Metakommunikation

Wie qualifiziert sich heutzutage wertvolle Literatur, woran erkennen wir Autoren, die gute und wichtige Inhalte abliefern, angesichts der Masse von Informationen, die z.B. das Internet bereithält? Früher war es vielleicht einfacher, denn nur gebildete Menschen mit einem gewissen Schul- und Universitätsabschluss und den entsprechenden Kontakten und Einflussmöglichkeiten haben Bücher geschrieben, die dann auch gelesen wurden. Je nach Berufsgruppe entstehen „Leitfäden der Anwendung“, die dann wiederum als Vorbild und Grundlage für weitere Arbeit dienen. In den Klappentexten qualifiziert sich der Autor meistens durch seine Berufswahl und sein berufliches Schaffen. Ein Verlag wird ein Buch nur dann herausbringen, wenn es klar ersichtlich ist, dass der Autor über bestimmte Kompetenzen verfügt und Erfahrungen mitbringt, die seine Gedanken rechtfertigen und unterstreichen.

Nimmt man die Sachliteratur, ist die Vorgehensweise scheinbar einfach und linear. Schwieriger wird es bei den Gedanken, die von Einzelpersonen völlig subjektiv erdacht werden, keinem bestimmten Anspruch genügen, noch auf der Grundlage einer bestimmten Ausbildung entwickelt wurden.

Einem 65 jährigen, ausgebildeten Professor der Germanistik glaubt man einfach vom Anfang an mehr, als einem 15 jährigen Jugendlichen ohne Schulabschluss, der es im klassischen Buch- und Bildungswesen schwer haben dürfte, selbst wenn seine Gedanken noch so brillant sind.

Diese „freien Texte“ von freien Personen ohne Referenzpflicht findet man im Internet relativ häufig, vor allem in den Blogs und Foren, wo jeder ein Experte sein kann. Selten bis nie erfährt man etwas über den Ausbildungsstand oder die beruflichen Grundlagen einer Person. Jeder kann sich an der Diskussion beteiligen, die dann durch intensive Diskussion auf das Verwertbare und Schlüssige reduziert und vereinfacht wird. Daraus entstehen unfreiwillige und überflüssige Textfragmente, die die eigentliche Diskussion unnötig aufblähen und vom Leser entsprechend mühsam entfernt werden müssen. Vor allem die persönlichen Urteile und Meinungsverschiedenheiten nehmen einen großen Raum ein. Gerade weil im Internet niemand über eine natürliche oder „gottgegebene“ Autorität verfügt und sich letztendlich alle mit „du“ und dem Vornamen anreden, wird es für die einzelnen Gesprächsteilnehmer schwer, sich zu behaupten und ihre egoistischen Vorstellungen vom Leben und den Sachverhalten umzusetzen.

Dieses Problem haben letztendlich alle, ob sie nun einen großen Geldbeutel und viele soziale Kontakte haben oder sich mit Müh und Not einen eigenen Computer leisten konnten. Das Internet und die modernen Kommunikations- und Schreibformen reduzieren das Gesagte im Idealfall auf die Essenz. Gemeinsame Werke wie die Wikipedia drängen das Individuum zurück und ermöglichen der Menschheit, objektives Wissen zu erlangen, das von allen genährt wird. Auch die Blogs sind ein wichtiger Baustein im universellen Menschheitswissen. Nicht selten erweitern sich die Artikel sinnvoll über die abgehaltene Diskussion im Anschluss und bekommen eine inhaltliche und persönliche Einordnung in einem größeren Kontext. Man kann erkennen, mit wem der Autor kommuniziert, ob es Leute gibt, die das Gesagte wertschätzen oder gar ablehnen.

Das menschliche Feedback im „Web 2.0“ hat die interessante Rolle bekommen, den Sprecher und Autor über Zuwendung und technische Verlinkung aufzuwerten. So bekommt eine Webseite einen höheren „Pagerank“ von Google, wenn mehr Leute einen Link auf die Seite gesetzt haben. Nicht wenige unlautere Teilnehmer am Wettbewerb versuchen dann diese Links auf eigene Seiten künstlich zu generieren und mit Textmüll zu versehen, um die Suchmaschinen zu täuschen. Das Ergebnis sind seltsam anmutende Seiten voller kryptischer Wortfragmente, völlig sinnentleert und menschenlos. Sie sind das Gegenteil zum qualitativen und zeitnahen Alltags-Journalismus der Blogs, bei dem alle teilhaben können und sich einzig und allein über ihre Persönlichkeit und ihre Schreibfreude qualifizieren.

