, persönlich kenne oder in Blogs usw. gelesen habe).

    Also das Feld der Diskriminierung ist leider sehr groß und ich schätze, ein Artikel alleine wird noch nichts ändern. Mit anderen reden oder bei Diskriminierungen darauf aufmerksam machen (ohne sich selbst zu gefährden) ist ebenfalls sehr wichtig. Denn wie unterscheidet sich ein Gesetz von oben und ein Artikel von oben? Im Kern gar nicht, wichtig ist also auch, dass die Worte irgendwo „ankommen“.

    Was die allgemeine Toleranz gegenüber Transidentität angeht, ist mein Gefühl, dass es die Gruppe der „Außenseiter“ ist, die es am schwierigsten in Deutschland hat (wenn man das überhaupt definieren kann)- was wohl auch daran liegen mag, dass es nur sehr wenige gibt und die „Pro-Stimmen“ daher auch wenig und leise sind.

    Ich hoffe, dass sich die Situation in den nächsten Jahren noch bessern wird! Denn so wie es momentan ist, ist es nicht gut.

    lg, Julia

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