Unsere Ängste

Vor allem haben wir heutzutage Angst:
Angst vor der unkontrollierten Zuwanderung, vor Messerangriffen, vor Clan-Kriminalität.
Wir fürchten uns vor dem Klimawandel, vor giftigen Autos und unsichtbaren Abgasen, wir misstrauen den Atomkraftwerken mit ihrem hohen Restrisiko und wir wollen noch nicht mal mehr ein Stück Kohle verbrennen. Am liebsten würden wir uns in die Waldhütten zurückziehen, aus denen wir einst gekommen sind und mit den Bienen und Insekten leben, die ja auch bald nicht mehr sind.
Um unser aufgeheiztes Gemüt zu kühlen, würden wir gerne einen Schluck aus dem kühlen Gebirgsbach nehmen, wenn er nicht bald vollständig verdunstet wäre.
Wir fürchten uns vor den anderen. Daher sind wir lieber mit völlig unbekannten Personen aus Timbuktu befreundet, aber kennen den Namen unseres Nachbarn nicht, der gerade einmal 10 Meter weiter wohnt. Wir fürchten die Überalterung der Gesellschaft und die Geburt.

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Mutig

Passende Musik

Du tust Dinge, die Du früher nicht gerne oder nie gemacht hast.
Du findest plötzlich den Mut. Es ist ganz leicht. Es ist so, als ob die „Schranken weg“ wären.
Du fragst Dich, warum Du Dich vorher so angestellt hast. Es ist doch eigentlich ganz leicht.

Du warst früher nie mutig. Du warst immer ängstlich. Du hattest immer Komplexe. Es war fast so, als ob sich die ganze Unfähigkeit und die ganze Trägheit der Welt in Dir vereint hätte.
Nichts hast du auf die Reihe bekommen. Mit anderen Leuten warst du schüchtern, Autofahren hat dir große Probleme gemacht, vor dem Schwimmbad oder der Sauna hattest du große Angst. Nacktheit war ein Problem. Arbeit war ein Problem. Telefonieren ging meistens gar nicht. In den sozialen Medien hast du nichts gepostet und in der Schule kein Wort raus bekommen. Meistens hast du dich ausdauernd und effektiv versteckt.

Du konntest nie dazu stehen, wer du bist. Du warst froh, wenn du „wenig Besucher“ hattest – in deinem Blog, aber auch ganz real. Menschen haben dich oft angestrengt oder überfordert. Die leisen Töne liegen dir mehr, daher ist auch die Schreibstube dein liebster Ort. „Real Life“ oder „Alltagstest“ waren für Dich stets Schreckensworte. Das klang so endgültig, so real, so bedrohlich.
Die Welt „da draußen“ war eine Bedrohung für Dich. Schon immer. Wie eine unsichtbare Wand, die man nicht durchdringen kann. Eine Stufe, die einfach zu hoch ist. Sie ist schon immer dauernd gewesen, nie bist du darüber gekommen, warum sollte es jetzt anders sein? Die innere Welt kam Dir gemütlicher und vertrauter vor. Sollen die anderen doch was wagen, du bleibst lieber am Spielfeldrand und schaust zu.

Und doch ist es seit ca. einem Jahr anders. Die Dinge funktionieren plötzlich und auf eine Art, die dich überrascht.
Es fing mit dem Klassentreffen an. Da hat es „zing“ gemacht. Du wolltest zuerst nicht. Warst wieder zögerlich und ängstlich. Hast alles hin- und hergedreht. Aber die Welt hat dir nicht mehr gefallen. Du hast gespürt, dass es anders gehen muss. Und nachdem du den Hebel endlich umgelegt und dich überwunden hast, wurde alles andere immer leichter.

Autofahren wurde plötzlich leichter, auch auf der Autobahn. Telefonieren geht plötzlich leichter, mit anderen Menschen hast du wieder mehr Spaß. Du postest ausdauernd und regelmäßig in sozialen Medien – und es ist dir völlig egal wie die Resonanz ist. Du merkst, dass es Dir einfach Spaß macht dich auszudrücken und du von anderen Meinungen nicht mehr abhängig bist. Die innere Kritikerin kannst du jetzt belächeln. Sie tut dir sogar leid! Du vergibst Deiner Kritikerin – und es ist ein gutes Gefühl.

Du bist das erste Mal „schwimmen“ gegangen und kannst jetzt nicht mehr davon genug bekommen. Du denkst sogar über verrückte Dinge nach, die du früher garantiert NICHT gemacht hättest- z.B. von einem 5 Meter Brett springen oder eine wilde Wasserrutsche fahren. Du willst plötzlich in einen Freizeitpark und Achterbahn fahren. Je schneller, desto besser! Beim Autofahren gibst du Gas. Es macht Dir jetzt Spaß, es macht Dir keine Angst mehr. Es fühlt sich alles so frei an ohne Angst!

