Europa ohne Weitsicht

Das Ergebnis der Europawahl fand ich einfach nur schockierend. Es ist etwas zu viel, jetzt nochmal alle Details durchzugehen, aber die Tendenz war klar: Die europakritischen Parteien bekommen Aufwind, in Frankreich hat sogar der „Front National“ das stärkste Wahlergebnis bekommen. Im Grunde müsste man nun folgend aus den Lehren des 1. und 2. Weltkriegs Dauer-Demonstrationen einleiten, solange bis sich die Partei auflöst oder verboten wird… aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Parteien und Politiker gehen wieder zum Alltag über, das gemeine Volk hat den „Denkzettel“ gesetzt, der allzu leicht nach hinten losgehen könnte. Einzige Reaktion in Frankreich (die bis in die deutschen Medien gedrungen ist) war, dass man das Kommunalwahlrecht für die dortigen Ausländer erschwert. Aha, Diskriminierung light und jetzt machen wir alle schön weiter?

Nochmal durch Wikipedia zusammengefasst, wofür so eine Partei steht:

  • nationalistische Bevorzugung
  • Ablehnung der Globalisierung, Arbeiter und Arbeitslose werden primär angesprochen (die vermeintlichen Verlierer)
  • Einwanderungs-Beschränkung
  • Austritt aus Euro-Zone und Nato
  • Schutzzölle für die heimische Wirtschaft
  • Erschwerung der Abtreibung, Ablehnung von Homosexualität
  • Verbot von religiösen Symbolen

In Verbindung mit dieser „nett“ dreinschauenden Landsmännin Le Pen ist es sogar nachvollziehbar, warum so eine Partei gewinnt. Sie verspricht Halt und nationale Identität in einer sich rasch verändernden Welt. Einflüsse von außen machen immer zuerst Angst, selten wird es als Chance angesehen. Je mächtiger die politischen Institutionen werden und je weniger der Einzelne davon hat (in Form höherer Löhne oder einem besseren Arbeitsmarkt), desto stärker steigt die Skepsis.

Der Erfolg so einer Partei ist zugleich das Spiegelbild für das Versagen der anderen Seite. Wo es den momentan führenden Politikern nicht gelingt, Europa glaubhaft zu vermitteln und die Vorzüge für das Volk sichtbar werden zu lassen, wo Arbeitslosigkeit und Chancenlosigkeit Alltag im Leben normaler Menschen geworden sind.

Das „Problem“ bezieht sich auf nicht auf die Franzosen alleine, sondern auf alle, die Teil Europas sind, und die unter der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise leiden. Was wird denn schon gemacht? Es wird an der Wunderschraube „Zins“ gedreht, so wie es gerade gefällt. Niedrige Zinsen bedeuten vor allem, dass die Staatsschulden weniger Gewicht haben…  und dem Bürger der kleine Sparertrag, den er hat, auch noch genommen wird. Faktisch werden wir schon jetzt kalt enteignet, aber keinen interessiert´s.  Was sind schon die paar tausend Euro auf dem Sparkonto im Vergleich zu den Millionen Schulden von Banken und Staaten? Die, die meisten Schulden gemacht haben, werden in Form niedriger Zinsen „belohnt“- und die, die Zeit ihres Lebens mit einem kleinen Lohn immer versucht haben, über der schwarzen Null zu bleiben und sich den einen oder anderen Groschen zurückgelegt haben und langfristig- nachhaltig wirtschaften, werden nun über die niedrigen Zinsen bestraft und enteignet. Nicht mehr lange und auch die Negativ-Zinsen aufs Girokonto und der Griff auf die allerletzten Reserven werden kommen. An diesen letzten Schritt traut man sich noch nicht, weil dann alle panisch ihr Geld abheben würden und das System endgültig zusammenbrechen würde…

Aber, jetzt können sich doch alle endlich Häuser leisten! Die Zinsen sind so niedrig, also schnell den Vertrag unterschreiben. Wer denkt schon ein paar Jahre in die Zukunft? Wenn die Wirtschaft wieder brummt und die Zinsen neu verhandelt werden? Dann kann aus dem kleinen Schuldenberg ohne Zinsen-Anhang, schnell ein ganz hässlicher, großer Klotz am Bein werden und wir haben die nächste Immobilienblase.

Die Wahlbeteiligung: Die „hohen“ 43 Prozent der letzten Europawahl in Deutschland werden schon als Erfolg verzeichnet.. wobei das Faktisch bedeutet, dass die Masse der Wahlberechtigkeiten nicht erschienen ist. Am Ende wurden es diesmal 48 Prozent.

In anderen Ländern sah es noch schlimmer aus…

Europa- eine schöne Idee, die nach zwei Weltkriegen die Menschen wieder zusammenbringt und den Kontintent vereint.

Aber die schöne Europa wird unter der Gier und der Skrupellosigkeit von einigen wenigen aufs Spiel gesetzt.

Sie wird beweisen müssen, ob sie die Weitsicht hat, die ihr Name eigentlich verspricht. Und ein wenig Pragmatismus (in Form von echten Wirtschaftsreformen) würde ihr auch gut stehen…

2 Gedanken zu „Europa ohne Weitsicht“

  1. Sehr gut geschrieben!
    Ich befürchte, dass das Friedensprojekt Europa durch zuviel egoistischen Kapitalismus langfristig aufs Spiel gesetzt wird. Zuviel Arbeitslose, um die man sich nur halbherzig kümmert: Das ist der Nährboden auf dem radikale Ideen und Chauvinismus gedeihen.
    Lg Cathi

  2. danke. 😉

    Ja, es sind eine Menge Arbeitslose. Ich hab die genauen Zahlen nicht im Kopf, aber bei Interesse werd ich den Artikel noch erweitern. Und dass Deutschland immer als „Insel der Glückseligen“ bezeichnet wird, halte ich auch nur für eine temporäre Erscheinung. Man sieht am Beispiel der Zinsen, dass die Wirtschaften eng verknüpft sind und man die eigenen Probleme/ Lösungen nicht mehr national oder im Alleingang angehen kann. Daher finde ich die Entwicklung mit dem „weniger Europa“ auch so fatal.

    Vg, Julia

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