Ausblick in den digitalen Nebel

Skeptischer Blick, Cartoon, Zeichnung

Das neue Jahr, was wird es bringen?

Schon lange habe ich mir überlegt, einen Satz (oder mehrere) zur aktuellen Lage des Blogs zu formulieren, dann aber wieder alle Entwürfe und Ansätze verworfen und es doch nicht geschafft, irgendetwas zu veröffentlichen. Ich hoffe seit Monaten, dass endlich ein inneres Fazit herausfällt, etwas, auf das ich mich mit mir selbst einigen könnte. Etwas, bei dem ich mich sicher und standhaft fühle und das Gefühl entwickeln kann „so muss es sein!“. Erfahrungsgemäß kommt dieser Tag nie, vor allem dann nicht, wenn er vor sich hergeschoben und immer im Unklaren gehalten wird.

Insgesamt hat sich für mich das Bloggen etwas überlebt und ich habe immer weniger Zeit und Lust dafür. Andere Dinge drängen in den Vordergrund, dennoch lässt mich die alte Leidenschaft nie ganz los.
Ich empfinde nicht mehr so stark das Bedürfnis, mich zu äußern und über das Weltgeschehen aufregen zu müssen. Bis es dann wieder Tage gibt, an denen ich das sehr reizvoll finde!

Ich empfinde auch die stille Position – einfach nur zu schauen und zu hören, was andere sagen und denken – als reizvoll und angenehm. Jede Äußerung ist ja auch wieder eine Einmischung in das Weltgeschehen und jeder Versuch, andere mit der eigenen Meinung zu manipulieren oder gar in eine Richtung zu drängen, erscheint mir mit jeden Tag dubioser und zweifelhafter. Dem anderen seine Meinung zu lassen und sich in Toleranz zu üben ist eine Tugend, die man als aktive Bloggerin nur schwer lernen kann. Ein wenig Distanz zu den Dingen ist auf jeden Fall hilfreich.

Meine Erfahrung mit Twitter vor ca. zwei Jahren, hat mir dann schließlich gezeigt, dass ich auch die neue Art der Online-Kommunikation nicht so mag und auf den Hype irgendwie nicht aufspringen kann. Werde ich vielleicht alt.. oder schlimmer noch.. sogar altmodisch, konservativ?

Ich habe außerdem viel über die Art nachgedacht, mit der wir online reden, wie wir uns „vernetzen“, wie es neudeutsch so schön heißt und was es für unsere sozialen Bindungen und Beziehungen ausmacht.

Schließlich hab ich z.B. über das Briefe und Email-Schreiben die alten Werte wieder entdeckt: Dass es eigentlich viel authentischer und schöner ist, mit den Menschen direkt in Verbindung zu stehen, als sich über ein anonymes und computerbasiertes Drittmedium zu unterhalten. (wobei die Email nur eine Vorstufe ist und das letztendliche „ideale Ziel“ nur die reale Kommunikation sein kann). Es ist zwangsläufig so, dass beim Bloggen bestimmte Dinge und Aspekte der Kommunikation unter den Tisch fallen… und andere Sachen wiederum überbetont werden : Der Kopf z.B. und das kritische Denken, aber auch das Zerfasern von Gedanken und Anschauungen, der Streit um Dinge, die eigentlich klar sein sollten, sowie die emotionalen Missverständnisse und Unzulänglichkeiten.

Das Blog hat zweifelsohne seine Berechtigung, wenn es darum geht, „News aufzubereiten“, also längere Gedankengänge zu formulieren, sich über Quellen und andere Webseiten zu informieren und etwas „mit Bestand“ zu erschaffen. Auch Themenblogs finde ich aus diesem Grund immer reizvoller.

Das ist für mich die Basis und der Sinn des Schreibens: Erkenntnisgewinn durch das Schreiben und Lesen, aber auch vor allem durch das Nachdenken beim Schreiben selbst.

Überfordert wird das Blog hingegen, wenn man es als „soziales Medium“ auflädt oder überbewertet, weil es das im Kern nicht ist. Wenn die Maschine aus ist und nichts mehr geschrieben wird, sind auch die Bindungen weg. Wie eine Stromquelle, die vom Netz getrennt wird und keine neuen bunten Bilder und Leuchtideen mehr erzeugt. Ohne Schwingung gibt es keine Resonanz und ohne Resonanzen keine schöne Melodie.

