Geteiltes Licht

Ein Artikel über Instagram und meine persönliche „Erstfaszination“

Ist schon irre, was man im Internet so erlebt. Den ganzen Mittwoch war ich mies drauf und hab mir – typisch deutsch – viele Gedanken über die „Nachteile von Instagram“ gemacht. Instagram ist eine recht neue Plattform im Internet, in der alle Menschen Bilder hochladen können. Dann können andere Benutzer diese Bilder sehen und einen „like“ (also ein positives Feedback) hinterlassen oder das Bild kommentieren. Sogenannte „Hashtags“ helfen, die Inhalte zu sortieren und besser zu finden. Auch eine Suche über den Aufnahmeort ist möglich. Sehr schnell kommt man auf diese Weise rund um die Welt. Die Plattform ist simpel aufgebaut und sehr leicht zu erlernen. Von der Programmoberfläche wurde sie auf Smartphones optimiert, eine App ist zur Benutzung dringend zu empfehlen. Vom heimischen PC aus kann man Bilder nicht so ohne weiteres auf Instagram hochladen (darauf bin ich auch im letzten Podcast drauf eingegangen). Die Plattform gehört mittlerweile zu Facebook und so muss man sich mit entsprechenden AGBs und Nutzungsbedingungen herumplagen, die nicht unbedingt auf den deutschen Geschmack „optimiert“ sind.

Dazu hatte ich gestern auf Facebook zwei Links geteilt.

Einmal der interessante Artikel von „Basic Thinking“, der darauf eingeht, wie die Nutzungsbedingungen von Instagram nun verbessert werden sollen, nachdem es in Deutschland Protest vom Verbraucherzentrale Bundesverband gegeben hatte.
Mich persönlich stört besonders das weitgehende Weiterverwendungsrecht von Bildern, die sich Plattformen wie Facebook, Instagram oder WhatsApp einräumen. Dazu findet man in diesem Artikel mehr.
Allerdings war es schwierig, noch bessere oder genauere Informationen im Internet zu finden. Das ist kein Wunder, wer liest sich schon freiwillig die AGBs durch und macht diese Informationen für die Öffentlichkeit verständlich und lesbar? In den meisten Fällen klicken wir uns doch schnell durch die „Einstimmung“ zur AGB und sind froh, endlich loslegen zu können und uns kreativ ausdrücken zu können. Die Plattformen bieten einen großen Reiz und saugen die eigenen Daten und Fotos förmlich unter den Fingern weg. Belohnt wird man mit vielen Klicks und sozialer Rückmeldung oder Anerkennung. Das ist klar, das man da kaum widerstehen kann. Auch was das Erzeugen von „Aufmerksamkeit“ und „Traffic“ angeht, sind die sozialen Netzwerke nicht mehr wegzudenken.

Der Nachteil der Netzwerke ist völlig klar: Man verliert im Grunde die kommerziellen Nutzungsrechte der Bilder und tritt sie an die großen Netzwerke ab. Man kann auch nicht beeinflussen, was mit ihnen geschieht. Im schlimmsten Fall kann also ein privates Bild, das über WhatsApp oder im Facebook-Freundeskreis geteilt wurde, auf einem Werbeplakat landen, weil es sich gut verkaufen ließ. Das Babyfoto, die private Grillparty, das gemütliche Candle-Light Dinner oder das Treffen mit der Freundin? Und alle nehmen teil? Wie verrückt müssen wir sein, wenn wir dennoch fleißig weiter teilen und all diese Schattenseiten nicht hören oder lesen wollen?

Hin- und hergerissen von den Vor- und Nachteilen habe ich mich dann am selben Abend dennoch entschlossen, das Experiment Instagram weiter zu wagen. Denn es ist letztendlich so, dass ich mit dem Smartphone sehr viele Bilder aufnehme. In einer Woche kommen sicherlich 100 – 200 Schnappschüsse aus dem Alltag zusammen. Im Monat sind das 400 – 800 Bilder- und wenn spezielle Ausflüge oder Reisen gemacht werden, noch mehr. Bei keinem Bild erhebe ich Anspruch auf Professionalität oder Perfektion. Und wo landen die Bilder alle? Meistens auf der Speicherkarte, wenn sie gut gepflegt werden, noch auf der heimischen Festplatte oder in der Backup-Cloud. Aber sie sieht meistens keiner. Die interessanten Bilder schicken wir noch an unsere Freunde oder zeigen sie mit dem Handy rum. Die anderen Bilder verlieren ihre Wertigkeit. Es sind meistens vergängliche Zeitdokumente- zu viele, um sich über sie im Einzelnen Sorgen zu machen. Zu viele, um sie wirklich als „eigen“ zu betrachten. Denn das Licht, das vom Foto eingefangen wurde, gehört ja auch nicht uns. Und viel mehr sind Fotos ja nicht. Es ist eingefangenes Licht, dass man mit Hilfe der Digitaltechnik haltbar und weiterverwendbar gemacht hat.

Was macht nun dieses „geteilte Licht“ mit anderen Menschen? Es verändert sie. Es dringt von der Netzhaut in das Gehirn und von da in die Gedanken. Es erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte über Dein Leben, über Deine Gedanken und Deine Gefühle. Es verrät, wie du die Dinge siehst. Oder sie bewertest. Was überhaupt in deinen Sinn, in deine Augen kommt. Das digitalisierte Licht macht die Dinge teilbar, unmittelbar, direkt, ohne Umwege.

