Bürotür zu, Koffer auf

Hin und wieder muss man einfach Urlaub machen. Abschalten. Entspannen. Ganz bewusst.

Doch so einfach, wie man sich das vorstellt, ist es nicht immer.

Für viele Menschen ist Arbeit mehr als nur eine Tätigkeit, die man notgedrungen gegen Geld ausübt.
Für viele Menschen ist Arbeit auch eine Methode, um sich persönlich entfalten zu können. Man möchte sich z.B. irgendwo einbringen. Man möchte „Leisung bringen“ und dann die Früchte seiner Arbeit sehen. Wenn die Belohnung ausbleibt, wenn der Chef zu wenig lobt, die Kunden nörgeln oder das Gehalt zu mickrig ist, stellt sich keine Befriedigung ein. Man denkt dann „okay dann stimmt irgendwas mit mir nicht und ich muss einfach nur noch mehr arbeiten“. Dann werden die „Belohnungen“ schon kommen. Aber hier liegt ein großer Denkfehler vor. Denn die Belohnungen kommen nur selten „von außen“. Viele Belohnungen muss man sich selbst geben. Man muss der Arbeit selbst einen Sinn geben- und sich von der negativen Außenwirkung befreien. Und genau wenn man das schafft, schafft man es auch, mal auf die Bremse zu treten. Wenn ich selbst der Mensch bin, der sich motiviert, der gerne arbeitet- dann kann ich genauso auch der Mensch sein, der mal bremst. Der bewusst abschaltet. Der die Arbeit pausiert. Der begreift, dass das Leben noch aus vielmehr besteht, als nur ständige Arbeit und Rückmeldungen von außen in Form von Geld und Anerkennung! Sich davon zu lösen ist schwer. Weil die Tätigkeit ohne Belohnung erstmal seltsam anmutet. Kein Ergebnis sehen, einfach nur in den Tag leben? Nachdenken vielleicht, ein gutes Buch lesen, oder ein Gespräch führen, dass nicht auf Produktivität ausgerichtet ist? Für viele Menschen ist das sehr schwer.

Menschen, die dann nach langer Berufstätigkeit in die Rente gehen, fallen erstmal in ein Loch. Die Arbeit hat das ganze Leben strukturiert, dahinter war nicht viel. Es wurden niemals Hobbies ausgelebt und auch die Freunde und sozialen Kontakte haben stark gelitten. Man hat immer die Arbeit „ganz nach oben“ geschoben und dahinter blieb nur ein schwarzes Loch. Dieses schwarze Loch ist aber auch ein Teil unseres Ichs, unsere verdrängten Anteile, die wir nicht sehen wollen- die uns aber als Mensch mindestens genauso prägen und charakterisieren wie die Dinge, die wir „erzeugen“. Wenn wir lange weggeschaut haben, und immer nur alles mit Arbeit zugedeckt haben, wird es manchmal schwer, zurück an diese charakterlichen Baustellen zu gehen. Und es kann niemand für uns übernehmen, wir müssen das selbst hinbekommen!

Für viele Menschen bedeutet Arbeit die Freude am Tun, die Freude am Schaffen. Man beschäftigt sich mit logischen Dingen. Man investiert Energie und man sieht die Fortschritte. Vor allem der Erfolg ist für viele Menschen sehr reizvoll. Maßeinheiten gibt es genug: Die Zahl der Likes, die Zahl der Follower, das Geld, das wir verdienen oder die Zahl unserer Mitarbeiter. Anderen Menschen zeigen wir unseren Status über das Auto, das wir fahren und die Wohlgeformtheit unserer Vorgartens oder unserer Frau. Aber Statussymbole sind nie fertig, nie endlich. Nach oben hin wird es immer etwas geben, das wir nicht haben. Es wird immer jemand geben, der mehr hat als wir. Also können wir auf dem Weg auch nur sehr schlecht glücklich werden!

Für andere Menschen wird die Arbeit zum Selbstzweck. Man macht etwas gerne, weil man sich dafür interessiert. Der äußere Zweck ist unwichtig geworden. Man arbeitet, also ist man. Alle anderen nicken nur stumm und finden sich damit ab. „Der ständig arbeitende Mensch“ ist sowas wie der Normalzustand in unserer Gesellschaft geworden. Auf die „Arbeitslosen“ und „Lebenskünstler“ blicken wir nur spöttisch herab, die können wir nicht wirklich verstehen. Oder gar ein Leben ohne Geld anstreben? Für viele von uns unmöglich!

Dazu kommt, dass der äußere Druck wirklich hoch ist. In der Erziehung werden schon die Grundlagen gelegt. Wir sollen Leistung bringen, Fehler vermeiden und immer nach dem Höchsten und nach dem Besten streben. Mangelnder Arbeitseinsatz und Fehler werden bestraft, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit und sogar „Teamfähigkeit“ werden erwartet. Dabei bedeuteten die meisten gesellschaftlichen Werte nur, dass wir uns irgendwie an andere anpassen und selbst weniger frei sein dürfen. Die Welt ist voller Konsumgüter, die wir uns aber nur „leisten“ können, wenn wir selbst etwas leisten. Später kommt dann der Druck der Familie und der Ehepartner hinzu. Der Partner erwartet von uns, dass wir arbeiten. Und die Kinder müssen etwas essen, das Haus muss abbezahlt werden. Ohne dass wir es merken, rutschen wir in eine Unfreihheit hinein, die jegliche Spontanität und Lebenslust abtöten kann. Die Wirkung zeigt sich auf verschiedenen Ebenen. Wir verlieren vielleicht den Appetit oder unsere Freude an der Sexualität. Wir sind nicht mehr „wir selbst“, sondern wir brennen aus. Wir haben so stark für andere und für unsere Projekte gebrannt, dass in uns nur noch Asche übrig geblieben ist. Wir haben vergessen, die Temperatur des Arbeitseifers zu regulieren und rechtzeitig für Nachschub, also für neue Energiereserven zu sorgen! Die Folge ist, dass auch das Feuer nicht mehr so schön brennt. Es wärmt uns nicht mehr. Wir müssen uns ganz bewusst zurücklehnen und „abschalten“. Mal in uns gehen. Das eigene Ich wieder spüren. Erkennen, was mir fehlt!

