Virtuelles und Reales

Was mich persönlich am meisten wundert, ist die Tatsache, dass ich momentan „keine Lust“ mehr auf das Bloggen habe. Solche Phasen hatte ich immer mal wieder. Sicherlich es ist nur ein Hobby und man sollte nicht soviel reinlegen- aber es war immer ein wichtiges für mich. Das Blog ist sowas wie eine aufgehübschte und schriftliche Schnittstelle nach draußen. Man braucht viel Selbstbewusstsein, Zeit und Ideen, um es zu machen. Es ist für mich wie ein Spiel, manchmal hab ich Lust drauf, manchmal nicht. Es muss nicht viel bedeuten, wenn ich darauf keine Lust habe. Aber jetzt, im Verblassen dieses Hobbys, ist es für mich leichter zu erkennen, warum ich damals so gerne bloggen wollte. Wie schon oft gesagt, habe ich meine Webseite schon so lange und nie habe ich gezweifelt an dem, was ich tat. Ich sah, wie andere ihre Webseiten löschten und musste innerlich lachen, war aber oft bestürzt und erstaunt. Manche Menschen haben schlecht geurteilt und etwas, dass ich oft gehört habe, war: „Ach ich habe jetzt ein richtiges Leben, ich brauche die Webseite nicht mehr“. „Ich habe echte Freunde, was brauche ich das virtuelle Leben?“

Ja, wozu braucht man das virtuelle Leben eigentlich? Wenn es doch ein „echtes“ gibt? Aber ist die Trennung zwischen virtuellen und realem Leben überhaupt zulässig? Wenn diesen Text jemand liest, weiß ich, er oder sie ist real. Er oder sie liest, versteht die Zeilen und ordnet sie im Gehirn neu ein. ich verändere also durch meinen Text die Gedanken und somit den Menschen, irgendwo anders auf der Welt.

Das ist real! Das passiert, auch wenn die Rückmeldung vielleicht nicht so stark und unmittelbar wie im „echten Leben“ ist, wenn ich sehe, wie sich jemand gelangweilt abwendet, die Nase rümpft oder fröhlich über meinen Witz lacht, den ich gerade gemacht habe.

Ich mache mir Gedanken- das ist real
Ich bringe jemand anders auf der Welt zum Denken- das ist real
Ich denke nach und ordne meine Gedanken- das ist real
Ich lese bei anderen und äußere meine Meinung – das ist real

Was ist also an Blogs nicht real? Mir scheint diese Trennung ist eine künstliche und basiert meistens auf der Angst, die die Menschen vor neuen Medien, vor allem dem Internet haben.

Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr im realen Leben mache, nur weil ich nicht mehr blogge. Das Motto „ich unterdrücke das eine und erhalte Energie für das andere“ funktioniert beim Bloggen nicht. Es ist eher so, dass ich mich schlechter fühle, wenn ich nicht mehr öffentlich über mein Leben reflektiere. Ich reflektiere viel für mich selbst, aber ohne das Blog fehlt mir das Gefühl, dass sich andere auch Gedanken machen. Obwohl es nur virtuell ist, hat es mir oft geholfen- es hat den Druck verstärkt, aber auch die Geborgenheit. Mein Blog hat mir oft einen Sinn gegeben, in dem was ich tat. Dass meine Gedanken auch für andere einen Sinn haben. Dass meine Recherche und meine Links anderen zugänglich gemacht werden. Dass ich meine absurden Gedanken zur Schau stellen kann und mich niemand dafür verurteilen wird. Es war ein Nervenkitzel, eine grandiose Bühnenshow- und jetzt? Wächst nur noch Gras über die Geschichte und die Bretter der Welt wird man für vernünftigere Dinge, wie z.B. große Schlachtschiffe, verwenden.

Eine große Traurigkeit hat sich in meinem Leben breit gemacht. Eine große, tiefe, einsame und starke Traurigkeit.

Oft sehe ich andere Blogs und merke, wie sie mir nichts mehr bedeuten. Ich sehe die Nachrichten auf Twitter reintröpfeln- aber ich habe kein Bezug zu ihnen. Wie auch, ohne Phantasie und Lust darauf? Was ist das Blog, was ist das Schreiben ohne Eingebundensein und ohne Phantasie?

Bloggen ist gelebte Kreativität und der Wunsch, anderen das eigene Leben nahezubringen. Indem man das eigene Leben mit neuen Farben und verständlich ausmalt, ist es leichter zu transportieren- es wird aber auch für einen selbst farbiger, schöner und bunter. Bloggen ist ein nie enden wollendes Kunstwerk.

Letztendlich ist es aber nur eine Illusion. Wie so vieles im Leben. Bloggen ist wie Träumen- nur das andere mitträumen können.

Über das Bloggen selbst nachzudenken ist so gehaltvoll und auch unendlich, weil es die Frage nach dem „Sinn“, der Philosophie des eigenen Lebens des Blogger ist. Es kommt ungefähr dem gleich, wenn sich Philosophen auf dem Marktplatz treffen und über den Sinn der Sonne und der Blumen diskutieren, die sie gerade betrachten.

Es ist völlig ohne Sinn, ohne Richtung- es ist einfach da.

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