Ich habe also für mich beschlossen, den Instagram-Weg weiter zu gehen. Denn Kunst muss sich immer irgendwie ausdrücken und findet immer irgendwie einen Weg. Allerdings mache ich mir um das „drumherum“ so viele Gedanken, dass es zur Zeit nur im Schneckentempo vorangeht. Ich frage mich z.B. „was ist für die Menschen interessant? Was wollen sie sehen? Soll ich mein Land vorstellen und wenn ja, was könnte interessant sein? Wie gehe ich mit Fragen der sexuellen Selbstbestimmung um? Wieviel Haut möchte ich zeigen? Was ist angemessen- und was geschmacklos?“

Ich wollte gestern einfach mutig sein und ein weiteres Bild teilen. Mich kribbelte es in den Fingern. Also bin ich meine Handy-Galerie durchgegangen und habe mit hastigen Fingerbewegungen Unmengen an Bilddaten durchgewischt. „Dieses nicht… jenes nicht.. das ist zu dunkel… oh nein, das kann man ja keinen zeigen.. dies ist unscharf… zu privat…das ist langweilig“
Mein Geist war kritisch und ich traf durchaus eine Vorauswahl. Plötzlich bin ich an einem Bild hängengeblieben. Es hat mir einfach gut gefallen, ich weiß nicht warum.

Als die Sonne noch schien. #clouds #landscape

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Es zeigt einen Blick auf meine nähere Umgebung, so wie sie eben ist. Ich lebe auf dem Land. Im Hintergrund sieht man Felder. Das sind entweder reife Weizenfelder oder abgeerntete Felder mit unterschiedlichen Beige- und Brauntönen. Am oberen Rand sieht man einen strahlend blauen Himmel und kristallweiße Wolken. Im Vordergrund ist eine Grasfläche mit einer ordentlich gemähten Wiese. Der Mittelpunkt des Bildes wird von einem Strommasten geprägt, von dem zwei Kabel nach links-mitte und nach rechts-oben aus dem Bild herauslaufen. Am Fuße des Mastes liegen unordentliche Haufen aus Holz und abgesägten Baumstämme. Im Hintergrund sind weitere Strommasten einer größeren Überlandleitung zu erkennen.

Das Bild habe ich im Vorbeigehen mit meiner Handy-Kamera gemacht. Es ist nicht besonders scharf, noch hat es eine besonders gute Qualität. Mir ist das Bild einfach ins Auge gestochen, weil ich es „harmonisch“ fand. Ansonsten wäre die passende Bildüberschrift „mein oller Masten“. Den sehe ich beim Spazierengehen sehr oft. Er bildet ein Fixpunkt in meinem Leben. Ich liebe diesen Masten. Aber erscheint mir nicht besonders. Daher hab ich ihn veröffentlicht.

Und was macht die verrückte internationale Bilddaten-Instagram-Gemeinschaft daraus? Als ich das Bild hochgeladen habe, erscheint es kurz im „Schaukasten“, also einer Art Auswahl von aktuell hochgeladenen Bildern. Das ist die Chance, um schnell an Aufmerksamkeit zu gelangen. Wer weiß, vielleicht wird im Hintergrund der Algorithmus so gesteuert, dass neue Nutzer mehr Aufmerksamkeit bekommen, um sie schneller ans Netzwerk zu binden? Wie auch immer, innerhalb von Sekunden ploppten auf meinem Handy die „Likes“ ein. Aktion- und Reaktion, ein ganz einfacher Mechanismus. Menschen haben sich mein Bild angeschaut und mit „Gefällt mir“ geklickt! Das ist ein ungeheures Gefühl. Man ist plötzlich berühmt, man wird endlich beachtet. Und das alles mit meinem ollen Masten!!

Ich gehe ganz aufgeregt die „Herzchen“ durch, die man mit geschenkt hat. Ich bin gerührt. Von wo kommen die Menschen? Was haben sie zu erzählen? Was ist ihre Geschichte, was ist ihr Leben? Was ist ihr Blickwinkel? Dieses verrückte Gefühl der Internationalität konnte mir bis jetzt nur Instagram vermitteln. Kein Vergleich mit der Filterblasen-Gemeinschaft Facebook, bei der man fast wie im Büro jeden Morgen in die gleichen Gesichter schaut. Und wo „gefällt mir“ nur äußerst spärlich verteilt werden.

Ich gehe die Menschen und ihre Profile also durch: Da ist einer aus einem Land, das ich nicht kenne und er verwendet Schriftzeichen, die mir arabisch vorkommen. Ich google das Schriftzeichen kurz und komme auf eine Firma aus Marokko. Aha, interessant! Da gibt es außerdem eine Studentin aus Philadelphia.  Eine Frau mit spanischem Namen, die Fotos aus Madrid oder Toledo postet. Ich klebe an ihrem Stream und komme kaum los. Der nächste Nutzer nennt sich „performance.arts“ und postet krasse Bilder in gewagten Farben. Ich erkenne russische oder osteuropäische Schriftzeichen, kann es aber nicht eindeutig zuordnen. Allerdings sind die Bilder schwer faszinierend und offenbaren ein völlig anderes Denken, eine neue Herangehenswiese, die sich frisch anfühlt. Ich bin gefordert. Mein Gehirn schlägt Kapriolen.
Schnell gehe ich zum nächsten Like. Ein Mann, der sich „Benjamin“ nennt. Er postet interessante Bilder. Von Thailand? Und Dubai. Er schreibt aber nicht, wer er ist, woher er kommt. Ich sehe nur seine Bilder und darf raten. Das ist interessant.

Travel with andy hat einen hübschen Kranz aus Blättern auf dem Kopf und postet tolle Herbstbilder in knallig roten Farben. Das ist genau mein Geschmack! Weil er bei mir kommentiert hat, kommentiere ich schnell zurück. Sonst würde mein Gesicht so rot wie die Blätter werden, die er da geknipst hat. 😉
Er scheint mir ein Profi. Seine Bilder haben viele Likes und hunderte Kommentare. Toll. Ich bin beeindruckt. Dagegen komme ich mir klein und unwichtig vor.

Der nächste Typ, der meinen Masten „geliked“ hat, ist krass. Wie kommt er auf mich?
Er hat provokante Bilder in seinem Feed, die Farben sind grell, die Winkel verrutscht. Unorthodox und unangepasst. Genau das Gegenteil von mir. Dennoch gefällt mir seine Sichtweise. Weil sie anders ist. Weil es seine Sichtweise ist.
Ich hinterlasse also ein Like bei diesem Bild  . Dann gibt es wieder einen amerikanischen Mann.. seine Bilder sprechen mich gleich an. Hier könnte ich überall Likes hinterlassen, weil er so freundlich wirkt. Ich mache es dann bei diesem Bild.

