Für die Kinder…

die sowieso immer weniger werden
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Achtung: In diesem Artikel kommen scharfkantige Worte und frei umherfliegende Satzzeichen vor.
Lesen gefährdet ihre Dummheit und eigenständiges Denken die Macht von Diktaturen.

Daher ist Denken und Lesen sehr gefährlich. Denken sie bitte nicht zuviel!

Nicht zu Hause nachdenken!

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Liebes Kind,

ich weiß, dass du jetzt wieder heimlich vor dem Computer sitzt. Deine Eltern haben es dir verboten ,weil du immer nur spielst und dir Pornos oder Gewaltvideos auf dein Handy ziehst. Oder du googlest nach deinen Hausaufgaben und holst dir gerade Inspiration für dein neues Referat? Wie, du machst sogar illegale Downloads? Pst, sag das lieber nicht weiter, sonst hagelt es noch eine Abmahnung…die dein Papa dann bezahlen muss.

Ich muss dir jetzt was erzählen. Über böse Menschen. Über „Politiker“. Die wissen alles besser. Die wissen, was für dich und für mich gut ist. Sie haben zwar keine Ahnung vom Leben oder vom Internet, aber von Gesetzen. Und weil sie ihr Geltungsbewusstsein befriedigen / und oder Inkompetenz überlagern wollen und/ oder keine Ahnung vom Netz haben und alles regulieren, wollen sie dir und mir nun sagen, was wir schauen dürfen und was nicht. Das kennst du vielleicht von den Computerspielen. Da reichen zwei rotgefärbte Pixel mit einer Winkelanordnung von 45 Grad und ein virtueller Schrei, der entfernt an einen Menschen erinnert, aber eigentlich eine Computerstimme und dass du gerade zufällig deine linke Maustaste gedrückt hast und dann kannst du das Spiel nicht mehr kaufen. Logisch, oder? Dann musst du das in den USA oder in Großbritannien kaufen. Kennst du vielleicht. Deine Freunde finden das Spiel cool, also musst du es auch haben. Kann ich verstehen. Während du das dann spielst, schauen sich deine Eltern um 20 Uhr nebenan einen Tatort an, wo man gerade die Leiche obduziert. Die Kehle ist aufgeschnitten, das Blut tropft über den Metalltisch und der Arzt hat gerade das Skalpell in der Hand und untersucht die Organe. Alles täuschend echt und sogar noch realistischer als mit dieser öden, kantigen Computergrafik. Alles ganz normal mit einem echten Menschen und total unindiziert! Um 20 Uhr! Du kannst sogar was über Anatomie lernen, aber du darfst das nicht am Computer, weil da sind das Pixel und ach.. oder ich erkläre dir das später, das ist nämlich seeehr kompliziert.

Das mit der Zensur vom Internet und der Jugendfreigabe und den ganzen Regelungen ist allerdings viel einfacher.

Schuld sind eben nicht die Eltern, die auf dich aufpassen, sondern wir, die kleinen BloggerInnen und Forenbetreiber.. die kleinen Leute ohne Macht am Ende der Leitung, die soviel Müll und Kinderpornografie produzieren und dem Staat mit kleinen und noch kleineren Kleinstfirmen seine Steuern bezahlen. Das nennt man Mittelschicht, bzw. Mittelstand.

Wir müssen immer für alles herhalten,.. weil? äh ja, weil das ist halt so. Frag doch die Politiker, wenn dich das so interessiert!

Wir sind per se böse, aber gegen uns wird nichts gemacht. Wir sind potenziell alle gefährlich. Das ganze Internet ist gefährlich. Das weißt du vielleicht.

Daher gibt es auch viele Lösungen dagegen. Zum Beispiel werbewirksame und (rechtlich zweifelhafte) „Dokus“ vom Minister seine Frau… ein paar Pro-Forma Gesetze noch obendrauf oder hey, wir schalten einfach das ganze Internet ab- wie wäre das?