Arbeiten ist auf lange Sicht nur sinnvoll und heilsam, wenn man auch ausreichend erholsame Pausen einlegt.

Schließe mal die Bürotür hinter Dir, wirf den Schlüssel weg- sieh dich und deine Arbeit mal von außen, aus großer Entfernung und komme erst nach drei Wochen wieder zurück!

Das Zimmer ist errichtet

Zeit zum Innehalten. Endlich.

2007 sind wir in unser altes Haus in Ebertsheim eingezogen. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Wie groß das Ausmaß der Arbeit sein würde oder wie sich das anfühlt, alles „selbst zu machen“. Die Bilder in den Baumarkt-Prospekten waren so trügerisch. Dort ist immer alles perfekt ausgeleuchtet und glückliche Menschen beziehen mit einem Lächeln auf dem Gesicht ihren Balkon, ihren Garten, oder lümmeln in ihrem frisch tapezierten Wohnzimmer. Der Dreck wurde ihnen von der Maskenbildnerin künstlich ins Gesicht geschmiert und die Klamotten ein bisschen zurecht gezupft. Es sieht immer alles so leicht und einfach aus. Und es scheint alles nur einen Kaufvertrag weit entfernt. Eine kleine Entscheidung im Geiste, die wir damals in Mannheim getroffen haben, die aber unser Leben so sehr geprägt hat.

Ein Raum, in diesem großen alten Haus, fiel mir gleich ins Auge. Es war der hellste und schönste Raum. Der einzige Raum, der wirklich von allen Seiten Licht bekommt und der dazu noch etwas höher, also im ersten Stock gelegen ist. Er liegt an einem Endpunkt und man wird nicht von anderen gestört. Er hat eine hohe Decke und ist nicht so gedrungen wie die anderen Räume. Vor 200 Jahren war das die gute Stube im Bauernhaus. Damals haben die Leute nicht viel drinnen gelebt. Meistens war sie draußen auf dem Feld und wenn mal alle „reingekommen“ sind, dann hat man sich mit der 7-köpfigen Familie einen Raum geteilt. Für die Frau un ihre „Schreibarbeit“ war kein Platz, schon gar nicht der ganze große Raum! Das wäre absolut undenkbar gewesen! Man muss sich ab und zu mal zurücklehnen und über diese Privilegien nachdenken, die man erhält. Früher hatte der Raum 3 Steckdosen, jetzt haben wir ihn aktualisiert auf 17 und er hängt an zwei Sicherungskreisen. Es ist der schönste und hellste Raum und mein Mann hat ihn mir bereitwillig und ohne Zögern überlassen. Diesen schönsten Raum im Haus, den hat er mir geschenkt. Und er nimmt den etwas schlechteren Raum im Durchgangsbereich.

Ich stellte mir schon damals vor, wie ich da eines Tages sitzen werde. An meinem kleinen Schreibtisch, nur das Laptop und meine freien Gedanken vor mir. Ohne Ballast, ohne Verpflichtungen, einfach nur meine Gedanken und ich in einer perfekten Umgebung. Und ich schreibe einen Text. Mitten im Grünen, mitten in der Ruhe. Ich stellte mir das schön vor. Romantisch irgendwie, im eigenen Haus. Ehemann, Familie, Garten- fehlt noch ein kleiner Hund. Das war und ist mein Traum vom einfachen und guten Leben. 2020, also 13 Jahre später kann ich mir den eigentlichen Traum erst erfüllen. Solange hat es gebraucht, bis wir den Sanierungsstau des alten Haues überwunden haben, Schichtarbeit, Firmengründung, Seelenschieflage, Trauerarbeit und alles andere unter einen Hut gebracht haben und endlich in diesem Raum angekommen sind. Wir waren physisch zwar schon immer in diesem Raum, haben ihnen lange als Schlafzimmer für die Nachtschicht/ Spätschicht benutzt. Das war überhaupt der Grund warum wir aus der lauten Stadt weggezogen sind. Weil die laute Stadt nicht für Schichtarbeiter und ihre besonderen Bedürfnisse gemacht ist. Und weil das Einkommen nicht für ein Haus in der Stadt, auch nicht am Stadtrand gereicht hat. Wir wurden schon damals aus dem „Lebensraum Stadt“ verdrängt und kamen in einen ruhigeren, gemütlichen, freundlicheren Lebensraum „Land“ an. Ein Lebensraum, in dem frische Gedanken, und tatkräftige Menschen mit Eifer und Pioniergeist dringend gebraucht werden. Ein Lebensraum, der sich besonders in der Corona-Krise als sehr vorteilhaft erwiesen hat. Mir fehlt nichts, absolut nichts. Gerne würde ich mit 10 anderen Leuten jetzt den Umzug feiern. Das muss ich erstmal „per Skype“ machen. Und wie so oft, wenn man irgendwas frisch hinter sich gebracht hat, kommt die Freude noch nicht so richtig auf. Noch überwiegt die Müdigkeit. Alles tut mir weh. Die Hände vom Renovieren und Putzen, die Beine vom Räumen und Hin- und Hergehen, und die Seele von der aktuellen Nachrichtenlage und der großen Einsamkeit, die uns plötzlich alle erfasst hat. Die Augen brennen, entweder von der Müdigkeit oder dem Heuschnupfen. Dennoch ist der Mensch so voller Hoffnung und voller Energie. Die Energie wird uns als Menschen niemals ausgehen, auch wenn wir mal in einer Notlage sind und großes verbringen müssen. Gerade dann, wachsen wir über uns hinaus.

Ich hätte jetzt Zeit. Zeit für die nächsten großen Projekte. Zeit zum Schreiben, Zeit zum Nachdenken. Zeit, um mich mental wieder auf andere Menschen einzulassen. Das Zimmer ist errichtet, jetzt muss ich es nur noch mit Leben füllen.