Claudia hingegen- mag nicht nur meine Felder und den ollen Masten- sondern ist auch ein Naturliebhaber und steht auf Blautöne. Das passt, die mag ich auch.
Ihr Stream sprüht vor Weiblichkeit und ist pastellig-angenehm. Irgendwie sympathisch. Ich kann nicht sagen, warum. Aber Bilder sind manchmal eine gute Möglichkeit, Übereinstimmungen mit anderen Menschen zu finden, was man mit 1000 Worten nicht schaffen würde. Sie kommt wohl aus New England und die Bildbeschreibungen erzählen kleine Geschichten.

Eine 19jährige mit italienisch klingendem Namen hat mich auch „geliked“. Sie macht viele Selfies vorm Spiegel. Und schon wieder entdecke ich eine peinliche Gemeinsamkeit.
Sie ist hübsch und strahlt eine gewisse Freundlichkeit aus. Ihre Bilder verraten eine Leidenschaft für Smartphones und Musik.

hikinghighlights kommt viel in der Welt herum. Und er trägt graue Socken.
😉

Yashraj_rajput ist Single und verwendet eine interessante Gitter-Technik namens „instagrid“. Ich weiß noch nicht, wie es funktioniert, aber es sieht spannend aus.

Bulkensik ist hübsch und hat lustige Bildbeschreibungen. Daher bekam sie einen Like für ihr „potato face“  Ich bin also nicht die einzige, die sich Sorgen um ihre „zu große“ Nase macht. Außerdem macht sie Selfies mit … Pferden? … was sie sehr sympathisch macht.

Miss bubblemaker Habe ich abonniert. Sie hat tolle Bilder und ein interessantes Profilbild. Anscheinend kommt sie aus Indien. Und sie hat schon was von „me too“ gehört.

p.kuklafoto kommt aus Polen.. die Bilder sind düster und interessant.
Für das lustige „Spiegelnde Felgen-Selfie“ gab es von mir ein Like.

Jeanyveslerminiaux spricht französisch. Ich kenne ihn nicht. Aber seine Bilder sind toll.

Awarage ist aus Russland und sieht gut aus.

Wo ist die Sonnenbrille, wenn man sie braucht?

Der kleine Riss, der langsam größer wird

Die Nachrichtenlage

Ich bin immer noch etwas erschüttert über die Nachrichtenlage der letzten Woche. Da ist einfach zuviel passiert. Und je mehr passiert, desto weniger hab ich das Gefühl, die richtigen Worte finden zu können.

Die Welt ist im Wandel, so scheint es mir. Phänomene wie die Überbevölkerung, Kampf um Ressourcen und der Klimawandel verdichten sich auch auf gesellschaftlicher, menschlicher Ebene zu immer neuen Tragödien. Die Welt ist kleiner geworden und mit den modernen Reisemitteln schrumpft alles enger zusammen. Die Konflikte werden dadurch deutlicher, sichtbarer und größer.

Sicherlich werden durch die Medien die Ereignisse verkürzt und komprimiert. Wenn man all das Gute weglässt und sich nur auf das Negative konzentriert, muss die Sicht zwangsläufig negativ werden. So ist mir heute das Bild der Nachrichtensprecherin in Erinnerung, die den Zuschauern einen schönen Abend wünscht und sich fast entschuldigt „über diese turbulente Nachrichtenwoche“. Aber doch, in ihren Augen ist kein echtes Bedauern, kein echtes Mitgefühl für den geplagten Zuschauer. Denn viele schlechte Nachrichten sind ja auch der Nährboden ihrer eigenen Arbeit.

Manchmal ist es dann hilfreich, sich zurückzulehnen, die Augen zu schließen und positive Ereignisse in die Erinnerung zu rufen. Sonst wird man von all den negativen Bildern vergiftet und runtergezogen.

Trotz alledem schwebt über der allgemeinen Nachrichtenlage dieses Gefühl, dass wir in einer besonderes Zeit leben, in einer Zeit der Umbrüche. Kleine Risse gehen auf und werden immer größer. Wir stehen mitten auf diesen Rissen und können die Lage nicht objektiv beurteilen.

Adé du schöne Zeit

Vielleicht werden wir in ein paar Jahrhunderten auf diese Phase zwischen 1945 und 2005 zurückblicken und sagen, „was für eine schöne Zeit das gewesen ist“. Neben den ständigen Konflikten, Kriegen und Umbrüchen die Europa stets erlebte, hatten wir ja einmal 60 Jahre eine außerordentliche Blütezeit. Kriege schienen überwunden, Hindernisse und Schranken zwischen den Völkern wurden überwunden, Deutschland wurde wiedervereint und am Ende war sogar die schlimmste Bedrohungslage überhaupt überwunden: Der kalte Krieg war vorbei und alle wurden vernünftig.

Jetzt aber, im Jahre 2016 scheint dieses fragile Gleichgewicht wieder zu kippen. Ein Mitauslöser war sicherlich die globale Finanzkrise, die speziell Europa sehr getroffen hat. Wirtschaftliches Ungleichgewicht und Bankenkrisen treffen die Menschen ganz besonders hart. In Griechenland wurde das sehr deutlich. Und die Opfer sind mal wieder die Falschen. Auch in Deutschland werden die Bürger getroffen, aber unsichtbarer und mehr über die Steuerbelastung und die niedrigen Zinsen.

Weil aber dennoch ein diffuses Gefühl der Angst und Skepsis gegenüber den Mächtigen vorherrscht, entstehen dann solche groteske Szenarien wie der Brexit. Menschen lassen sich aufhetzen und von den Medien manipulieren. Am Ende kracht der ganze Elfenbeinturm zusammen.