Aber dann könntest du dir auch keine Gewaltvideos mehr aufs Handy laden, kannst keine Schulaufgaben mehr googeln, nicht mehr mit deinen Freunden chatten, keine Spieleinfos mehr durchlesen, keine Bildungsblogs lesen, überhaupt gar nichts mehr machen! Und wie wäre das? Die Leute nennen das „Zensur“. Zensur ist, wenn nichts mehr erlaubt ist. In China ist das z.B. so. Da dürfen die Menschen nicht das sagen, was sie denken. Es gibt für alles Regeln. Und weil das ein paar deutsche Politiker so toll finden, haben sie gedacht „hey dann erfinden wir doch auch gleich die Zensur. bzw schauen uns das bei den Chinesen ab. Denn ein Patent gibt es noch nicht darauf! Haha und wir schlagen damit zwei Chop Suey Fliegen mit einer Klatsche!“. Gesagt getan. Weißt du liebes Kind, Politiker wollen nicht, dass du oder ich frei sind, sie gönnen uns unsere Freiheit nicht. Freiheit macht Angst, Freiheit ist unberechenbar und das schlimmste von allen sind Menschen, die frei denken und die man nicht kontrollieren kann. Die muss man dann mit 500.000 Euro Geldstrafe bestrafen, und wenn die das nicht zahlen, dann kommen sie für 400 Jahre in den Knast! Mit Folter! Mit Einzelhaft! So wie damals in der DDR.

Weißt du was Stasi ist und DDR? Nein ? Okay, dann erkläre ich dir das beim nächsten Mal..

Und jetzt mach lieber deinen Computer aus, bevor es deine Eltern merken, dass du wieder solange davor sitzt…

8 Gedanken zu „Für die Kinder…“

  1. Hallo Julia!
    Danke für diesen herzerfrischenden Text! Würde ich auch ein Blog betreiben, hätte ich in diesen Tagen sicher etwas ähnliches ins Netz gestellt; ich bezweifele jedoch, ob es mir so gut gelungen wäre wie Dir.

    Ich kann jedes Deiner Worte unterstreichen und finde das Stimittel, den Text an ein imaginäres Kind zu richten, sehr passend. Und irgend wie auch anrührend. Die Vorstellung, daß tatsächlich ein Kind Deine Zeilen liest und dabei bei ihm so langsam der Groschen fällt, in welch schräge Welt es da hineingeboren wurde, ist sogar ein bißchen versöhnlich.

    Nachdenklich gemacht hat mich zudem Dein Satz „Freiheit macht Angst“. Daß Diktatoren oder absolute Monarchen eine solche Angst verspüren, ist zwar irgendwo verständlich, daß aber inzwischen auch gewählte Politiker freier und moderner Demokratien davon erfaßt werden, ist im Grunde erstaunlich. Und es bereitet mir Unbehagen.
    Ich möchte möglichst nicht von Politikern regiert werden, die Angst haben. Schon gar nicht vor mir. Und erst recht nicht vor den Werten, die es überhaupt erst ermöglicht haben, daß sie selbst in die Ämter, die sie bekleiden, aufsteigen konnten.
    Verkehrte Welt!

    Liebe Grüße, Yva

  2. Hallo Yva,

    schön, wenn dir der Text gefällt!

    Ich denke leider, dass das zu Grunde liegende Problem, nämlich der derzeitige Wirbel um das neue Jugendschutzmediengesetz nur die Spitze des Eisberges ist.

    Wer hat eigentlich Angst vor wem? Haben die Politiker Angst vor uns Bloggern und wollen nun zusätzliche Steine in den Weg legen? Oder sind es wirklich die Sorgen der Eltern, die ihre Kinder mit solchen Gesetzen schützen wollen? Über das unberechenbare und sehr gefährliche Internet zu schreiben, ist ja leider sehr beliebt. Fast ein Trend, vor allem in der politischen Klasse des gut gebildeten aber doch arg regelwütigen Bürgertums. Dabei kann ein „mehr Staat“ oder ein „mehr Gesetz“ die zugrunde liegenden Probleme niemals lösen, denke ich.

    Es ist mal wieder eine Kopf-Sache und eine Sache der Einstellung und der Erziehung.