Was mich z.B. wundert ist die Tatsache, dass man im ganzen Internet fast nie Menschen sieht, obwohl doch alle Inhalte von Menschen erzeugt werden. Man sieht kaum Porträts und keine Mimik, kein emotionalen Abgleich mit dem Gesagten. Wir nutzen den Computer mit Begeisterung und werden gleichsam (und fast ohne es zu merken) immer mehr zu Maschinen.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum Seiten wie Facebook so beliebt sind? Weil sie persönliche Nachrichten mit den passenden Bildern untermalen, weil es ein viel stimmigeren Gesamteindruck gibt? Aber zu welchem Preis!

Das gibt es auf der anderen Seite die Gegentendenz und die -von den Medien zu welchen Zwecken auch immer – geschürten Ängste vor dem, „großen schwarzen unbekannten Internet“, das uns eines Tages alle verschlingen wird und nur die ab gekauten Daten-Skelette wieder ausspucken wird.

Das Internet ist die anonyme Cloud, die unsere Gedanken und unsere Persönlichkeitsrechte aufsaugt und den Menschen zur digitalen Einheit und Nummer werden lässt.

Es bietet aber auch Chancen und kann Distanzen und innere Einstellungen überbrücken, vielleicht sogar die Menschen näher bringen.

Es liegt letztendlich und in großem Maße auch an den Menschen, die das Internet mit ihren Gedanken erzeugen, erschaffen und vielleicht eines Tages mit etwas noch besserem ersetzen werden.

Was genau, kann ich heute noch nicht sagen.

2 Gedanken zu „Ausblick in den digitalen Nebel“

  1. Ich mag immer noch blogs, am liebsten, wenn sie von den kleinen und persönlichen Empfindungen und Geschehnissen berichten, so, wie dein Beitrag heute.

    Auch ruhig mal, wenn das Butterbrot wieder auf den Boden gefallen ist, und wie sollte es anders ein, mit der Marmeladenseite nach unten. Dann schaue ich einen Moment in die Luft und denke: Hhm.., Menachem, du bist im Moment auch sehr nervös und angespannt. Du brauchst etwas mehr Ruhe und Distanz.

    Das sind meine kleinen Lebenshelfer.

    Selten, dass ich von den großen Unwuchten im Weltenkreislauf in blogs lese. Außer, ich komme dadurch vom Großen ins Kleine. Nicht das ich desinteressiert daran wäre, aber hilflos. In den kleinen Dingen der täglichen Freude und Ungeschicklichkeiten kann ich evtl. etwas ändern.

    Besonders schätze ich an blogs, dass ich einer größeren Gemeinschaft meine Gedanken zur Überprüfung und Korrektur anbieten kann. In dieser Breite ist es schwer, einen realen Freundeskreis zu haben, mit dem sich differenziert und kreativ streiten lässt. Aber dafür hat ein Freundeskreis ja auch viele andere Vorzüge, die auf blogs z.B. nicht umsetzbar sind.

    Ob mit blogs, mails, schreiben, twittern…. es ist wie mit einem Auto.
    Mit einem Smart fährt man gut in der Stadt, mit einem Jaguar gut auf lange und schöne Reisen und mit einem Transporter kann man gut umziehen. Mit allen komme ich von A nach B, aber jedes ist für einen anderen Zweck konzipiert und transportiert einen anderen Content.

  2. Hallo Menachem,

    Dein Kommentar gefällt mir sehr gut und ich kann dem eigentlich kaum etwas hinzufügen. Außer vielleicht der Tatsache, dass ich eher dazu neige, vom alltäglichen „Kleinen“ ins Große zu geraten, vor allem wenn ich selbst etwas blogge.

    Oft denke ich mir dabei, dass die persönlichen Sachen vielleicht doch zu banal sind und keinen interessieren werden. Also neige ich dazu, die Gedanken möglichst universal anzulegen (das kann zum Abschweifen führen). Erfahre dann aber, dass die persönlichen Dinge auch sehr beliebt sind und vielleicht sogar besser zu den Blogs passen. Ein Blog ist ja anders als im Forum, bei dem immer die Meinung im Vordergrund steht und dann teils heftig gestritten und argumentiert wird. Foren lese ich passiv sehr gerne mit, aber beteilige mich fast nie aktiv, weil ich diesen kalten, anonymen Gegenwind nicht sehr schätze. Ich mag lieber die vertraute Atmosphäre einer kleinen Leserschaft.

    Ein Blog darf und muss persönlich sein und vom Autor/ der Autorin maßgeblich gefärbt sein. Es ist halt der eigene, kleine bescheidende Beitrag zum Weltganzen.

    Letztendlich hängt es von der Stimmung ab, in der man gerade ist. 😉

    viele Grüße, Julia

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