Tagesbericht vom 18.3.2020

Osterdekoration in Grünstadt

Heute bin ich in die Stadt gefahren, weil ich zum Einkaufen musste.
In der Zeitung steht, dass sie Erntehelfer benötigen, weil sonst die Pflanzen nicht in die Erde, bzw. später auf den Teller kommen. Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich mich bewerben soll und mein chices Büroleben im Home Office für ein paar Monate an den Nagel hänge. Arbeit mit Erde, was „Handfestes“, plötzlich habe ich Lust drauf. Irgendwas vernünftiges tun, was wirklich Sinn macht! Und Mägen füllt. Außerdem denke ich über Blutspenden und Nachbarschaftsdienste nach. Ich hab das dringende Bedürfnis, mich irgendwie nützlich machen zu müssen.

Auf der Straße halten die Menschen Abstand. Ich habe das Gefühl, dass ich ständig blöd angeschaut und gemustert werde. Manche wechseln die Straßenseite. Überall diese Distanz.

Geschlossene Läden in Grünstadt

Die Läden in der Grünstadter Fußgängerzone sind alle geschlossen. Überall hängen Schilder, ich werde sie evt. später in diesen Artikel posten.
Gespentische Leere. Im Eiscafé sitzen ca. 4 Personen. Ich frage mich, warum es noch geöffnet hat. Beim Bäcker ist die Tür „halb zu“. Geschäftsleute in schicken Anzügen, die man sonst nie sieht, verlassen das edle Mode-Geschäft. Sie werden von einem Passanten angesprochen und reden über die Vorkehrungen, die sie getroffen haben. Eine gewisse Unsicherheit ist hinter ihrem überlegenen, freundlichen geschäftsmäßigen Lächeln zu erkennen. Ich kann sie verstehen. Das Virus wird voll reinhauen, überall.

Apotheke Hinweisschild

In der Apotheke wurde alles mit „Flatterband“ markiert und abgesperrt. Man soll sich an die Mindestabstände halten. Die nette Verkäuferin hat eine hässliche Maske und Handschuhe an. Ich fühle mich kurzeitig wie im Katastrophen-Film. Sie ist etwas verwundert, als ich nur „Allergietabletten“ kaufen möchte. Sechs Stück, denn die sind schon lange rationiert (enthalten Ephedrin).

Dann zum Supermarkt. Auf der Straße ist es ziemlich ruhig, auf dem Parkplatz auch. Spritpreise sind im Keller, aber an der Tankstelle steht auch keiner. Ansonsten ist da immer reger Betrieb und es sind immer so ca. 5-10 Autos. Drinnen das gleiche wie in der Fußgängerzone. Die Geschäfte sind abgesperrt, im Restaurant mit der Selbstbedienung wurde alles geschlossen. Ansonsten sitzen da immer gemütliche Pfälzer und mampfen. Die Kassiererinnen sitzen noch ungeschützt an den Kassen und man findet auch keine Schilder, dass Abstand gehalten werden soll.

Alles leer im Restaurant

Ich gehe durch die Regale und rechne mit dem Schlimmsten. Lebenswichtige Dinge sind vergriffen und ausverkauft. Ich komme anscheinend viel zu spät, an diesem gewöhnlichen Mittwoch-Mittag. Es gibt keine Seife, kein Toilettenpapier, keine Backhefe, kein Rapsöl oder sonstiges Öl, keine Eier mehr. Das ist absolut neu. Die Leute backen wohl wie verrückt? Dafür kann man noch teuren Lachs, Sekt und Fleisch in rauen Mengen kaufen. Ich finde dieses Einkaufsverhalten irrational.

 

Leere Regale

Zu Hause werde ich dann von klappenden Autotüren und Kindergeschrei genervt. Die ausländischen Nachbarn haben Langeweile und besuchen sich gegenseitig mit ihren Gören. Sie rennen auf der Straße rum und krakeelen. Ich bekomme schlechte Laune. Man soll sich doch nicht treffen. Wer erklärt es ihnen? Und in welcher Sprache?

Alles ist geschlossen. In Mannheim machen heute die Parks zu. In den Fabriken redet man über Kurzarbeit. Alle machen sich Sorgen. Plötzlich trifft es auch die Schlüsselindustrien, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und die EM ist natürlich auch abgesagt…

Globus Hinweisschild

Die Whatsapp und Telefon-Kommunikation hat deutlich zugenommen, das wiederum finde ich erfreulich. Ich spüre, dass man sich gegenseitig Mut machen will. Das ist schön.

Der Postbote klingelt. Keiner will mehr reden. Alles wird schnell und kommentarlos übergeben. Es ist ein Ausländer. Vielleicht hat er krakeelende Kinder daheim.

Ich stelle das Paket auf den Boden und besprühe es mit Desinfektionsmitteln. Danach wasche ich meine Hände für ca. 30 Sekunden mit warmer Seife. Die Haut ist schon ganz wund.

Mit Maß und Mitte

Dieses Jahr entwickelt sich ganz anders als das letzte. Ich find das immer spannend, wie sich so gegen Januar- Februar immer heraus kristalliert, in welche Richtung es geht. Meistens hängt das mit Stimmungen zusammen, was man so machen will, und „wohin die Reise so gehen“ soll. Wie die Beteiligten drauf sind und was sie sich für Ziele gesetzt haben. Kurzum: Das letzte Jahr war das Jahr der Reisen und Fotoausflüge und dieses Jahr fühlt sich nach dem „Jahr der Arbeit“ an. Das erste Jahr, in dem wir wirklich beide an einem Strang ziehen und uns voll der Selbstständigkeit widmen. Oder anders ausgedrückt: die letzten beiden Jahre haben wir ein bisschen herumgebummelt und uns der Freizeit gewidmet, aber dieses Jahr können wir uns diesen Luxus nicht länger erlauben.
Ein Termin jagt im Moment den Nächsten, mein Terminkalender füllt sich schneller, als ich ihn abhaken kann. Die Projekte und Ideen stapeln sich auf dem Schreibtisch, ich komme kaum dazu, sie alle zu überblicken und rechtzeitig umzusetzen. Dazu kommt meine natürliche Schlafmützigkeit und der Hang, mir die Zukunft lieber ein bisschen „auszuträumen“, als sie wirklich umzusetzen. Wenn man sich eine Sache nämlich vorstellen kann, ist es fast so gut, wie sie auch real zu erleben! Menschen mit Phantasie müssen weniger arbeiten und weniger besitzen. Eigentlich eine ganz praktische Sache!