Du hast soviel Spaß am Reisen! Du willst Städte sehen! Länder bereisen! Menschen aus aller Welt kennen lernen! Du willst sie glücklich machen, deinen Horizont erweitern, Liebe verteilen und das ist ein wahnsinnig gutes und schönes Gefühl.
Du spürst schon jetzt, wie deine eigene Stärke auf andere übergeht und sie „mit ansteckt“. Du bist den anderen ein Vorbild. Ein Mensch kann ohne den anderen nicht reifen.

Du fragst dich, wo die Angst hin gegangen ist und woran es liegt? Ist es schlimm, wenn man keine „Barrieren“ mehr hat oder diese deutlich niedriger liegen?

Vermutlich ist es gut so. Es fühlt sich normal an. Das vorher war es nicht.

Das Erbe der Höhlenmenschen

„Freiheit statt Angst“ dieser Satz fällt mir ein, wenn ich über das Moderierungs-Problem nachdenke. Ein paar Terroisten jagen ein Hochhaus in die Luft und ein paar Wochen später, wird jeder Passagier bis auf die Unterhose gefilzt, darf nur noch 50 ml Zahnpasta, in möglichst unsichtbarer Verpackung (oder noch besser: vorsorglich bereits auf die Zähne aufgetragen) mit sich tragen, werden die Leute durch ein Raster geschickt, unterteilt nach Glauben, Ethik, Herkunft und Geschlecht. Schlaue Ingenieure erfinden Maschinen, mit denen Leute bis auf die Haut „gescannt“ werden und obwohl man sich dabei soviel Mühe gibt und mit immer größeren und intensiveren Mitteln versucht, die Sicherheit herzustellen, die es nur im Kopf gibt, scheitert man. Gegen den Terror der Angst gibt es anscheinend kein Abwehrmittel, denn die Angst entsteht im Kopf und nicht in der Waffe, dem Glauben oder der politischen Einstellung.

Angst ist etwas unsichtbares, aber doch beeinflusst sie die Taten der Menschen auf eine sehr sichtbare Weise. Ich habe Angst vor Trollen und unfreundlichen Kommentatoren. Wohin führt die Angst mich? Ich schaue automatisch nach Mitteln, die mir mehr Sicherheit versprechen, die die Aggression von anderen Menschen (die nur gefühlt wird und gar nicht real ist) abfedern, abpuffern und weicher machen soll. Ich habe also Angst vor der Aggression, Angst vor dem Hass, ich wünsche mir anscheinend eine Welt mit lauter bunten Blümchen, mit Schafen, die über die Wiese hoppeln und einem schönen, rosafarbenen Regenbogen, der sich über den tiefblauen und wolkenfreien Himmel spannt. Sieht so aus, als ob das Harmoniestreben in diesem Falle eine Schwachstelle ist.

Die imaginären Trolle (= die Terroristen) haben das erreicht, was sie wollten: Sie haben Angst und Schrecken verbreitet. Sie haben ihr hämisches Grinsen aufgesetzt, ein bisschen mit der metallisch glänzenden Klinge gescharrt und mit der Zunge geschnalzt und die Menschen haben angstschreiend das Weite gesucht. Wie beim Anblick von Piraten oder Plünderen, die über die Felder der armen Bauern herfallen. Das muss ein uralter Reflex sein: Angst schützt vor Gefahren. Lieber einmal zu früh hochfliegen, als einmal zu langsam sein und sich von der Aggression der lebensfeindlichen Natur auffressen zu lassen.

Lieber eine Sicherheitskamera mehr aufgestellt, als einmal im entscheidenen Moment zu wenig gesehen zu haben. Lieber einen Polizist mehr Streife patroullieren lassen, als es einmal zu verpassen, wie zwei Jugendliche eine alte Frau oder einen Kinderwagen auf die Gleise schubsen.

Angst bestimmt das Gemüt. Schon morgens, wenn wir die Zeitung aufschlagen, werden wir mit Angst konfrontiert: Bus rast in Auto, Kind wird von U-Bahn erfasst, Einbrecher bringen schlafenden Mann um, Jugendlicher erschlägt Vater, Frau von wütendem Mann erstochen, 3.000 Menschen sterben bei Hochwasser und eine Chemiefabrik ist explodiert.

Herje, und das alles an einem Tag? Das kann kein normaler, von der Evolution auf Angst und Überleben dressierter Mensch aushalten.

Ja, Freiheit ist eine tolle Sache. Aber lasst sie erstmal von anderen ausprobieren, bitte. Ich entscheide mich dann später, wie ich mich entscheide. Hier in meiner Höhle, ist es gerade so bequem. Ich habe da ein gemütliches Bett aus Stroh und einen dicken Felsen, der mich vor blutsaugenden, mädchenfressenden Dinosauriern schützt. Viel zu essen in der Kammer und wenn ich mal jagen muss, ist da noch mein Bruder. Der ist viel stärker als ich und gerissener. Den schicke ich vor.

Wenn er nicht zurückkommt, werde ich abends (spätabends, bei Dunkelheit!) langsam den Fels zur Seite rollen und ganz schnell, husch husch zu den Beerensträuchern rennen und ein paar von den roten Beeren pflücken. Aber nicht so lange, nur zehn Minuten. Circa..

Still, da raschelt etwas in den Blättern, ich muss mich beeilen. Bis später dann!