Und wenn Großbritannien erst der Anfang war? Was machen wir, wenn jetzt auch noch die Niederlande, Österreich, Polen oder andere Länder aus Europa austreten? Was machen wir mit einer Le Pen in Frankreich oder der AFD in Deutschland? Wenn solche Parteien stärker werden, bleibt uns nichts anderes übrig als der Zerfall.

Auch sicherheitspolitisch ist eine unsichere Türkei „an unseren Außengrenzen“ kein beruhigendes Gefühl. Oder ein Putin, der nach eigenem Ermessen getarnte Truppen über die Grenze schickt und einfach mal so ein Land besetzt.

Der Terror in den Köpfen

Zu allem Übel kommen jetzt noch die „Religionskriege“ und die Konflikte mit extremistischen IS-Kämpfern und die Terroranschläge.

Diese verwundern mich am allermeisten. Ich bin die ganze Zeit am Überlegen, welche Motivation Menschen haben, die so etwas tun? Ich versuche mich die ganze Zeit in sie hineinzuversetzen und eine rationale Begründung zu finden, aber ich finde keine. Wie kommt man auf die Idee, sich in einen LKW zu setzen und in eine Menschenmasse zu rasen, die gerade friedlich ein Feuerwerk angeschaut hat? Was muss im Gehirn alles schiefgegangen sein, dass so etwas passiert? Schlummern überall um uns herum Psychopathen? Oder reicht ein Psychopath auf eine Million, um eine Gesellschaft innerlich zerbrechen zu lassen?

Rational werden die Anschläge der letzten Zeit (Paris, Nizza, Brüssel, etc.) mit dem islamistischen Terrorismus begründet.
Man sagt, sie machen es aus Glaubensgründen, weil sie die Ungläubigen bestrafen oder vernichten wollen.
Allein hier krankt schon die Logik. Denn wenn sie gegen alle Ungläubigen wären, müssten sie auch konsequent alle vernichten. Da war Hitler mit seiner kranken „Säuberungsideologie“ ja schon weiter. Aber was bringt hier und da ein Terroranschlag, wenn man „gegen alle Ungläubigen“ ist?

Man sagt, sie wollen Angst und Hass verbreiten und die friedlichen westlichen Gesellschaften in einen Krieg ziehen und zu heftigen Gegenreaktionen zwingen. Das erscheint mir schon logischer, denn hier herrschen weltliche Motive vor. Wenn man eine Organisation ist, die gerade militärisch in die Enge getrieben wird, wird man mit aller Macht um Anerkennung und Einfluss kämpfen. Und wie so oft, sind die schrecklichsten und grausamsten Mittel die „effektivsten“, um den eigenen Untergang noch irgendwie abfangen zu können.

Lass uns Terrorist werden

Das wirklich Gefährliche ist aber der geistige Virus, der gesät wird. Man hat durch die vielen Terroranschläge schon fast das Gefühl, dass sie ein „Trend“ werden. Dass sie richtig chic werden. Und die Terroristen stehen sich ständig in den Medien! Werden mit Bildern und Namen gezeigt, man interessiert sich plötzlich für sie. Sie werden kleine Stars. Nicht, weil sie großes geleistet oder der Menschheit mit Frieden und Intelligenz gedient haben. Nein, sie werden Stars, weil sie andere Menschen auf bestialische Weise umbringen. Und das ist das Gefährliche. Hier kann so etwas wie eine „Ansteckung“ entstehen. Menschen werden dazu verleitet, ähnliches zu tun.

Der Attentäter von Nizza z.B. soll sich „blitz-radikalisiert“ haben. Der Vater berichtet sichtlich aufgelöst (und fassungslos) vor den Kameras, dass sein Junge überhaupt nicht religiös gewesen ist. Und dann, innerhalb von nur einer Woche ließ er sich einen Bart wachsen und alles in ihm explodierte?

Daran sieht man, dass die grauenvolle Idelogie einer Terror-Organisation wie dem IS ein Kanal sein kann. Ein Ventil für eigenes Versagen, für eigene unterdrückte Bedürfnisse, für eigenes Scheitern, für eigenen Sadismus und den latenten Bedürfnis, anderen Menschen zu schaden. Nicht die Religion ist der gemeinsame Feind der gesunden, freien Gesellschaft, sondern die menschliche Psyche mit all ihren Stolperstellen und inneren Trugbildern.

Lösungen?

Die Gewalt als einziger attraktiver Ausweg für junge Menschen, die dem Islam angehören, ist das Fatale. Hier muss die Gesellschaft ansetzen und Antworten finden. Der Islam und alle Ländern, die ihm angehören, muss insgesamt aus der Krise.
Er muss sich selbst reformieren. Er muss endlich mal kritische Fragen und Selbst-Reflexion zulassen. Die Rolle der Männer und die Gewaltherrschaft des Patriarchs muss hinterfragt werden. Auch von deutschen Feministinnen. Denn schließlich sind wir es ja „im Westen“ die sich frei, aufgeklärt und losgelöst von allen dunklen Seiten des Mittelalters wähnen.

Aber vielleicht müssen auch wir wieder etwas lernen. Über streng ausgeübte Religion, über klare, unveränderliche Familienstrukturen, über männliche Dominanz und die Verbindung von Religion und Staat.

Wenn Menschen, die aus repressiven und unfreien Ländern wie in Nordafrika kommen und auf eine freie, westliche, „weibliche“ Gesellschaft stoßen, müssen sie in ein Vakuum vordringen. Diese westliche Welt wird nach völlig anderen Maßstäben geregelt. Hier setzt sich nicht der stärkste und der lauteste durch. Auch die Männer zählen hier nicht soviel wie in vielen anderen islamischen Ländern. Sie können keine Frauen „besitzen“. Hier herrscht Gleichberechtigung und Diplomatie. Es ist nur klar, dass das viele überfordert.

Wenn man mit diesen Herausforderungen seelisch und pragmatisch nicht klarkommt, ist es viel leichter auf die alten, bewährten Lösungen des Hasses und der Gewalt zu setzen. Sie sind vielleicht nicht „anerkannt“, aber sie funktionieren.