Dennoch fühle ich mich so gehetzt. Ich hab immer das Gefühl, nicht wirklich „angekommen“ zu sein. Wenn man viele Träume und Ideen hat und für sich selbst große Ziele steckt, dann jagt man diesen Zielen immer ein Stück weit hinterher. Und es ist ganz natürlich, dass man immer zuerst „die wichtigen Projekte“ sieht, aber die schönen Dinge, die Belohnungen nach hinten schiebt. „Jetzt machen wir erst Projekt x und y fertig und dann fahren wir in den Urlaub“ heißt es oft bei uns. Aber wird Projekt x und y wirklich fertig? Und was machen wir, wenn sich zwischenzeitlich das noch wichtigere Projekt Z dazwischen mogelt? Ich bin dann oft diejenige, die die Handbremse zieht. Die für Entschleunigung und Entspannung sorgt. Das ist wichtig. Manchmal fühle ich mich blöd dabei, weil ich dann schnell mal als „faul“ oder „bequem“ abgestempelt werde und weiteren Druck abbekomme. Außerdem habe ich ein sehr großes Schlafbedürfnis und werde vom Wetter stärker beeinflusst als andere Menschen. Aber in meinen Prinzipien kann ich auch eisern sein. Die Gesundheit ist das Wichtigste!

Mein Körper beantwortet all diese Fragen nämlich gerne mit seiner eigenen Art. Er macht bei Überlastung nicht so, wie ich das möchte. Er zickt rum, er zeigt mir, dass er altert und ständig diese Immunschwäche. Irgendeine Stimme in mir würde es gerne langsamer angehen, träumerischer, gemütlicher, aber der Druck der Realität reißt mich je aus meinen Träumen. Das ist ein Konflikt. Ein Konflikt der tatsächlichen „Notwendigkeiten“ des Lebens und ein Druck der „inneren Stimme“, die etwas anderes möchte.

„Die Realität“ ist voller unangenehmer Termine. Die Abgabetermine für die Steuererklärung, der monatliche Wechsel bei der Umsatzsteuer, der Druck alle Unterlagen beisammen zu haben, dann der Termindruck und die Besuche bei Kunden. Messen müssen geplant und bereist werden, Kontakte gepflegt, neue Produkte entwickelt werden und die Werbung muss hinterher kommen. Ein Leben für die Arbeit, so wie es das Steuer-, Finanz- und Bürokratiesystem in unserem Land gerne hätte.

In dem Moment wird man krank. Wenn man den Widerspruch nicht aushalten kann, wenn er nicht gelöst werden kann. Wenn der Druck von außen zu groß wird und du nichts entgegen setzen kannst. Wenn Du keine Lust hast, aber dennoch arbeiten musst. Vor allem, wenn Du Deine eigenen Bedürfnisse ständig nach hinten schiebst, aus Angst etwas nicht erfüllen zu können. Wenn Du das perfekte Rädchen geworden bist und Deine Zahnräder schon ein bisschen abgeschliffen sind.

Überhaupt der Druck! Manche kommen ganz gut mit ihm klar. Brauchen ein bisschen Action und Drama, um überhaupt erst wach zu werden. Für andere reichen kleinere Einflüsse völlig aus, um mental überzulaufen.. Ich merke das immer beim Autofahren: Mein Partner möchte immer schnell und actionreich fahren. Mittendrin gähnt er und langweilt sich. Ich hingegen fühle mich wie in der Achterbahn! Gehe mit den Eindrücken und der Geschwindigkeit also ganz anders um! Für empfindliche Menschen ist das normale Leben viel anstrengender. Sie nehmen mehr auf, sie können weniger herausfiltern und sie brauchen längere Ruhephasen, um wieder „ins Lot zu kommen“.

Die ruhigen Menschen bremsen die gehetzten Menschen aus, wenn sie mal wieder zu viel zu schnell wollen! Und der gehetzte Mensch sorgt dafür, dass der Träumer nicht vollends einpennt.

Das bestialische Arbeitsleben

In der letzten Zeit häufen sich bei mir die Eindrücke
dass die Arbeit für viele ein großes Problem ist.

Immer wenn es Probleme mit der Freundschaft gab
wenn jemand „keine Zeit“ hatte
oder trotz langer Suche, einfach „keine Zeit“ gefunden hat
oder mangels finanzieller Möglichkeit zu keinem Treffen kommen konnte

war irgendwie „die Arbeit“ schuld!
Entweder beruflich so eingebunden, so überfordert, so ausgebeutet
oder das Gegenteil: Ohne Arbeit und ohne Geld.

Aber was ist das für eine Zivilisation, was ist das für eine Gesellschaft?
Wenn wir alle Sklaven der Arbeit werden? Und niemand mehr „freie Zeit“ findet?

Wer sind wir, wenn wir über das ureigene, nämlich unsere Lebenskraft und Lebenszeit nicht mehr frei verfügen können?

Dann sind wir nicht besser als Amöben, in einem großen Gesamtorganismus.

Jegliche Freiheit wird beschnitten! Und Freiheit ist heute auf jeden Fall auch „finanzielle Freiheit“. Die Freiheit, mal nicht arbeiten zu müssen, weil man „gespart“ hat. Die Freiheit, einen Beruf auszusuchen, der Spaß macht, nicht weil er „viel einbringt!“.

Die Freiheit, als Frau „zu Hause zu bleiben“, weil das Geld des Mannes reicht. Darüber wagt schon niemand mehr nur ansatzweise nachzudenken!

Die ganze Kraft der Menschen wird dem „produktiven Kapital“ untergeordnet alle werden ausgebeutet, wo es nur geht
damit es „dem Staat“ und den „Banken“ und dem „Finanzamt“ besser geht

Der Stempel, der für alles herhalten muss, ist die „Solidarität“.
Und es lebt sich gut mit der Vorstellung, dass es so sein könnte.

