Freitag vor Pfingsten

Eine junge Frau zwischen 30 und 40 Jahren hat heute beschlossen, das „kühle Wetter“ am Vormittag zu nutzen und ein bisschen Gartenarbeit zu machen. Nur nicht so lange warten und wieder stundenlang am PC abhängen… Man muss die Gunst der Stunde nutzen und früh ans Werke gehen! Denn, so flüsterte mir mein schlechtes Gewissen ein, an der Garage würde das Unkraut und die Hecke schon kräftig sprießen und auch aus allen anderen Ritzen an der Straße und im Vorgarten wartet einiges an Arbeit.

Gesagt, getan. Natürlich musste erstmal ein Kaffee getrunken werden, um auf Touren zu kommen. Das Frühstück lässt die junge Frau traditionsgemäß weg, das belastet nur und drückt schwer auf den Magen. Aber einen zweiten Kaffee kann man sich ruhig gönnen. Und noch die eine Schlagzeile hier und die andere Schlagzeile dort im Internet angeklickt. Geistige Nahrung für das News-Frühstück. Habt ihr schon gehört, dass Trump jetzt aus dem Klimavertrag von Paris aussteigen will? So ein Irrer, was hat der sich bloß dabei gedacht? Die Replik des französischen Präsidenten lautete daher auch passend: „Make our planet great again“. das kann ich nur unterschreiben…. und beim nächsten Blick auf die Uhr war es schon 10 Uhr!

Heute ist ein besonderer Tag, denn zeitgleich warteten wir auch auf ein besonders wichtiges Paket, das mit Express-Dienst gerade heute, meinem so wichtigen Garten-Tag zugestellt werden sollte! Noch ein Grund mehr, zeitig an die Arbeit zu gehen und nicht so sehr zu trödeln. Aber einen dritten Kaffee kann man sich noch gönnen. Mann, der wärmt auf! Lieber noch was kaltes trinken und dann gehts endlich an die Arbeit! 😉

Als ich am Platz der Arbeit angekommen bin, stelle ich fest, dass die rüstigen Rentner neben mir schon längst bei der Arbeit sind. Es ist jetzt 10 Uhr und so wie es aussieht, sind sie schon gleich fertig und bereit sich ins kühle Haus zurückzuziehen. Ein Blick aufs Außenthermometer verrät, dass es jetzt schon 28 Grad sind, dazu drückende Schwüle. Die junge Frau war mal wieder zu spät und hat zu lange herum getrödelt. Die Hecke ist schnell abgeschnitten, parallel achte ich immer mit einem Auge auf den Paketboten. Nachdem die Kämpfe mit Hecke und Unkraut fast gewonnen sind und ich die bis oben hin gefüllte Schubkarre zum Eingang schiebe, kommt gerade ein kleines Auto um die Ecke gebogen! Oh schön, denke ich, da ist endlich das Paket!

Eine junge Frau zwischen 20 und 30 Jahren steigt aus dem Wagen und begrüßt mich mit einem strahlenden Lächeln. „Nanu, kein Paket in der Hand, denke ich mir. Und was ist das für ein komischer schwarzer Wagen. Müsste der nicht gelb oder weiß oder in einer anderen Farbe sein?“.
„Guten Tag, die Schornsteinfegerin“ entgegnet sie mir da schon, als sie aussteigt und ich bin tatsächlich überrascht. Lasse mir nichts anmerken, dass ich über eine Frau in Männerberufen doch etwas überrascht bin und schaue an meiner dreckigen Hose, dem verschwitzten T-Shirt und dem Gartengerät herunter, das gerade so neben mir liegt.
„Störe ich, passt es?“ fragt sie mich höflich, was ich sehr nett finde und von Männern ähnlicher Dienstleistungen meistens überhaupt nicht berücksichtigt wird. Sie hat schon einen Punkt bei mir gewonnen. „Ich hab gesehen, dass das Auto dort steht und die Tür offen war, da hab ich gedacht, endlich seit ihr mal anzutreffen.“ „Nein, sie stören überhaupt nicht, kommen sie ruhig rein“ sage ich zu ihr und habe gerade das Gefühl, eine gute Freundin zu empfangen und ihr gleich ein Glas Apfelschorle anzubieten.
Die Heizung wird kurz angeworfen, ein paar technische Fragen werden ausgetauscht – aber sie nimmt Rücksicht und lässt die Heizung nicht ganz durchlaufen. Bei der Hitze bin ich recht erleichtert, denn in den Innenräumen ist es schon über 24 Grad. Ich habe gerade noch Zeit, mir meine Hände zu waschen und den Schweiß und Dreck aus dem Gesicht zu wischen, da ist die Routinekontrolle auch schon fertig. Ich erfahre noch, dass ihr Kollege jetzt seit 12 Wochen krank ist (Bandscheibenvorfall) und daher die Arbeit liegen geblieben ist. Sie ist also die neue, die als Vertretung einspringen musste, aber jetzt erstmal die liegen gebliebene Arbeit aufarbeiten muss. Ich bin ganz angetan und freue mich endlich mal eine weibliche Schornsteinfegerin angetroffen zu haben. Das bringt bestimmt doppeltes Glück. 😉 Sie fragt noch nach einer Adresse eines Nachbarn und wie man den erreichen kann. Das Hofgut hat nämlich zwei Eingänge. Einmal zur vorderen Straße und einmal hinten heraus. Der offizielle Eingang ist schwer zu finden und liegt quasi an einem Feldweg.

Ich verabschiede die Schornsteinfegerin und mache mit der Arbeit weiter. Alles ist trocken, nur die wichtigsten Pflanzen werden gegossen und versorgt. Wasser sparen, save our planet! Hier hat es schon sehr lange nicht mehr geregnet, man spürt die Folgen deutlich.

Und das Paket ist immer noch nicht da. So langsam werden wir ungeduldig. Wenn sie uns vergessen haben? Und das wichtige Teil erst nach Pfingsten kommt? Ich mache weiter mit meiner Straßenkehrer-Arbeit, zupfe mit meinen kleinen Fingern das Unkraut aus den Ritzen und treffe dabei eine junge Frau zwischen 30 und 40 Jahren. Eine Nachbarin, die mit ihrem Hund spazieren geht. Wir grüßen uns freundlich und sind im Geist verbunden. Tja, die Pflichten, die müssen halt getan werden. Derweil sitzen die besten Ehemänner der Welt im Kühlen und genießen ein schattiges Plätzchen….

Meine bessere Hälfte redet mit mir über das Paket. Ich gehe duschen, damit er in der Zwischenzeit auf den Boten aufpassen kann. So wechseln wir immer hin und her. Es kommt aber keiner. Er fährt zur Arbeit und genau in dem Moment kommt gerade ein neues Auto in die Nebenstraße gebogen.

Eine junge Frau zwischen 30 und 40 Jahren steigt aus dem Auto. Mit schnellen Schritten eilt sie zum Eingang, dabei hat sie ein kleines Paket in der Hand. Sie fragt: „Na, habt ihr schon auf mich gewartet?“, vermutlich, weil ich sofort an der Tür bin.

Ich lächle und entgegne „Ja, wir haben sie bereits erwartet.“

Was bin ich froh, dass es junge Frauen zwischen 20 und 40 Jahren gibt, sonst hätte dieser Vormittag vermutlich ganz anders ausgesehen.

2 Gedanken zu „Freitag vor Pfingsten“

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