Wahl in den USA

Gestern abend habe ich mir noch diverse Sondersendungen im TV über die Wahl in den USA angeschaut. Schon seit längerer Zeit kommen im Fernsehen darüber viele Berichte und auch die Online-Medien sind voll mit Berichterstattungen. (z.B. diese oder diese) Der Grund-Tenor ist eigentlich immer gleich: Trump ist der irre Populist, den sowieso keiner ernst nehmen kann und Hillary Clinton die verbissene Musterschülerin, die bestimmt alles weiß, aber irgendwie keine Sympathie bekommt (ein Problem vieler mächtiger und intelligenter Frauen). Vor allem in den Biografien der einzelnen Präsidentschaftskandidaten wurde das nochmal ziemlich deutlich, wie sehr sich beide unterscheiden.

Trump ist eher jemand, der sich mit Ellenbogen und Skrupellosigkeit, mit Betrügereien und Egoismus durchgesetzt hat- wohingegen Clinton mehr auf Aufstieg durch Bildung, Heirat eines erfolgreichen Ehemanns und gute Kontakte in die Politiker-und Machtebene der USA gesetzt hat.

Und weil ja „Trump keiner ernst nehmen kann“ und er bei den Deutschen (und Europäern) sowieso recht unbebliebt ist, habe ich mir dann die „lange Wahlnacht“ weder bei ARD noch ZDF angetan und bin zeitig schlafen gegangen. Ich hatte noch überlegt, ob ich Wetten auf Hillary Clinton abschließen sollte, so sicher war ich gestern abend, dass sie gewinnt. Die Umfragen vor der Wahl sprachen eine eindeutige Sprache, sie lag klar vor Trump. Auch das fiese Hereingrätschen des FBI kurz vor der Wahl sollte sie nicht mehr vom Sockel holen, so dachte ich mir. Die Intelligenz, die Moral, die Erfahrung und die weibliche Ausstrahlung einer sympathischen Kandidatin wird das Rennen klar gewinnen, so dachte ich mir gestern abend noch. Es kann gar nicht anders sein. Wenn es anders kommt, dann muss die Welt in einer schweren Krise sein. Aber nicht nur in einer wirtschaftlichen, finanziellen oder „Globalisierten Krise“, sondern in einer echten moralischen, menschlichen Krise. Wenn dieser Hetzer gegen Minderheiten, gegen Frauen, derjenige, der eine Mauer bauen möchte und auf offener Bühne seinen Steuerbetrug zugibt und damit droht „er könne jemand erschießen, ohne dafür belangt zu werden“, die Wahl gewinnt, weil er für „offen und ehrlicher“ gehalten wird… dann würde mein Weltbild schwer erschüttert und enttäuscht werden.

Und als ich heute morgen aufgewacht bin, war der erste Griff zum Smartphone und den aktuellen News… und mein Weltbild wurde schwer erschüttert.

Was soll man zu diesem Ergebnis sagen? Freuen kann ich mich bestimmt nicht. Da es nicht „meine Wahl“ in „meinem Land“ ist, traue ich mich bei den USA-Wahlen viel eher zu einer klaren Meinung. Diesmal ist es doch viel zu leicht. Wie kann jemand wie Trump gewinnen?

Bei einer sehr interessanten Reportage wurde vor ein paar Tagen die Situation ehemaliger Stahlarbeiter in den ländlichen Staaten der USA beleuchtet. Bis dahin war mir z.B. überhaupt nicht klar, wie schlimm die Stahlkrise die USA getroffen hat. Dass in den USA schon länger nicht mehr soviel Autos produziert werden, wie z.B. in den 80er und 90er Jahren, das wusste ich irgendwie. Da gab es auch immer mal wieder Hinweise in den Online-Medien, der Rest des wirtschaftlichen Wandels wurde aber nur selten beleuchtet.