Wo bleibst du bei all dem?
Wo ist deine Würde?
Deine Freiheit?

Die Freiheit selbst zu bestimmen, wer dein Geld bekommt?
Die Freiheit, über Deine Gedanken und die Entfaltung Deiner Möglichkeiten selbst zu bestimmen?

Wir sind heute nicht besser dran als Sklaven.
Unsere Fesseln sind nur unsichtbar.
Sie heißen „Steuererklärung“, „Rentenlücke“, „Arbeiten bis 75“ und „Zurückgehende Staatseinnahmen“.
Sie heißen aber auch „Ökosteuer“, „Umsatzsteuer“, „Solidaritätszuschlag“ und „Sektsteuer“.

Die Fesseln heißen „Schichtarbeit“,  „Unbezahlte Überstunden“, „Fachkräftemangel“ und „Personalengpässe“.

Die Antreiber auf der Galeere heißen „Politiker“ und „Manager“. Oben herrscht Ego-Mentalität, Skrupellosigkeit, Korruption und Mitnahmementalität und die unteren Gesellschaftsschichten sollen brav in die Sozialkassen einzahlen.

Freiheit, vor allem materieller oder beruflicher Natur wird uns nur vorgegaukelt, aber wirklich möglich ist sie fast niemanden.

Supermarkt und so

 

Mutti, gestern war ich einkaufen. Ganz normal, musste mal sein.
Die ganze Woche war elend heiß, Mann, hat mich voll abgenervt. Kopfkino, Gesangstraining, Barbie-Träume, mehr war nicht die Woche.

Und nix frisches im Haus.. nur so Sachen, auf die ich null Bock hatte. Brot z.B. Was will ich mit Brot, wenn ich keinen Belag habe?

Also rein in die Dusche, rein in die Klamotten (warum schlabbert die Hose so?)
und dann ins Auto gehüpft. Wetter war ok. Die Tussi von früher hat mir so eine geile Karre in den Hof gestellt ich war schon neugierig, wie der abgeht.

Also Zündschlüssel drehen.. auf Gaspedal drücken. Hui, das gibt ja ein Satz nach vorne. 😉

Ich weiß nur eins, 16-Jährige Mädchen im Körper einer 39-jährigen sollten keine Autos mit V6-Motor fahren dürfen. Die Automatik (4 Gänge) ist schlecht abgestuft, der Motor heult ständig auf, wenn man es übertreibt. 😉
Ansonsten macht es mega Spaß. Und mein Typ hat mir geholfen, den Luftdruck in allen vier Reifen genau gleich hoch einzufüllen, so dass die Straßenlage jetzt auch besser ist.

An der Ampel konnte ich es kaum erwarten, mal so richtig draufzudrücken.
Oh Mist hier ist ja 60… und ich bin schon drüber… auf der Landstraße dann so ein Depp mit großem SUV, der von hinten gedrängelt hat und gemeint hat, weil ich eine Frau bin, muss er mal zeigen, wer hier den größeren hat.

Hehe, den hatte ich dann. Weil ich so schnell um die Kurven gefahren bin, dass ich ihn abgehängt hab.
War aber auch gefährlich, auf der Landstraßen kommen einem tausend Autos entgegen (Freitag mittag)
und es ist nicht immer klar, dass die auch auf ihrer Spur bleiben und so.

Dann mit Vollgas über die breitere Umgehungsstraße und schwupps war ich schon im Supermarkt.

Mit dem breiten Grinsen durch die Gänge gelaufen. Warum grinsen mich alle Leute zurück an?

War recht voll. Ich bin als erstes zur Strumpfabteilung… weil die feinen Dinger oft nicht so halten.
Frauenproblem. Es gibt hier eine Packung, 10 Strumpfhosen für den Preis von 2 Euro!! Mann das ist ja geil. Leider war die Packungen verdrückt und tlw. geöffnet, dass ich die doch nicht genommen hab. ICH TRAU DENEN NICHT.

Bei der Auswahl der richtigen Strumpfhose bin ich dann durcheinander gekommen. Maaaan, nicht gut, wenn man ungeduldig ist, es eilig hat und ständig andere Leute von hinten den Wagen an einem vorbei fahren oder quengelnde Kinder irgendwas dazwischen schreien. Jetzt werd ich schon wieder voll aggro!! Mal gibt es ne Einheitsgröße und mal nicht. Und dann diese komischen Bezeichnungen für die Farben!! Ist das jetzt schwarz oder hautfarben?? mehr braucht man doch nicht.

Egal, ich also weiter, erstmal zum Beauty-Regal. Nagellackentferner brauch ich noch dringend, das letzte Mal ewig gesucht in den 100 Quadratmeter- Frauen-Schönheits-Regalen.. aber jetzt. AUF ANHIEB!

Noch einen Duft ausssuchen… mein Parfüm ist schon wieder alle, keinen Plan warum.
Mal testweise an einem Männer-Duft geschnuppert. Ist fein, macht mich sofort an, Kopfkino und so.

Aber für mich gibt es nur eines…. Christina Aguilera, I love it.
Gibt es jetzt auch als „Glam-Version“, leider ohne Produkt-Tester… daher konnte ich nicht sagen, ob das gut ist oder nich. Und wieviel wollen die im Supermarkt dafür haben? Waaat the fuck, 10 Euro für 15 Milliliter???
Mein neues Frauen-Leben ist teuer geworden, überall wird man abgezockt. Noch einen Concealer für die Augenringe rausgesucht… whaaaat ?? 6 Euro???? Für ein bisschen Chemie-Paste, die in der Herstellung 30 Cent kostet??
Egal muss sein.. Schönheit geht über alles.

