Die perfekte Hülle und ein bitterer Nachgeschmack

Ein kleiner Mövenzaan, allein in weiter Flur

Die Topmodels- Virtuelle Seelen-Medizin

Gestern kam es also, das Finale, auf dass wir alle „so lange gewartet haben“. Der krönende kurze, werbeverseuchte Pieks in der gigantischen Medien-Seifenblase GNTM. (Germanys Next Topmodel).

Man merkt der Sendung an, dass so langsam die Ideen ausgehen, denn die vierte Staffel war mitsamt dem Ende der dritten Staffel sehr ähnlich.

So wundert es auch nicht, dass ich fast alle anfänglichen Folgen geschaut habe und nur bei den letzten drei welche weggelassen habe, auch das Finale habe ich nur mit einem Augenwinkel gesehen- denn auf dem anderen Kanal lief mal wieder Star Trek: verlockender! Nur die Enthüllung der Gekürten tat ich mir in einer Werbepause an.

Die Reaktionen der Zuschauer war im Verlauf der Staffel ähnlich, doch merkte ich diesmal besonders über Twitter, wie gehässig und abfällig Menschen sein können. Man mag es nicht glauben, aber die Welt ist nunmal nicht voller Liebe und Mitgefühl, sondern durchtränkt von Hass, Eifersucht und niederen Gefühlen. Die allseits grinsende Heidi Klum scheint diesen Hass ganz besonders auf sich zu ziehen. Zu erfolgreich ihr Leben, zu hübsch ihr Gesicht, zuviele Kinder, ein perfekter Ehemann, keine Skandale, zu perfekt ihr Auftreten, zu hoch ihr vermuteter Kontostand, zu ideal ihre Zähne, zu utopisch und perfekt für den Durschnitts-Deutschen. Eine weibliche Göttin auf High Heels, möchte man meinen. Und doch Sinnbild für ein heimliches Ideal von so vielen.

Ähnlich ihre Mädchen, die zuerst etwas verschüchtert, wie typische Schulmädchen wirken und mit der Zeit immer professioneller und ausgebildeter werden. Man merkt, wie sie Erfahrung bekommen und selbstsicher werden. Die Eltern daheim, besonders weibliche Personen, werden ins Träumen kommen, wenn sie sehen, was „ihre Tochter“ da aus sich macht, vielleicht auch ein wenig Neid entwickeln. Andere Mädchen werden sie bewundern und Jungs in ihrem Alter bekommen den Mund sowieso vor Staunen nicht mehr zu. Nur Feministinnen, ältere Männer und solche, die vielleicht schon zwanzig Jahre verheiratet sind, stehen darüber und schauen lieber das literarische Quartett. Für sie hat die Sendung keine Relevanz.
Der echte Jäger zeigt erst da die wahre Größe, wo er aufs Jagen verzichtet und stattdessen Fleisch aus der Dose schaufelt.

Und so fiel mir diesmal über Twitter auf, dass es eine völlig neue Gruppe von Zuschauern gibt, eine Klientel, von der ich eigentlich dachte, dass sie mit dem Untergang des römischen Reichs und der „Brot und Spiele„- Zeiten ausgestorben wären: Die GNTM-Hasser.

Man erkennt sie daran, dass sie sich auf eine Kandidatin stürzen und diese entweder mit unbändiger Liebe und Zuneigung überhäufen, oder bei Nicht-Gefallen diese Liebe in ihr Gegenteil verkehren. Ab sofort werden diese imaginären Persönlichkeiten gehasst. Man kennt sie nicht, nein das ist nicht wichtig. Aber man kennt ihr Abbild, ihre virtuelle Aura, ihr zweidimensionales Konterfei. Man erkennt ihre Gefühle, sieht ihren Körper, der wie bei einer Sklavin einem Millionenpublikum verkauft wird, man sieht, wie sie sich winden, und dem Schrecken der Ober-Chefin Heidi entkommen, ein gigantisches für die zahlenden Werbekunden inszeniertes Spektakel. Frauen? Jung? Das ist perfekt. Sie sind wehrloses Opfer, empfänglich, dümmlich, ein perfektes Hass-Objekt. Doch wehe, wenn die Kulleraugen mal wieder eine Teddy-Träne lostreten, wer kann da so grausam sein und kein Fünkchen Mitgefühl empfinden? Wer wird auch bei dem genialsten Outfit immer noch von Logik und Werbebotschaften faseln, wenn die Wucht des medialen Aufschlags in das Wohnzimmer schlägt und die sexuell-psychologischen Wellen ihre Kreise ziehen? Mal ehrlich, wer bleibt da kühl?

Ständig wird geweint und ein anderes Lied eingespielt- die Sendung ist eine reine Aneinanderkettung von Gefühlen und Phantasien. Sie eignet sich hervorragend für weibliche und musikalisch- oder sozial veranlagte Menschen, die Gefühle in ihrem Gegenüber „spiegeln“ wollen oder sich auf die Unendlichkeit der kleinen weiblichen Gefühls- und Gedankengeschichten einlassen wollen. Naturgemäß ist es am Anfang besonders schön, weil da die noch unerfahrenen Mädchen sich das eine oder andere „Lustige“ oder „Besondere“ leisten- am Ende der Staffel merkt man dann, dass alle die gleiche Sprache sprechen und beinahe wie beim Militär mit den immer gleichen Antworten und Formeln aufwarten.

Nein, diese Sendung ist keine Ausbildung für Models und auch ein „Topmodel“ wird nicht gesucht, das erzählt man nur ständig. Würde man den harten Model-Alltag wie in einer Dokumentations-Sendung einfangen, wären die Geschichten schnell erzählt und auch die Spannungs- und Höhepunkte hielten sich in Grenzen. Diese Sendung ist Show. Pure Show. Und nichts anderes. Die Sendung zielt darauf ab, möglichst hohe Einschaltquoten zu generieren, möglichst vielen Leuten einen emotionalen Input zu bieten und in einem großen medienwirksamen Sog Zuschauer an sich zu ziehen, was ihr ja auch gelingt.

Wie kann man bei diesen offensichtlichen Absichten noch damit argumentieren, dass die Sendung keinen Bildungsauftrag hätte? Dass sie ein schlechtes Vorbild für junge Frauen wäre? Dass dabei ethische Grundsätze und damit verbundende Moralfragen ausgehebelt werden?

Diesen Anspruch hatte die Sendung noch nie. Nein, wer das glaubt, was auf der Verpackung steht, der ist schon längst in den Fängen der Oberflächlichkeit verheddert, der versteht das Konzept nicht.

Wer sich über die Werbebotschaften ärgert, aber das mit Geschmacksverstärkern und künstlichen Farb- und Aromastoffen versehende Konzept zügig in sich reinschaufelt, sollte sich hinterher nicht über Blähungen wundern.

So ist „Show“ nunmal. Laut, voller Emotionen und Tränen, mit hübschen Frauen, perfekt und für den Kunden präsentiert. So ist Werbung nun mal. Ob für Produkte oder in der Tier- und Pflanzenwelt. Es geht um die hübschesten Blüten, um den besten Duft, die größte Attraktion. Die ganze Natur ist auf diesen Effekt des Werbens und Findens ausgerichtet.

Diese Sendung gibt nur das wieder, wofür Menschen empfänglich sind: Die perfekte Hülle.