Und dann sitzen da dickbäuchige, weiße Männer mit Tattoos aus der unteren Mittelschicht auf ihren Harleys und klagen darüber, dass sich früher die „harte Arbeit“ im Stahlwerk gelohnt hat, dass das jetzt aber kein Leben mehr sei. Entweder sie bekommen so etwas wie Sozialhilfe oder sie haben viel schlechter bezahlte, prekäre Jobs. Und sie glauben tatsächlich an diese alten Zeiten und dass es jemand wie Trump schaffen kann, die Zeit wieder zurück zu drehen und ihnen die Industrialisierung der 70er Jahre zurückbringen kann. Sie glauben, dass jemand, der sein Leben lang immer nur an sich gedacht hat, plötzlich seine soziale Ader entdeckt und ihnen Aufstieg, Wohlstand und Erfolg schenken wird?

Von diesen abgehängten, weißen Männern scheint es eine Menge zu geben, denn Trump konnte selten wie nie mobilisieren. Trump hat eine Begeisterung geweckt, aber der Funke ist bei Clinton nie so recht über gesprungen. Ihr fehlt eine gewisse „Leidenschaftlichkeit“, die für den amerikanischen Präsidentenwahlkampf so wichtig ist. Diese Wahl war vom Fernsehen, von Gefühlen und gefälschten Bildern (teils offenen Lügen) geprägter als je zuvor. Man kann wirklich an der Intelligenz der Menschen zweifeln, wenn es weiterhin in diese Richtung gehen sollte!

Die Männer der unteren Mittelschicht tragen dann T-Shirts auf denen sowas wie „Clinton in jail“ oder andere harte Parolen stehen. Clinton wird generell viel weniger gemocht, sie steht für die abgehobene „Politikerkaste“, der immer weniger vertraut wird. Und dass sie ein Frau ist, das spielt unbewusst bestimmt auch eine Rolle. Wie soll eine Frau von der Uni die Belange der weißen, ungebildeten, männlichen Arbeiter verstehen? Das kann natürlich ein Mann von der Uni, der einen reichen Vater hatte (eine Million Startkapital) und auf einer privaten Miltärakademie ausgebildet wurde, natürlich viel besser…. In Sport war Trump gut, dort hatte er die ersten Erfolge, aber als es um die Einberufung in den Vietnam-Krieg ging, da konnte er sich irgendwie untauglich schreiben lassen

In einer anderen Einstellung werden Waffennarren gezeigt, die von einem ehemaligen Colonel ausgebildet werden und natürlich alle für Trump sind, weil Clinton ihnen ja die Waffen wegnehmen möchte. An der Stelle wird es sehr schwierig, sich als Deutsche in die Amerikaner hinein zu versetzen, weil wir hier ein völlig anderes Verständnis für „Waffenkultur“ und Gewalt im Allgemeinen haben.

In dieser Wahl konnte sich das liberale Amerika, das man meistens in den Städten und an der Küste findet, nicht richtig durchsetzen.

So beschreibt es auch Martin Schulz in diesem interessanten Video .

Man muss jetzt noch viel intensiver auf die Ursachen schauen. Wenn nicht der „Brexit“ schon ein Weckruf war, dann ist es dieser Wahlausgang in jedem Falle. Die westliche Welt fängt an, in der Mitte auseinander zu brechen und ihre moralische und demokratische Grundlage zu verlieren. Dies ist höchst gefährlich, weil am Ende des Weges nur Scherben und Unglück stehen können.

Welche Entwicklungen führen dazu, dass sich Menschen für Populisten entscheiden? Dass eher dem Hass und dem harten Ruck die Stimme gegeben wird, aber nicht der abgeklärten Sachpolitik, die im tatsächlichen Politikalltag vermutlich besser zurechtkommen würde?

Denn wirtschaftlichen Wandel und das Entstehen von „abgehängten Klassen“, die einen Hass auf Politiker bekommen und sich radikal entscheiden, gibt es im Moment leider überall.