Dann noch zum Brotregal. Eine ältere Dame war verunsichert, suchte etwas („diese kleinen Vollkorn-Scheiben“), aber ich als Freundin und Helferin wusste sofort wo die stehen und hab ihr geholfen. Side-Effect! Ist cool, wenn man nett sein darf. 😉

Also bin ich weiter nett und voll grinsend durch den Supermarkt gehüpft und hab alles in Prinzessin-Rosa Farben gesehen. War cool. Irgendwas eingekauft, etwas planloser als sonst.
Tausend Sachen vergessen, egal.

Draußen dann noch ein Kiwi-Verkaufsstand, grüne und gelbe Kiwi mit Spießchen zum Probieren. Ich natürlich probiert. Weil Frühstück war mal wieder nich. Zwei sehr nette Leute, die das promoted haben. Sehr nett, ich mich gleich auf ein Schwätzchen eingelassen (mach ich sonst nicht, alles ist anders) und 8 Kiwis gekauft. Vier gelbe und vier grüne. Dazu gab es zwei Speziallöffel zum Kiwi-Auslöffeln. Super, Vitamin C- Bombe genau das worauf ich im Moment stehe.

Tja dann den ganzen Kram in den Kofferraum gekippt.. Noch schnell zur Apotheke gehastet und dann endlich daheim und die 200 kg Einkäufe erstmal verstaut. Ach ne beim Aldi war ich ja noch. Und hab eine Ladung H-Milch gekauft (voll schwer, hab ausgerechnet, müssen 12 kg sein). Zu Hause dann festgestellt, dass ich noch ganz viel Milch hab (im Vorratslager) aber mir die Dosenmilch fehlt! Aaargh! Ansonsten war es cool. Bis denni.

Das ist nicht unsere Krise – II

aber wir sind alle betroffen

Der Ausdruck „Das ist nicht unsere Krise“ drückt in aller erster Linie aus, dass wir die Krise nicht verursacht haben. Dieses „Wir“ ist dabei nicht wirklich zu fassen, aber es ist doch eine scharfe Abgrenzung gegen verantwortliche Menschen und Entscheider in den obersten Schichten der Wirtschafts- und Politiksteuerung. Das „Wir“ sind die Bürger, die breite Mittelschicht, die „abgehängte“ Unterschicht und vielleicht sogar Teile der Oberschicht. Der Ausdruck suggiert aber noch etwas anderes: Wir sind zwar nicht verantwortlich, aber wir sind sehr wohl betroffen. Es entsteht also ein ungünstiges Spannungsfeld zwischen der Verantwortung der Krise und der Last der Fehler, die aus ihr entstanden sind.

Natürlich ist es auch unsere Krise! Es wäre zu einfach wegzuschauen und zu meinen, dass es uns alle nicht betreffen wird. Vielleicht sind die unmittelbaren Folgen noch nicht abzusehen und neben den ständig steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen (letztere werden von der Preispolitik der Discounter noch in Schach gehalten) merken wir nicht wirklich, dass etwas nicht stimmt und es irgendwo auf der Welt gekracht haben soll. Diese Illusion ist gefährlich. Vom Finanzwesen und der Wirkungsweise des Geldes und der allgemeinen Konzernpolitik sind wir schon längst entfremdet- als „normaler Arbeitnehmer“ kann man nicht sehr viel mehr machen, als zu lernen und sich für einen Job zu bewerben und dann auf ein wenig Glück zu hoffen.

Dass es aber im Zuge der Globalisierung schon seit Jahren ein Druck auf die „Wettbewerbsfähigkeit“ und damit hauptsächlich die Löhne als variabelsten und weichsten Faktor gegeben hat, wird mit der jüngsten Studie des DIW deutlich:

Das Institut kommt zum Schluss, dann in den letzten zehn Jahren die inflationsbereinigten Reallöhne im Schnitt um 2,5 Prozent gesunken sind. Besonders hart betroffen hat es die Niedrigverdiener: Wer zuvor 835 Euro verdient hat, muss zehn Jahre danach gerade mal mit 705 Euro auskommen, das ist ein Rückgang von 15,57 Prozent! Eine genaue Tabelle mit den Zahlen kann man hier nachlesen;  die Original-Quelle habe ich trotz langer Suche nicht mehr auf der DIW-Seite gefunden.

Die TAZ stellt noch die interessante Parallele fest, dass die Wirtschaft im Allgemeinen um ca. 16,3 Prozent gewachsen ist. Was liegt also näher als der Schluss, dass die Wirtschaft vor allem zu Lasten der Arbeitnehmer gewachsen ist?

Die Nachdenkseiten stellen nochmal genau den Zusammenhang zwischen der Leiharbeit, den Arbeitslosenzahlen und dieser Studie her.

Denn vor allem die Leiharbeit, die niedrigen Löhne und das einseitige Begünstigen der Arbeitgeber-Seite hat zu dieser Entwicklung geführt. Man kann nicht wirklich überrascht sein, hat man doch im neoliberalen Diskurs immer genau jene Entwicklungen gefördert und politisch den Weg bereinigt. Ich erinnere mich doch gut daran, wie die Leih- und Zeitarbeit damals als probates Mittel zur Wirtschaftsförderung diskutiert wurde und dass man dann auch die Arbeitslosen aus ihrer „Stagnation“ holen wollte und ihnen langfristig den Weg in ein reguläres Arbeitsverhältnis eröffnen würde. Wie zynisch und verlogen kommt einem die damalige Diskussion vor, wenn man sich die heutigen Entwicklungen und Zahlen anschaut. Noch mehr wundert es mich aber, dass die Deutschen das anscheinend immer noch nicht kapiert haben und weiterhin bereit sind, von ihrem ohnehin schon geschrumpften Einkommen weiterhin fleißig Steuern und Abgaben zu zahlen und damit den Rettungspaketen für Euro-Länder und Banken mit zu finanzieren. Warum regt sich an dieser Stelle nicht mehr Widerstand und ziviles Aufbegehren? Die Stuttgart 21 und Atomkraftgegner- geübten Wutbürger haben das doch mittlerweile recht gut drauf…

