Abgenutzt

Der Mensch ist mehr als nur die Summe seines guten Aussehens.

Er ist auch der Charakter, die Erfahrung, das Wissen und seine Fähigkeiten.

Das Aussehen wird „schlechter“, wenn man älter wird. Die Haut bekommt Risse und Falten, die Hände werden benutzt, die Muskeln und Gelenke nutzen sich ab. Die Organe leisten Höchstleistungen, das Lebenswerk schreitet voran. Das Herz altert, die Lunge hat nicht mehr soviel Volumen, um den Bauch lagert sich Gewicht und Schwermut ab. Im Gehirn gibt es Ablagerungen. Bestimmte Denkschemata wurden überstrapaziert. Es haben sich „Highways“ in den Nervenbahnen gebildet, die der Bequemlichkeit halber immer wieder benutzt werden. Auch geistig ist man nicht mehr „unbeschrieben“, sondern muss einen gewissen Weg immer weiter gehen.

Der Mensch leistet in seinem Leben sehr viel und muss dazu seinen Körper und seinen Kopf benutzen.

Es ist nur logisch, dass sich dieser Körper „abnutzt“ und nicht mehr so hübsch und neu ist, wie er das früher einmal war.

Und doch gehen wir hin und bewerten das „Neue“ als so viel besser und wertvoller als das „Erfahrene“ ?

Für Frauen ist das eine schlimme Sache, weil das Alter höchster Fruchtbarkeit (irgendwo zwischen 18 und 25) auch zeitgleich das Alter ihrer höchsten Attraktivität ist. Die Haut ist glatt und straff. Die Augen ganz weiß, hell und aufgeweckt. Die Haare schön, frei von jeglichem Grau. Die Kurven sind zart und knackig. Alles ist schön.

Wenn „frau“ dann älter wird, zieht die Schwerkraft alles nach unten. „Dellenhaut“ kommt dazu. Aus der schönen weichen Unterhaut wird plötzlich ein Problem. Die attraktiven Brüste beginnen plötzlich zu hängen. Aus den „Lachfalten“ ist eine Sorgenfalte geworden.

Und bitte nicht zuviel wissen!

Wer will schon eine Frau haben, die viel weiß und Erfahrung hat? Als Mutter wird das noch akzeptiert.
Aber bei den anderen Frauen sinkt die Attraktivität, je mehr sie wissen und je „schlauer“ sie gelten. Wer will schon erfahrene, weise Frauen, die viel wissen und alles hinterfragen? Dann würde sich ja in der Gesellschaft etwas ändern und das kann man auf keinen Fall zulassen.

Bei Männern ist das leichter mit dem Altern. Je älter sie werden, desto höher ist ihre Akzeptanz. Macht, Geld und Einfluss steigen stetig. Sie haben sich was aufgebaut. Können jetzt „eine Familie“ ernähren. Sie werden akzeptiert und geduldet. Ihre Statussymbole werden besser, der Gehaltsscheck fällt größer aus und das mit dem Muskelschwund geht nur ganz langsam. Allen Bemühungen zum Trotz hat es die Schönheitsindustrie noch nicht geschafft, den Mann nachhaltig zu verunsichern und ihm seine Hässlichkeit einzureden.

Frauen hingegen, so scheint es mir, werden irgendwann ab einem gewissem Alter „aussortiert“. Keiner redet darüber, keiner wollte es gewesen sein. Aber upps, es ist trotzdem passiert.

Und weil sich die negative Rückmeldung von außen auch irgendwann auf „innen“ übertragen, wollen sich die älteren Frauen auch selbst nicht mehr sehen. Ich sehe auf jeden Fall keine älteren Frauen mehr. Weder auf Facebook, noch auf Instagram, noch in der Einkaufspassage. Überall sind diese jungen Dinger.

Wie sie mich da anglotzen, mit ihren jungen unbeschriebenen Gesichtern auf denen nichts anderes steht, als Naivität und Blödheit.

Nein, ich mag Erfahrung und Weisheit. Je mehr, desto besser!

5 Gedanken zu „Abgenutzt“

  1. Hm, ich habe sehr viel mit älteren Frauen zu tun, aber ich spiele ja auch quasi in einem „Rentnerorchester“ (die meisten dort sind schon in Rente). Und das sind keine Frauen, die sich unterkriegen lassen!
    Und auch ausserhalb dieses Orchesters, diese Frauen stehen voll im Leben trotz aller Gebrechen und Wehwehchen.

  2. Na ja, es wird schon allenthalben geklagt, dass sie etwas älteren Frauen in der Gesellschaft unsichtbar sind. Zumindest im Internet, wie das im real life ist, das weiss ich nicht.

    1. Im Internet bedeutet Alter auf jeden Fall „weniger Aufmerksamkeit“. Es liegt vielleicht an der Welt, die zu sehr auf das Äußere und zu wenig auf das Innere achtet. Das „schöne Innere“ kann man nicht so ohne weiteres sichtbar machen.

  3. Dieser Leistungs- und Konsumzwang ist einfach widerlich! Je älter man wird, desto klarer erkennt man es, weil es in eine Sackgasse führt. Ein gutes Leben wird man mit Leistungs- bzw. Konsumzwang nicht erreichen, ganz im Gegenteil!

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