Die Deutschen werden dümmer..

Die Nachdenkseiten schreiben mal wieder sehr kritisch und ausführlich über das Bildungsproblem in Deutschland.

Der Artikel ist so gut, dass man ihm kaum etwas dazu fügen kann. Ich frage mich nur – abseits der Zahlen – warum das Thema Bildung gerade in Deutschland so vernachlässigt wird? Was ist passiert mit dem Land der Dichter und Denker? Der Pisa-Schock war ein erster Warnschuss, aber meistens kommt es schlimmer und zweitens als man denkt.

Folgt nach einer kurzen kulturellen Blütezeit nun ein erneuter Abschwung? Wird man uns eines Tages mit Entwicklungs-Ländern in einem Atemzug nennen? Wir haben vergessen, ins Humankapital ((Der Begriff „Humankapital“ ist eine Zusammenfassung von menschlichen Fähigkeiten mit ökonomischen Maßstäben, daher etwas einseitig und ungenau. Das wird auf den Nachdenkseiten nochmal extra erklärt)) zu investieren, weil wir keine Fachkräfte mehr haben, weil keiner mehr Arzt auf dem Land werden will, weil die Gesellschaft emotional kalt geworden ist.

Warum kann man mit mächtigen Atomkonzernen über Nacht Kompromisse aushandeln, aber warum gelingt es nicht, ein paar Millionen zusätzlich in den Bildungsbereich zu stecken? Warum hängen wichtige Struktur- und Bildungsreformen soweit hinterher? Den Kommunen wird der Hals zugedreht, dabei sind sie es, die maßgeblichen Einfluss auf soziale und kulturelle Projekte „vor Ort“ haben.

Warum haben Leute wie Sarrazin, die Bildung und Intelligenz als etwas „erbliches“ auffassen Hochkonjunktur? Ich denke, man kann sich eine homogene, gleich gebildete und gleich gewichtete Gesellschaft einfach nicht vorstellen. Ohne die Armen und Dummen würde uns viel fehlen: Ein lenkbares Volk, Arbeitskräfte, die man ausbeuten kann.. und wir bekämen stattdessen Menschen, die mitdenken und aufbegehren, Menschen die sich wehren, Menschen die uns auf Augenhöhe begegnen.

Dabei ist gute Bildung so etwas wie ein Menschenrecht, schützt maßgeblich vor Krankheit und Armut. Wer sich selbst schützen kann, braucht die kollektiv gefütterten Systeme nicht mehr.

Wer ein gutes Bildungsfundament in seinem Leben erhalten hat, kann sein ganzes Leben davon profitieren. Bildung bedeutet die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur kritischen Meinungsäußerung und zur Selbstreflektion. Gute Bildung stärkt die Persönlichkeit und das Selbstvertrauen (neben dem produktiven, gesamt-wirtschaftlichen Effekt). Wir sind nicht mehr gezwungen, dem Nächstbesten zu glauben, sondern erhalten uns mit dem kritischen Geist die eigene Autonomie. Für Frauen kann Bildung aber auch Einsamkeit bedeuten, weil kaum ein Mann eine schlauere Frau „erträgt“.  ((das ist eine etwas umstrittene Aussage, die ich hier näher erkläre: https://www.ja-blog.de/2010/09/einsamkeit-im-alter/ )) Aber dennoch ist das Gefühl, etwas selbst verstanden zu haben, durch nichts zu ersetzen und steht letztendlich über allem.

Bildung ist aber nicht nur Schulbildung oder ein Hochschulstudium. Bildung ist vielmehr eine Einstellung, an der man lebenslang feilen und arbeiten kann. „Lebenslanges Lernen“  ist für jeden Menschen essentiell wichtig, egal ob im praktischen oder theoretischen Bereich. Wer nicht mehr lernen kann, ist geistig tot.

Schade, dass in Deutschland, dem Land der Autobauer und Ingenieure so wenig Wert auf die richtige Bildung gelegt wird und dass man die sozialen Unterschiede derzeit eher ausbaut, als ausgleicht.