    Jugendschutz an sich finde ich sogar gut, aber die Qualität des Netzes darf darunter nicht leiden. Und dass Seiten dicht machen oder nur zu bestimmten Zeiten gesendet werden sollen, ist absolut absurd.

    Wenn größeres Interesse besteht, schreib ich die Tage nochmal darüber. Die Meinungen gehen – soweit ich das beurteilen kann- weit auseinander.

    viele Grüße
    Julia

  3. Hallo Julia!

    In der Tat ist der Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) zur Zeit ein sehr heißes Thema im Netz. Das ist aufgrund seiner offenkundigen Untauglichkeit, die in ihm formulierten Ziele zu erreichen, sowie der Rechtsunsicherheit, die er schafft und von der jeder betroffen ist, der Inhalte ins Netz stellt, auch nur verständlich.
    Es wird jedoch viel spekuliert und interpretiert, auf der einen Seite eine wilde Panik geschürt und auf der anderen geradezu blauäugig beschwichtigt. Sogar zwei sehr bekannte bloggende Rechtsanwälte können sich zur Zeit nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.
    Aber fast all diese Diskussionen werden von der Fragestellung „Was bedeutet es für mich, wenn der JMStV am 1. Januar in Kraft tritt?“ motiviert. Selten macht jemand einen Schritt darüber hinaus und denkt darüber nach, was wirklich hinter dieser (und auch anderen, ähnlichen) staatlichen Maßnahme stecken könnte.

    Werden unsere Politiker wirklich allein von der Sorge um unsere Kinder getrieben? Also, ich meine die gleichen Kinder, die – falls ihre Eltern Hartz-IV-Empfänger sind – Schwierigkeiten haben, die in der Schule benötigten Lernmittel zu finanzieren; die gleichen Kinder, die in einem von den Vereinten Nationen heftig kritisierten Schulsystem verwahrt, abgestempelt und vor allem unzureichend gebildet werden; die gleichen Kinder, die von pflichtbewußten Zugbegleitern im Niemandsland ausgesetzt werden, wenn sie aus Versehen eine falsche Fahrkarte gekauft haben, und die von Wasserwerfen der Polizei umgepustet werden, wenn sie an einer angemeldeten Demonstration teilnehmen.

    Angesichts dessen, was unsere Gesellschaft den Kindern im Alltag so alles antut und zumutet, ist die Sorge darum, daß sie durch das Bild eines tollwütigen Hundes oder eines sterbenden Soldaten im Internet in ihrer Entwicklung übel gestört werden, geradezu lächerlich. Und deshalb halte ich es für richtig, nachzufragen, wozu solche Gesetze tatsächlich gut sein sollen, und was in den Köpfen einiger unserer Politiker wirklich vor sich geht. So, wie Du es tust.

    Ich würde mich freuen, wenn Du noch einen weiteren Text zu diesem Thema verfassen würdest. Allein schon Deine Antwort auf Deine eigene Frage im letzten Reply („Haben die Politiker Angst vor uns Bloggern?“) würde mich sehr interessieren.

    Liebe Grüße, Yva

  4. @ Yva: Okay, mach ich. wird aber schätzungsweise ein paar Tage dauern, bis ich alle relevanten Quellen durchgelesen (und auch verstanden) habe. Juristische Dinge finde ich ja eigentlich langweilig, aber das Konzept und Denken dahinter sollte man schon mal hinterfragen oder diskutieren.

    Schließlich betrifft es ja alle Menschen, die Texte und Inhalte im Netz anbieten.

    Aber was das allein wieder bedeutet: Wieviel Zeit die Menschheit nun damit verbringen muss, wieviel Energie und Ressourcen durch diese bürokratische Regelung nun wieder verschlungen werden. Das ist der eigentliche Verlust an Freiheit. Man ist gezwungen, sich mit Gesetzen auseinanderzusetzen, während man in der Zwischenzeit längst produktiv oder kreativ sein könnte.. 😉

    Du schönes, ehemalig jung und unbeschwertes Internet, du tust mir leid, die Politiker haben dich entdeckt…

    Viele Grüße,
    Julia

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