Der Nachteil am modernen Schreiben und der Echtzeit-Generierung von „Content“ liegt darin, dass die Gefahr sehr groß ist, trotz hoher Qualität und intensiver Recherche- und Schreibarbeit im unendlichen Meer der Vielfalt zu versinken. Gerade durch den sozialen Aspekt der Blogs kann es passieren, dass nicht so kommunikationsfreudige und einsame Menschen weniger gehört werden, als die, die sich immer vordrängeln und ihre Ideen besser verkaufen können. Da es beim Internetschreiben kaum Qualifizierungsmöglichkeiten über die Berufstätigkeit oder ähnliche Faktoren gibt, sind der soziale Faktor und die Besucherdichte das einzige Qualitätskriterium, nach dem alle streben. Eine technisch gut umgesetzte und gepflegte Seite wird unter Umständen mehr Besucher anlocken und eine höhere Breitenwirkung erzielen, als die Seite des einsamen Künstlers, der ständig an neuen Texten feilt und dennoch nie an Einfluss gewinnt. Die eigene Ideologie und die moralische Unfähigkeit, dem Mainstream zu folgen, werden ihm zum Verhängnis – zur eigenen engen Falle des Denkens, so ideal es auch geartet sein mag.

Der schlaue Blogger mit dem Blick nach vorne vereint idealerweise alle Faktoren unter einem Hut, bringt Berufstätigkeit und Erfahrung, gute Kommunikationsfähigkeit, Fleiß, Ehrgeiz, ein gewisses marktwirtschaftliches und finanzielles Talent mit sich, um sein Blog zu einer stabilen, unvergänglichen und verlässlichen Säule des Menschheitswissens zu machen.

Oder er schreibt einfach genügsam vor sich hin und freut sich seines Lebens und seiner Gedanken, die er frohen Herzens mit anderen teilt (um sich dann wenig später die nächste verbale Ohrfeige einzufangen…)

8 Gedanken zu „Metakommunikation“

  1. Oh Mann, wenn wir schon bei verbaler Gewalt sind:
    Gestern habe ich in der Straßenbahn meine frühere Nachbarin getroffen. Mein Vater ruft sie immer an und heult ihr die Ohren voll, ob sie nicht wüßte, wo ich wohne und er würde sich solche Sorgen machen.
    Also war ihre Reaktion gestern mir gegenüber darauf, dass sie mich aufgefordert hat, ihn doch mal anzurufen.
    Ich habe den Eindruck, die Frau will einfach ihre Ordnung, die sie im Kopf hat, durchsetzen. Das ist Gewalt.
    Zumal sie ja die Konsequenzen nicht tragen muss, wenn ich den Mann anrufe. Die habe ich zu tragen. Dass er schwer depressiv ist und ihm nur der Psychiater helfen kann, das will sie nicht wahr haben.

  2. @ Claudia: Danke für die guten Wünsche. Manchmal kann ich sie echt brauchen.

    @ Violine: Das klingt so, als ob diese Frau dich zu irgendetwas bewegen möchte. Weiß Dein Vater nicht, wo Du wohnst und wie deine Nummer ist? Bist du irgendwie sauer auf ihn? Oder ist es so, dass er dich einfach nur nervt..?

  3. Mein Vater weiss nicht, wo ich wohne, und meine Telefonnummer hat er auch nicht.
    Der Mann nervt nicht nur, ich halte ihn schlicht nicht aus. Er kann entsetzliche depressive Schübe haben, danach bin ich geliefert.
    Und immer wenn ihm etwas fehlt, dann behauptet er, er würde sich um mich Sorgen machen (und noch schlimmeres). Dabei drückt ihn der Schuh ganz woanders.
    Z.B. ist er ewig nicht in Rente gegangen, war entsprechend überfordert und es ging ihm schlecht. Aber das konnte er nicht zugeben. Nein, stattdessen hat er solche Ammenmärchen über mich und meine Mutter erzählt (sie sind seit ewigen Zeiten geschieden), dass wir sogar die Kripo im Haus hatten.

  4. Es ist ein Klassiker, soweit ich weiss. Bei uns steht es zum Beispiel in der Stadtbücherei.
    Und das Modell mit den vier Kommunikationsebenen ist sozusagen berühmt.

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