Auch die Diskussion um den beliebten „Fachkräftemangel“ scheint vor diesem Hintergrund fragwürdiger denn je zuvor. Wenn man sich wirklich so um Fachkräfte sorgen würde, wäre man auch bereit für „anständige Arbeit anständige Gehälter“ zu zahlen und würde ganz allgemein den Wert der Arbeit durch Geld wieder höher bewerten. Auch die Ausbildung der schlechter Qualifizierten und die Investitionen in ein gutes Schulsystem und ein leistungsfähiges Hochschulwesen wäre dann kein Problem mehr. Der Wert der Arbeit und der Qualifizierten wird anscheinend nicht richtig erkannt und/ oder wertgeschätzt, wie sonst kann es sein, dass man plötzlich „völlig überraschend“ (nach dem Ende Wehrpflicht und des 12-jährigen Abiturs) mit einem Ansturm auf die Unis konfrontiert wurde und die vielen jungen Menschen, die was lernen wollten, nicht mehr unterbringen konnte?  Anstatt jetzt mehr Geld in die Lehre zu pumpen und weitere Professoren anzustellen oder die Räume zu vergrößern, vergibt man demnächst lieber strengere Zulassungsbeschränkungen oder erhöht die Gebühren. Ähnliche Entwicklungen und Beschränkungen „vom Geiste“ her finden wir bei der derzeitigen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Man kann nur hoffen, dass die Menschen im Ausland das integrationsfeindliche Deutschland als solches entlarven und einen großen Bogen darum machen werden.

Was wir derzeit ganz allgemein sehen können ist ein Ausufern des Niedringlohnsektors und immer schlechter werdende Arbeitsbedingungen bei rückläufigen Löhnen. Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung kommt also bei den Menschen überhaupt nicht an und diese Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer der Wirtschaft ist sozial und menschlich höchst gefährlich. Wenn diese Politik so weitergeführt wird, gibt es bald 99% Verlierer und nur noch ein Prozent Gewinner.

Nehmen wir als weiteres Beispiel die Pflegeberufe, die es immer wieder in die Schlagzeilen schaffen. Im Schnitt verdient ein Altenpfleger ca. 1800 Euro brutto (Quelle ). Das ist kein fürstliches Gehalt, wenn man den geleisteten Arbeitsaufwand anschaut oder sich diese Nachricht durchliest, aus der hervorgeht, dass nur 5,6 Prozent der Befragten in diesem Job keine Überstunden leisten.

Dazu gekommen ist es z.B. dadurch, dass man in den Jahren 1996 bis 2008 14,2 Prozent der Pflegekräfte abgebaut, aber die Zahl der Klinikärzte um 26 Prozent erhöht hat. Ein besseres Beispiel für die faktische und reale Abwertung dieses Berufszweiges kann es nicht geben und für die Betroffenen wird es zu einer massiven Mehrbelastung führen, die das Ansehen des Berufes weiter schmälert.

Noch schlimmer ist die Lage, wenn man global denkt und feststellt, dass weltweit sogar vier Millionen Pflegekräfte fehlen.

Der „Fachkräftemangel“ ist also kein regionales oder nationales Problem, sondern menschlich und wirtschaftlich ein weltweites Problem. In Afrika treten 24 Prozent aller Krankheiten auf, aber nur drei Prozent des Pflege-Personals arbeiten dort. Und jetzt hat man noch den Mut, ausländische Fachkräfte in diesem Sektor abzuwerben.

Die grandiose Idee der Politiker zur Lösung dieses Problems lautet schlussendlich, die ungebildeten Arbeitslosen im Pflegebereich einzusetzen .

Vielleicht sollte man lieber ein freiwilliges soziales Jahr für Politiker verordnen, damit sie mal sehen, wie die Realität vor Ort wirklich aussieht?

Fazit
Man kann also nicht wirklich sagen, dass es „nicht unsere Krise“ wäre. Es ist unsere Krise und wir sind mittendrin, verbunden z.B. über die Löhne, die Lebenshaltungskosten, die Struktur der Gesundheits- und Sozialsysteme, die Energiepreise und allgemeinen Arbeitsbedingungen. Letztendlich über den Maßstab, was wir mit unserem Geld noch bekommen und wie der Wert unserer Arbeit im Vergleich zum Kapital bemessen wird.

Es gibt viele kleine Baustellen und Puzzlestücke, die diese zum Teil fatale Vernetzheit verdeutlichen. Jeder ist betroffen, egal an welcher Stelle und an welcher Position.

Ist das gerecht gegenüber denen, die nicht arbeiten?

Ein Tag im Leben eines leidenden Vertriebsingenieurs

Montag, 6 Uhr

Eine schöne Frau kommt auf ihn zu, mit einem Hauch aus Nichts bekleidet. Er liegt am Strand, die Sonne blendet. Die kurvenlastige Unbekannte scheint ihn anzuflirten, aber sie sieht nicht aus wie Eva, nein eher wie… Er will nach ihr greifen, sie lächelt ihn an. Sie beugt sich über ihn und gerade als sie ihren Mund an seinen bringt… KNAATZ KNAATZ KNAATZ KNAATZ zerstört der etwas altertümliche Klingelton des Radioweckers seinen erotischen Traum.

Der leitende Vertriebsingenieurs (auf den Namen Holger getauft) blinzelt auf die Anzeige des nervigen Störenfrieds. „Ist es wirklich schon so spät?“- guckt er griesgrämig-ungläubig auf das Display. Er kratzt mit dem Handrücken seiner linken Hand über seine Bartstoppel, da fällt ihm ein, dass er sich heute beeilen muss, weil er ein wichtiges Meeting hat.

Also schnell in die Pantoffeln gesprungen, den Bademantel übergestreift und in die Küche geschlichen. „Gääähn“ sagt er, als er seine Frau sieht, die bereits den Kaffee aufgesetzt hat. „Oh das ist nett, Liebes.. hast du schon die Zeitu..?“

„Liegt auf dem Tisch, Bärchen.. und du wolltest Croissants, stimmt´s?“ Eva hat dunkelbraune fast schwarze Haare, die sie aber gerne mal färbt, ist immer schick gekleidet und achtet sehr auf ihre Haut und ihr Aussehen.