Daher denke ich auch nicht, dass man den Terrorismus mit mehr Sicherheit, mehr Polizei oder anderen Mitteln begrenzen oder eindämmen kann. Der Terrorismus ist ein Spannungsfeld unterschiedlicher Gesellschaftsformen und unterschiedlicher (männlicher) Selbst-Definitionen und Selbst-Bilder. Dieses Spannungsfeld wird noch lange bestehen. Es kann nur abgebaut werden, wenn die Gesellschaften und Länder voneinander lernen, wenn sie sich gewissermaßen an die Eigenheiten der anderen anpassen und eine Dialogmöglichkeit finden. Wenn es Spannungen gibt, muss es auch einen „Druckausgleich“ geben.

Dass das „religiöse Spannungsfeld“ von einer wirtschaftlichen Ungleichheit (Armut) und einer Ungleichheit von inneren Entwicklungszuständen (Mangelnde Aufklärung, Demokratie-Defizite) mitgenährt wird, ist ebenso offensichtlich. Also muss die Politik hier mit geeigneten Mitteln der Entwicklungshilfe Lösungen finden.

Gelungene Integration im Rampenlicht

Man redet immer über den einen nicht-integrierten, über den einen Terroristen. Aber was ist mit den tausend eingewanderten Asylanten, bei denen die Integration super geklappt hat? Die erfolgreich zwei Kulturen leben? Die Freunde mit den Deutschen haben, unsere Sprache lernen und uns wiederum mit ihrer Kultur bereichern? Das sind Beispiele für gelungenes Nebeneinander und Miteinander. Man muss die guten Beispiele nähren, dann haben die negativen keinen Platz mehr.

Es ist auch eine Illusion zu glauben, wir könnten in die Weltordnung von 1950 zurück. Als jeder in seinem eigenen Land gelebt hat, die Grenzen zu waren und die „Moslems“ weit weg waren. Diese Zeit wird nicht mehr kommen. Wir profitieren von den Chancen der Globalisierung und der zusammengewachsenen Welt, jetzt müssen wir uns auch endlich den Risiken und Gefahren stellen. Die Welt des 21. Jahrhunderts kann sich keine Abschottung und keine geistigen Mauern mehr erlauben. Dazu ist es zu spät.

Einfach nur den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass der Kelch des Terrorismus an uns vorübergeht, wenn wir nur schön still halten, wird nicht reichen.

In der Mitte

Seit Tagen und Wochen surfe ich jetzt im Internet und sauge alle Informationen rund um das große Thema dieser Zeit auf:

„Die Flüchtlingskrise“. Zwei Artikel habe ich bereits dazu geschrieben, aber doch denke ich, dass noch nicht alles gesagt ist.

Es ist sehr schwierig sich zu positionieren. Wie üblich möchte ich nicht ganz links und nicht ganz rechts sitzen, sondern mir eine (möglichst) objektive Meinung aus der Mitte bilden.

Die Ereignisse überschlagen sich teilweise und teilweise hab ich auch das Gefühl „in einem Film zu sitzen“. So unwirklich kommt mir das Ganze vor. Ist das wirklich die größte Herausforderung für Deutschland seit dem Mauerfall – oder, wie man sogar auch hören konnte- seit dem zweiten Weltkrieg? Was ist denn das Kernproblem? Ein paar Hundertausend Menschen laufen von zu Hause weg, weil sie es in ihrem Lager nicht mehr aushalten, ihre eigenen Häuser zerbombt sind, die Einberufung zum Militär oder die Enthauptung durch den IS droht – und weil sie im Fernsehen oder auf dem Smartphone sehen können, wie schön das Leben hier in Deutschland ist.

Und wie ist es denn bei uns? Wir haben es warm und gemütlich, haben einen guten Job, genug zu essen, ein Auto und leben in Frieden. Das, was für uns „normal“ erscheint und eine Folge unserer eigenen produktiven Arbeit zu sein scheint, ist für andere schon das Paradies auf Erden. Die Gegensätze in dieser modernen Welt könnten nicht größer sein. Und schon immer in der Geschichte der Menschen hat es die Menschen von der Armut und dem Krieg weg, hin zu Wohlstand, Reichtum und Frieden gezogen. Diese Tatsache ist so einfach und fundamental, dass man im Grunde über alles andere nicht diskutieren braucht. Solange es diese große Ungleichheit in der Welt gibt, wird es Flüchtlingsströme geben. Es ist im Grunde nur ein Wunder, dass sie noch nicht eher aufgetreten sind und dass man es außerdem verschlafen hat, früher darauf zu reagieren. Zu lange hat man sich etwas vorgemacht oder geglaubt, das Elend könne uns nicht erreichen. Wenn wir nur fest die Augen zumachen, geht das ganze Chaos dieser Welt an uns vorbei..

Wir haben jetzt ein Aufeinanderprallen der Kulturen, aber auch ein Aufeinanderprallen von Arm und Reich, das durch die modernen Medien, die kommunikative Vernetzung und die Reisemöglichkeiten verschärft und beschleunigt wird.. Im Zeitalter der Globalisierung kann man sich nicht mehr isolieren, sich nicht mehr abschotten. Deutschland hat in der EU sehr stark von den offenen Grenzen profitiert. Die ganze Freiheit, die im Kern eine wirtschaftliche Freiheit war, ist jetzt bedroht. Plötzlich fangen die Staaten wieder an, kleinteilig, egoistisch und national zu denken. Man sieht, dass die EU bis jetzt nur ein Konstrukt auf dem Papier war, ein Zweckbündnis, bei dem es bis jetzt immer darum ging, die Vorteile für sich „raus zu schlagen“. Die EU ist immer weiter gewachsen und versprach Wohlstand für alle, die unter ihre Decke schlüpfen. Aber man ist zu schnell gewachsen. Die Einheit ist nur formal und über die Währung erfolgt. Bei der aktuellen Krise sieht man, dass es schwierig ist, ein von langer Geschichte unterschiedlichster Kulturen zersplitterten Raum wieder zu „vereinigen“. Europa spricht nicht mehr mit einer Sprache.

