Integration oder Segregation?

Die Themen „Köln HBF, Übergriffe, Sexuelle Belästigung“ und die „Flüchtlingsdebatte“ sind mal wieder stark in den Medien. Seit letztes Jahr hab ich das Gefühl, dass zunehmend alle andere Themen aus den Medien verdrängt werden, was mich ein wenig wundert, aber auch ärgert. Es gibt soviele andere Themen, die wichtig sind, aber es schaffen immer nur die emotionalsten in die Medien und halten sich dort. Warum berichtet keiner darüber, wie unser Land wirtschaftlich neu aufgestellt werden kann, wo man demnächst Geld investieren möchte, wie die Entwicklungsprogramme für die Zukunft aussehen und wie man Herausforderungen wie dem Klimawandel begegnen möchte? Stattdessen reagiert die europäische Politik wieder nur und lässt sich von den Ereignissen auf der Welt treiben, anstatt sie aktiv und mit einer politischen Vision beseelt zu gestalten.

Ich habe sehr viele Artikel und Meinungen zu diesem Thema gelesen und wie immer gibt es einen bunten Strauß an Meinungen und unterschiedlicher Auffassungen. Die Emotionen und der Stil ist gewohnt rau und ich habe im Moment leider nicht die Zeit, alle Artikel einzeln zu verlinken oder aufzuzählen, es sind einfach schon zuviele.

Viele Menschen, viele Meinungen

Daher versuche ich mit ganzen wenigen Worten die Quintessenz aller Debatten und Erkenntnisse, aber auch aller Meinungen zusammenzufassen:

Es gibt anscheinend sehr viele Menschen, die sich aufregen und nun generell auf „die Ausländer“ und „die Flüchtlinge“ schimpfen. Es gibt Leute, die sich nun über sexuelle Belästigung aufregen, aber das nur tun, weil es ihrem Rassissmus dient und bei anderen Events, z.B. dem Oktoberfest, darüber hinwegsehen. Es gibt rechte Gruppen wie Pegida, die sich nun regelrecht freuen und mit stolzer Brust bestätigt sehen (aber das Problem deswegen auch noch nicht gelöst haben). Es gibt offenen Rassismus und sehr viel Hass. Es gibt empörte Menschen, die nicht frei von Vorurteilen kommentieren und die Kommentarseiten der Online-Medien vollschreiben.

Dann gibt es aber auch andere Menschen, z.B. Feministinnen, die sich normalerweise sehr über sexuelle Belästigung aufregen, aber nun anscheinend große Schwierigkeiten haben, den Zorn auf die richtige Gruppe zu lenken, WEIL die Gruppe nicht ihrem üblichen Feindbild entspricht und das ganze dem links-grünen Ideologie der „Gutmenschen“ und der „Refugees Welcome“-Logik widerspricht. Dann gibt es Feministinnen wie Alice Schwarzer, die einen klugen und ausgewogenen Artikel geschrieben hat. ((Der Artikel kann aber trotzdem nicht alle Meinungen abbilden ))

Es gibt eine Polizei, die mal wieder überfordert ist und staatliche Behörden, die eher mit „lustigen Tipps“ wie „eine Armlänge Abstand zu Fremden halten“ unfreiwillig komisch auffallen und die Verwunderung über die aktuelle Debatte nur in die Höhe treiben. Dann gibt es Zivilpolizistinnen in Köln, die ebenfalls sexuell belästigt wurden (!) und eine Polizei-Presse, die anschließend beschönigend von einem „friedlichen und schönen Silvesterfest“ spricht.

Was war in Köln an Silvester anders?

Was für mich das entscheidene an der ganzen Situation ist, dass diese Sache mit den Belästigungen kein Einzelfall war. Das „Besondere“ daran ist das organisierte Vorgehen sovieler Männer und die Tatsache, dass die gleichen Verbrechen in mehreren deutschen Städten passiert sind. Und dass die Gruppe in Köln aus 1000(!) Männern bestand, die den einzelnen Straftaten durch aktive und passive Mithilfe begünstigt haben.
So ein Vorgehen bedarf einer ausgeklügelten Organisation und gemeinsamer Absprache. Es ist etwas verwunderlich, warum so eine groß angelegte Aktion keinem Geheimdienst und keiner Polizeistelle aufgefallen ist und das ganze vier Tage brauchte, bis es in die Medien kam. Wenn die einzelnen betroffenen Frauen keine Anzeige geschrieben hätte, wäre das ganze vielleicht ganz unter den Stuhl gefallen?

Was dort passiert ist, empfinde ich als eine Riesenfrechheit und einen frontalen Angriff auf unsere freie, offene und friedliche Gesellschaft. Es ist ein Angriff auf unsere Grundwerte, auf unsere sexuelle Freiheit, auf die Gleichstellung von Mann und Frau und es ist ein Schlag ins Gesicht für unsere friedliche, auf „Bürgerkommunikation“ und „Deeskalation“ angelegte Polizei, die von bestimmten Personengruppen nicht ernst genommen und respektiert wird.