Für ihre 45 Jahre hat sie sich noch gut gehalten, ist sportlich, nicht zu dick und auch mit diesen Dellen an den Oberschenkeln hat sie trotz der Schwangerschaften nur wenige Probleme. Sie hat viele Hobbys, unter anderem ist sie künstlerisch und im Hausfrauen-Verein aktiv, wo sie sich jede Woche zweimal treffen, um Rezepte und Fotos von den Enkeln auszutauschen. Außerdem hat sie einen kleinen unbedeutenden Posten im Ortsverband der SPD und leitet dort die Bücher, aber nicht wirklich motiviert. Das meiste sind Männer und..

„Äh ja, oh das ist super danke.“ Der leitende Vertriebsingenieur lächelt sie kurz an, aber es ist zu kurz, um wirklich Wärme auszustrahlen. Seine Frau ist das gewohnt und sie denkt sich nichts dabei. Sie haben zusammen zwei wunderbare Kinder, Peter und Lisa, und ein sehr schönes Leben in ihrem kleinen Einfamilienhäuschen im Vorort der Stadt. Das Leben läuft perfekt. Sie hat – wie ihr Mann- etwas Kaufmännisches studiert, aber nach dem ersten Kind den Job aufgegeben, denn sein Geld reicht völlig und durch die vielen Beförderungen in den letzten Jahren… naja, sie können sich nicht beschweren.

Sicherlich, es kriselt manchmal in ihrer Ehe, aber wo kriselt es nicht? Kein Grund, um sich Sorgen zu machen. Wirklich nicht.

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Geschichten aus dem Kindergarten

Zurück aus dem Urlaub, dem kleinen Städtetrip nach Hamburg, der eigentlich keine richtiger Urlaub war. Kaum zurück, finde ich mich kaum im eigenen Haushalt zurecht, so schnell stellt sich der Mensch um. Der Kaffee schmeckt viel zu süß, weil ich mir im biologisch sinnvollen und ernährungstechnisch optimierten Haushalt angewöhnt habe, weniger zu nehmen. Und Rohrzucker schmeckt bekanntlich „bääh!“. (Mir zumindest)

Das eigene Bett ist erstaunlich weich und bequem, fast ein bisschen zu komfortabel, wenn man das mit der 6 cm dicken Reise-Klapp-Matratze vergleicht, auf der ich die letzten Tage meine Nächte verbracht hatte. Und ja, das war ein Kampf, ein Kampf gegen die eigene Natur, gegen die Untiefen und raue Gegenwinde der Seele, gegen die eigene Schwere und die nässende Bequemlichkeit des „normalen“ Alltagslebens.

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Sonnen- und Schattenseiten

Der Frühling ist da. Allerorten kündigt er sich mit großem Getöse an. Da ist zuerst mal die strahlende Sonne, die stärker als je zuvor ihre langwelligen Strahlen des breitesten Spektrums in jeden dreckigen Winkel der Wohnung schickt. Die fleißige und ständig mit schlechtem Gewissen bewehrte Hausfrau erkennt sofort, dass hier Handlungsbedarf besteht. Die anschließende Putz-Orgie führt dazu, dass sich die Körpertemperatur um ein paar Grad anhebt und noch schneller auf Touren kommt, als sie es ohnehin schon geplant hatte. Wusstet ihr, dass die Körpertemperatur im Winter tatsächlich ein wenig abgesenkt wird? Man kann sagen, der Mensch wird in einen kleinen biologischen Winterschlaf geschickt und fährt nur auf halber Flamme. Dieser Ofen muss erst wieder befeuert werden, aber manchmal knacken die Gelenke und der dazu gewonne Speck u. die verlorenen Muskeln hindern das mühelose Vorwärtskommen.

Das Sonnenlicht kurbelt nun die Glückshormon-Produktion an und vertreibt das einschläfernde Melatonin. Man bewegt sich plötzlich wieder! Man riecht wieder! Man geht wieder nach draußen, freiwillig und ganz ohne Auto. Das Leben ist wieder stärker an einem, in einem, um einen herum. Der einlullende Schleier des Winters wurde spätestens vom letzten Sturm Xynthia weggeblasen.

Ach, der Winter, wie schön war er! Obwohl ich ihn lange verflucht habe. Nun vermisse ich ihn.

Der Winter hat mich beschützt und das ganze Leben mit seinen Problemen und seinem Leid vor mir ferngehalten.

Mit einer warmen Decke und einem heißen Tee vorm Computer abhängen. Fettige, kalorienreiche Wurstwaren und Nudeln in sich reinstopfen, dazu ein paar Gläser Alkohol und später Schokolade. Sich ganz tief in den vier Wänden verkriechen, das Telefon rausstöpseln, die Internet-Blogs ignorieren, Twittern mal wieder doof finden.

Winter ist einfach eine schöne Zeit. Man ist einsam, man ist allein. Niemand da, der das eigene Leben begrenzt, kein Streß, keine nervigen Dialoge, keine Arbeit, einfach nur Ruhe.

Keine gierigen und aggressiven Menschen, die sich behaupten, selbst darstellen, abgrenzen, profilieren, beneiden, beschränken, bevormunden, manipulieren oder ausgrenzen müssen.

Kein Mensch. Das Leben ist so schön frei, ohne gierige, unglückliche, unfreie und negative Menschen.

Der Winter ist schön. Über den Frühling sollen wir uns nun alle freuen. Das angepasste Wohlstands-Affirmations-Geständnis Gesicht aufsetzen und hübsch dazu lächeln. Auch wenn uns eigentlich eher zum Heulen ist und die ganze Soße „Sonne Satt“ nur Energie abzieht und das eigene Unvermögen vor Augen hält.

Tief durchwebt vom protestantischen Arbeits-Ethos hört man von überall die Hämmer. Leistung ist gefragt! Rauf auf die Leiter, runter von der Leiter, ein paar Bretter gesägt, ja was gemacht! Der Mensch ist nur gut, wenn er was macht, wenn er was leistet.

Das sagte schon unser Ober-Guru Westerwave. Und der muss es wissen, schließlich ist er unser Außenseiterminister.