Es ist somit sehr traurig zu sehen, wie wenig Solidarität noch vorhanden ist. Die Verteilung der 160.000 Flüchtlinge innerhalb Europas kommt nicht voran. Noch nicht einmal gegenseitige Absprachen zwischen zwei benachbarten Grenzen sind vernünftig möglich (z.B. zwischen Deutschland und Österreich). Die Armut und das Elend wurde von vielen Ländern dieser Welt nicht gesehen, übergangen und ignoriert. Und all dieses Ignorieren führt nun zu einem riesigen Aufbauschen und einer Vergrößerung des Leids. Flüchtlinge haben berichtet, dass sie erst in Deutschland oder Österreich menschenwürdig behandelt wurden. Was ist denn unterwegs passiert? Da liegen doch noch ein paar Länder dazwischen? All ihr Zögern und all ihr Mangel an Mitgefühl und Tatkraft ist genau das, was die Krise erzeugt!

Man sollte nicht den Fehler machen und nur Deutschland als alleinigen Schuldner aller Krisen dieser Welt sehen. Die Ursache des derzeitigen Elends sind doch Personen wie Assad oder Putin, die mit Panzern und Soldaten Leid und skrupellose Zerstörung über ihre Bevölkerung bringen. Aber auch das Wegschauen „der Guten“ (in diesem Falle die USA) ist ein Riesenproblem.

Das sicher geglaubte Pulverfass Balkan beginnt auch schon wieder zu gären und Schuld daran ist einzig der „gemeinsame Feind“, die Menschen die vor Hunger und Armut fliehen?

Das Internet ist landauf und landab voll mit Kommentaren, die in den aktuellen Flüchtlingsströmen eine große Bedrohung sehen und unser Land, unsere Errungenschaften und unsere westlichen Werte (vor allem aber auch das Geld und den Reichtum) gegen die „Invasoren“ (O-Ton Pegida) verteidigen wollen. Auch in gemäßigten Medien, z.B. den typischen Tageszeitungen Die Welt, Zeit, Spiegel Online oder Faz überwiegen die negativen und kritischen Kommentare. Bei Spiegel Online hat man sogar kurzerhand jegliche Kommentare zu Flüchtlingsthemen gesperrt. In Online-Portalen wie Tagesschau.de oder Heute.de ist ein Kommentieren auch nicht möglich. So muss sich der „übergangene Souverän“, nämlich das Volk zu recht fürchten und ein gewisser Hass und Ärger aufstauen.

Die Köpfe sind derzeit voll mit Angst, Hass und Abgrenzung. Unsere ureigene deutsche Identität scheint angegriffen zu werden.

Eine Identität ist immer etwas, dass man definieren und mit Worten und Taten abgrenzen muss. Und diese hat in den letzten Jahren anscheinend sehr gelitten. Wenn es an die Identität geht, geht es an die Substanz. In Kommentaren auf Facebook liest man dann Worte wie „ich werde mein Haus verteidigen“ oder „meine Tochter wurde von dunkelhäutigen Männern belästigt“ oder „es gibt immer mehr aggressive Schnorrer“. Aber auch „ich habe Angst“, „Deutschland schafft das nicht“ und „wer wird das alles bezahlen?“.

In einem Kontinent (einer Welt) ohne Grenzen, die vom Staat nicht mehr richtig geordnet und definiert wird, muss zwangsläufig auch die eigene psychologische Abgrenzung gegenüber allem Fremden anwachsen. Nur so ist der aktuelle Rechtsruck in Europa zu erklären, und wenn die Politik nicht endlich angemessen und im Sinne der besorgten Bürger handelt, wird er weiter zunehmen.

Was ich mir dabei denke und was in der Diskussion und der Berichterstattung oft zu kurz kommt, sind die Chancen, die der Flüchtlingsstrom bietet. Die fliehenden Menschen ermöglichen uns, unser Selbstbild neu zu definieren. Unsere Identität gerät in einer tiefe Krise- bietet aber gleichzeitig auch die Chance, ganz neu daraus zu erwachsen. Wie will Europa eigentlich sein? Wie will es nach außen auftreten? Wo fängt Europa an und wo hört es auf? Welche gemeinsamen „christlichen“ Werte haben wir eigentlich, wenn wir es noch nicht einmal schaffen uns auf die Grundversorgung notleidender Menschen zu einigen?

Die Versorgung und Regelung von hundertausenden Menschen in Deutschland bietet weitere Chancen. Die Polizeiarbeit muss z.B. gründlich untersucht und hinterfragt werden. Wir haben uns eine stabile Außengrenze „gespart“, die Kapazitäten z.B. der Bundesgrenzschutz wurden abgebaut und wegrationalisiert. Die Folge ist aber keine gewachsene Ordnung oder Sicherheit- im Gegenteil. Die Ordnung muss nun von innen heraus stabilisiert werden, was viel schwieriger ist und vermutlich auch deutlich mehr Personal kosten wird.

Die Arbeit in den Migrationsämtern muss verbessert, ausgebaut und beschleunigt werden. Der Staat muss endlich mehr Geld und vor allem mehr Willen in die Hand nehmen um an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Die vielen Menschen ohne Dach über Kopf bieten weitere Chancen: Für die Container-Industrie, für die Handwerker, für den Bau neuer sozialer Wohnungen. Und natürlich billige, importierte „Fachkräfte“ für deren Ausbildung man keinen Cent bezahlt hat, die jetzt aber überall an die Werkbänke sollen. Die konservative Politik des Abwartens hat das alles jahrelang verschlafen. Jetzt erst, durch den Druck der einreisenden Menschen entsteht wirklich Bewegung.