Terror gegen die Bevölkerung

Somit ist dieser Vorgang von Silvester in seiner inneren Bedeutung gewissermaßen mit Terroranschlägen gleichzusetzen, z.B. die Anschläge auf die französische Satire-Zeitung Charlie Hebdo. Gestern kam in Arte nochmal eine sehr gute Dokumentation über diese Vorgänge.  Dabei wurde auch herausgestellt, dass es bei diesem Anschlag ein bestimmtes moralisches Ziel gab und das Ziel war eben das höchste der demokratischen Errungenschaften: Die Möglichkeit, sich offen und blasphemisch äußern zu können.
Bei den Anschlägen, die im November 2015 erfolgten, war es im Grunde noch schlimmer, weil hier wahllos auf die Freiheit der Menschen gezielt wurde und jeder, der seine Freizeit mit Sport (Fußballstadion), Café, Kneipe oder Konzertbesuch verbringen wollte, Opfer des gemeinen und hinterhältigen Massenmordes wurde.

Und in Köln? Hier wurde die Freiheit junger Frauen angegriffen, sich zu kleiden, wie sie möchten, sich zu bewegen, wo sie möchten, und sich zu jeder Uhrzeit an jedem Ort zu bewegen. Wenn nun besorgte Mütter und Väter nur einem Prozent ihrer Töchter in Deutschland verbieten, zu bestimmten Uhrzeiten an bestimmten Plätzen zu sein, weil hier eine arabische, ausländische (oder einfach männer-dominierte) No-Go Area herrscht, haben die „Terroristen“ schon gewonnen.

Freiheit ist nicht umsonst

Das ist der eigentliche Angriff auf unser Land und das besondere ist die Dimension und das Ausmaß. Wenn nun ein einzelner weißer Mann eine einzelne weiße Frau auf dem Müncher Oktoberfest belästigt und diese statt dem Minirock in Zukunft eine Jeans trägt, ist das ebenso tragisch. Es ist im Grunde auch zu vergleichen. Denn die Freiheiten, auf die wir in unserer westlichen Demokratie so stolz sind, müssen immer und überall verteidigt werden. Ein massiver Angriff auf die Freiheit erfordert aber auch eine massive Antwort, sonst werden wir überrannt und nicht mehr wahrgenommen. Hier ist eine Stelle, an der man sich empören darf und muss! (( Aber bei aller Empörung darf man nicht die Falschen treffen und auch nicht die falschen Mittel wählen. Jede Empörung erfordert auch ein gutes Maß an Selbst-Reflektion und Ausgewogenheit. ))

Da unser Land durch den großen Flüchtlingsandrang und die offenen Grenzen nun jedem geöffnet wird, ist es auch erstmal schutzlos und angreifbar. Es ist eigentlich nur völlig konsequent und logisch, dass so etwas wie in Köln passieren muss. Durch unterschiedliche Menschen, Religionen und Ethnien entstehen unterschiedliche Systeme, die aufeinander prallen. Warum sollte es anders sein? Wir sind alles Menschen, haben Hunger und Durst, wollen glücklich sein und gute Erfahrungen sammeln. Dennoch machen wir unterschiedliche Erfahrungen und haben unterschiedliche, psychologische und materielle Voraussetzungen. Die Flüchtlinge und Immigranten können nicht einfach ihre Weltanschauungen und ihre negativen Erfahrungen ablegen wie einen Straßenschuh an der Eingangstür. Diese Prozesse an die Gewöhnung unserer (so wie wir glauben überlegenen) Weltanschauung brauchen Zeit. Es muss „Integrationsarbeit“ geleistet werden und ein starker Rechtsstaat muss sich auch durch eine starke, solide aufgestellte Polizei und eine konsequente Justiz verteidigen und behaupten können. Was aber machen wir, wenn unser offenes Selbstbild und unsere Freiheit nicht jeden überzeugen kann? Dann haben wir ein Problem. Und die Vorgänge in Köln zeigen, dass man Freiheit und Liberalität auch anders interpretieren kann: Als Schwäche und Dummheit.

Die Ereignisse von Köln sind erschreckend und schlimm. Sie sind aber auch eine Warnung an alle Politiker und Verantwortlichen, was passieren kann, wenn man sich den Problemen mit der Zuwanderung nicht wirklich annimmt und dafür keine tragfähigen Lösungen erarbeitet. „Integration“ klingt auf dem Papier toll, in der Praxis können die Schwierigkeit viel größer sein, als man zuerst vermutet hat.

Für die Zivilgesellschaft und die einzelnen Bürger ist es eine ebenso große Herausforderung, weil wir lernen müssen, für unsere Freiheit und unsere Rechte ganz persönlich einzustehen. Ohne der Versuchung des plumpen Rassismus oder des Fachismus zu erliegen.
Die Gegensätze unterschiedlicher Weltanschauungen, Erziehungsmodellen und Religionen rücken durch die Globalisierung näher zusammen und Grenzen werden buchstäblich übertreten. Wenn wir uns nach außen nicht abgrenzen oder schützen können, wenn wir innere Freiheit und Toleranz durch Willkommenskultur üben wollen, müssen wir die Grenzen und das „Stop“ eben auf anderer Ebene und in anderer Weise signalisieren. Aber es muss signalisiert werden. Die Arbeit nimmt einen keiner ab.

 

Anmerkung

Der Begriff Segregation erklärt, als Gegenteil für Integration finde ich es nicht ganz passend.
Des-Integration oder Separierung würde noch passen.
Hier gibt es eine Diskussion dazu. http://www.gutefrage.net/frage/gegenteil-von-integration