Die Arbeitslosigkeit wird zunehmen und die Kosten für die Integration wird steigen. All das sind riesige Herausforderungen, die vor allem auf der bürgerlichen Mitte Deutschlands lasten. Von ihrem Willen, ihrer Durchhaltekraft und an ihrer Einstellung wird viel abhängen. Auch wenn momentan viel auf Angela Merkel geschielt wird und sie quasi als alleinige Person für alles Ungute verantwortlich gemacht wird, so glaube ich, dass die wirkliche Macht noch im Volke liegt. Und was die Mitte in Deutschland entscheiden wird, wird auch eine Folge für Europa – und somit die ganze Flüchtlingskrise haben.

Das Brötchenlabyrinth 2

Bei den Brötchen geht es mir natürlich nicht um die Brötchen alleine. Wenn man genau hinschmeckt, wird man vielleicht überhaupt gar keinen Unterschied erkennen. Brötchen sind im Mund, sowie im Handel „schnelldrehende Ware“, die nie einer besonders langen Halbwertszeit unterlagen.

Dennoch sind es Details, die beim aufmerksamen Blick in die „Gesamtwelt“ unweigerlich auffallen müssen. Früher gab es eben einen guten Bäcker, der sogar frische Brötchen gebacken hat… und im Supermarkt gab es keine Brötchentheke. Dann kam die Globalisierung und die Nachfrage der Kunden nach günstigen Produkten- voilá hat sich unsere Produkt- und Lebenslandschaft verändert, ob wir das wollen oder nicht. Früher gab es auch große Postfilialen mit vier oder fünf Mitarbeitern, die alle top ausgebildet waren und sehr freundlich sich aller Probleme angenommen haben. Es gab gute Öffnungszeiten und sogar das kleine Dorf auf dem Land hatte eine Poststelle. Pakete wurden nicht beim Nachbar drei Häuser weiter abgeliefert, der einem schonmal wegen des überstehenden Baumes angemeckert hatte, sondern kamen in die vertrauensvolle Post-Filiale zurück, wo sie dann zeitnah auf dem Weg von oder zur Arbeit abgeholt werden konnten.

Heute sind die Post-Verkaufsschalter oft in andere Läden integriert und richten sich nach deren Öffnungszeiten. Paket-Zettel bekommt man schon lange nicht mehr, Globalisierung heißt, dass man seinen bezahlten Waren hinterher rennen muss. Geschwindigkeit und schnelle Erreichbarkeit, kurze Lagerhaltung ist eben alles! (Für die AG, nicht für den Kunden)

Bildung und post-spezifisches Wissen? Ist dort meistens Mangelware, hat man irgendwie gleich mit eingespart. Aber es gibt doch den Fachkräftemangel…

Die Folge ist, dass die Läden entweder nicht zu erreichen sind, die Schlangen meistens groß, die Verkäufer oft keine Ahnung von den Postprodukten haben und das Gesamtangebot für den Kunden schlechter geworden ist. Genauso wie die Brötchen, die nun schlechter schmecken und weniger lang halten, als noch vor zwanzig Jahren. Brötchen, die mit bestimmten Zustatzstoffen aufgepeppt worden sind (z.B. Backtriebmittel), halten aber auch nicht so lange und werden schneller alt und trocken, also weggeworfen. Durch das Sparen bei der Erzeugung wird auch die Verschwendung vergrößert. Geiz ist eben nicht immer geil, sondern oft sehr kurzsichtig und mit negativen Folgen behaftet.

Das Thema Lebensmittel und die negativen Seiten Industrialisierung (vor allem Kapitalisierung) der Lebensmittelerzeugung ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Schließlich geht es dabei um das, was wir täglich essen. Unser Körper ist sehr empfindlich und reagiert auf die Inhaltsstoffe, letztendlich ist die Ernährung auch eine sehr wichtige Grundlage für unsere Gesundheit und Wohlbefinden. Es vermischen sich also die Interessen der Kapital und Wettbewerb-gesteuerten Konzerne mit den täglichen Anliegen und Interessen des einzelnen Menschen. Beim Thema Lebensmittel kann man eben nicht wegschauen und sagen „es geht mich nichts an“. Das will ich auch mit meiner Verzweiflung im täglichen Einkauf im Supermarkt ausdrücken: Gebildet von so vielen Eindrücken und Überlegungen bin ich mehr als je dazu gezwungen, zur mündigen Einkäuferin zu mutieren und muss mir jede Entscheidung genau überlegen. Dabei können sogar Gewissenskonflikte auftreten. Nimmt man dann noch die Meinung von anderen, die einen zusätzlich manipulieren oder beeinflussen wollen, kann es sehr kompliziert werden: Kaufe ich jetzt die schnelle Spaghettisoße vom großen Industriehersteller mit Geschmacksverstärkern und spare mir ein wenig Zeit? Oder befriedige ich mein gutes Gewissen und koche die Soße komplett selbst? Dass sie dann natürlich auch teurer wird und in der täglichen Herstellung länger dauert, ist keine Frage. Kaufe ich mir lieber die fertige Pizza und genieße sie in 15 Minuten? Oder suche ich mir alle Zutaten zusammen, mache einen Hefeteig und belege den noch möglichst mit frischen Zutaten? Geschätzter Mehraufwand zwei bis drei Stunden!

Dass was wir essen, ist also auch eine Frage des Lebensstils und letztendlich eine Frage der persönlichen Freiheit und Entscheidung. Habe ich die Zeit und Lust zum Kochen? Entscheide ich mich lieber für ein Hausfrauenleben oder ziehe gar in die Einsamkeit und steige auf Selbstversorgung um? (Auf Arte kam vor ein paar Tagen eine Reportage darüber).. oder lebe ich in der Stadt, habe zwei Kinder, ein Kindermädchen, eine Ganztagsschule (Frankreich ist da schon weiter) und zwei Doppelverdiener-Einkommen? Dann bleibt aber auch für die Kocherei nicht soviel Zeit.

Mache ich wenigstens einen Fleischtag in der Woche oder verzichte ich lieber ganz aufs Fleisch? Gerade was gesunde Ernährung angeht, hört man eine Vielzahl Meinungen, die sich tlw. sogar widersprechen, so dass die Auswahl noch schwerer wird. Während die einen alleine aus moralischen Gründen Fleischkonsum total ablehnen, gibt es Mediziner, die behaupten, dass uns ein wenig Fleisch sogar gut tut. Dann wieder gibt es die „Hardcore-Steinzeit-Theorie“, die sogar ein sehr viel an Fleisch für gut befindet, dafür aber meint, dass Milch- und Getreideprodukte nicht gesund wären, weil sich unser Körper in 10.000 Jahren, seitdem es Korn und Viehaltung gibt, noch nicht wirklich darauf umstellen konnte.

Ich würde sagen, das Thema Lebensmittel ist ein „In-Thema“ und interessiert viele Menschen. Es ist eine natürliche Verlängerung der Bio-Achse und eine logische Konsequenz aus der grünen, konsumkritischen und (ehemals) kapitalkritischen Bewegung. Wenn man es genau analysiert, stellt man auch schnell fest, wieviel damit verbunden ist und was alles davon berührt wird: Konsumkritik, Genveränderte Lebensmittel, Fastfood-Industrie, Übergewicht und Gesundheitsprobleme, Fresssucht durch Geschmacksverstärker, Umweltverschmutzung durch intensive Viehzucht, Aromastoffe, ein abgestumpfter Geschmackssinn, Lebensmittelskandale, Alkoholsucht durch billige Getränke und Werbung, usw.

Im Fernsehen kommen derzeit sehr viele Sendungen über „unsere Lebensmittel“, wie sie produziert werden, welche Zusatzstoffe hineingekommen, wie Supermärkte aufgebaut sind, usw. Die öffentlichen Medien tun also alles dafür, dass die Verbraucher weiter aufgeklärt werden und sich eine eigene Meinung bilden können. Auch wenn man dem Medium TV vielleicht kritisch gegenüber steht, so leisten doch gerade die öffentlich-rechtlichen Sender hier eine sehr gute und umfangreiche Aufklärungsarbeit. Auch die Politik ist nicht so ganz untätig (obwohl es noch genug zu tun gibt) und hat z.B. vor ein paar Wochen das Portal „Lebensmittelklarheit“ gestartet, bei dem sich Verbraucher über irreführende Werbung und fehlende oder irreführende Inhaltsangaben in Produkten beschweren düfen.

Das Thema Brötchen-Einkauf zeigt aber, dass man -selbst wenn man aufgeklärt ist- und sich auf die Suche nach qualitativer Nahrung macht, keine wirkliche Auswahl mehr treffen kann. Es gibt eben nur noch die Standard-Brötchen aus der Großbäckerei und das traditionelle Handwerk und der kleine Mittelstand leiden darunter. Genauso bei den Fertigsuppen und – Soßen, die immmer noch alle auf Geschmacksverstärker und Aromen setzen (liegt auch ein wenig in der Natur der Fertigsuppe), diese aber jetzt Hefeextrakt nennen können (völlig legaler Trick).

Auch günstig einzukaufen und sich gleichzeitig zeitsparend und gesund zu ernähren, scheint schwierig zu sein (( obwohl es dazu bestimmt tausend Gegenstimmen gibt, die das Gegenteil behaupten )). Bei irgendeinem Faktor muss man immer kürzen, es sei denn man hat unendlich Zeit oder unendlich viel Geld für die Nahrungszubereitung zur Verfügung.

Je mehr man darüber aufgeklärt wird, desto schwieriger wird die tägliche Entscheidung beim Einkauf. Dennoch finde ich es gut, darüber nachzudenken und sich vom roboterhaften Konsumenten-Verhalten zu lösen.

Es sind am Ende doch die Verbraucher, die das Zünglein an der Waage ausmachen.

Die Fülle des Lebens IV

Weiterführende Informationen u. interessante Medien

Wenn ich über das Thema noch weiter nachdenke, komme ich gedanklich unweigerlich auf den Film „We feed the world“ zurück, der mich damals sehr geprägt hat und nach dem Kinobesuch nun auch im DVD-Regal steht.

Für eine volle Rezension müsste ich ihn nochmal frisch anschauen. In Erinnerung geblieben ist der Eindruck an einen authentischen, gut recherchierten Film, der die Zusammenhänge der Lebensmittelindustrie und Globalisierung aufzeigt. Welche Rolle die Politik der einzelnen Länder, die Verbraucher und die Denkweise manch großer Firmen spielen, wird dem Zuschauer dabei anschaulich vermittelt. Oder wie der Zusammenhang zu erklären ist, dass es auf der einen Seite der Welt eine maßlose, durchdesignte und technisch hochgewirtschaftete Überproduktion gibt und auf dem anderen Teil der Welt noch nichtmal das einfachste Korn gedeiht. Warum in westlichen Ländern das Thema Übergewicht an der Tagesordnung ist und die Menschen buchstäblich an Überfettung sterben und 3.000 km weiter südlich an Unterernährung.

Vor allem auch moderne Entwicklungen wie z.B. Patente auf Saatgut oder genetische Veränderungen fand ich erstaunlich. Da laufen Entwicklungen ab, die für die meisten Menschen komplett unsichtbar und verborgen sind, aber dennoch eine große Wirkung auf den Lauf der Welt haben können. Letztendlich kann man mit allen Dingen ein „Geschäft“ machen, so auch mit der Schöpfung der Erde und den künstlichen Veränderungen daran.

Alles in allem ein sehenswerter Film für den, der sich in der Thematik noch ein wenig vertiefen will.

Aber wer weiß, vielleicht kennt ihr auch noch ein passendes Buch, Blog oder Medium? Zum Thema Globalisierung, Auswirkung auf die Umwelt, Massenkonsum, Genetik?

Dann rein mit euren Tipps in die Kommentare. 😉

Tipps von Leserinnen und Lesern

Cradle to Cradle
(Müll- und schadstoffreier Produktionsweg)

Web-Links

Ein Drittel aller Lebensmittel landet im Müll